Nach Aussage des UN Folter-Ermittlers ist Folter in China weit verbreitet
Nach Abschluß seiner 12-tägigen Ermittlungen in China und Tibet erklärte der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, bei einer Pressekonferenz in Genf, daß in China und Tibet Folter immer noch weit verbreitet sei.
Dieser Besuch erfolgte nach zehn Jahren wiederholter Bitten und Appelle der verschiedensten Menschenrechtsorganisationen an China, endlich den Besuch eines Experten zur Untersuchung der Vorwürfe, daß in China massiv gefoltert würde, zuzulassen. Um Nowak zu zitieren: "Obwohl die Anwendung von Folter besonders in städtischen Gebieten etwas zurückging, ist sie dennoch in ganz China weit verbreitet".
Er beanstandete auch die ständige Überwachung durch chinesische Sicherheitsbeamte während seiner Mission und die Hindernisse, die ihm in den Weg gelegt wurden: "Der Sonderberichterstatter muß leider auch erwähnen, daß während seines gesamten Besuchs Mitarbeiter einiger staatlicher Organe, besonders des Ministeriums für Staatssicherheit und Öffentliche Sicherheit, immer wieder versuchten, seine Bemühungen zur Feststellung der Tatsachen zu behindern oder einzuschränken. Der Sonderberichterstatter und seine Begleiter wurden häufig von Geheimdienstagenten verfolgt, bereits schon in ihrem Hotel in Peking und in dessen Umgebung. Im Hinblick auf den Besuch wurde eine Reihe von Folteropfern und deren Familienangehörige von den Sicherheitsleuten eingeschüchtert, in Polizeigewahrsam genommen, es wurde ihnen verboten, den Sonderberichterstatter zu treffen oder sie wurden physisch daran gehindert, dies zu tun", heißt es in einer am 2. Dezember herausgegebenen Presseerklärung.
In Tibet besuchte Manfred Nowak das Lhasa Gefängnis, das Drapchi Gefängnis und die im Kreis Chushul neu eingerichtete Haftanstalt. Einzelheiten über den Besuch der Gefängnisse in Tibet werden bei der 62. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission im Frühjahr 2006 bekannt gegeben werden.
Der Sonderberichterstatter sagte, Folterpraktiken seien in China gang und gäbe wegen des Druckes, unter dem die Polizeibeamten allgemein stünden, Geständnisse als Beweismaterial beizubringen. Außer der physischen Folter greifen die Beamten auch zu psychischer Folter, um die Persönlichkeit eines Häftlings zu brechen.
Obwohl China zu den ersten Staaten gehört, welche 1988 die UN-Konvention gegen Folter (CAT) ratifizierten, "entspricht die chinesische Definition von Folter nicht ganz den im CAT niederlegten internationalen Normen", fügte Nowak hinzu. "Viel muß noch getan werden, vor allem strukturelle Reformen sind dringend erforderlich". Um die Folter unter Kontrolle zu bringen, müßten größere Veränderungen am Rechtssystem vorgenommen werden, so daß die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet wird.
Zum Schluß der Presseerklärung sprach der Sonderberichterstatter folgende Empfehlungen an die Regierung der VR China aus:
• Das Strafrecht sollte reformiert werden, indem das Verbrechen der Folter gemäß der im CAT enthaltenen Definition (Art. 1) mit den angemessenen Strafen aufgenommen wird.
• Es sollte gewährleistet werden, daß die Reform der Strafprozeßordnung den im ICCPR niedergelegten Vorschriften für ein faires Gerichtsverfahren entspricht, wozu auch Folgendes zu gehören hat: Das Aussageverweigerungs- und das Zeugnisverweigerungsrecht, das Recht, Zeugen einem Kreuzverhör zu unterziehen, und der Ausschluß von Beweismaterial, das sich auf durch Folter erzwungene Aussagen stützt.
• Das Strafrecht sollte dahingehend reformiert werden, daß gewisse Funktionen von der Staatsanwaltschaft (Prokuratur) auf die Gerichte übertragen werden, z.B. die Ausstellung eines Haftbefehls und der Befehl zur Überwachung von Personen durch die Polizei.
• Die Rechtsanwälte, besonders Strafverteidiger, sollten bessere Voraussetzungen zur Vertretung der Rechte und Interessen ihrer Mandanten bekommen, etwa dadurch, daß sie bereits in den Anfangsstadien des polizeilichen Gewahrsams und der dem Prozeß vorausgehenden Untersuchungshaft hinzugezogen werden.
• Der Abschnitt 306 des Strafgesetzes sollte abgeschafft werden, gemäß dem jeder Rechtsanwalt, der einem Mandanten rät, ein erzwungenes Geständnis zurückzuweisen, riskiert, selbst Opfer der Strafverfolgung zu werden.
• Maßnahmen zur Verbesserung der der Professionalität, Effizienz, Transparenz und Fairneß im gerichtlichen Verfahren, der Anhebung des Status von Richtern und Gerichten im chinesischen Rechtssystem und der Wahrung ihrer Unabhängigkeit sollten ergriffen werden.
• Die Zahl der Untersuchungshäftlinge sollte durch die Schaffung eines größeren Spielraums für Sicherheitsleistungen und ähnliche Maßnahmen zur Abwendung der Untersuchungshaft verringert werden.
• Es sollte ein unabhängiger Beschwerdeweg für Häftlinge eingerichtet werden, die Folter und Mißhandlung ausgesetzt sind.
• Das Recht von Einzelpersonen auf die Einreichung von Petitionen an das Komitee gegen Folter sollte ermöglicht werden und dieses Komitee ermächtigt, Untersuchungen gemäß den Art. 20 und 2 einzuleiten.
• Anklagekategorien mit ungenauen und dehnbaren Definitionen, die dem Ermessen und der Willkür der Vollzugs- und Strafverfolgungsorgane großen Spielraum lassen, wie etwa "Gefährdung der Staatssicherheit", "Störung der sozialen Ordnung", "Untergrabung der öffentlichen Ordnung" usw. sollten gestrichen werden.
• Das System der Umerziehung-durch-Arbeit und ähnliche Formen der Zwangs-Umerziehung von Häftlingen in Gefängnissen und Untersuchungshaftzentren, sowie in der Polizeipsychiatrie sollten abgeschafft werden.
• Die Haftbedingungen im Todestrakt sind zu verbessern, damit diese dem Recht der Häftlinge auf eine menschliche Behandlung entsprechen.
• Der Anwendungsbereich der Todesstrafe sollte durch ihre Streichung für wirtschaftliche und gewaltlose Delikte eingeschränkt werden.
• Die geplante Wiedereinführung der Pflicht für den Obersten Gerichtshof, alle Todesurteile zur Revision zuzulassen, sollte genutzt werden, um landesweit Statistiken über die Anwendung der Todesstrafe zu erstellen und zu veröffentlichen. Es sollte eine nationale Menschenrechtsinstitution gegründet werden gemäß den Pariser Grundsätzen. Die UN Menschenrechtskommission und die Generalversammlung billigten eine Reihe von Richtlinien über die Rolle, Zusammensetzung, den Status und die Funktion von nationalen Menschenrechtsinstitutionen, die allgemein als die Pariser Grundsätze bekannt wurden Menschenrechtskommission, Resolution 1992/54 vom März 1992 und Generalversammlung, Resolution A/RES//48/134 vom 20. Dezember 1993, einschließlich der Ermächtigung, an allen Orten der Inhaftierung unangemeldet Besuche vornehmen zu können.
• Die Ratifizierung des Fakultativ-Protokolls zur UN-Konvention gegen Folter.
• Die Ratifizierung des UN-Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte.
• Das Menschenrechts-Hochkommissariat sollte durch Programme zur technischen Zusammenarbeit im Rahmen der kürzlich von der Hochkommissarin für Menschenrechte und der chinesischen Regierung unterzeichneten gemeinsamen Absichtserklärung die oben genannten Punkte unterstützen.
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