Human Rights Update
Oktober 2003

Inhalt
  1. Vier Mönche zu langen Haftstrafen verurteilt
  2. Fünf Tibeter im Distrikt Tawu verhaftet
  3. Vermißter Tibeter taucht wieder auf - zu fünf Jahren verurteilt
  4. "Liebe dein Land, liebe deine Religion" - eine Kampagne im Kloster Ragya
  5. Chinesische Grenzpatrouille schießt auf Flüchtlinge - 17 Verhaftete
  6. Willkürliche Verhaftungen nach dem Besuch des von den Chinesen eingesetzten Panchen Lama im Kloster Labrang Tashi Kyil
  7. Porträt eines politischen Gefangenen: Tuberkulosekranker Mönch zu sieben Jahren Haft verurteilt
  8. Verstorbener politischer Gefangener hinterläßt ein Zeugnis der chinesischen Brutalität
  9. Tibet im Report des Sonderberichterstatters für Religion an die Generalversammlung der UN
Teil 1

Vier Mönche zu langen Haftstrafen verurteilt

Aus zuverlässiger Quelle erfuhr das TCHRD, daß am 29. August 2003 vier Mönche des Klosters Khangmar (Gemeinde Sangkar, Distrikt Marthang, TAP Ngaba, Sichuan) zu hohen Freiheitsstrafen von acht bis zwölf Jahren verurteilt wurden. Ein weiterer Mönch und ein Thangka-Maler wurden ebenfalls verhaftet und zu einem Jahr verurteilt.

Sherthar (35), Soepa (33) und Tsogphel (31) wurden zu 12 Jahren und Woeser (30) zu acht Jahren verurteilt. Ein weiterer mit Mingyur (29) genannter Mönch und ein namentlich nicht bekannter Thangka-Maler desselben Klosters wurden mit einer Haftstrafe von einem Jahr belegt. Wie berichtet, wurden alle in der Haftanstalt der TAP Ngaba eingesperrt. Es ist anzunehmen, daß die Mönche mit den langen Strafen bald in das Gefängnis Maowan (chin. Aba Jian yu) in dem Autonomen Distrikt Qiang der TAP Ngaba verlegt werden, denn Langzeit-Häftlinge aus den Regionen Ngaba und Kardze kommen gewöhnlich in diese Haftanstalt.

Die Verhaftungen erfolgten Januar 2003, als die Mönche eine Langlebens-Gebetszeremonie für den Dalai Lama abhielten und der erfolgreichen Durchführung der Kalachakra-Belehrungen, die zu diesem Zeitpunkt in Bodh Gaya in Indien stattfanden, gedachten. Zehn Mönche hatten sich gerade in der Gebetshalle des Klosters versammelt, als Sicherheitsbeamte des Distrikt-PSB im Kloster ankamen. Sie nahmen die Mönche sogleich fest und durchsuchten ihre Unterkünfte. Nachdem sie dort Bilder des Dalai Lama und des Panchen Lama gefunden hatten, führten sie sie in das PSB-Haftzentrum der TAP Ngaba ab. Der 28-jährige Tsogphel (er trägt den gleichen Namen wie der oben genannte) wurde nach zwei Monaten freigelassen. Das Mittlere Volksgericht der TAP Ngaba sprach am 29. August 2003 das Urteil über die fünf Mönche und den Thangka-Maler.

Das Kloster Khangmar beherbergt etwa 120 Mönche, und bis zu der Verhaftungswelle im Januar war es, von gelegentlichen Routinebesuchen abgesehen, durch die chinesischen Behörden relativ unbehelligt geblieben. Es ist zu befürchten, daß das Kloster auf diese Vorfälle hin nun schärfer überwacht wird und es weitere Festnahmen geben wird. Die verurteilten Mönche kommen aus Nomadenfamilien und traten in verschiedenen Altersstufen ins Kloster ein. Sherthar ist dessen Gesangsmeister, und Tsogphel ist dem Vernehmen nach am rechten Arm behindert. Der aus dem Distrikt Barkham stammende Thangka-Maler pflegte ständig umherzureisen, um in verschiedenen Klöstern und Privathäusern Thangkas anzufertigen.

Teil 2

Fünf Tibeter im Distrikt Tawu verhaftet

Zuverlässigen Berichten aus Tibet zufolge wurden am 5. Oktober 2003 fünf im Distrikt Tawu ansässige Tibeter wegen des Verdachts auf politische Aktivitäten verhaftet.

Angehörige des Public Security Bureau (PSB) von Sichuan verhafteten Yakpo Dhondup, Gyurmey Ngawang, Gyari Thupten Choedrak, Drakpa, Reser Tulku und Wangdue in einem Restaurant im Distrikt Tawu. Die Festgenommenen wurden in eine nicht genannte Haftanstalt außerhalb von Tawu gebracht.

Laut weiteren Berichten erwiesen Hunderte von Tibetern dem Leichnam des an den Folgen der im Gefängnis erlittenen Folterungen verstorbenen Nyima Drakpa die letzte Ehre, als dieser aus dem Hospital zum Krematorium gebracht wurde. Die Tibeter bedeckten den Toten mit Khatas (weißen Schals) und beteten für ihn. Die örtlichen Behörden hatte die Bevölkerung vorher vor jedweden Aktivitäten bezüglich Nyima Drakpas Tod gewarnt, dennoch setzten sich die Leute über die Anordnung hinweg und kamen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Auch die fünf Verhafteten waren unter den Anwesenden. Gyari Thupten Choedrak, 52, ist ein wohlhabender Geschäftsmann. Im Jahr 1995 errichtete er in der Gemeinde Kangse die United Tibetan School. Diese beherbergte über 100 Schüler, die alle aus Nomaden- und Bauernfamilien kamen. Auf eine Anordnung der lokalen chinesischen Behörden im Jahr 2002 hin sollte die Schule mit der dortigen staatlichen Schule zusammengelegt werden. Ein weiterer Geschäftsmann, Yakpo Dhondup, 50, ist der Gründer der Hope Private School. Gyurmey Ngawang, Drakpa und Wangdue sind Kraftfahrer von Beruf.

Teil 3

Vermisster Tibeter taucht wieder auf - zu fünf Jahren verurteilt

Einer zuverlässigen Nachricht aus Tibet zufolge verurteilte das Mittlere Volksgericht von Kardze im September 2003 Lobsang Tenphen*, 38, zu fünf Jahren Gefängnis. Lobsang Tenphen wird beschuldigt, Informationen über Tulku Tenzin Delek und den hingerichteten Lobsang Dhondup an die Außenwelt geliefert zu haben. Er sitzt nun im Gefängnis von Ngaba (chin. Aba) in der Provinz Sichuan.

Lobsang Tenphen wurde seit Februar vermißt, bis er vorigen Monat vor Gericht gestellt wurde. Wie verlautet, war er die ganze Zeit über im Yakra Phuk Gefängnis eingesperrt. Am 12. Februar 2003 war Lobsang von sechs PSB Milizionären aus seinem Haus zu Vernehmungszwecken abgeführt worden und seitdem in Haft. Dieses Vorgehen der Behörden ist eine direkte Verletzung, sowohl des internationalen Rechtes als auch des chinesischen Gesetzeskodex. In beiden Gesetzeswerken wird ausdrücklich festgehalten, daß ein Festgenommener nicht willkürlich inhaftiert werden darf, und daß die Angehörigen des Verhafteten über die gegen ihn erhobenen Anklagen und seinen Verbleib informiert werden müssen. Doch Lobsang wurde festgehalten, ohne daß irgend jemand davon erfahren hätte. Der Art. 9, Abs. 1 des ICCPR legt fest: "... Niemand darf willkürlicher Verhaftung oder Inhaftierung unterworfen werden".

Das TCHRD verzeichnete 13 Fälle von Tibetern, die seit April 2002 im Zusammenhang mit Tulku Denzin Delek festgenommen wurden. Im Januar 2003 wurde Lobsang Dhondup hingerichtet, während Lobsang Tenphen und Luzi Tashi Phuntsok sich weiterhin Haft befinden.

Lobsang Tenphen wude 1965 in der Gemeinde Zhampa, Distrikt Lithang, geboren. In früher Jugend half er auf dem heimatlichen Bauernhof, ging jedoch nie zur Schule. Mit 19 Jahren begann er einen Kleinhandel mit Yartsa Gunbhu (cordyceps sinensis) und Tierfellen. Mit 25 heiratete er Sonam Dolma, eine Nicht von Tulku Tenzin Delek und wohnte seitdem im Haus seiner Frau.

* Berichtigung: Der Name Lobang Tenphen wurde, als die Nachricht über sein Verschwinden zuerst erging, fälschlicherweise als Taphel angegeben.

Teil 4

"Liebe dein Land, liebe deine Religion" - eine Kampagne im Kloster Ragya

Tenzin Sangpo, 24, war Mönch im Kloster Ragya. Er berichtete dem TCHRD: "Mit 16 Jahren trat ich ins Kloster Ragya ein. Es gab dort ungefähr 500 Mönche. Seit 2000 kamen immer wieder chinesische Arbeitsteams in unser Kloster, um dort die Kampagne 'Liebe dein Land, liebe deine Religion' durchzuführen. Jedes Jahr kommen an die 30 chinesische Kader und bleiben einen Monat lang. Während dieser Zeit werden die Mönche zum Studium von Hetzschriften gegen den Dalai Lama gezwungen und müssen gegen ihn gerichtete Texte verfassen. Sie müssen sogar Fragen zu diesen sogenannten Studien beantworten. Dieses Jahr kamen sie im September, um ihre Kampagne durchzuführen.

Am 4. August 2003 gab Yumzin Rinpoche Khedup Gyatso im Dorf Dolma Kar in der TAP Golog eine Kalachakra-Belehrung (die Lehre vom Rad der Zeit des tibetischen Buddhismus). Die Bevölkerung der Gegend begrüßte den Rinpoche begeistert. Sie empfing ihn mit einem Korso von Jeeps und Motorrädern. An diesen Fahrzeugen waren buddhistische Fahnen angebracht. Doch die bewaffnete Volkspolizei (PAP) hielt den Korso auf und befahl die Entfernung und Herausgabe der Fahnen. Die Leute argumentierten, daß es sich dabei um religiöse Wimpel ohne jegliche politische Bedeutung handle. Die Polizeibeamten gingen jedoch nicht darauf ein und nahmen ihnen die Gebetsfahnen weg. Völlig grundlos wurde der Korso für geraume Zeit aufgehalten".

Tenzin Sangpo nannte als Grund für seine Flucht, er wolle in Indien als Mönch leben,weil die religiösen Studien in Tibet durch gar zu viele Restriktionen erschwert werden.

Teil 5

Chinesische Grenzpatrouille schießt auf Flüchtlinge - 17 Verhaftete

Bestätigten, dem TCHRD zugegangenen Informationen zufolge, schossen chinesische Grenzstreifen auf eine Gruppe von 34 Tibetern aus der Provinz Qinghai, die ins Exil fliehen wollten. 17 Personen wurden dabei festgenommen, die übrigen konnten entkommen.

Gedun Rabgyal, ein Mönch aus dem Distrikt Machen, TAP Golok, Provinz Qinghai, der nach Nepal entkommen konnte, berichtete dem TCHRD: "Unsere Gruppe bestand aus 34 Personen, sie kamen vorwiegend aus der TAP Golok. Wir brachen in Lhasa mit 32 Leuten und zwei Führern auf. Als wir am 11. September in die Nähe des Mount Everest kamen, beschossen uns chinesische Sicherheitsbeamte mit scharfer Munition. Die Gruppe geriet in Panik und rannte in Deckung. Einige von uns konnten entkommen, aber 17 Leute wurden festgenommen. Einige sind möglicherweise von den wild umherfliegenden Kugeln getroffen worden. Aus sicherer Entfernung konnte ich sehen, wie die Grenzpolizisten die Gefangenen schlugen und abführten. Ich mache mir ihretwegen große Sorgen. Sie können nun für lange Zeit im Gefängnis verschwinden, ohne daß irgend jemand von ihrem Elend erfährt. Ich rufe daher zu ihrer Freilassung auf." Die Namen einiger der Verhafteten sind:

1. Taklo, 17, TAP Golok, Nomade
2. Choezin, 19, TAP Golok, Mönch aus dem Kloster Ragya
3. Tsephu, 24, TAP Golok, Nomade
4. Lhagyal, 32, Amdo, Mönch aus dem Kloster Tsang
5. Kunsang, 20, Distrikt Haiyan, Mönch aus dem Kloster Tsang
6. Redre, 19, Distrikt Haiyan, Mönch aus dem Kloster Tsang
7. Nyandak, 17, Distrikt Thunde, Mönch aus dem Kloster Tsang
8. Choesang, 30, Distrikt Thunde, Mönch aus dem Kloster Tsang
9. Lhathar, 30, Distrikt Rebkong, TAP Malho, Wegführer

Teil 6

Willkürliche Verhaftungen nach dem Besuch des von den Chinesen eingesetzten Panchen Lama im Kloster Labrang Tashi Kyil

Thapkhe Gyatso, 23, ein Mönch aus dem Kloster Labrang Tashi Kyil, floh nach Indien ins Exil, um seine religiösen Studien dort besser fortsetzen zu können. Wie er sagte, fiel es ihm auf Grund der religiösen Einschränkungen sehr schwer, in Tibet seinen Studien nachzugehen. Er berichtete dem TCHRD: "Im August 2003 besuchte der von den Chinesen eingesetzte Panchen Lama namens Gyaltsen Norbu das Kloster Labrang Tashi Kyil. Vor seinem Eintreffen hatten die örtlichen Behörden den Mönchen eingeschärft, ihn freundlich zu empfangen.

Für Renovierungen und Verbesserung der Straßen wurden rund 80.000 Yuan ausgegeben. Gemäß der Anordnung der Behörden mußte die Bevölkerung ihn gebührend begrüßen, während die Mönche des Klosters spezielle Anweisungen bezüglich einer Audienz bei ihm bekamen. Der Panchen Lama blieb fünf Tage lang im Kloster, und während dieser Zeit wurden wir ständig streng überwacht. Er hielt eine Belehrung ab, aber weil nur wenige Mönche anwesend waren, wurden Mönche und Nonnen von nahegelegenen Klöstern dazu nach Tashi Kyil beordert. Touristen war der Besuch des Klosters untersagt.

Bei der Abreise des Panchen Lama waren viele Plakate für Unabhängigkeit im Kloster und dessen Umgebung zu sehen. Die PSB Polizisten des Distrikts Sangchu leiteten umgehend Nachforschungen ein und verhafteten willkürlich einige Mönche, die ihnen verdächtig erschienen. Man zwang sie zu Schriftproben und verglich diese mit den Plakaten. Auch meine Freunde Trinley Gyatso und Choe Gyatso wurden einige Tage lang festgehalten.

Der Dalai Lama erkannte hingegen Gedhun Choekyi Nyima als die Reinkarnation des 10. Panchen Lama an. Gedhun Choekyi Nyima, der damals sechs Jahre alt war, verschwand plötzlich und wurde bis heute nicht mehr gesehen. Die Chinesen setzten Gyaltsen Norbu als den 11. Panchen Lama ein.

Teil 7

Porträt eines politischen Gefangenen: Tuberkulosekranker Mönch zu sieben Jahren Haft verurteilt

Luzi Tashi Phuntsok, 42, wurde im Dorf Othok, Distrikt Nyakchuka, TAP Kardze, in der Provinz Sichuan geboren. Er war der Zuchtmeister des Klosters Jamyang Choekhorling, gemeinhin als Kloster Othok bekannt, und trug große Verantwortung, u.a. für die Leitung von Gebetszeremonien und die Organisation von religiösen Festen.

Im Jahr 1993 protestierte er vehement gegen die von den Chinesen in seiner Region betriebene Abholzung. Die chinesischen Behörden hatten es besonders auf den in Osttibet sehr angesehenen buddhistischen Lehrmeister Tulku Tenzin Delek abgesehen - wohl wegen dessen populären sozialen Aktivitäten und kulturellen Engagements in Tibet. Die dortige Bevölkerung protestierte mittels Petitionen gegen Tulku Tenzin Deleks Verhaftung und sammelte Gelder zu seiner Unterstützung. Tashi war maßgeblich am Protest gegen die Behörden beteiligt. Er gehörte zu denjenigen, welche auf der Suche nach Gerechtigkeit zu den Distrikt- und Provinzbehörden, schließlich sogar bis nach Peking gingen. Luzi Tashi trotzte beharrlich der Obrigkeit.

Als Tulku Tenzin Delek mit einer am 7. April 2002 stattgefundenen Bombenexplosion in Zusammenhang gebracht wurde, verhafteten die chinesischen Beamten viele Tibeter, die ihm ihre Unterstützung bekundet hatten. Unbestätigte Berichte sprechen von der Festnahme von annähernd 80 Personen; einige von ihnen wurden nach zwei bis drei Monaten freigelassen, andere bereits nach 10- 20 Tagen, doch manche sind noch heute in Haft.

Tashi wurde am 17. April 2002 in seinem Kloster willkürlich festgenommen und einen Tag lang im PSB-Haftzentrum des Distrikts Nyakchuka eingesperrt. Danach wurde er ins Yakra Phuk (tib: gyag ra phuk) Gefängnis verlegt. Ende November 2002 verurteilte ihn der Volksgerichtshof von Kardze zu sieben Jahren Haft wegen angeblicher Kollaboration mit Tulku Tenzin Delek.

Zur Zeit seiner Festnahme lag Tashi mit Tuberkulose im Krankenhaus. Auf Grund von schlechter Behandlung und ungenügender medizinischer Versorgung hat sich sein Zustand im Gefängnis weiter verschlechtert. Am 28. Juli 2003 wurde Luzi Tashi Phuntsok vorübergehend zur Behandlung seiner Krankheit freigelassen. Wie jedoch später bekannt wurde, konnte er die Kaution nicht bezahlen, außerdem weigerte sich das PSB Nyakchuka, die Verantwortung für seine Entlassung in dem Distrikt zu übernehmen. Folglich wurde er wieder in Gewahrsam genommen und verbleibt in Haft.

Der Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission für Religions- und Glaubensfreiheit hatte sich im Mai 2002 wegen des Falles Tulku Tenzin Delek und anderen mit der chinesischen Regierung in Verbindung gesetzt. Diese stellte in ihrer Entgegnung fest: "Am 20. August leitete die Staatsanwaltschaft bei Volksgerichtshof der TAP Ganzi eine strafrechtliche Verfolgung gegen den Angeklagten Tenzin Delek Rinpoche ein wegen Aufhetzung zum Separatismus und Verursachen einer Bombenexplosion, sowie gegen den Angeklagten Phondup (Lobsang Dhondup) wegen Aufhetzung zum Separatismus, der Auslösung einer Bombenexplosion und des unrechtmäßigen Besitzes von Feuerwaffen und Munition".

Dem TCHRD sind 13 Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Fall Tulku Tenzin Delek bekannt. Aktuellen Informationen zufolge wurden alle diese Gefangenen bis auf Tulku Tenzin Delek und Luzi Tashi Phuntsok nach Verbüßung von unterschiedlich langen Haftstrafen freigelassen.

Teil 8

Verstorbener politischer Gefangener hinterläßt ein Zeugnis der chinesischen Brutalität

Das TCHRD gelangte in den Besitz einer Kopie eines Vermächtnisses, das Nyima Drakpa, der am 2. Oktober 2003 verschied, geschrieben hatte. Zur Zeit seines Todes war er aus medizinischen Gründen auf Kaution entlassen worden. Er starb infolge der im Gefängnis erlittenen Folterungen. Als er aus dem Haftzentrum des Distrikts Tawu entlassen wurde, war er bereits todkrank.

Aus Nyimas Zeugnis wird ersichtlich, daß er wiederholt gefoltert wurde und es ihm klar war, daß er nicht überleben würde, und doch widersetzte er sich hartnäckig seinen Unterdrückern. Hier ist die Übersetzung seines ursprünglich auf Tibetisch handgeschriebenen Abschiedsbriefes, welcher das Datum 1. April 2001 trägt.

Ein verzweifelter Ruf aus meinem tiefsten Herzen

An Seine Heiligkeit den Dalai Lama und alle meine tibetischen Mitbrüder

"Ich bin ein junger Tibeter aus der Gegend Dawu (Tawu) in der Region Kham und heiße Keri Nyima Dragpa (tib. sked ri'i nyima grags pa). Genau wie es in dem Sprichwort heißt: 'Obwohl klein, hat ein Murmeltier doch einen Körper wie alle anderen', bin ich weder ein Mensch von besonderer Bildung, der eine hohe Stellung oder viel Autorität hätte, noch bin ich ein reicher Mann, doch habe ich grenzenlose Zuneigung zu meinem Volk, mit dem ich mich zutiefst verbunden fühle. Das tibetische Volk lag mir schon immer sehr am Herzen und ich machte mir Sorgen wegen seiner Rückständigkeit und darüber, daß wir infolge der Unterdrückung durch die Besatzungsmacht nicht einmal das Recht haben, unsere eigene Sprache zu benützen. Damit werden uns die Menschenrechte gänzlich verwehrt, ja wir haben überhaupt keinen politischen Einfluß in unserem eigenen Land.

Nachdem ich unsere wundervolle Geschichte studiert habe, wie unsere Vorfahren ihre politische Macht ausübten und das Land regierten, fand ich den Mut und die Entschlossenheit, wenn es sein muß sogar mein Leben um meines Volkes willen zu opfern. Mit tiefster Aufrichtigkeit und von dem Wunsch beseelt, daß meine tibetischen Landsleute volle Freiheit genießen mögen, sowie aus der verzweifelten Hoffnung heraus, daß die Tibeter ihr eigenes Land haben sollen, schrieb ich viele Aufrufe und forderte, daß 'alle Chinesen in ihre Heimat zurückehren und den Tibetern ihre Unabhängigkeit gewähren' sollten. Diese brachte ich am 9. April 1998, am 10. und 12. und 19. November 1999, am 6. und 29. Dezember 1999 und am 7. Januar 2000 an den Seiten und Wänden der Regierungsgebäude des Kreises Tawu an. Und jedes Poster unterschrieb ich deutlich mit meinem eigenen Namen.

Doch es war mein trauriges Schicksal, ehe ich auch nur ein einziges meiner Ziele verwirklichen konnte, sieht es so aus, als ob ich dazu verurteilt wäre, mein kostbares Leben durch das grausame und repressive Regime der Chinesen zu verlieren.

Am 22. März 2000, als ich in Lhasa war, kamen vier Männer des Public Security Bureau von Tawu und nahmen mich fest. Gleich von Anfang an droschen sie, ohne irgend eine Frage zu stellen, auf mich ein wie auf ein Faß, so daß ich kein Wort mehr hervorbringen konnte. Ohne Essen oder auch nur einen Tropfen Wasser setzten sie mich in ein Flugzeug und brachten mich nach Chengdu. Dort übergaben sie mich dem chinesischen Sicherheitspersonal, um mich weiter mißhandeln zu lassen. Diese Ausgeburten von schwarzen Teufeln in Gestalt der chinesischen Kader preßten mich zu Boden und schlugen so erbarmungslos auf mich ein, daß ich bald mehr tot als lebendig war.

Dann verlor ich das Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, war es etwa 11 Uhr nachts. Ich merkte, daß ich am ganzen Körper Schmerzen hatte und ich mich nicht mehr richtig bewegen konnte. Das Schlimmste war, daß meine beiden Beine ohne jedes Gefühl und taub geworden waren.

Zehn Tage, nachdem wir in Tawu angekommen waren, begannen die Verhöre. Trotz der heftigen Schmerzen und gräßlichen Pein in meinem ganzen Körper gelang es mir Unglückseligem, ihnen alles ganz genau zu sagen, was ich zutiefst glaube und in meinem Innersten fühle. Ich gab auch zu, daß ich es war, der die Plakate geschrieben hatte.

Daraufhin verurteilte mich das Gericht von Kardze am 5. Oktober zu neun Jahren Gefängnis. Ich bin jetzt aber in einem solch elenden Zustand, daß ich keinen Bissen mehr hinunter bekomme, und meine Beine sind durch die grausamen Mißhandlungen der Chinesen lahm geworden. Ich weiß, daß ich nicht mehr lange leben werde.

Aber ich habe keine Angst vor dem Tod. Wenn der letzte Lebensatem diesen gebrochenen Tibeter verlassen hat, möge dieser Aufruf meinem Onkel mütterlicherseits, Jowo Kyab, übermittelt werden oder meine tibetischen Mitbrüder erreichen, die ein Interesse an unserem Volk haben und denen die Sache unserer tibetischen Nationalität am Herzen liegt. Möge durch die Vermittlung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama die internationale Gemeinschaft und die ganze Welt davon in Kenntnis gesetzt werden, wie grausam China mit Tibetern wie mir umgeht, wie es sie schikaniert und strafrechtlich verfolgen läßt.

Darüber hinaus appelliere ich an alle unsere tibetischen Mitbrüder, die vom selben Fleisch und Blut sind, wie ich: Ihr müßt die Wahrheit erfahren und wissen, wie die Chinesen uns unter Mißachtung aller Gesetze mit Folter und Gefangenschaft drangsalieren. Wir sollten, koste es uns, was es wolle, vereint gegen China aufstehen."

Kheri Nyima Drakpa
1. April 2001

Teil 9

Tibet im Report des Sonderberichterstatters für Religion an die Generalversammlung der UN

Der Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission für den Bereich Religions- und Glaubensfreiheit Abdelfattah Amor (Tunesien) stellte in seinem Zwischenbericht (A/58/296) an die 58. Sitzung der UN-Generalversammlung seine Intervention bei den chinesischen Behörden in Sachen mehrerer tibetischer politischer Gefangener in Osttibet dar. Hinsichtlich China wird in dem Report die Inhaftierung von Tenzin Delek Rinpoche, die Verhaftung von drei Mönchen und einem Laien, der für das Serthar Buddhist Institute gearbeitet hatte, die Verhaftung von fünf Tibetern im Oktober 2002 und das tibetischen Würdenträgern gegenüber ausgesprochene Besuchsverbot für den Berg Kailash in dem für die Umrundung besonders heiligem Jahr hervorgehoben. Das dritte Komitee der UN-Generalversammlung wird den Report voraussichtlich nächsten Monat im Rahmen seiner Menschenrechtstagung besprechen, auf der alternative Ansätze zur effektiven weltweiten Verbesserung der Menschenrechtslage und Sicherung der Grundfreiheiten erörtert werden.

In dem Bericht von Amor wird ausgeführt: "Im Hinblick auf die Lage der Tibeter fragte der Sonderberichterstatter die chinesische Regierung wegen der am 17. Oktober 2002 in der Stadt Ganzi erfolgten Verhaftung von fünf Tibetern: Shamba; Tsangpo, Namgyal, Kayo Dogha, Tsering Dorjee und Jampal". Diese fünf wurden im Frühwinter 2002 verhaftet, nachdem sie Gebets-Zeremomien für ein langes Leben des Dalai Lama organisiert hatten; sie wurden im April 2003 zu drei Jahren Haft verurteilt.

Der Sonderberichterstatter äußerte sich des weiteren besorgt darüber, daß "tibetische Regierungsangestellte aus Lhasa mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze bzw. ihrer Renten bedroht wurden, sollten sie während des geheiligten buddhistischen Monats Sagadawa den heiligen Berg Kailash besuchen". Das tibetische Jahr des Wasserschafs (2003-2004) gilt für die Tibeter als ein besonders vielversprechender Zeitpunkt für eine Pilgerfahrt zum Berg Kailash, einem der heiligsten Berge Tibets.

Weiterhin setzte der Report die UN-Generalversammlung über die Inhaftierung von Tenzin Delek Rinpoche und die gegen ihn verhängte Todesstrafe sowie über den der 59. Versammlung der UN-Menschenrechtskommission hierzu vorgelegten Bericht in Kenntnis.

Abschließend informierte der Experte für religiöse Rechte die Generalversammlung über eine kürzlich erfolgte Intervention bei den chinesischen Behörden: "In der zweiten Kontaktaufnahme vom 12. Juni 2003 übermittelte der Sonderberichterstatter Einzelheiten über die am 27. Mai 2003 erfolgte Verhaftung dreier Mönche, Tamding, Palzin und Shondu sowie des Laien Ngodup, eines Mitarbeiters des Serthar Buddhist Institute. Berichten zufolge wurden sie im Zusammenhang mit einem Vorfall vom 25. Dezember 2002 verhaftet, bei dem es um den Wiederaufbau von im vergangenen Jahr durch die Behörden zerstörten Behausungen ging. Dabei soll es Verletzte und zerstörte Polizeifahrzeuge gegeben haben. (s. para. 21 of E/CN.4/2003/66)."

Im November 1994 wurde mit Abdelfattah Amor zum ersten Mal ein UN-Menschenrechtsexperte, zu dessen Aufgaben die Beobachtung der Menschenrechtssituation einschließlich der religiösen Freiheit in Tibet gehört, ernannt. Mehrere NGOs (Non-Governmental Organisations) haben die chinesische Regierung während der letzten Jahre zu einer Folgeeinladung an Amor gedrängt. Jetzt, nach dem Menschenrechtsdialog der VR China mit der EU und den USA, haben die chinesischen Behörden der offiziellen Einladung des Sonderberichtserstatters für Religion zugestimmt. In seinem Bericht an die UN-Generalversammlung erwähnt er diesen Punk jedoch nicht.

Indessen ruft er "alle betroffenen Staaten zur Kooperation bei den Folge-Aktivitäten auf, die das Ergebnis eines jeden Besuches sein sollten und eine Kooperationsgrundlage bieten, von der sowohl die von seinem Auftrage direkt betroffenen Staaten als auch NGOs und Einzelpersonen und die Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen im Ganzen profitieren können."

Der Report kann auf der offiziellen Website des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (www.unhchr.ch) eingesehen werden.