18. April 2003
TIN News Update
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Neue Information über ein laogai in Amdo

TIN erhielt inzwischen die Bestätigung dafür, daß in dem riesigen Industriekombinat für hydroelektrische Ausrüstung westlich von Xining in der Provinz Qinghai (von Tibetern traditionell Amdo genannt) politische Häftlinge eingesetzt werden. Einer der politischen Häftlinge, Lobsang Dhargyal, starb dort im vergangenen November nur wenige Monate nach seiner Verurteilung in einem Militärhospital in Xining. Die Umstände, die zu seinem Tod führten, bleiben weiterhin ungeklärt.

In der Stadt Xining gibt es mehrere industrielle Großkomplexe, in denen Zwangsarbeit eingesetzt wird. Es heißt, in der riesigen Fabrik für hydroelektrische Ausrüstung, die auch als "Qinghai Gefängnis No. 5" bezeichnet wird, gebe es eine große Zahl von Gefangenen, die aber meistens keine Tibeter sind (siehe www.tibetinfo.net/reports/trpirs/hydro.htm).

Berichten zufolge wurden im August oder September 2002 Lobsang Dhargyal und Tashi Gyatso, zwei Tibeter aus Ragya (Distrikt Machen in der TAP Golog im südlichen Qinghai), zu langen Haftstrafen verurteilt und in das Kombinat für hydroelektrisches Gerät von Xining eingewiesen. Sie waren im April 2001 auf ihrem Rückweg von Indien nach Tibet festgenommen worden.

Lobsang Dhargyal wurde wegen "spalterischer Aktivitäten" und Spionage angeklagt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Im November 2002 erkrankte er und wurde in ein Militärhospital in Xining eingeliefert. Aus Quellen, die mit dem Fall vertraut sind, verlautet, der 36-jährige Lobsang Dhargyal habe bereits im Koma gelegen. Obwohl dieser Umstand einer Gehirnverletzung zugeschrieben werden könnte, gibt es keine eindeutigen Hinweise auf Mißhandlungen oder Gewalteinwirkung von außen. Als Datum seines Todes wird der 17. November genannt, doch manche Quellen sprechen auch vom 19. November.

Tashi Gyatso wurde zu 13 Jahren verurteilt und soll sich in demselben Kombinat befinden, aber es gibt keine weiteren Details in seinem Fall. Es heißt, er sei in Indien gewesen, und es ist anzunehmen, daß er Lobsang Dhargyal auf dem Rückweg von dort getroffen hat.

Lobsang Dhargyal, mit Laienname Dzamtrin, war ein Mönch des Klosters Ragya. 1992 wurde er zum ersten Mal verhaftet, und weil er Flugschriften mit politischen Aufrufen wie "Free Tibet" und "Lang lebe der Dalai Lama" während der Inthronisierungszeremonie des Shingza Rinpoche (Shingza Pandita Jetsun Lobsang Tenzin Choekyi Gyaltsen) verteilt hatte, zu 3 Jahren verurteilt. Die Tibeter betrachten den Shingza Rinpoche als die Reinkarnation der Mutter von Tsongkhapa, dem Gründer der Gelugpa-Schule des tibetischen Buddhismus. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe half Lobsang Dhargyal 1997 dem Rinpoche ins Exil zu fliehen. Der Grund für dessen Flucht war wohl die allgemeine Furcht der dort lebenden Tibeter, daß die Behörden ihn und seinen Status zu politischen Zwecken ausnutzen könnten.

Die "Qinghai Fabrik für Installation von Hydroelektrizität" (Qinghai Shuidian Shebei Zhizao Chang) ist eine riesige Industrieanlage, die wenige Kilometer westlich des Stadtrandes von Xining in dem Dorf Duoba zwischen Zhangjiawan und Pengjiazhai liegt. Sie grenzt an die Fernstraße, die von Xining aus nach Westen führt und die sich später in den Highway No. 109 (nach Golmud/Lhasa) und No. 214 (nach Yushu und Chamdo) gabelt. Der Teil der Gefängnismauer, der zu dem Highway hin liegt, weist etwa sechs große Wachtürme auf.

Ein junger Tibeter, der Anfang der neunziger Jahre in dieser Einrichtung inhaftiert war, berichtet, die Zahl an tibetischen Gefangenen sei nicht besonders groß gewesen. "Ich verbüßte meine Strafe in den Blöcken (chin. tui) 4 und 7, und in beiden gab es nur drei bis fünf tibetische Insassen". Alle seien gewöhnliche Gefangene gewesen, besonders Nomaden, die sich um das Weideland Kämpfe geliefert hatten, weshalb sie zu 10 bis 12 Jahren verurteilt worden seien. Die Zwangsarbeit in den verschiedenen Blöcken des Kombinats bestand damals in der Herstellung von elektrischem oder mechanischem Gerät, aber auch in der Ziegelfertigung, der Arbeit auf dem Bau und der Gemüse- und Obstzucht.

Ein ehemaliger tibetischer Insasse erzählt: "Dieses Gefängnis war eher so etwas wie eine Produktionsstätte, die Leute kamen und bestellten Waren in verschiedener Ausfertigung, und wir stellten sie dann gemäß ihren Anweisungen her". Er beschreibt die Arbeit als sehr hart für die Insassen mit kürzeren Strafen und als etwas leichter für Gefangene mit sehr langen Strafen. Häftlinge, die nur noch wenige Jahre zu verbüßen hatten oder solche, die man für vertrauenswürdig hielt, wurden zur Arbeit hinausgebracht, wahrscheinlich zum Bau von Verwaltungsgebäuden in Xining.

Siehe auch:

TIN News 10. März 2003 "Strukturelle Veränderungen bei der politischen Gefangenschaft", http://www.igfm-muenchen.de/tibet/tin/PoliticalDetention.html

TIN News Update 16. August 2002 "Neuer Straftrakt im Drapchi Gefängnis", http://www.igfm-muenchen.de/tibet/tin/PunishmentBlock.htmlTIN News 31. Juli 2001 "Einzelheiten über das Haftzentrum Kardze und das Gefängnis Ngaba", http://www.igfm-muenchen.de/tibet/tin/HZ%20Kardze%20Gef.Ngaba.html

TIN News Update 10. Juli 2001 "Zwei Tibeter sterben im Umerziehungs-Arbeitslager", http://www.igfm-muenchen.de/tibet/tin/Zwei%20Tibeter%20sterben.html

TIN Publication "In the Interest of the State: Hostile Elements III - Political Imprisonment in Tibet 1987 - 2001", http://www.tibetinfo.net/publications/bbp/he3.htm