23. September 2006
Free Tibet Campaign
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Aus: „Free Tibet“ No. 45, Sommer 2006

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Stopp der Folter in Tibet: Dawa Gyaltsen & Nyima

Zwei Brüder, Dawa Gyaltsen (oder Dawa Gyatso) und Nyima (Laienname: Tenzin Dorje) verbüßen gegenwärtig Gefängnisstrafen von 18 bzw. 13 Jahren, weil sie Flugblätter mit dem Ruf nach Freiheit für Tibet in Umlauf brachten.

Dawa Gyaltsen, der 46 Jahre alt sein soll, wurde in dem nördlich von Lhasa gelegenen Kreis Nagchu geboren. Er machte eine Lehre in Buchhaltung und Bankwesen in Peking und kehrte später in seine Heimat zurück, wo er an einer Bank arbeitete. Dawas jüngerer Bruder Nyima war Mönch im Kloster Shabten in Nagchu.

1994 und 1995 kamen chinesische Beamte in das Kloster Nagchu Shabten, um dort die „patriotische Umerziehung“ durchzuführen. Von den Mönchen verlangten sie, die „Spaltergruppen“ zu verurteilen, abfällige Erklärungen über den Dalai Lama abzugeben und religiöse Artefakte zu zerstören.

Als Reaktion auf den ihnen aufgezwungenen Unterricht und die Verletzung ihrer religiösen Rechte beschlossen Dawa und Nyima, offen zu protestieren. Dawa übernahm die Herstellung der Unabhängigkeits-Plakate, während Nyima um weitere Unterstützung warb. Dawa verfaßte eine kurze Abhandlung über die Geschichte des unabhängigen Tibets und schrieb Slogans wie „Freiheit in Tibet“ und „Tibet gehört den Tibetern“.

Im April 1995 brachten die Mönche heimlich Plakate im ganzen Landkreis an. Als das Public Security Bureau die Anschläge entdeckte, begann es sofort mit der Ermittlung nach den Urhebern. Aus Furcht um sein Leben floh Dawa nach Lhasa, wurde aber noch im November desselben Jahres gefaßt.

Im Mai 1996 wurden Dawa und Nyima als Hauptverantwortliche für den Plakat-Vorfall angeklagt und zu 18 bzw. 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Januar 1997 wurden sie in das Drapchi-Gefängnis verlegt. Unbestätigten Berichten zufolge wurde Dawas Strafmaß 2002 um ein Jahr und drei Monate und 2004 um weitere neun Monate verringert. Höchstwahrscheinlich wurden Dawa und Nyima inzwischen in das neu eingerichtete Gefängnis Chushur (chin. Quishui) verlegt, wo die meisten Langzeithäftlinge jetzt untergebracht werden.

Tenzin Tsundue, ein ehemaliger politischer Gefangener und Tibet-Aktivist*, war 1997 in der Haftanstalt Seitru Zellennachbar von Dawa Gyaltsen. Im Juni 2006 gab er in London als Zeuge in einem Gerichtsverfahren über seine Erfahrungen in dieser Zeit eine eidesstattliche Erklärung ab, in der er ausführlich auch auf Dawa Gyaltsen einging:

„Dawa Gyaltsen wurde in der Regel von den Gefängnisaufsehern sehr schlecht behandelt, oftmals entzogen sie ihm die Nahrung und strichen ihm noch den kurzen 15minütigen morgendlichen Gang ins Freie, den „fang-fung“, was auf Chinesisch „frische Luft“ heißt. Für Häftlinge, die Tag und Nacht in einem düsteren kalten Raum eingeschlossen sind mit einem Plastikeimer als Toilette, deren Zukunft ungewiß ist und die keine Möglichkeit zu Gedankenaustausch oder persönlichen Kontakten haben, bedeutet diese viertelstündige Unterbrechung, in der sie den freien Himmel sehen können, sehr viel.

Er trug deutliche Narben, die von Folter zeugten: Weißes Narbengewebe umschloß seine Handgelenke. Er erzählte mir, daß sie ihn, als er zum ersten Mal festgenommen wurde, in Handschellen legten und in einen dunklen Raum warfen, wo sie ihn 10 Tage lang ohne Nahrung liegen ließen. Damit er nicht krepierte, übergossen ihn die Wachen einmal täglich mit Wasser. Die Fesseln um seine Handgelenke zogen sich immer enger zusammen, sie schnitten sich in sein Fleisch ein und bildeten eitrige Wunden. Als sie ihm nach den zehn Tagen die Fesseln abnahmen, rissen die Metallringe die Haut von seinen Handgelenken. Er sagte, daß er keinerlei medizinische Behandlung bekommen und es mehrere Monate gedauert habe, bis die Wunden verheilt waren. In der kalten Gefängniszelle von Seitru heilten die Wunden zwar, aber die Narben blieben.

„Er bat mich oft, das Lied über den Dalai Lama und den Panchen Lama zu singen über die zerrissenen tibetischen Familien, die durch den Himalaya getrennt sind, die einen auf dieser, die anderen auf jener Seite. Diese Lieder gäben ihm viel Trost, meinte er, so daß ich sie oft mit Tränen in den Augen sang.

Es freute ihn zu hören, wieviel Aufmerksamkeit und Unterstützung dem Kampf der Tibeter in den westlichen Ländern zuteil wird, und er konnte es gar nicht glauben, daß der Dalai ein Idol, ein Held, ein Vorbild geworden ist, der von Menschen in der ganzen Welt geliebt wird.“

Quellen: ICT, TCHRD, Tenzin Tsundue, TIN.

*Der tibetische Aktivist und Schriftsteller Tenzin Tsundue ist im Exil in Indien geboren. Wegen illegalen Grenzübertritts nach Tibet wurde er 1997 dort festgenommen und drei Monate inhaftiert.

Aktion

Bitte schreiben Sie an den Parteisekretär der „TAR“ und verlangen Sie die sofortige und bedingungslose Freilassung von Dawa Gyaltsen, alias Dawa Gyatso (chin. Dawa Jiangcuo, Dawa Jiangcan) und Nyima (Laienname Tenzin Dorje), sowie, daß beide die notwendige medizinische Behandlung erhalten:

Secretary of the Tibet Autonomous Regional Party Committee
ZHANG Qingli
Zhonggong Xizang Zizhiqu Weiyuanhui
Lhasashi
Xizang Zizhiqu
People’s Republic of China

„Zur Kenntnis oder zur Weiterleitung“ an:

Herrn Botschafter Ma Canrong
Kanzlei der Botschaft der Volksrepublik China,
Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin
Fax: 030 2758 8221
E-Mail: chinaemb_de@mfa.gov.cn
E-Mail: chinesischeBotschaft@debitel.net