10. September 2002
Tibet Information Network
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Inhalt

"Wiederaufbau" und "Renovierung" in Lhasa

(19 Photos zu diesem Bericht gibt es auf der Website von TIN unter www.tibetinfo.net/news-updates/2002/1009.htm)

    1. Abbruch historischer Gebäude
    2. Soziale Auswirkungen
    3. Auswirkung auf das Stadtbild
    4. Weitere Veränderungen
    5. Die UNESCO und der Denkmalschutz
    6. Propaganda
    7. Schluß

In den letzten Monaten wurde das traditionelle Stadtbild Lhasas durch kontinuierlichen Abriß und Neubau in den älteren Stadtvierteln erheblich verändert, was Anlaß zu ernster Sorge um die historische Bausubstanz der tibetischen Hauptstadt gibt. Verschiedene Beobachtergruppen, darunter auch Tibet Information Network, berichteten schon früher über die baulichen Veränderungen in Lhasa. Der hier vorliegende Sonderbericht ist eine detaillierte Darstellung der Auswirkungen dieser Veränderungen auf das gegenwärtige und das künftige Stadtbild, sowie auf die tibetische Bevölkerung in den betroffenen Stadtteilen: Gleichzeitig werden die diesbezüglich in offiziellen chinesischen Medien erschienenen Berichte erörtert, ebenso in welcher Weise sie sich auf Lhasas Status als Weltkulturerbe beziehen.

Die gegenwärtige Umwandlung der Altstadt Lhasas wurde zu Beginn dieses Jahres in den amtlichen Medien angekündigt. Xinhuanet veröffentlichte am 11. Januar einen Artikel auf Englisch mit dem Titel "Lhasa to improve its old quarters" (Lhasa gestaltet seine Altstadt neu), worin es heißt. "Die Bewohner der Stadt werden innerhalb von drei Jahren nicht nur ihre eigenen Wohnviertel kaum mehr wiedererkennen, sondern auch Besucher von nah und fern werden auf Anhieb nicht mehr sagen können, wo sie sich gerade in Lhasa befinden". Dem Artikel zufolge geht es bei den Veränderungen in der Altstadt vor allem um eine Verbesserung der elementaren Infrastruktur, wobei behauptet wird, daß durch den geplanten Ausbau der Abwasserrinnen, die Installation eines Kanalisationssystems und einen neuen Straßenbelag der "muffige Geruch in den Wohnvierteln der Altstadt von Lhasa" verschwinden wird. Weiter heißt es darin: "Die Abfallberge werden ebenso verschwinden, nachdem die Anwohner ihre Gewohnheiten geändert und gelernt haben, den Müll zu sammeln und an den geeigneten Ort zu bringen". Wie dem Leser hier ziemlich primitiv nahegelegt wird, ist die Altstadt Lhasas überwiegend von Tibetern bewohnt, und in der Tat stellt diese die letzte tibetische Wohngegend der Stadt dar. Die zunehmende Anzahl chinesischer Zuwanderer, die in Lhasa bereits die Mehrheit der Bevölkerung darstellen, wohnt gewöhnlich in den modernen Stadtteilen, die nach 1960 gebaut wurden.

Der Artikel betont, daß es sich bei der Transformation der alten Quartiere Lhasas keineswegs um einen Zerstörungsprozeß handle, sondern um "Stadterneuerung", wobei "die alten Wohnviertel instand gesetzt und verschönert werden" und dabei "der äußerst attraktive tibetische Baustil fortbestehen wird, so daß alle ihn sehen und bewundern können".

Teil 1

Abbruch historischer Gebäude

Angesichts des Ausmaßes der urbanen Umgestaltung, die in diesem Jahr in Lhasa stattgefunden hat, konzentriert sich der vorliegende Bericht, anstatt alle Veränderungen im einzelnen zu erfassen, auf drei für den Prozeß typische Stätten von Abriß und Neubau. Diese wurden entweder wegen des Ausmaßes der Veränderungen und der Bedenklichkeit ihrer langfristigen Auswirkungen oder wegen ihrer besonderen Bedeutung unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes ausgewählt.

Abbruchbereich 1: TIN berichtete am 29. April 2002 über die Zerstörung eines traditionellen Gebäudekomplexes an der Ecke der Dekyi Shar Lam (chin. Beijing Dong Lu) und der Mentsikhang Lam (chin. Zangyiyuan Lu), www.tibetinfo.net/news-updates/2002/2904.htm. "Weitere Zerstörung historischer Gebäude in Lhasa": Im Frühsommer wurden vier Häuserblocks, die zwischen dem Yabshi Phunkhang (dem Haus der Familie des 11. Dalai Lama) und dem Tashi Togay Hotel (Zangyiyuan Lu 8) liegen, vollständig abgerissen. Im Rahmen desselben Projektes wurden auch vier Blöcke auf der anderen Seite der Dekyi Shar Lam, da wo sie an den Zhide Datsang (einen zum Sera Kloster gehörenden monastischen Gebäudekomplex) anschließt, abgerissen, wodurch eine große Brache entsteht. Die Bewohner dieser Häuser hörten, daß noch andere Häuserblocks weiter östlich an der Deyi Shar Lam nächstes Jahr für den Abbruch vorgesehen seien.

Abbruchbereich 2: Anfang April verkündete Radio Lhasa, daß "die Tausende von traditionellen Butterlämpchen, die im Jokhang-Tempel brennen, eine Gefahr für das Gebäude darstellten". Noch im selben Monat wurde zwischen den zwei großen Wacholder-Räucheröfen (tib. sangtab) vor dem Jokhang Tempel eine spezielle Betonstruktur errichtet, auf der auf Chinesisch und Tibetisch geschrieben stand:

"Zum Schutz des kulturellen Erbes und der Kunstschätze muß die Brandgefahr beseitigt werden. Hindernisse zu beseitigen ist edler als sie zu schaffen. Unsere Verantwortung wiegt schwerer als der Mt. Everest" (aus dem Tibetischen übersetzt).

Am 11. Juni wiederholte ein kurzer Artikel in China Daily: "Tausende von Lämpchen, die Tausende von Jahren gebrannt haben, sind nun aus dem Jokhang Tempel in ein spezielles Lampen-Haus gebracht worden. Dieses Haus, das 210.000 RMB (25.600 USD) kostete, wurde von der Regierung gestiftet, um die Kulturschätze im Jokhang Tempel zu schützen". Die Ankündigung von weiteren Plänen zum Ausbau der elektrischen Beleuchtungsanlagen im Tempel geben zu der Befürchtung Anlaß, daß in dem Gebäude offenes Licht bald ganz verboten sein wird. Indessen scheint diese Befürchtung unberechtigt, da offensichtlich noch eine kleine Anzahl von Butterlämpchen gestattet ist.

Das "Spezial-Lampen-Haus" wurde im Spätsommer fertiggestellt, es besteht aus einer in den Boden eingelassenen etwa 8 x 10 m großen Betonstruktur, die offensichtlich nur zum Einsatz kommt, wenn während der Festzeiten und speziellen Opferzeremonien sehr viele Lämpchen angezündet werden. Für Tibeter sind Opfer, die auf dem Gelände des Jokhang, des heiligsten Tempels in Tibet, dargebracht werden, besonders glückbringend. Wenn man sehr viel Glück braucht, etwa bei einer Heirat oder der Erkrankung eines Familienmitgliedes spenden manche Leute Geld für das Anzünden einer großen Zahl von Butterlämpchen. Potentiell stellen solche Opfergaben, die mehrere Tausend Butterlämpchen (manchmal ein Vielfaches der heiligen Zahl 108) umfassen können, natürlich ein Brandrisiko dar. In der Tat sind in der Vergangenheit einige größere Brände in historischen Gebäuden durch die offenen Flammen der Butterlämpchen ausgelöst worden. Im Jokhang selbst ist es daher seit Jahren Vorschrift, daß Feuerlöscher in der Nähe der vielen verschiedenen Altäre angebracht sind.

Abbruchbereich 3: Ein weiteres Gebiet städtischer Umgestaltung befindet sich südöstlich der historischen Altstadt an der Innenseite des Lingkhor (Lingkhor Lho Lam)(1), an der Stelle, wo er sich der Chingdroel Shar Lam nähert. In diesem Stadtteil wohnten traditionell moslemische und nepalesische Händler. Unter der früheren tibetischen Regierung befand sich zum Beispiel die nepalesische Botschaft in diesem Stadtteil. So wurde der an seinem östlichen Rand gelegene Kache Lhakhang zerstört, eine äußerst charakteristische, kleine und alte Moschee für Moslem Händler kaschmirischer und ladakhischer Herkunft. An seiner Stelle wird nun eine viel größere und neue Moschee gebaut, deren Fassade einen eher tibetischen Baustil aufweist. Säulen und Fensterstürze aus Zement tragen Verzierungen im Stil eines tibetischen Tempels. Die alte Moschee war hingegen ein einzigartiges historisches Monument, bei dem südasiatische islamische Züge, wie die zwei Miniaturminarette, welche das Bauwerk einrahmten, und das kuppelförmige Dach mit tibetischen Elementen, wie dem charakteristischen Eingangstor, harmonisch vereint waren.

Teil 2

Soziale Auswirkungen

Von den aktuellen Zerstörungen und dem Wiederaufbau von Gebäuden werden die Einwohner der Zone eins, also des altes Stadtkerns von Lhasa, der fast ausschließlich von Tibetern bewohnt wird, unmittelbar betroffen.

Abgesehen von der offiziellen Erklärung, daß die "Qualität" der Wohnungen und die urbane Infrastruktur "verbessert" werden sollen, scheint es, daß die Zerstörung der Häuser im Abbruchbereich 1 und ihr anschließender Wiederaufbau eine empfindliche Mieterhöhung mit sich bringen werden. Bei den wieder aufzubauenden Häusern kommt zu den bisher üblichen zwei Stockwerken plus Parterre ein weiteres Stockwerk hinzu, wodurch automatisch die Mieteinnahmen der Stadt Lhasa, welche an den meisten Häusern einen Besitzanteil von 25 % hat, anwachsen werden. Die Einnahmen werden auch insofern steigen, als die Mieten in den neuen Gebäuden vermutlich höher sein werden.

Die Zerstörung der alten Häuser kam für die meisten Mieter, ebenso wie für die Hausbesitzer - es handelte sich um Privathäuser - völlig überraschend. Den Ladenbesitzern und Bewohnern wurden wurde nur eine Frist von zehn Tagen zur Räumung der Gebäude gegeben, und es gab auch keine Möglichkeit, ein Gesuch um Aufschub an die Behörden zu richten. Die Mieter aus einem Gebäude unweit des Yak-Hotels wurden zeitweilig in andere Stadtteile von Lhasa verlegt. Andere Leute hingegen bekamen keine alternativen Wohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Höchstwahrscheinlich werden viele der bisherigen Mieter nicht in der Lage sein, die höheren Mieten in den Neubauten zu zahlen, denn viele Familien in der Altstadt von Lhasa sind relativ arm. Die meisten werden daher wohl gezwungen sein, in die Vororte von Lhasa oder noch weiter weg zu ziehen, womit sie eine Umgebung, die ihrem Lebensstil entsprach und die für das Fortbestehen der tibetischen Kultur wesentlich war, verlassen müssen.

Die Besitzer der abgebrochenen Gebäude wurden zu einem festen Satz entschädigt - unbestätigten Berichten zufolge erhielten sie eine Entschädigung von 20.000 - 25.000 RMB (etwa 2.450-4.030 USD). Den ursprünglichen Eigentümern wurde erklärt, daß sie ihre wiederaufgebauten Häuser zurückkaufen könnten, wenn auch zu einem übertrieben hohen Preis. Mehrere Ladenbesitzer berichten, die Stadt beabsichtige ihnen ihre früheren Läden zu 170.000 RMB (20.700 USD) anzubieten, was etwa das Siebzehnfache des vor einigen Jahren von ihnen gezahlten Preises bedeutet. Bevor sie auszogen, verlangten einige Eigentümer eine Garantie, daß sie in ihre Häuser zurückkehren können. Ob ihnen diese gewährt wurde, konnte TIN nicht herausbekommen. Außerdem zeigt die Erfahrung, daß die ursprünglichen Hausbesitzer trotz der Ausstellung einer Garantie neuen Besitzern Platz machen müssen - oftmals Verwandten, Freunden oder Geschäftspartnern von Bauunternehmern oder Kadern in der Stadtverwaltung. Obwohl keine Fälle von offenen Auseinandersetzungen bestätigt wurden, sollen sich einige Leute geweigert haben, ihre Wohnungen zu verlassen, bis sie schließlich dazu gezwungen wurden.

Den Mietern wurde nicht einmal gestattet, aus den zerstörten Gebäuden Holzbalken mitzunehmen, die für die neuen Stahlbetonkonstruktionen nicht mehr gebraucht werden. Holz ist ein teures Baumaterial in Zentraltibet, und die enteigneten Besitzer hätten als Ergänzung zu der ihnen gebotenen mageren Entschädigung damit durchaus noch eine ansehnliche Summe hinzuverdienen können. Einigen Quellen zufolge sollen die Baufirmen und bei der Stadtverwaltung beschäftigte Kader sich dieses Holz angeeignet haben, anstatt daß es den bisherigen Hausbesitzern gegeben wurde.

Obgleich einige der abgerissenen Gebäude zweifellos eine Renovierung nötig gehabt hätten und meistens keinen modernen Komfort aufwiesen, bestehen ernsthafte Bedenken gegenüber der Qualität der Neubauten, die jetzt errichtet werden. In jüngster Vergangenheit wurden die neuen Häuser, obwohl sie beim Kauf teuer sind, billig hochgezogen und es zeigte sich, daß ihr Qualitätsstandard besonders bei den Sanitäreinrichtungen zu wünschen übrig ließ. Beleuchtung und Belüftung waren, wenn überhaupt vorhanden, mangelhaft.

Ein weiterer Grund zur Sorge ist die bauliche Sicherheit der neuen Häuser. Als Rechtfertigung für die Notwendigkeit, neue Häuser zu bauen, wurde u.a. ein Gesetz zitiert, das besagt, daß alle Gebäude mit Holzpfeilern nicht sicher genug seien und durch Stahlbeton-Konstruktionen mit dünnen Mauern und Betondeckenplatten ersetzt werden müßten.

Bauexperten zufolge ist aber gerade diese Konstruktionsweise besonders anfällig für Erdbebenschäden. Dies ist um so mehr der Fall, als der dabei verwendete Beton gewöhnlich von schlechter Qualität ist, außerdem werden, um Material- und Baukosten zu sparen, die Stahlverstärkungen in dem Beton oft auf ein Minimum reduziert. In Lhasa wurden viele historische Gebäude, die mehrere hundert Jahre den Erdbeben standgehalten hatten, durch Bauten ersetzt, die sich als nicht erdbebenfest erwiesen. Diese Bauweise ist bereits allgemeine Praxis in ganz China, aber nun nimmt sie besonders in Lhasa überhand. Ein Baufachmann meinte TIN gegenüber, daß die jetzt im Abbruchbereich 1 im Bau befindlichen neuen Häuser wegen des Extra-Stockwerks, das ihnen aufgesetzt wird, wahrscheinlich mehr erdbebengefährdet sind als die bisherigen Gebäude.

Eine weitere nachteilige Folge der Zerstörung und des Wiederaufbaus von Gebäuden in der Altstadt ist, daß die Behörden jetzt, wo sie die Unterkünfte vergeben, eine neue Gelegenheit haben, die Wohnungsbewerber zu sieben. Alle Leute, die sich um eine Wohnung bewerben, müssen Einwohnerausweise besitzen, und die Größe ihrer Familien sollte den offiziellen Richtlinien entsprechen. Viele der ehemaligen Bewohner der zerstörten Häuser sind aus der ländlichen Umgebung oder aus Osttibet nach Lhasa gezogen und besitzen daher nicht die lokalen Rationskarten, die sie zum günstigen Einkauf oder zur Nutzung der öffentlichen Einrichtungen berechtigen würden. Nur Personen und Familien mit "Hintertür-Beziehungen" können solche Extrakosten vermeiden, doch Leute ohne offizielle Kontakte sehen sich einer ganzen Reihe von (offiziellen und inoffiziellen) Ausgaben und Gebühren gegenüber, welche für die vom Lande Zugezogenen meistens nicht erschwinglich sind.

Kurz gesagt, die baulichen Veränderungen im Abbruchbereich 1 wirken sich für die bisherigen Mieter und Eigentümer - größtenteils Tibeter - eindeutig negativ und nachteilig aus. Wirtschaftlich gesehen erleiden die bisherigen privaten Eigentümer einen empfindlichen Verlust, den in voraussehbarer Zukunft nur wenige wettmachen können, während die meisten der früheren Mieter bei der zu erwartenden Mietsteigerung sich ihre neu gebauten Wohnungen nicht mehr leisten können. Darüber hinaus ist die angebliche Verbesserung der Lebensbedingungen in den neuen Häusern, welche die Behörden als Rechtfertigung für das ganze Projekt nennt, alles andere als gesichert.

Diese Veränderungen werden wahrscheinlich die ärmsten Einwohner Lhasas noch mehr marginalisieren und gleichzeitig den letzten homogenen Stadtbezirk tibetischer Lebensart in Lhasa aushöhlen. Die Nutznießer werden indessen die Beamten der Stadtverwaltung von Lhasa und ihre Verwandten sein. Die Behörden werden eine bessere Kontrolle über einen Stadtteil gewinnen, der in jüngster Vergangenheit der politisch heikelste in der Stadt gewesen ist, und gleichzeitig werden sie durch Mieten und Gebühren ihr Einkommen vermehren können. Ein weiterer Sektor, der bedeutende Gewinne aus den Veränderungen in Lhasa ziehen wird, ist die Bauindustrie. Beobachtern fiel das zunehmende gute Einvernehmen zwischen Lokalpolitikern und Bauunternehmern auf, wobei Mitglieder besonders einflußreicher Familien sowohl unter den einen als auch den anderen (sitzen) zu finden sind.

Teil 3

Auswirkung auf das Stadtbild

Die im traditionellen Stil gebauten Straßen und Häuser, die um der Modernisierung willen im Abbruchareal eins zerstört wurden, waren nicht ausgesprochen alt. Die meisten von ihnen wurden in den 70er und frühen 80er Jahren - allerdings größtenteils mit traditionellem Material - gebaut, sie fügten sich jedoch ausgezeichnet in das historische Stadtbild der Altstadt ein. Die nunmehr abgerissenen Häuserblocks gehörten zu einer von der Partei vorgeschlagenen und von der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) als angemessener Rahmen für die wenigen noch vorhandenen echten historischen Bauten Lhasas gutgeheißenen "Pufferzone", insbesondere für den Jokhang, der zusammen mit dem Potala Palast und dem Norbulingka (der Sommerresidenz des Dalai Lama) zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Die neuen Gebäude sind indessen unförmige Gebäude, denen die traditionellen tibetischen Baumerkmale, wie massive Eingangstüren, Fensterstürze und Balkone fehlen, obwohl ihre meistens aus Stein gebauten Außenmauern eine gute Wärmedämmung bieten. Um ihnen ein tibetisches Aussehen zu verleihen, wurden die Fassaden teilweise mit primitiv imitierten traditionellen Motiven bemalt. In anderen Teilen der Stadt werden über 100 Jahre alte historische Bauwerke durch neue Gebäude ersetzt, bei denen nicht einmal versucht wird, die "Kosmetik" traditioneller Charakteristika aufzutragen. Statt dessen werden die Steinmauern durch solche aus Betonplatten ersetzt, und die Fenster werden aus Metallrahmen und blau befärbtem Glas gefertigt, was beides typisch für die zeitgenössische Architektur in Sichuan ist, von woher die Bauerunternehmer in Tibet ihre modernen Baumaterialien beziehen. Ganz zu schweigen von ästhetischen Erwägungen ist eine solche Bauweise - mag sie auch für die klimatischen Verhältnisse in dem tiefer gelegenen Sichuan geeignet sein - für Tibet völlig ungeeignet, wo Schutz gegen Kälte und größtmögliche Ausnutzung von Sonnenlicht und Wärme oberstes Gebot sind. Denkmalpfleger und Bauexperten befürchten daher, daß die Häuser, die nun im Abbruchareal (Abbruchbereich) 1 gebaut werden, ebenfalls in diesem Stil ausfallen werden.

Was das Abbruchareal 2 betrifft, so widerspricht die neue Konstruktion für die Butterlämpchen vor dem Jokhang an und für sich nicht der tibetischen Religionspraxis. Als Anfang der achtziger Jahre einige Einschränkungen für religiöse Handlungen gelockert wurden und die Tibeter wieder Butterlämpchen anzünden durften, reagierten die Behörden auf die wachsende Beliebtheit dieser Praxis, indem sie den sogenannten "Holzhof" (tib. shingra) öffneten und dort zusätzliche Tische für Butterlampen aufstellen ließen. Früher wurde in diesem Hof, der an den Haupttempel im Jokhang anschließt, das Brennholz für die riesigen, bei den großen Festen eingesetzten Buttertee-Kessel gelagert. Diese Umfunktionalisierung des "Holzhofes" (dessen alte Nutzung nicht mehr zeitgemäß war) tat weder der allgemeinen Bestimmung des Jokhang Komplexes Abbruch noch seinem Erscheinungsbild, denn für die neue Nutzung des "Holzhofes" mußte keine Veränderung an dem Gebäude vorgenommen werden.

Die neue Anlage für das Abbrennen der Lämpchen gefährdet hingegen den traditionellen Charakter der Umgebung des Jokhang. Ähnlich wie bei den neuen Gebäuden im Abbruchareal 1 handelt es sich dabei um eine klobige längliche Betonkonstruktion, die mit traditioneller tibetischer Architektur kaum etwas gemeinsam hat. Ebenso wie die neuen Häuser im Abbruchareal 1 wurde sie durch einen weißen Anstrich und durch die Anfügung eines Frieses oben entlang der Mauer, der die typische äußere Erscheinung eines tibetischen Klosters imitieren soll, "tibetisch gemacht". Die neue Anlage entstand gegenüber dem Jowo Utha, einem heiligen mit Mauern umgebenen Gelände, in dem drei Bäume stehen, die dem tibetischem Glauben zufolge aus einem Haar des Buddha gewachsen sein sollen; außerdem gibt es dort einen Gedenkstein in Erinnerung an eine größere Spende eines Manchu Kaisers an den Jokhang Tempel. Um Platz für die neue Konstruktion zu schaffen, wurde die rekonstruierte Westmauer zerstört(2). Daher muß diese neue Anlage, abgesehen von einem oberflächlichen Versuch, ihr einen tibetischen Anstrich zu geben, durchaus als störendes Element in dem historischen Erscheinungsbild des Jokhang Komplexes betrachtet werden. All dies trägt weiter zu der Zerstörung der Umgebung des Jokhangs bei, die schon in den 1980ern einsetzte, als die meisten Häuser vor dem Tempel abgerissen und durch neue Gebäude ersetzt wurden. Zudem wurde an der Westseite des Komplexes ein großer Platz neu geschaffen.

Bei dem Abbruchareal 3 stellt die Zerstörung der alten Moschee einen eindeutigen Verlust für das historische und kulturelle Erbe Lhasas dar. Vom Standpunkt des Denkmalschutzes aus gesehen kann der Bau einer neuen Moschee als kein angemessener Ersatz gelten. Daß die neue Moschee in einem "tibetischeren" Stil wieder neu aufgebaut werden soll, ist paradoxerweise eine weitere Entstellung von Lhasas historischem Erbe. Der Wert der alten Moschee lag nicht nur in der Tatsache, daß sie alt war, sondern eben darin, daß ihre atypische Bauweise den kosmopolitischen Charakter des ehemaligen Lhasas und die Anwesenheit von tibetischen Muslimen mit fremder Herkunft reflektierte(3). Gerade der nicht-tibetische Charakter der alten Moschee war es, der sie zu einem einmaligen Monument in bezug auf die tibetische Geschichte machte.

Es ist offensichtlich, daß die jetzigen baulichen Veränderungen in Lhasa von einem Geist der "Modernisierung" motiviert sind, der in deutlichem Konflikt mit der Erhaltung des tibetischen Kulturerbes steht. Bei dieser "Modernisierung" handelt es sich aber leider nicht um die Renovierung existierender tibetischer Häuser im Einklang mit ihrem Originalstil oder die Versorgung der Bewohner mit notwendigen Verbesserungen ihres Lebensstandards - ganz zu schweigen von der wünschenswerten Infrastruktur und den Annehmlichkeiten des modernen Lebens. Die derzeitige Transformation der tibetischen Hauptstadt folgt eher einem Muster der Zerstörung, einhergehend mit einem verhältnismäßig schäbigen Wiederaufbau und einer nur oberflächlichen, rein kosmetischen "Tibetisierung" der neu entstehenden Quartiere. Auf diese Weise scheint die derzeitige Bauwut eher zur kulturellen Verarmung der tibetischen Hauptstadt und ihres historischen Erbes zu führen, wobei der Nutzen für die Kommune insgesamt im besten Falle minimal ist. Es muß hinzugefügt werden, daß nicht nur in Lhasa, sondern auch in anderen tibetischen Städten die Entwicklungen ähnlich wie die oben geschildert verläuft.

Teil 4

Weitere Veränderungen

Die Veränderungen in Lhasa bleiben nicht auf nur auf die Viertel beschränkt, die streng genommen die Altstadt ausmachen. In den vergangenen Monaten sind in ihrer näheren Umgebung neue Gebäude entstanden, die ebenfalls zu der allmählichen Verschandelung der tibetischen Hauptstadt beitrugen. Ein 13-stöckiges Hochhaus, in dem sich die Zentrale des Public Security Bureau (PSB), des wichtigsten Sicherheitsapparates der TAR, befindet, ist in diesem Jahr zum neuen und markanten Punkt der Silhouette der Stadt geworden und entstellt das bisherige spezifische Stadtbild Lhasas.

Im Frühling dieses Jahres wurde außerdem ein klobiges Betonmonument, das der "friedlichen Befreiung Tibets" gewidmet ist, vor dem Potala Palast eingeweiht. Der Standort dieses neuen Monumentes (das die "Einheit aller Nationalitäten" in China repräsentieren soll) vor dem Potala hat eine gewisse symbolische Bedeutung: Andere historische Monumente, eine über 1.000 Jahre alte Stele, in die der Text eines Friedensvertrages zwischen dem damaligen Großreich Tibet und China eingraviert ist und zwei Pavillons im Pagodenstil, die über Gedenktafeln von Manchu Kaisern aufgestellt wurden, befinden sich hier. Das neue Monument soll nun ebenso wie die alten Denkmäler die lange Geschichte politischer Beziehungen und Spannungen zwischen Tibet und China anschaulich machen. Symbolträchtig ist das Monument auch insofern, als es zwischen dem Potala, der Hauptresidenz des Dalai Lama, und dem Sitz der heutigen Regierung der TAR steht, womit es sowohl das vergangene als auch das gegenwärtige Schicksal Tibets versinnbildlichen soll. Ebenso wie das neue PSB-Hochhaus zieht das Monument in diesem Teil der tibetischen Hauptstadt die Blicke auf sich.

Außer dem PSB-Hochhaus und dem Monument der "friedlichen Befreiung" ist noch eine ganze Reihe weiterer kleinerer Monumente in Lhasa entstanden, die oft einen unpassenden Stil aufweisen und am falschen Platze stehen. So wurde zum Beispiel ein dem Tourismus gewidmetes modernistisches Denkmal in chinesischem Stil ganz nahe dem Potala aufgestellt. Das Amt für Tourismus hat im Hinblick auf die Verschönerung dieser Gegend der Stadt außerdem einige Reihen Plastikpalmen "gepflanzt".

Teil 5

Die UNESCO und der Denkmalschutz

Internationale Experten für Denkmalschutz und Stadtentwicklung stellen mit Entsetzen fest, daß die chinesischen Behörden sich nicht an die international vereinbarten Richtlinien zum Schutz des kulturellen Erbes von Lhasa halten. 1994 wurde der Potala zum Weltkulturerbe der UNESCO erklärt, Ende 2000 folgte der Jokhang und im Dezember 2001 die Gegend um den Norbulingka. Zusammengefaßt werden sie in der Liste der UNESCO als das "historische Ensemble des Potala Palastes in Lhasa" geführt. Daß die von der UNESCO mit China zum Schutz des Potala und dem Barkhor-Areal vereinbarten Richtlinien jetzt verletzt werden, ist besonders besorgniserregend. Abgesehen von der Zerstörung historischer Gebäude und der mangelnden Rücksichtnahme auf die Pufferzone, wie bereits unter Abbruchareal 1 ausgeführt wurde, kamen die chinesischen Behörden auch ihrer Pflicht, die UN Vertretung über die geplanten Veränderungen zu informieren, nicht nach. Art. 56 der Richtlinien für die Umsetzung der Weltkulturerbe-Konvention besagt: "Das Weltkulturerbe-Komitee bittet die Vertragsstaaten, falls sie die Absicht haben, in einer unter dem Schutz der Konvention stehenden Zone größere Restaurierungen oder Neubauten, die den Wert des Weltkulturerbes beeinträchtigen könnten, vorzunehmen oder zu bewilligen, vorher das Komitee über das UNESCO Sekretariat zu informieren. Die Benachrichtigung sollte so bald wie möglich erfolgen (noch vor Ausarbeitung von Plänen für spezifische Projekte) und noch ehe irgendwelche Entscheidungen getroffen werden, die nur schwer rückgängig zu machen sind. Das Weltkulturerbe-Komitee könnte in diesem Fall bei der Suche nach angemessenen Lösungen behilflich sein, damit dem betreffenden Weltkulturerbe voller Schutz gewährleistet wird."

Schon bevor dieses Jahr mit den oben beschriebenen Baumaßnahmen begonnen wurde, hatte das UNESCO Weltkulturerbe-Komitee gewisse Bedenken geäußert. Im Bericht von der 25. Sitzung des Weltkulturerbe-Komitees, das vom 11 - 16. Dezember 2001 in Helsinki tagte, wird festgehalten: "Wegen des hohen Entwicklungsdruckes in der Innenstadt von Lhasa sollte der Frage, wie man die in der Zone um das Weltkulturerbe drohenden Veränderungen entschärfen kann, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden". Offensichtlich alarmiert durch das Tempo der Entwicklung in Lhasa, diskutierte das Weltkulturerbe-Komitee bei seiner 26. Sitzung zwischen dem 24. und 29. Juni 2002 in Budapest noch einmal die Lage in der tibetischen Hauptstadt. Während die eigentlichen Beratungen des Komitees vertraulich sind, wurde bekannt, daß die chinesischen Behörden auf die Vorwürfe unangemessener Veränderungen von seiten der UNESCO reagiert haben, wobei sie sich auf gesetzliche Details in der Vereinbarung beriefen. So erklärte etwa Lobsang Tenzin, der Vize-Bürgermeister von Lhasa, welcher der Sitzung beiwohnte, immer wieder, das PSB-Hochhaus sei noch vor der Ausweitung der Weltkulturerbe-Schutzzone auf das gesamte Barkhor-Areal gebaut worden. Dies stimmt jedoch nur teilweise, insofern als das Gebäude ja erst 2002 fertig wurde. Im Falle des "Befreiungsmonuments" vor dem Potala Palast wurde darauf hingewiesen, daß sich das Denkmal gerade außerhalb der Begrenzung der Schutzzone befinde. In beiden Fällen können die chinesischen Behörden daher behaupten, sich streng an die Richtlinien der UNESCO gehalten zu haben, wobei sie jedoch nicht viel Achtung für deren Geist zeigten.

Wie schon gesagt, sind die Diskussionen des Komitees über dieses Thema vertraulich. Das Komitee hat jedoch darum gebeten, daß von UNESCO-ICOMOS eine gemeinsame Kommission von Beobachtern entsandt werde, "um den Stand der Erhaltung der Bausubstanz zu überprüfen und der für das kulturelle Erbe zuständigen Behörde beratend beizustehen" - und zwar noch vor der 27. Sitzung des Weltkulturerbe-Komitees im Juni/Juli 2003, die den Bericht der Kommission begutachten wird(4). Dies läßt darauf schließen, daß die von den Chinesen in Helsinki und Budapest abgegebenen Erklärungen das Komitee nicht zufriedenstellten.

Teil 6

Propaganda

Indessen startete die staatlich kontrollierte Presse in China eine intensive Propagandakampagne, deren Zweck es offensichtlich ist, der wachsenden internationalen Kritik an der "Modernisierung" der tibetischen Hauptstadt zu begegnen, die besonders im Juni und Juli 2002 große Ausmaße annahm. Der zweite Absatz eines Artikels vom 23. Juli, in dem es um alte tibetische Gebäude geht, beginnt beispielsweise so: "Wir antworten nun auf einige in letzter Zeit im Ausland kursierende Gerüchte über die Renovierungs- und Umbauaktionen (gaizao) in dem alten Stadtviertel von Lhasa..."(5).Diverse Artikel wurden über die "Wiederaufbauarbeiten" auf Webseiten und in Zeitungen, wie in den internationalen Ausgaben von Tibet Daily, Tibet Commercial Newspaper und People's Daily, veröffentlicht, für die meistens Xinhua zeichnete. Außerdem fand unmittelbar im Anschluß an die UNESCO Konferenz in Budapest eine Pressekonferenz in Lhasa statt, wie von Tibet Daily am 28. Juni 2002 berichtet wurde. Der erste bedeutsame Artikel, der von der Website www.tibetinform.com in ihrer Rubrik über die Umgestaltung der Altstadt von Lhasa zitiert wurde, datiert vom 16. Juni (aus Tibet Daily). Zwischen diesem Datum und dem 22. Juli scheinen nur ein paar kurze Beiträge zu diesem Thema veröffentlicht worden sein, als ein langer Artikel von Xinhua mit dem Titel "Umstände der Veränderung und Verbesserung in der Altstadt von Lhasa: Ihre Bewohner erhalten zum ersten Mal Toiletten mit Wasserspülung" erschien(6). Vom 23. bis 26. Juli wurden täglich 3-6 mittlere oder längere Artikel zu diesem Thema veröffentlicht, die meistens von Xinhua Korrespondenten in Lhasa stammten. Nach dem 26. Juli ließ die Häufigkeit der Beiträge deutlich nach, wobei es im Monat August kaum noch welche oder nur unbedeutende gab; erst Anfang September erschienen wieder zwei längere Aufsätze. Artikel auf Englisch gab es den Umständen entsprechend weniger als solche auf Chinesisch.

Bemerkenswert ist, daß der im Gang befindliche Prozeß in den englischen Artikeln fast ausnahmslos mit dem Wort "Renovierung" umschrieben wird. Dieser Begriff - dessen Verwendung sehr wohl absichtlich erfolgt sein könnte - weist im Unterschied zu "Wiederaufbau" eher auf die Erneuerung oder Ausbesserung eines bestehenden Gebäudes hin. In den chinesischsprachigen Artikeln wird indessen ein viel größeres Spektrum an Begriffen verwendet. Das häufig benutzte gaijian bedeutet Wiederaufbau oder Wiederherstellung, während weixiu normalerweise mit Erhaltung, Wartung, Instandhaltung, Reparatur übersetzt wird, womit es sich vielleicht eher auf die Restauration alter Gebäude bezieht als auf ihren kompletten Abbruch und ihre Neuerrichtung. Gaizao, der chinesische Begriff, der mit "Umbau" übersetzt wird, hat auch die Bedeutung von "erneuern oder nachschaffen". Meistens ist nicht klar, ob er sich auf eine komplette Neuerrichtung oder nur auf eine Restauration bezieht. Der allgemeine, aus der chinesischsprachigen Propaganda gewonnene Eindruck ist der einer Kombination von Zerstörung und Wiederaufbau, mit einem gewissen Maß an Reparaturarbeiten, während die Artikel auf Englisch mit dem Wort "Renovierungsarbeiten" einen etwas verschwommeneres Bild abgeben.

Was die Art und Weise der Propaganda anbetrifft, so wird die Argumentation für die Wiederaufbauarbeit hauptsächlich in zwei Linien geführt. Bei der ersten geht es um die Frage, ob der betreffende Gebäudekomplex besonderen Schutz als Weltkulturerbe genießt oder nicht, während die zweite sich mit den Wünschen der betreffenden Tibeter hinsichtlich ihrer Wohnverhältnisse befaßt. Wir werden nun jede einzeln analysieren und dabei auf bestimmte Artikel Bezug nehmen.

Während viele der jetzt in "Renovierung" befindlichen Wohnhäuser um den Jokhang herum aus den siebziger und achtziger Jahren stammen, fügten sie sich ausgezeichnet in den Stil der Altstadt. Sie waren unter Verwendung von hergebrachten Materialien erbaut worden und paßten gut zu dem Bild der wenigen übriggebliebenen historischen Gebäude. Diese Wohnhäuser wurden daher als eine "Pufferzone" angesehen, wie sie von der Partei vorgeschlagen und von der UNESCO als angemessener Rahmen für die wenigen noch vorhandenen echt historischen Gebäude einschließlich des Jokhang gutgeheißen worden war. Die von den Propagandisten vorgebrachten Argumente umgehen diesen Punkt gänzlich. In mehreren Artikeln wird ein sehr deutlicher Unterschied gemacht zwischen den Adjektiven gu (das für alt, archaisch, historisch, uralt steht) und lao ("alt" im Kontrast zu "neu", allgemein für Dinge, die nicht so alt wie gu sind), wie zum Beispiel in lao chengshi, Altstadt. Die Folge davon ist, daß Dinge, die als gu beschrieben werden, erhaltenswert sind, während lao Dinge nicht unbedingt geschützt werden müssen. So zitiert ein am 23. Juli veröffentlichter Artikel Guo Bai, den Leiter des Denkmalschutzamtes der Stadt Lhasa: "Die Reparaturmaßnahmen (weixiu) und die Umbauten (gaizao) werden vorgenommen, um die alten (gu) Gebäude gut zu erhalten, außerdem nahm kein einziges der alten (gu) Gebäude im tibetischen Stil Schaden".

Im selben Artikel bezeichnet Guo Bao die Häuser in dem alten Stadtviertel als "alte Gebäude mit tibetischen Charakteristika (you zangzu tese de lao jianzhu) und fährt fort: "Da manche alt und manche neu sind (yinwei niandai you chang you duan), können sie nicht alle als "alte Gebäude' bezeichnet werden, und außerdem entspräche dies nicht der Standarddefinition als ein Weltkulturerbe' (shijie wenhua yichan)". Der "Lebende Buddha' (die chinesische Bezeichnung für einen inkarnierten Lama) Bomi Qambalozhub (tib. Pome Chamba Lodrub) wird in einem weiteren Artikel mit der Aussage, vieles von der "Altstadt" sei erst im 20. Jahrhundert gebaut worden, zitiert.

Yangpei, der tibetische Bauleiter des Projektes und Chef des Stadtbauamtes von Lhasa, räumte in dem Artikel vom 23. Juli ein, daß eine ganze Reihe von Gebäuden abgebrochen wurde: "Wir rissen zwar ein paar Häuser ein, aber diese sind vor nicht allzu langer Zeit gebaut worden, es handelte sich also dabei um moderne Bauten, die nicht zu den alten Gebäuden paßten. Alles wurde entsprechend der Ratschläge der Experten vom Weltkulturerbe ausgeführt". Und er fuhr fort: "Was die paar alten Gebäude anbelangt, die so baufällig waren, daß sie beinahe einstürzten, zogen wir Unternehmer heran, die sich auf die tibetische Bauweise spezialisiert haben. Sie sind in der Lage, Konservierungsarbeiten (weixiu) sach- und fachgerecht durchzuführen, denn ihre Ingenieure verfügen über sehr gute Fachkenntnisse in der tibetischen Bauweise". Dabei bleibt jedoch unklar, welche "alten Gebäude" Herr Yangpei nun meinte.

Eine weitere rechtfertigende Bemerkung bezieht sich auf die angeblich geringe Größe des betroffenen Areals: Das Umbau-Projekt beträfe "nur" 5,4% der 130 Hektar der Altstadt. Derselbe Artikel stellt fest: "Die Instandsetzungsarbeiten an wichtigen alten Gebäuden werden in strenger Befolgung der traditionellen Methoden vorgenommen, unter Verwendung von Schlamm und Sandstein (shashi), genau dasselbe wie "akatu' in der Vergangenheit". Dieser Satz bezieht sich natürlich nur auf die "alten" Gebäude.

Mehrere Propaganda-Artikel versuchen, die Aufmerksamkeit von der Art und Weise, in der die Arbeiten erfolgen, eher auf das Zahlenwerk und die Höhe der Investitionen, die von der Regierung getätigt werden, zu lenken. So heißt es in einem englischsprachigen Artikel vom 23. Juli(7): "Seit 1979 hat die Zentralregierung über 300 Mio. Yuan (36 Mio. USD) für die Renovierung von Gebäuden in der Altstadt Lhasas und ihre Erhaltung im Originalstil ausgegeben"(8). Ein anderer Artikel besagt, die Regierung investierte jetzt 70 Mio. RMB (8,5 Mio. USD) für die Restaurierung und Umgestaltung von 56 Innenhofkomplexen in der Altstadt, von denen vier auf der Denkmalschutzliste der Stadt stehen(9).

Die Basis aller offiziellen Argumente für die Notwendigkeit dieser Arbeiten ist die Behauptung, daß die bisherigen Wohnhäuser im wesentlichen veraltet und baufällig seien. Einem am 24. Juli veröffentlichten Artikel(10) zufolge soll Tashi Dhundup, der Vorsitzende des Volkskongresses der Stadt Lhasa, gesagt haben: "Viele der Wohnhäuser in Lhasas Altstadtviertel sind aus Holz und Lehm gebaut, und besonders im Erdgeschoß sind sie dunkel und feucht. Über 90% der Mauern weisen Risse auf, und viel von dem Holz ist wurmstichig. In der Regenzeit werden die Bauten sogar noch gefährlicher und bedrohen direkt die darin wohnenden Menschen". Und er fuhr fort: "Der Zweck der Reparatur- und Umbaumaßnahmen (weixiu gaizao) ist ganz eindeutig der, die Gefahr aus den Häusern dieses alten Stadtviertels zu verbannen und die wirklich alten Gebäude der Altstadt besser zu schützen".

In einem Artikel vom 30. Juli mit der Überschrift "Der Welt die Augen für die Wahrheit öffnen" wird der "lebende Buddha' Lobsang Tenzin, der Vizebürgermeister Lhasas und stellvertretende Leiter des ständigen Ausschusses für das Restaurierungs- und Umgestaltungsprojekt der Altstadt, zitiert, der von dem gewaltigen Anstieg des Lebensstandards der Menschen in Lhasa nach 50-jähriger Entwicklung sprach: "Sie sind nicht mehr damit zufrieden, in dunklen und feuchten Häusern zu wohnen, sie fordern von der Regierung nachdrücklich, mehr Geld in die Verbesserung ihrer Wohnverhältnisse zu investieren"(11).

Es scheint, daß den Behörden sehr daran gelegen ist zu beweisen, daß die betroffenen Tibeter den Neubauprozeß unterstützen. Einem Artikel vom 24. Juli zufolge wurde eine Befragung von über 1.000 Haushalten durchgeführt: "Die Umfrage zeigt, daß die derzeit in der Altstadt von Lhasa begonnenen Instandsetzungs- und Umbauarbeiten den Wünschen ihrer Bewohner entsprechen". Es habe nur geringfügige Kritik gegeben, etwa, daß die Arbeitsteams die Bewohner zum Ausziehen gedrängt hätten, um schnell ans Werk gehen zu können. Ein Bewohner namens Danba kommentiert: "Diese Umfrage... war notwendig, damit die Stimmen der Bewohner dieser Häuser durch den Volkskongreß der Regierung zu Ohren kommen. Als Sprecher unseres Häuserblocks erwog ich gründlich die Meinungen eines jeden".

Die Behörden erachteten die Abhaltung einer Befragung für wesentlich, um beweisen zu können, daß das dort wohnende Volk glücklich ist. Doch kann man an der Art und Weise, wie sie durchgeführt wurde, Zweifel hegen. Da die Umfrage erst "in den letzten Tagen" stattfand, konnte sie den Entscheidungsprozeß ganz eindeutig nicht mehr beeinflussen. Außerdem war sie nicht anonym, denn Namen und Adressen mußten genannt werden, und sie wurde von den Nachbarschaftskomitees/dem Volkskongreß durchgeführt. In dem Pressebericht steht nichts davon, was für Gebäude an die Stelle der alten treten werden, und ob die Bewohner damit zufrieden sind. In dem Fragebogen wurde anscheinend spezifisch danach gefragt, ob sie den Einbau von Toiletten mit Wasserspülung wünschten und ob sie auf individuelle Küchen Wert legten. Da dies alles Elemente sind, die eine Neuplanung der Gebäude erfordern, fragt man sich, ob der Fragebogen nicht etwa im Hinblick auf spezifische Antworten hin ausgelegt war. Wie in anderen ähnlichen Fällen ist anzuzweifeln, wie zuverlässig die Ergebnisse einer Umfrage sind, bei der es keine Anonymität gibt, bei der die Arbeiten bereits begonnen haben und bei der die Behörden deutlich eine ganze Reihe bestimmter Antworten erwarten.

Etwas allgemeiner soll Tashi Dhundup, der Vorsitzende des Volkskongresses von Lhasa, am 23. Juli gesagt haben, daß die Regierung die Bewohner um Vorschläge gebeten hätte und sich als "endgültige Prinzipien für die Restaurierungsmaßnahmen die beiden "Musts' für einen Umbau (liange bixu) und die beiden 'Must not change' (liange bu neng bian) ergeben hätten. Das heißt: Verändert werden müssen die von der Stadtverwaltung (lao chengqu de shi zheng jichu sheshi) festgelegte Basis-Infrastruktur und die interne Infrastruktur der traditionellen Gebäude; nicht verändert werden dürfen hingegen der allgemeine Verlauf der Straßen und Gassen in dem alten Stadtviertel und das Erscheinungsbild der alten Gebäude (gu jianzhu) von historischem Wert". Diese Worte sind alles andere als beruhigend: Die Veränderung der internen Infrastruktur wird als "notwendig" erachtet, während bei den alten Gebäuden von historischem Wert nur von der Beibehaltung ihres äußeren "Erscheinungsbildes" die Rede ist.

Sowohl in den chinesisch- als auch in den englischsprachigen Artikeln werden immer wieder die Worte gewöhnlicher Tibeter zitiert. So soll einem Artikel in Xinhuanet vom 23. Juli ("Eine 1.000 Jahre alte Straße in Lhasa bewahrt ihr ursprüngliches Aussehen") zufolge der 73-jährige "Bandain" gesagt haben: "Tatsächlich sind die meisten Gebäude entlang dem Barkhor unverändert geblieben..., der Barkhor ist noch derselbe alte Weg, außer daß er jetzt sauberer ist und mehr Läden bekommen hat". Am anderen Ende der Skala werden auch zwei "Lebende Buddhas" zitiert. Der 85-jährige Bomi Qambalozhub wird in einem Artikel vom 24. Juli folgendermaßen zitiert: "Der Buddhismus bewertet das menschliche Leben hoch und sein Ziel ist, alle lebenden Wesen vom Leid zu erlösen. Werden nun an den gefährlichen Häusern, welche das Leben der darin wohnenden Menschen bedrohen, Reparaturen vorgenommen, so geschieht dies, um das Leben der Menschen zu beschützen, was mit der buddhistischen Lehre völlig übereinstimmt".

Mit einem etwas politischeren Anstrich sagte der "Lebende Buddha" Lobsang Tenzin, Vizebürgermeister Lhasas und stellvertretender Leiter des ständigen Ausschusses für das Restaurierungs- und Umgestaltungsprojekt der Altstadt: "Wir erhielten viele Briefe aus dem Ausland, die um eine Erklärung für die Umbauten (gaizao) in der Altstadt von Lhasa nachsuchten. Die Briefe trugen alle verschiedene Unterschriften, doch der Inhalt war im großen und ganzen der selbe, was zeigt, daß sie das Werk einer kleinen Personengruppe sind. Manche Leute wollen nämlich keine Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung von Lhasa sehen, und sie wollen nicht, daß die Leute (laobaixing) in geräumigen, sicheren Häusern wohnen". Damit wird jedem Protest und jeder Infragestellung der Restaurierungsarbeiten aus dem Ausland eine hohe politische Bedeutung beigemessen.

Wie bereits erwähnt, wurden im August nur wenige Artikel zu diesem Thema veröffentlicht. Das Auftauchen zweier längerer Beiträge auf Chinesisch Anfang September zeigt jedoch, daß das Umbauprojekt in Lhasa für die Regierung immer noch eine sehr "lebendige' Propaganda-Angelegenheit ist. Während die zwei Artikel die Tendenz haben, bereits früher benutzte Argumente zu wiederholen, wird in demjenigen vom 2. September mit der Überschrift "Mach' das Alte im alten Stil neu: Lhasa sagt seinen baufälligen Häusern Ade"(12) kurz auf die Übereinstimmung der Arbeiten mit den Auflagen des Weltkulturerbes hingewiesen: "Als der Jokhang in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde, entsprach er allen sechs Anforderungen an ein Weltkulturerbe. Von diesen berührt die Umgestaltung der Altstadt die fünfte, während die anderen überhaupt nicht betroffen sind, und abgesehen davon wird das Bauwerk des Jokhang ganz gewiß keinen Schaden erleiden...". In einem anderem Aufsatz mit der Überschrift "Ein weiterer deutlicher Beweis für den Schutz der alten (gulao) tibetischen Kultur: Die Rettung der Altstadt von Lhasa"(13) heißt es: "In letzter Zeit haben einige Leute aus dem Ausland, welche die wahre Lage nicht begreifen, eine Unmenge von Spekulationen aufgestellt. Sie diffamieren sogar die chinesische Regierung und beschuldigen sie der Zerstörung alter tibetischer Gebäude und verbreiten Zerstörungstheorien über die tibetische Kultur. Ein paar Leute mit üblen Hintergedanken benutzten sogar die 26. Sitzung des Weltkulturerbe-Komitees, um einen Angriff auf uns zu starten...". Es besteht kein Zweifel, daß die chinesische Regierung alles daransetzt, um die Vorwürfe, daß die Auflagen des Weltkulturerbes nicht eingehalten würden, zu entkräftigen.

Teil 7

Schluss

Dieser Bericht wirft ein Schlaglicht darauf, daß Lhasa 2002 schneller umgebaut wurde als je zuvor. Ungeachtet der Tatsache, daß diese Umbauten unbestreitbar einem echten Bedürfnis der Einwohner Lhasas nach einer Modernisierung ihrer Stadt entsprechen, sieht es so aus, als ob die Mehrheit der Bewohner der Stadt nichts davon hätte. Zumindest auf kurze Sicht werden die meisten der betroffenen Tibeter durch diese baulichen Veränderungen auf jeden Fall wirtschaftlich und sozial geschädigt. Vom Standpunkt des Denkmalschutzes aus betrachtet, bedeuten sie gegenüber dem vor ein paar Jahren gemachten Fortschritt de facto einen Schritt zurück zu einer Politik der Modernisierung um jeden Preis(14). Wo dem einzigartigen Charakter Lhasas überhaupt noch Achtung gezollt wird, geschieht dies meistens durch symbolische und oberflächliche Maßnahmen, die in deutlichem Widerspruch zu den international akzeptierten Normen stehen. Der Schutzstatus, den die größten Teile des historischen Stadtkerns durch ihre Erklärung zum Weltkulturerbe durch die UNESCO erhielten, konnte die begonnene Entwicklung bisher nicht aufhalten. Internationale Experten hegen ernste Zweifel, daß die geplante Erkundungsmission, die von der UNESCO nach Lhasa entsandt werden soll, irgend etwas anderes ausrichten kann, als den nicht wiedergutzumachenden Schaden festzustellen. Während die UNESCO Lhasa theoretisch den Status eines Weltkulturerbes entziehen könnte, weil die mit dieser Ernennung verbundenen Regeln nicht eingehalten wurden, ist es unwahrscheinlich, daß ein solch potentiell zu einer Konfrontation führender Schritt unternommen wird.

Die Leute, die von der derzeit stattfindenden Umgestaltung der Stadt profitieren, sind die lokalen Eliten - eine Koalition der politischen und wirtschaftlichen Macht. Während die chinesische Zentralregierung in der Vergangenheit die Bereitschaft erkennen ließ, wirklich Maßnahmen zur Erhaltung des kulturellen Erbes Tibets zu ergreifen, und auch beteuerte, daß die lokalen Eliten in der TAR nicht ohne Pekings Zustimmung alleine schalten und walten dürften, gibt es keinerlei Anzeichen mehr dafür, daß China tatsächlich irgendwelche realen Schritte unternimmt, um Lhasas kulturelles Erbe zu schützen. Initiativen aus dem Ausland, die versuchten, dem neuesten Stand der Technik entsprechende Renovierungsarbeiten in Lhasa durchzuführen und gleichzeitig die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen zu verbessern, wurden in letzter Zeit aus Lhasa ausgewiesen. Ein Beispiel hierfür ist die internationale NGO "Tibet Heritage Fund".

In dem zehnten Fünfjahresplan der TAR steht, daß Lhasa zu einer "modernen Stadt mittlerer Größe mit einem reichen ethnischen Flair" entwickelt werden soll. Es heißt dort ebenso: "Bei der Entwicklung von kleinen Städten müssen wir darauf achten, daß wir ihre individuellen Züge betonen; das letzte, was wir tun dürfen, ist, dieselbe Formel überall anzuwenden. Insbesondere müssen wir uns bemühen, kulturelle Zeugnisse vergangener Epochen, sowie Kultur- und Naturlandschaften von ethnischer oder lokaler Bedeutung zu schützen". In einem kürzlich erschienenen Artikel hebt Professor Zhu Tiezhen, der stellvertretende Direktor des chinesischen Forschungsinstituts für Stadtentwicklung, diesen Tatbestand nachdrücklich hervor und übt dabei an den bisherigen Praktiken scharfe Kritik. Er wird so zitiert(15): "Ein Grund für die Zerstörung traditioneller Stadtbilder ist es, daß nur das Neue für gut gehalten wird. Die aktuelle Diskussion von Erfolgen auf dem Gebiet der Stadtentwicklung dreht sich nur um "ein vollkommen neues Gesicht', wobei es dann überhaupt nicht mehr darum geht" ob "neu' auch gut ist. Einige historische Straßen und alte Gebäude in den Städten sind im Laufe der Zeit unvermeidlich heruntergekommen; sie mögen vielleicht alt und baufällig aussehen, aber ihr historischer Wert nimmt ständig zu; bei manchen handelt es sich zweifellos um unwiederbringliche Schätze, und wenn sie zerstört oder abgebrochen werden, dann gibt es keine Möglichkeit mehr, sie zurückzuholen. Einerseits reißen gegenwärtig einige Städte in brutaler Weise alte und wirklich wertvolle Gebäude ab, während sie andererseits riesige Geldsummen für Gebäude in nachgemachtem antikem Stil ohne jedweden kulturellen Wert verschwenden.... Die Geschichte einer Stadt ist die Geschichte einer Nation, weshalb wir der Erhaltung der architektonischen Schätze einer Stadt, ihrer offenen Plätze und historischen Gebäude, ihrer typischen Straßen und Quartieren, wozu auch ganze Altstadtgebiete (gucheng) mit ihren speziellen Bauvorschriften zählen, große Bedeutung beimessen sollten. Entwicklung ist eine Errungenschaft, aber Erhaltung ist eine ebenso große Leistung."

Die hier vorgelegte Untersuchung der jüngsten und noch anhaltenden Umgestaltung Lhasas zeigt, daß die im zehnten Fünfjahresplan dargelegten Ideen über Stadtentwicklung, sowie auch die von Professor Zhu wohl kaum in die Tat umgesetzt wurden. Obwohl man solch einen Trend zur Modernisierung auch in China selbst findet, ist er in den Gebieten "nationaler Minderheiten" häufiger anzutreffen. Während es durchaus möglich scheint, daß Leute wie Professor Zhu im Laufe der Zeit für ihre Ideen nicht nur die theoretische Zustimmung der Regierung, sondern auch ihre tatsächliche Unterstützung finden werden, sieht es so aus, als ob deren Anwendung für Lhasa und andere tibetische Stadtbilder zu spät kommt.

1) Der traditionelle Pilgerweg um den historischen Kern der Stadt

2) Diese Mauer war vor 1980 schon einmal zerstört worden, aber als der Jokhang seine religiöse Funktion wieder zurückerhielt, nach dem historischen Modell wiederaufgebaut worden.

3) Die "Lhasa Khache" waren die Nachkommen muslimischer Händler vor allem aus Ladakh, Kashmir und Turkestan, insbesondere aus der Stadt Kashgar, die sich in Lhasa Tibeterinnen zu Frauen genommen hatten. Sie waren eine der zwei Gruppen tibetischer Muslime, während die andere die Hopaling, ein tibetischer Zweig der chinesischen Muslime, der Hui, war. Obwohl sie nur eine kleine Gemeinde bildeten, spielten die Lhasa Khache eine entscheidende Rolle in den Handelsbeziehungen Tibets mit der Außenwelt. Nach 1959 wurden sie inhaftiert, weil die meisten von ihnen einen indischen Paß beantragt hatten, wozu sie nach dem sino-indischen Vertrag von 1954 auch berechtigt waren, um aus Tibet zu fliehen. Nach ihrer Freilassung Anfang der Sechziger emigrierte die überwiegende Mehrheit von ihnen nach Kashmir und in den Mittleren Osten.

4) siehe: www.unesco.org/toc/mainf17.htm

5) "Lhasa old city carries out repairs and transformations"

6) "Circumstances of the transformation (gaizao) and improvement in Lhasa's old city: Inhabitants will have flush toilets for the first time"

7) "1000 year old street in Lhasa retains original look", Xinhuanet, 23 July 2002

8) Ein chinesischsprachiger Artikel vom 16 Juni "Alte Gebäude werden bestimmt so bleiben, wie sie waren" [gu jianzhu "yiran ru jiu'] fügt hinzu... "einschließlich großer Mengen von Gold, Silber und anderem Material, das für die Ausbesserung und Erhaltung von Tibets alten Bauwerken verwendet wird"

9) "Investitionen von 70 Mio. Yuan - Expertenmeinung über Restauration und Umbau in der Altstadt von Lhasa", Xinhua, Lhasa, 24. Juli 2002

10) Die Umfrage bestätigt: "Renovierung und Umbau in der Altstadt von Lhasa erfolgen in Übereinstimmung mit den Wünschen der tibetischen Bewohner", Xinhua, Lhasa, 24. Juli 2002.

11) "Explaining the Truth to the World", Xinhua, Lhasa, 30 July 2002

12) Tibet Science and Technology News, 2 September, und in www.tibetinform.com

13) Veröffentlicht über Xinhuanet, 4 September, und in www.tibetinform.com

14) Am 20. Juli 2000 gab die Lokalregierung ein Zirkular mit dem Titel "Resolutionen zum Schutz der Einwohnerrechte der in den alten denkmalgeschützten Gebäuden der Stadt Lhasa wohnenden Tibeter" heraus. Dies war das erste eindeutige offizielle Dokument, in dem steht, daß die Regierung entschlossen ist, Wohnhäuser von erhaltenswertem kulturellem Wert zu schützen und zu erhalten.

15) Zhu Tiezhen: "Chinese cities are gradually losing their characteristics", Development Research Centre, drcnet.com, 15 August 2002

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