26. Januar 2005
Human Rights Watch

Mönch verlässt Gefängnis als gebrochener Mann

Human Rights Watch forderte die chinesischen Behörden heute dazu auf, umgehend für die angemessene medizinische Versorgung des tibetischen Mönchs Tashi Phuntsok zu sorgen, der am 6. Januar 2005 aus der Haft entlassen wurde. Der Mönch ist Mitte vierzig und leidet durch die Haft bedingt an gravierenden körperlichen Verfallserscheinungen. Er kann nicht mehr gehen und nicht mehr verständlich sprechen. Die chinesischen Behörden entließen Tashi Phuntsok, nachdem er zwei Jahre und neun Monate seiner siebenjährigen Haftstrafe verbüßt hatte.

"Tashi Phuntsok trat seine Haft als gesunder Mann, etwa Anfang vierzig, an und verließ das Gefängnis buchstäblich als gebrochener Mann", sagte Brad Adams, der für Asien zuständige Abteilungsleiter von Human Rights Watch. "Wir begrüßen seine vorzeitige Freilassung, aber die chinesischen Behörden sollten Auskunft darüber geben, wie es mit jemand, der sich in ihrem Gewahrsam befand, so weit kommen konnte."

In für China typische Weise müssen Häftlinge, die entweder während oder nach ihrer Haft medizinische Behandlung benötigen, selbst dafür bezahlen.

Tashi Phuntsok wurde am 17. April 2002 verhaftet – zehn Tage, nachdem der in dieser Gegend wohlbekannte Lama Tenzin Delek Rinpoche, dem er assistiert hatte, während einer nächtlichen Razzia verhaftet worden war. Gegen Tenzin Delek wurde später ein Prozeß eröffnet, der nicht nur Formfehler aufwies. Er wurde wegen Beteiligung an "Sprengstoffexplosionen sowie der Aufwiegelung zum Separatismus" mit zweijährigem Aufschub zum Tode verurteilt. Sein angeblicher Mitverschwörer, Lobsang Dhondup, wurde am 26. Januar 2003 direkt im Anschluß an die Berufungsverhandlung hingerichtet. In dem Bericht von Human Rights Watch vom Februar 2004 mit dem Titel "Trials of a Tibetan Monk" sind die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Verhaftung und Verurteilung von Tenzin Delek genau dokumentiert.

Informanten berichteten Human Rights Watch, die chinesischen Behörden hätten den als "rechte Hand" von Tenzin Delek bezeichneten Tashi Phuntsok bereits zehn Tage vor seiner Verhaftung intensiv verhört. Sonst ist nichts über die Anklagen gegen ihn bekannt – weder über die vorgelegten Beweise, noch über den Prozeß selbst oder über Einzelheiten bezüglich seiner Behandlung im Gefängnis von Dartsedo (chin: Kangding), der Präfekturhauptstadt der TAP Kardze in der Provinz Sichuan. In den Jahren bevor es zur Verhaftung der beiden Männer kam, war Tashi Phutsok maßgeblich daran beteiligt, daß ein staatliches Entwaldungsprogramm in Kardze eingestellt wurde. Als sich Tenzin Delek im Jahr 1998 verstecken mußte, weil er versucht hatte, Verbesserungen für das lokale Erziehungswesen und die allgemeine soziale Versorgung in seiner Gegend zu erreichen, suchte auch Tashi die örtlichen Behörden davon zu überzeugen, seine Rückkehr zu gestatten.

"Jetzt ist es Tashi Phuntsok, der dringend Hilfe braucht. Er benötigt umgehend kompetente medizinische Behandlung, entweder in einem Krankenhaus oder zu Hause", fuhr Adams fort. "Wir haben hier einen Mann, der einen Großteil seines Lebens dem Erhalt der tibetischen Kultur und Umwelt gewidmet hat und der nun in chinesischer Haft körperlich völlig gebrochen wurde. Die chinesischen Behörden sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um Wiedergutmachung für seine Leiden zu leisten."

Nur noch eine weitere Person befindet sich im Zusammenhang mit dem Fall Tenzin Delek in Haft. Der Geschäftsmann Lobsang Taphel hat eineinhalb Jahre seiner fünfjährigen Haftstrafe verbüßt. Die offiziellen Beschuldigungen gegen ihn sind weiterhin unbekannt. Die chinesischen Behörden hatten kurzfristig mehr als 60 Anhänger von Tenzin Delek in Gewahrsam genommen und verhört. Drei Mönche wurden zu einjährigen Verwaltungsstrafen in Lagern zur Umerziehung-durch-Arbeit verurteilt. Ein älterer Dorfvorsteher wurde nach 13 Monaten aus der Haft entlassen. Zum Zeitpunkt seiner Freilassung konnte er kaum gehen und nur schlecht sehen und war fast unfähig, etwas zu sich zu nehmen. Zwei weitere Anhänger Tenzin Deleks wurden Berichten zufolge schwer geschlagen, als man sie zu Verhören festhielt. Einer von ihnen hatte daraufhin Nierenprobleme und war sechs Monate lang bettlägerig.

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