15. Mai 2004
TIN News Update
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Neue Metallabsperrungen im Jokhang-Tempel behindern den Zugang zum Tempelinnern

Um den inneren Schrein des Jokhang-Tempels in Lhasa (tib. tsug lhakhang; chin. dazhaosi) wurden Metall-Zäune von fast 1,80 m Höhe angebracht. Zweck dieser Maßnahme ist Mönchen und Anwohnern zufolge, die tibetischen Pilger, die das Tempelinnere betreten wollen, besser kontrollieren zu können und sicherzustellen, daß Touristen nicht ohne Eintrittsgeld bezahlt zu haben, hineinkommen. Das Innere des Tempels beherbergt das heiligste Buddha-Bildnis Tibets, den Jowo Shakyamuni, der im Volk auch Jowo Rinpoche genannt wird.

Fotos siehe: www.tibetinfo.net/reports/culture/barricades1.htm. Viele Tibeter wie auch Buddhisten aus China und der ganzen Welt bringen täglich im Jokhang ihre Ehrerbietung dar, aber an buddhistischen Feiertagen nimmt ihre Anzahl dramatisch zu. In einem typischen Mondmonat ziehen die Tage des Neu- und des Vollmonds am meisten Menschen an. Tibeter, die im Heiligtum des Jowo Shakyamuni ihre Gebete darbringen wollen, stehen eng gedrängt in der Reihe und bewegen sich geduldig im Schneckentempo vorwärts. Die Wartezeiten können über eine Stunde betragen, doch die Tibeter benehmen sich sehr gesittet, sie streiten sich nicht und vermeiden alles, was den Tempel in irgendeiner Weise beinträchtigen könnte.

Die neuen Absperrgitter, die fest in dem Pflaster des Hofes verankert sind, wurden etwa 6 m von der Westwand des inneren Tempels entfernt angebracht. Die gesamte Anlage hat ein einziges Tor mit einem Schild "Entrance" auf Chinesisch und Englisch direkt vor dem Eingang zum inneren Tempel. Die Barriere führt um die Ecken des Gebäudes und verläuft entlang der Nord- und der Südmauer in einem Abstand zwischen 1 und 1 ½ m von diesen. Die Absperrungen enden nach ein paar Metern an den Seiten, wodurch eine Öffnung entsteht, durch die tibetische Pilger zu dem inneren Tempeleingang gelangen können. Die von dem Zaun geschaffene Passage ist ziemlich eng, es kann sich gerade eine Person an einer anderen vorbeidrängen.

Ein Ausländer, der mit Lhasa vertraut ist, beobachtete die Szene kürzlich an einem geschäftigen Voll- oder Neumondfeiertag und berichtete TIN, am zentralen Tor und an beiden seitlichen Öffnungen seien zwei uniformierte Polizisten plaziert gewesen. Da es tibetische Polizisten waren, konnten sie mit den Pilgern sprechen, von denen einige durch diese Eintrittsprozedur verwirrt oder verärgert zu sein schienen. Für die Jokhang-Mönche und die Touristen, die ein Ticket vorweisen konnten, schlossen die Polizisten das mittlere Tor auf. Mehrere Tibeter versuchten direkt durch das Haupttor hineinzuschlüpfen, um die Seitenpassagen zu vermeiden, wo sich viele Leute drängten. Die Polizisten wiesen die meisten barsch zurück, ließen jedoch ein paar wenige hinein. Dem Besucher zufolge waren einige Jokhang-Mönche sichtbar aufgebracht, weil sie auf einen Beamten warten mußten, der ihnen, jedesmal wenn sie das Tempelinnere betreten oder verlassen wollten, das Tor aufschließen mußte. Von weiteren Restriktionen für Besucher oder Sicherheitsmaßnahmen war im Tempel nichts zu sehen. Um den Ausländer zu zitieren: "Der Anblick der frommen Tibeter hinter diesen lästigen neuen Gittern beschwört nicht gerade schmeichelhafte Vergleiche herauf. Sie sind wohlerzogene buddhistische Gläubige und keine Hooligans oder Zootiere".

Zweites Bild: www.tibetinfo.net/reports/culture/barricades2.htm. Wenn nicht gerade Stoßzeit herrscht, wird das Tor offen und unbewacht gelassen. Wann die Absperrung genau installiert wurde, ist unklar. Die Tibeter meinen, es sei Anfang Februar, um das tibetische Neujahr herum gewesen. Losar war dieses Jahr am 21. Februar.

Der Tsug Lhakhang und der Jowo Sakyamuni nehmen in der kulturellen und religiösen Geschichte Tibets einen zentralen Platz ein. Wencheng, eine Prinzessin der chinesischen Tang-Kaiser-Dynastie, brachte den Jowo Sakyamuni nach Lhasa mit, als sie im Jahre 641 von König Songtsan Gampo geehelicht wurde. Der tibetischen Geschichtsschreibung zufolge ist es ihrem und dem Einfluß der nepalesischen Gattin des Königs, Prinzessin Bhrikuti, zu verdanken, daß der tibetische König den Buddhismus annahm. Der Jokhang wurde in den Jahren gebaut, nachdem Wencheng mit dem Jowo nach Tibet gekommen war.

Obwohl Tibeter ohne Gebühr den Jokhang betreten dürfen, werden alle anderen, auch die Han-Chinesen, als Touristen eingestuft und müssen 70 Yuan zahlen, um in den Haupthof gehen zu dürfen. Ethnische Zugehörigkeit und nicht der Zweck des Besuchs ist der Faktor, der über die Höhe des Eintrittsgeldes bestimmt. Auch Gläubige werden als Touristen behandelt, wenn sie keine Tibeter sind. Die Eintrittsgebühr stellt sogar noch die berühmte Verbotene Stadt in Peking in den Schatten, wo sie derzeit 60 Yuan beträgt.

Die Bewohner der Altstadt und die Mönche sagen, daß die Barrieren das Eintreiben der hohen Eintrittsgebühren erleichtere, doch stimmen sie auch der offiziellen Rechtfertigung für die Absperrung zu, daß es so leichter sei, die tibetischen Pilgerströme besser in den Griff zu bekommen und die uralte Andachtsstätte zu schützen. Nun haben tibetische Gläubige den Jokhang aber schon Jahrhunderte lang in großer Zahl besucht, weshalb die Frage offenbleibt, warum diese Maßnahme gerade jetzt ergriffen wurde.

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