10. Dezember 2003
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
Phone/Fax: +91 1892 223363/225874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org

Das TCHRD begeht den 55. Tag der Menschenrechte

Presseverlautbarung, 10. Dezember 2003

Am 10 Dezember begehen wir den 55. Tag der Menschenrechte. Das ist eine passende Gelegenheit, um über die Situation der Menschenrechte in der Welt im vergangenen Jahr nachzudenken und sich zu entscheiden, auch weiterhin für eine friedlichere und freie Welt zu arbeiten. Das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) ist tief besorgt über Chinas anhaltende grobe Verletzungen der Menschenrechte in Tibet.

An demselben Tag des vergangenen Jahres brachte das TCHRD sein Entsetzen über das gerade gegen einen bekannten Lehrer des tibetischen Buddhismus, Tulku Tenzin Delek, mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub verhängte Todesurteil, sowie über die Verurteilung seines Mitangeklagten Lobsang Dhondup zur unmittelbaren Hinrichtung wegen ihrer angeblichen Mitwirkung bei "Bombenanschlägen" zum Ausdruck. Unter vollständiger Mißachtung zahlreicher internationaler Appelle hielt der Obere Volksgerichtshof von Sichuan in Chengdu in seiner Berufungsverhandlung den zuvor ergangenen Urteilsspruch aufrecht und ließ Lobsang Dhondup am 26. Januar 2003 hinrichten. Dieser Vorfall läßt kaum noch Raum für Zweifel an unserer Befürchtung vom letzten Jahr, dass nämlich China versuchen würde, den globalen Feldzug gegen den "Terrorismus" zu mißbrauchen, um die friedlichen religiösen und politischen Äußerungen der Tibeter zu unterdrücken. Trotz der westlichen Regierungen gegenüber zur Schau getragenen Bonhomie wurde damit deutlich, was Chinas wirkliche Absichten in Sachen Menschenrechte sind.

Den Internationalen Tag der Menschenrechte zum Anlaß nehmend, bittet das TCHRD die Führung in Peking erneut, ihre Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte und der internationalen Gemeinschaft gegenüber ernst zu nehmen und Tulku Tenzin Delek bedingungslos freizulassen. Weiter fordert das TCHRD Peking zur Freilassung aller übrigen politischen Häftlinge in Tibet auf.

Die Lage der Tibeter in Tibet blieb im Jahr 2003 weiterhin angespannt und prekär. Während der vergangenen zwölf Monate wurde über eine ganze Reihe von Festnahmen und Inhaftierungen ohne fairen Prozeß berichtet. Das TCHRD dokumentierte die Festnahme von ungefähr 25 Tibetern, die willkürlich verhaftet und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Die meisten dieser Verhaftungen stehen mit dem Fall Tulku Tenzin Delek oder der friedlichen und nachdrücklichen Loyalitätsbezeugung dem Dalai Lama gegenüber in Verbindung.

Die Unduldsamkeit der chinesischen Regierung gegenüber religiösen Autoritäten und Einrichtungen, die bei der örtlichen Bevölkerung Ansehen genießen, ist mittlerweile eine bekannte Tatsache. Ihr hartes Durchgreifen gegenüber den Tibetern beschränkt sich nicht nur auf einige wenige Aspekte des Lebens, sondern ist eine Praxis, die keinen Aspekt des öffentlichen Lebens ausläßt. Kurz nach der in den Medien eingehend behandelten Schließung des Buddhistischen Instituts Serthar im Jahr 2001 ließ die Regierung eine weitere bekannte Schule schließen. Die Ngaba Kirti Klosterschule in der Provinz Sichuan wurde in Folge des Drucks der Behörden am 29. Juli 2003 dicht gemacht.

Sogar jenseits der Grenzen sind die Tibeter nicht sicher vor den Übergriffen der Chinesen. Dass China über Mittel und Wege verfügt, den Tibetern ihre grundlegenden Freiheiten auch mit Hilfe Dritter zu verwehren, wurde bei der in diesem Jahr von den nepalesischen Behörden vorgenommenen Abschiebung von achtzehn tibetischen Flüchtlingen nach China deutlich sichtbar. Trotz wiederholter Appelle der internationalen Gemeinschaft beugte sich die nepalesische Regierung dem Druck der chinesischen Botschaft und lieferte die 18 Tibeter am 31. Mai 2003 aus. Durch die bedrohliche Präsenz des autoritären chinesischen Regimes sogar jenseits der Grenze fühlen sich die weiterhin ins Exil flüchtenden Tibeter, ebenso wie auch alle anderen, die an die menschliche Freiheit glauben, noch hilfloser und verzweifelter.

Während China mit Vehemenz die Erfüllung der Ziele des vielgepriesenen "Westlichen Entwicklungsprogramms" verfolgt, bleiben für die Tibeter viele Fragen bezüglich ihres Rechts auf Selbstbestimmung und der Frage des Schutzes ihrer fragilen Umwelt offen. Der Bau einer Eisenbahnlinie von Gormo in der Provinz Qinghai nach Lhasa bietet Anlaß zu großer Besorgnis, denn wir befürchten, dass die Tibeter in der TAR mit der Zeit marginalisiert werden. Andere aktuelle Projekte wie die Errichtung von Kraftwerken auf dem Hochplateau führten zur Umsiedlung einer großen Anzahl tibetischer Nomaden von ihrem angestammten Land. Nichts illustriert die Härte derartiger Maßnahmen für das Leben der Bevölkerung besser als die Aussage von Nomaden aus den Distrikten Golog und Yushul, sie fühlten sich, seit man sie gezwungen hat, die Lebensweise ihrer Vorfahren aufzugeben, "wie aus dem Wasser geworfene Fische".

Am heutigen Tag der Menschenrechte bedankt sich das TCHRD bei all denjenigen, die ihre Solidarität mit dem tibetischen Volk in seinem Elend bekundet haben. Außerdem rufen wir jedermann auf, uns bei unseren Bemühungen um die Sicherstellung der Menschenrechte und der Menschenwürde für die Tibeter in Tibet zu unterstützen.