Human Rights Update

Juni 2003

Inhalt
  1. Zeugenaussage eines langjährigen Schülers von Tulku Tenzin Delek nach gelungener Flucht
  2. Staudammprojekt gibt Anlaß zu großer Sorge
  3. Hydrolelektrische Anlage am Yeti See
  4. Internationaler Protest resultiert in Entlassung eines tibetischen Häftlings in Nepal
    UNHCR erreichte die Herausgabe von 19 Tibetern
  5. Drei Tibeter vor dem Geburtstag des Dalai Lama verhaftet
  6. Internationaler Tag der UNO für die Folteropfer
  7. Fünf Jahre Gefängnis für die Unterstützung eines Wohltäters der Gemeinschaft

Teil 1

Zeugenaussage eines langjährigen Schülers von Tulku Tenzin Delek nach gelungener Flucht

Der 33jährige Lochoe Drime (Laienname Lobsang Damchoe) ist ein verdienter Mönch aus dem Kloster Kham Nalenda Thakchen Jangchup Choeling im Landkreis Nyagchuka, Provinz Sichuan, einem der acht von Trulku Tenzin Delek gegründeten Klöster. Als ihm klar wurde, daß das Public Security Bureau von Nyagchuka seine Spur verfolgte, begab sich Lochoe auf die Flucht. Hier ist sein Bericht über das, was dort geschah:

"Ich wurde in dem Dorf Othok, Landkreis Nyakchuka, Provinz Sichuan, geboren. Wir sind Nomaden, und ich bin der älteste von vier Geschwistern. Mit 11 Jahren kam ich in das örtliche Kloster von Othok. Kham Nalenda Thakchen Jangchub Choeling wurde 1988 gegründet. Dort bekleidete ich zwei Jahre lang das Amt des Zuchtmeisters (tib. geko) und 4 Jahre lang das Amt des Gesangsmeisters (tib. dbu mdzad). Während meines 22jährigen Daseins als Mönch verbrachte ich auch geraume Zeit im Kloster Tashi Kyil in der Provinz Gansu, um dort die heiligen Schriften zustudieren.

Unser Lehrer Tenzin Delek Rinpoche vertrat stets die Sache des Volkes. Er war ein großer Wohltäter der Gesellschaft. Wegen seines sozialen Engagements geriet er oft mit den chinesischen Behörden ins Gehege, die in ihm eine Herausforderung ihrer Autorität sahen. Oftmals wurde der Tulku Zielscheibe ihres Ärgers. Zweimal mußte er sich in den nahegelegenen Bergen verstecken, weil ihm aufgrund seiner sozialen Aktivitäten unmittelbar die Verhaftung bevorstand. Im August 2001 schrieb ich zusammen mit Thupten Khenrab eine Petition, in der wir die Unschuld des Tulku beteuerten und die große Sorge der Menschen und ihre Unterstützung für das soziale Werk des Tulku zum Ausdruck brachten.

Wir appellierten an die Behörden, die humanitäre Arbeit des Tulku nicht zu behindern, die den Armen und Geknechteten so großen Segen brachte. Mit 40.000 Unterschriften und Daumenabdrücken befürworteten die Bewohner der Landkreise Lithang, Dartsedo und Nyakchuka die Petition. Es war wie eine spontane Massenbewegung und ein einmütiges Flehen um die Sicherheit des Rinpoche.

Sieben Personen (Namen zurückgehalten) fuhren mit der Petition nach Peking. Es gelang ihnen, sie verschiedenen Behörden, darunter auch der Abteilung United Work Front (die "Vereinte Arbeitsfront" ist für die Belange der Minderheiten zuständig) und dem Büro für Religiöse Angelegenheiten zu unterbreiten. Doch eine positive Reaktion der Behörden blieb aus. Daraufhin ging eine weitere Gruppe von 5 Personen zu der Provinzregierung von Sichuan, aber auch sie erhielten keine Antwort.

Ende März 2002 verließ ich mit zwei anderen Mönchen unser heimatliches Kloster, um meine Studien in tibetischer Literatur an dem Tashi Kyil Kloster in der benachbarten Provinz Gansu fortzusetzen. Wir fuhren über Chengdu, die Hauptstadt Sichuans, wo wir zufällig Lobsang Dhondup trafen, der gerade geschäftlich unterwegs war. Seit einem Jahr kannte ich ihn, er war ein sanfter und gutherziger Mensch. Kaum hatten wir Tashi Kyil erreicht, als wir im Radio von der Festnahme des Tulku hörten. Ich rief sofort in meinem heimatlichen Kloster an, wo man mir die Nachricht bestätigte".

Kurz nach der Verhaftung des Tulku erhielt Lochoe eine Mitteilung, daß das Landkreis-PSB von Nyakchuka nach ihm und zwei weiteren Mönchen suche. Der Verdacht der Behörden war im Zusammenhang mit dem Trulku auf sie gefallen.

"Sofort, nachdem wir hörten, daß die PSB Milizionäre uns auf den Fersen sind, beschlossen wir, uns aus dem Staub zu machen, da wir die Beamten niemals von unserer Unschuld hätten überzeugen können. Für Vernunft und Logik sind sie nicht zugänglich. Die PSB Beamten hatten einen unserer vertrauten Freunde, Tenzin Drime, gezwungen, mit ihnen zu gehen, um in Gansu nach uns zu suchen. Später verschwand Drime, nur um einen Monat später wieder aufzutauchen. Niemand erzählt er, was sie mit ihm getan haben. Sicher haben ihn eingeschüchtert.

Als wir bereits auf der Flucht waren, hörten wir, daß das PSB vom Landkreis Nyakchuka mein Zimmer im Kloster durchsucht hatte. Später wurde es versiegelt, und keiner durfte mehr unseren Block betreten. Von Tashi Kyil beeilte ich mich nach dem etwa 10 km entfernten Sangkol zu kommen. Und von dort ging ich nach Xiling und Golmud und schließlich nach Lhasa. Die neun Monate, in denen ich unterwegs war, waren eine sehr schwere Zeit, oft hatte nichts zu essen und kein Dach über dem Kopf.

In Lhasa zahlte ich einem guide 1.500 Yuan, um mich über die Grenze nach Nepal zu bringen. Während wir in Richtung Shigatse fuhren, hielt die Polizei uns an und verlangte unsere shengenzhen (chin. Bürgerausweise) zu sehen. Sechs von uns, darunter auch ich, kamen von außerhalb der TAR und hatten keinen shengenzheng. Das Ergebnis war, daß ich einen Monat und 18 Tage in dem Haftzentrum von Shigatse inhaftiert wurde. Bei dem geringsten Anlaß schlugen und traten mich die Wachen oder zogen mich an den Haaren.

Nach meiner Entlassung aus dem Haftzentrum Shigatse kehrte ich nach Lhasa zurück, wo ich Vorbereitungen für meinen zweiten Fluchtversuch traf. Diesmal reiste ich in einer Gruppe von 21 Personen; in einem zweiwöchigen Fußmarsch überwanden wir den Nangpala Pass. Unterwegs hörten wir von der Festnahme der 21 Tibeter durch die nepalesische Polizei (18 wurden später deportiert)."

Lochoe erreichte das Tibetan Refugee Reception Centre am 4. Mai 2003 und kam Mitte Juni in Dharamsala an. Von zwei seiner Gefährten fehlt nach einem mißlungenen Fluchtversuch jede Spur. Hier ist Lochoes Zeugnis über den Fall des Trulku Tenzin Delek:

"Die Behauptung, daß Tulku Tenzin Delek hinter einer Reihe von Sprengstoffanschlägen im April 2002 stehe, ist völlig absurd. Das ist eine rein erfundene Anklage gegen den Tulku und die anderen vier Verhafteten. Der Tulku ist ein Vorbild für die Erhaltung der tibetischen Kultur und Identität. Er ist eine Verkörperung aller lebenden Gottheiten. Er genießt hohes Ansehen wegen seines sozialen Engagements. Dank seiner steten Bemühungen um die Erhaltung der tibetischen Kultur auf jede nur erdenkliche Weise erreichte er in kürzester Zeit ungeheuer viel. Die Leute lieben und respektieren den Tulku wegen seiner wohltätigen Werke. Er war gleichsam ein Retter des tibetischen Volkes, und die unbegründete und ungerechtfertigte schwere Beschuldigung gegen ihn und die darauffolgende Verurteilung sind ein direkter Angriff auf das tibetische Volk. Der Tulku nahm niemals Hilfe von außerhalb China an, obwohl man sie ihm anbot. Noch hat er einen Pfennig von der chinesischen Regierung angenommen. Er führte seine sozialen Aktivitäten dank der großzügigen Spenden seiner Anhänger und Unterstützer durch. Alles, was er von den Leuten bekam, hat er für den Bau von Schulen, Altersheimen, Waisenhäusern und Ambulanzen (die freie Behandlung bieten) verwendet. Seine besondere Fürsorge galt den Armen. Tulku Tenzin Delek und Lobsang Dhondup haben sich strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen. Die Chinesen dulden nicht, daß die tibetische Kultur blüht. Sie argwöhnten, daß der Tulku ihre Autorität herausfordere. Deshalb gingen sie so hart gegen ihn vor. Es gibt sonst keinen Grund, warum sie ihn verhaftet hätten".

Schock und Trauer über die ungerechtfertigte Verhaftung des Tulku: Urther, 77, und Urgue, zwei älteren Anhängern von Tulku Tenzin Delek, brach das Herz, als sie von seiner Festnahme hörten. Diese traurige Nachricht war zu viel für sie, und sie gerieten psychisch völlig aus den Fugen.

Die in der Gegend lebenden Tibeter sind voller Sorge, von Kummer niederdrückt und weinen täglich über die grausame Behandlung des Tulku durch die Chinesen. Jeder Ausdruck von Loyalität mit dem Trulku zieht sofort eine scharfe Reaktion der chinesischen Behörden nach sich. Leute, die davon sprachen, wie sehr ihnen dieser Verlust zu Herzen geht, wurden alleine aus diesem Grund schon geschlagen und gefoltert.

Die Behörden sagen, Tenzin Delek Rinpoche und der Dalai Lama seien die zwei größten Feinde Chinas. Alle, die Sympathie für sie bezeigen, würden es empfindlich zu spüren bekommen.

Gebete für Tulku Tenzin Delek: In dem Kloster Kham Nalenda organisierten die Mönche eine Woche nach seiner Festnahme unter der Schirmherrschaft von Bürgern des Ortes eine große Puja mit Gebeten für das lange Leben und die Sicherheit des Trulku. Aber die Zeremonie wurde sehr schnell von chinesischen Beamten gestoppt, die ihre Fortsetzung verboten. In ähnlicher Weise unterbrachen PSB Beamte ein Gemeinschaftsgebet in Thankarma Jorkhang, zu dem sich etwa 400 Personen versammelt hatten.

Teil 2

Staudammprojekt gibt Anlaß zu großer Sorge

Einer zuverlässigen Information aus Tibet zufolge hat Pekings Staudammprojekt in der TAP Ngaba, Provinz Sichuan, bei den Tibetern schwere Befürchtungen ausgelöst. Wie es heißt, erfolgte ein offizieller Erlaß, dem zufolge annähernd 17.000 Bewohner aus acht Gemeinden der Landkreise Barkham und Chuchen innerhalb von drei Jahren umgesiedelt werden sollen.

Die von dem Projekt betroffenen Gemeinden sind: Dzongbud (2798 Menschen, 579 Familien), Tawei (1451 Menschen, 288 Familien), Kokyap, Tsodun (7112 Menschen, 3040 Familien), Kyomkyo (3716 Menschen, 743 Familien), Damba, Drakbar (2349 Menschen, 485 Familien) und Chuchen. Die Verwirklichung des Projektes würde nicht nur den Einwohnern dieser Orte die Möglichkeit nehmen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch religiöse Schreine und andere uralte Wahrzeichen würden im Wasser versinken.

Die von dem Projekt betroffenen Bewohner richteten einen Appell an die Behörden, doch ihre Petition stieß auf taube Ohren. Das Wasserkraftwerk soll Shuang-Jang Kou Dianzhan benannt werden, was wörtlich "Zusammenfluß zweier Flüsse" bedeutet. Der Staudamm soll in etwa zwei km Entfernung vom Zusammenfluß des Kyomkyo Flusses (chin. Juiao-Muza He) aus dem Landkreis Barkham und des Kokyab Flusses (chin. Chuosi-Jia He) aus dem Landkreis Chuchen errichtet werden.

Zuständig für den Bau des Wasserkraftwerkes in der TAP Ngaba ist das Entwicklungskomitee Gyalrong Ngulchu. Staatliche Stellen vor Ort bezeichneten das geplante Kraftwerk als "den wichtigsten aller Staudämme, die im Gebiet des Gyalrong Ngulchu Flusses gebaut werden".

Bei einem Funktionärstreffen der TAP Ngaba Anfang April 2003 forderte der zweite Parteisekretär der Region Kren Sei Ji, daß die "Präfektur- und Landkreisverwaltungen unverzüglich einen Ausschuß einrichten, um ein günstiges Umfeld für die glatte Durchführung des Projektes zu schaffen". Noch im selben Monat trafen chinesische Regierungsvertreter zu Inspektionszwecken in den Landkreisen Barkham und Chuchen ein und ordneten an, die Anlage noch vor 2006 fertigzustellen.

1990 betrug die Gesamteinwohnerzahl des Kreises Barkham offiziellen chinesischen Quellen zufolge 58.049. Die Tibeter machen dort 63 % der Bevölkerung aus, 34% sind Chinesen. Die TAP Ngaba umfaßt 13 Landkreise und einen autonomen Distrikt. Der Stausee soll in den Landkreisen Barkham und Chuchen entstehen, die beide reich an natürlichen Ressourcen und der Ursprung vieler Flüsse sind.

Teil 3

Hydrolelektrische Anlage am Yeti See

Der tibetische Nachrichtendienst von Radio Free Asia berichtete von einem weiteren Staudamm, der am Yeti See (chin. Kangding Mugecuo, tib. Mugetso) in Dartsedo (chin. Kangding) ungeachtet aller Befürchtungen wegen der Umweltschäden gebaut werden soll.

Wie berichtet, stellten örtliche Funktionäre der TAP Kardze und die Hua Neng Korporation in Peking Pläne für ein Wasserkraftwerk am Yeti See auf, dessen Kosten auf 2 Mrd. Yuan (300 Mio. US$) veranschlagt wurden. Eigentümer der Hua Neng Gesellschaft Li Xiaopeng, ein Sohn des früheren chinesischen Premierministers Li Peng.

Diesem Plan zufolge würden sich die Li Xiaopeng gehörende Hua Neng Gesellschaft und die Präfektur Kardze die Kosten für den Bau des Dammes teilen, obwohl unklar ist, wieviel jede der beiden Seiten übernimmt. Ebenso würden sie sich den von dem Staudamm erwirtschafteten Gewinn teilen - mit 60 % für die Hua Neng Gesellschaft und 40 % für die Präfektur Kardze.

Im Mai 2003 richteten Bewohner der Gegend einen schriftlichen Protest an die tibetischen Verwaltungsbeamten und ersuchten sie, das Projekt zu stoppen. Der Brief wurde an Premierminister Wen Jiabao weitergeleitet, der ein Expertenteam zur Begutachtung in die Gegend schickte. Nach Abschluß der Untersuchungen berichteten die Experten, der geplante Damm würde in der Gegend sicher zu einer Einkommenssteigerung führen, doch über die Bedenken wegen der Umwelt schwiegen sie.

Solche Wasserkraftwerke sind die Lieblingsprojekte der Pekinger Elite, die auf diese Weise den dringenden Strombedarf der Klein- und Großstädte im chinesischen Mutterland decken will. Die Frage des Lebensunterhaltes der Tibeter und ihr Recht auf Entwicklung wurde immer in den Hintergrund gedrängt, wenn es um die Verwirklichung der Regierungspolitik geht. Das tibetische Volk hat ein Recht darauf, nach Belieben an allen staatlichen Entwicklungsprojekten teilzuhaben, und ebenso hat es ein Recht, seine Bedenken zu äußern, wenn es seiner eigenen Rechte oder Ressourcen beraubt wird. Doch seine Stimme findet kein Gehör, und seine Einwände werden von der Regierung mit leeren Versprechungen abgespeist.

Teil 4

Internationaler Protest resultiert in Entlassung eines tibetischen Häftlings in Nepal

Der tibetische Gefangene Sobho, 28, der im Central Bhadra Jail inhaftiert war, wurde am 17. Juni freigelassen, nachdem das Office of Tibet und das Tibetan Refugee Reception Centre (TRRC) in Kathmandu das Lösegeld von 107 $ für ihn bezahlt hatten. Er wurde dem UN Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) übergeben und befindet sich derzeit in der Obhut des TRRC.

Verlautbarungen zufolge gab es Versuche, den Freilassungsprozeß von Sobho zu behindern. Um ihn selbst zu zitieren: "Am 17. Juni wurde ich gegen 17 Uhr entlassen. Während die Mitarbeiter des TRRC die Formalitäten erledigten, kamen zwei nepalesische und ein tibetischer Mann zweimal zu mir ins Gefängnis. Sie stellten mir viele Fragen - etwa, was das TRRC für mich mache, und wann ich entlassen würde usw. Vor allem forderten sie von mir, ein Schriftstück zu unterschreiben, was ich jedoch ablehnte. Ich hatte den Eindruck, daß diese Männer versteckte Motive hatten, als sie mich interviewten"

Das TCHRD betrachtet diese Freilassung als eine versöhnliche Geste seitens der nepalesischen Behörden angesichts des internationalen Aufschreis über die kürzlich erfolgte Deportation von 18 Tibetern. Mehrere Regierungen und NGOs "bedauerten und verurteilten" diese Maßnahme der Regierung Seiner Majestät von Nepal, weil sie sich den Anordnungen der chinesischen Botschaft in Kathmandu gegenüber so willfährig gezeigt hatte.

Unterdessen liegen uns bestätigte Informationen vor, daß die Einwanderungsbehörde für die drei Kinder (die unter den 21 Verhafteten waren, von denen 18 deportiert wurden) bisher keine Erlaubnis erteilte, nach Indien auszureisen. Sie befinden sich daher in Gefahr, deportiert zu werden, sobald die chinesische Botschaft genügenden Druck auf die nepalesische Regierung ausübt. Derzeit gibt es 10 tibetische Häftlinge in nepalesischen Gefängnissen, die alle in Ermangelung der notwendigen Aufenthaltspapiere und Visa eine Haftstrafe von 10 Jahren verbüßen.

Sobho äußerte sich sehr besorgt über das Schicksal der neulich an die Chinesen ausgelieferten Flüchtlinge: "Die Deportation von 18 Tibetern ist einfach schockierend. Ich fühle wirklich mit ihnen in ihrer Notlage mit. Zurückgeschickt zu werden, ist der schlimmste Alptraum für jeden Flüchtling. Sie haben jetzt mit Mißhandlungen und Folter zu rechnen. Ich appelliere an die internationale Gemeinschaft und an die zuständigen Regierungen, keine Tibeter mehr zu deportieren. Diese Flüchtlinge sind gerade den Klauen des Todes entgangen und jetzt werden sie in die Hölle zurückgeschickt, wo sie der Strafverfolgung der Chinesen ausgesetzt sind".

Sobho hatte schon vor fünf Jahren einen Fluchtversuch aus Tibet unternommen, der jedoch mißglückte. Er war mehrere Monate in dem Nyari Haftzentrum in der Präfektur Shigatse, TAR, eingesperrt gewesen. Obwohl er dieses Mal seinen Fuß auf nepalesischen Boden setzen konnte, wurde er am 7. Mai 2003 an dem Checkpoint Barabise festgenommen und dort 6 Tage festgehalten, ehe er dem Immigration Department überstellt wurde. Diese Behörde leitete ein Verfahren gegen ihn ein und setzte eine Visumsgebühr von 37.50 $ zuzüglich einer Strafe von NRs 5.000 (70 $) fest. Weil er diese Summe nicht bezahlen konnte, wurde Sobho wegen Zahlungsverzugs zu einer Haftstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Sobho stammt aus dem Landkreis Derge, TAP Kardze, Provinz Sichuan. Nachdem er 7 Jahre als Mönch in dem Buddhistischen Institut Serthar verbracht hatte, mußte er diesen Ort verlassen, als die chinesischen Behörden Mitte 2001 etwa 8.000 Studierende von dort vertrieben und ihre Unterkünfte zerstörten. Um seine religiösen Studien fortführen zu können, beschloß Sobho daher, die monastische Ausbildung in den Exilklöstern in Südindien zu vollenden. Der Wunsch nach einer Audienz beim Dalai Lama ist ein weiterer Beweggrund für seine Flucht aus Tibet.

UNHCR erreichte die Herausgabe von 19 Tibetern

Die Gruppe von 19 Flüchtlingen, die - wie von der Kathmandu Post berichtet - am 24. Juni im dem westnepalischen Landkreis Acham festgenommen wurde, hat am 1. Juli das Tibetan Refugee Reception Centre (TRRC) in Kathmandu erreicht. Ihre Freilassung ist in erster Linie dem UN Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) zu verdanken. Die Verhafteten wurden bereits in Dhangadhi in Westnepal dem Büro des UNHCR übergeben. Mitarbeiter des UNHCR und des TRRC eilten von Kathmandu nach Dhangadhi, um für die Sicherheit der Flüchtlinge und ihre reibungslose Reise nach Kathmandu zu sorgen. Die aus 15 Männern und 4 Frauen bestehende Gruppe kommt aus Kham, das älteste Mitglied ist 40 und das jüngste 8 Jahre alt.

Teil 5

Drei Tibeter vor dem Geburtstag des Dalai Lama verhaftet

Yeshi Gyatso, Mitglied der CPPCC (Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes) der Stadt Lhasa, Dawa Tashi und Buchung, beide Studenten an der Tibet Universität, wurden am 16. Juni "spalterischer Aktivitäten" beschuldigt und festgenommen.

Diese Festnahmen erfolgten im Zuge einer verschärften Kontrolle der Einwohner Lhasas, um Gedenkfeiern am Geburtstag des Dalai Lama am 6. Juli zu verhindern. Jedes Jahr lassen die Behörden an diesem Tag große Vorsicht walten, weil sie darin die Gefahr sehen, daß der tibetische Nationalismus Auftrieb erhalten könne. Die Regierung hat jegliche Feiern zum Geburtstag des im Exil lebenden geistlichen Oberhaupts der Tibeter verboten.

Am 26. Mai 2000 brachte die Stadtverwaltung von Lhasa ein Rundschreiben heraus, in dem die Feier des Geburtstages geächtet wurde - bei Androhung der Festnahme derjenigen, die bei einer Feier des Tages angetroffen werden.

Am 5. Juni 2001 kam ein weiteres Rundschreiben heraus, in dem das Verbot bestätigt wurde. In seinem zweiten Punkt wird den Einwohnern der Stadt untersagt, sich an diesem Tag zu versammeln, Räucherwerk zu verbrennen, tsampa (Gerstenmehl) in die Luft zu werfen, Gebetsfähnchen aufzuhängen und Gebete zu rezitieren.

Jeder Bürger, der festgenommen wird, weil er auf die eine oder andere verbotene Weise des Tages gedacht hat, wird als "Spalter" eingestuft und muß mit Gefängnis rechnen.

Gegenwärtig gibt es keine genaueren Informationen über die drei Verhafteten. Es ist jedoch anzunehmen, daß sie in das Haftzentrum des PSB in Lhasa gebracht wurden. Wegen ihrer vermeintlichen Verbrechen könnten ihnen lange Haftstrafen bevorstehen.

Teil 6

Internationaler Tag der UNO für die Folteropfer

1997 hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen den 26. Juni offiziell als den Internationalen Tag zur Unterstützung von Folteropfern erklärt. Jedes Jahr ist dieser Tag nun den Folteropfern und dem Bemühen, die Folter in der ganzen Welt auszumerzen, gewidmet.

1986 unterzeichnete die chinesische Regierung die UN Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Behandlung (CAT) und ratifizierte sie im Oktober 1988. Trotzdem hat China durch sein repressives System der Überwachung, Einschüchterung und Verfolgung in Tibet unzählige Akte von Mißhandlung in den Gefängnissen und Haftanstalten ermöglicht. Das revidierte chinesische Strafverfahrensrecht, das im Oktober 1997 in Kraft trat, erklärt jedoch gewisse Formen von Folter als unzulässig.

Das TCHRD dokumentierte eine ganze Reihe von Foltertechniken, die bei tibetischen Häftlingen und Gewissensgefangenen eingesetzt werden, wie Hand- und Fußschellen, Elektroschockgeräte, extremen Temperaturen Aussetzen, lange Dauer der Isolationshaft, Entzug von Nahrung, Wasser und Schlaf, Zwangsarbeit und Zwangsdrill. Den Gefangenen wird eine rechtzeitige und wirksame medizinische Betreuung verweigert. Der Zweck der Folter in Tibet ist, den physischen und moralischen Widerstand des Opfers zu brechen. Neben der körperlichen Peinigung bedeutet die Folter ein psychisches Trauma und eine Schikane, die dem Opfer das ganze Leben lang zu schaffen macht.

Den Unterlagen des TCHRD zufolge starben seit 1997 mindestens vierundachtzig politische Gefangene als direkte Folge von Folterungen in chinesischer Haft oder kurz nach ihrer Entlassung. Folter wird in den chinesisch verwalteten Gefängnissen und Haftzentren als Mittel zur Einschüchterung, zur Erpressung von Informationen oder zur Demütigung der Gefangenen eingesetzt. 2002 verzeichnete das TCHRD 208 politische Gefangene in dem weitläufigen Netz von Gefängnissen, Haftzentren und Arbeitslagern in Tibet.

Um nur ein Beispiel eines folterbedingten Todes zu nennen: Lobsang Dhargyal starb am 19. November 2002 in einem Lager zur "Reform-durch-Arbeit" in dem Landkreis Machen, TAP Golog, Provinz Qinghai, an einer Gehirnblutung. Sein Tod ist der maßlosen Mißhandlung in der Gefangenschaft zuzuschreiben.

Anläßlich des Internationalen Tages für Folteropfer ruft das TCHRD die chinesische Regierung auf, alle politischen Gefangenen in Tibet freizulassen und allen Formen von Folter und Mißhandlung ein Ende zu setzen. Das TCHRD fordert China auf, sich an seine eigenen Gesetze zu halten, sowie an seine Verpflichtungen im Rahmen der UN Verträge, besonders der CAT. Das Zentrum bittet die Pekinger Regierung ferner, dem UN Sonderberichterstatter für Folter einen Besuch in China zu ermöglichen und ihm dabei ungehinderten Zugang zu allen relevanten Stätten zu gewähren, damit er die Lage vor Ort beurteilen kann.

Der Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, ruft in seiner Botschaft zu diesem Tag alle Staaten auf, als einen konkreten Schritt im Kampf zur Verhinderung von Folter in der Welt die Konvention gegen Folter und ihr Fakultativprotokoll zu ratifizieren. Er verurteilt die Folterer, die "den Willen und Geist des Opfers zu brechen suchen" und beteuert "den ungebrochenen Willen und die Absicht der UNO, diese üble Praxis auszurotten, die Folterer vor Gericht zu bringen und den unschuldigen Opfern beizustehen". Folter ist eine barbarische Verletzung der Menschenwürde und der Menschenrechte. Keinerlei politische, militärische, religiöse oder andere Gründe können sie jemals rechtfertigen, fügte er hinzu.

Aus einer Erklärung zum Tag der Folteropfer von Guchusum (Vereinigung ehemaliger tibetischer Gewissensgefangener in Dharamsala, www.guchusum.org):

"Dreiundfünfzig Jahre sind es nun, daß das Volk in Tibet unter dem chinesischen Regime leidet und unsägliche Folter durch die Hand der Chinesen erduldet. Für Tibeter in Tibet sind die Begriffe Menschenrecht und Freiheit bedeutungslos. Um nur ein Beispiel zu nennen, wie die kommunistischen Chinesen die Tibeter ihrer Religionsfreiheit, Menschenrechte und Meinungsfreiheit beraubt haben: Sie halten den jungen Panchen Lama seit 1995 bis zu heutigen Tag in Gewahrsam.

Das Leben vieler Gefangener ist ernstlich bedroht. Zu nennen sind hier besonders Tulku Tenzin Deleg Rinpoche aus Lithang, Lobsang Tenzin, Ngawang Phuljung, Ngawang Gyaltsen, Jamphel Jangchub, Ngawang Woiser, Geshe Sonam Phuntsok und Phuntsok Nyidron. Vor einiger Zeit wurde von der Entlassung von Chadrel Rinpoche Jampa Thinley berichtet, aber bislang hat ihn niemand zu Gesicht bekommen. Es besteht daher kein Zweifel, daß er weiterhin in Einzelhaft gehalten wird.

Die Verfolgung tibetischer politischer Gefangener durch das chinesische Regime ist jenseits aller Vorstellungskraft. Vom ersten Tage an bis zu seiner Entlassung wird ein politischer Häftling auf unvorstellbare Weise mit einer ganzen Reihe von Folterwerkzeugen gepeinigt. Als Folge hiervon sterben einige im Gefängnis, während andere ein ständiges chronisches Leiden davontragen.

Diejenigen, die nach Verbüßung ihrer Haftstrafe entlassen werden, sind auch weiterhin ihres Rechtes auf freie Rede, Freizügigkeit usw. beraubt. Sie haben es daher sehr schwer, Arbeit zu finden und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Selbst wenn ein Arbeitgeber bereit wäre, sie einzustellen, würde er von den Behörden zur Rede gestellt, warum er einer Person, die im Gefängnis gesessen hat, Arbeit gibt. Mit anderen Worten, die Chinesen sorgen dafür, daß ein politischer Ex-Gefangener arbeitslos und isoliert bleibt.

Wir rufen die internationale Gemeinschaft auf, das repressive chinesische Regime zu einem Umdenken in seinem Umgang mit den Tibetern zu bewegen. Derzeit ist ein Dialog zwischen Tibetern und Chinesen im Gange. Wir fordern die chinesische Regierung auf, die Folterung tibetischer politischer Gefangener einzustellen und ein förderliches Klima für einen sinnvollen Dialog zwischen den beiden Parteien zu schaffen.

Teil 7

Fünf Jahre Gefängnis für die Unterstützung eines Wohltäters der Gemeinschaft

Der 74jährige Tsering Dhondup stammt aus einer Nomadenfamilie des Dorfes Othok, Kreis Nyakchuka, TAP Kardze, Provinz Sichuan. Seit Ende der sechziger Jahre ist er Mitglied der KP und schließlich wurde er Vorsteher des Dorfes Othok. Obwohl er keine ordentliche Schulbildung erhalten hatte, kann er sich auf Tibetisch gewandt ausdrücken und spricht auch beachtlich gut Chinesisch.

Tsering genoß als Bürgermeister wegen seiner Aufrichtigkeit und seines offenen Wesens enormes Ansehen im Dorf. Unzählige Male setzte er sich bei übergeordneten Parteimitgliedern für das Wohl der Dorfbewohner ein und öfters distanzierte er sich auch von der Parteipolitik. Als Tulku Tenzin Deleg wegen seines sozialen Engagements von den chinesischen Behörden verfolgt wurde, unterstützte Tsering die karitativen Werke des Tulku. Zweimal war er maßgeblich an Petitionen zugunsten von Tulku Tenzin Deleg beteiligt. Er wurde bei der Provinzverwaltung von Sichuan und bei der Zentralregierung in Peking vorstellig und unterbreitete die Petitionen. Höhere Parteikader und die Kreisverwaltung mißbilligten seine Aktivitäten.

Im Juni 2002, zwei Monate nach der Festnahme Tulku Tenzin Delegs Anfang April, trafen zwei Polizeijeeps mit Beamten des PSB von Nyakchuka, angeführt von Jigmey, im Dorf Othok ein. Jigmey schickte einen dienstälteren Dorfbeamten namens Arshi Kong zum Haus von Tsering Dhondup. Kaum war Tsering vor die Tür getreten, da wurde er von zwei bewaffneten Polizisten gepackt und weggeführt. Tserings Frau appellierte an die Polizisten, aber sie schlugen auf sie ein und warfen sie zu Boden. Auch Tserings 15jähriger Enkel Tashi versuchte sie aufzuhalten, wurde jedoch mit einem Gewehrlauf auf den Kopf getroffen, so daß er bewußtlos zu Boden fiel. Die Beamten warnten die Dorfbewohner davor, Solidarität mit Tsering zu zeigen.

Tsering kam in das Haftzentrum des Kreises Nyakchuka. 20 Tage lang wurden ihm die Besuchsrechte vorenthalten. Nachdem seine Frau Dolchoe ihn endlich sehen konnte, flehte sie die Behörden an, Tsering aufgrund seines hohen Alters und seiner Gebrechlichkeit freizulassen, aber sie fand kein Gehör.

Sechs Tage nach Tserings Verhaftung beriefen der Chef der PAP (bewaffnete Volkspolizei) und der zweite Vorsitzende des Kreises Nyakchuka eine Zusammenkunft im Dorf ein. Dabei wurde Tsering Dhondup denunziert und aus der Partei ausgeschlossen. Man beschuldigte ihn, die Dorfbewohner betrogen und gegen die kommunistische Partei aufgebracht zu haben.

Das Volksgericht von Nyakchuka verurteilte Tsering Dhondup wegen "separatistischer Aktivitäten" im Zusammenhang mit Tulku Tenzin Deleg zu fünf Jahren Gefängnis. Nach 4 Monaten in dem Haftzentrum Nyakchuka wurde er in das Gefängnis Ra-Nga-Khang verlegt. Dort wollte ihn anfänglich der Gefängnisleiter wegen seines Gesundheitszustandes und seines Alters gar nicht annehmen. Aber die Polizei zwang ihn dazu.

Vor seiner Verhaftung hatte sich Tsering einer Augenoperation unterzogen, weshalb er eine Brille tragen mußte. Doch die Gefängnisaufseher verboten ihm, die Brille zu tragen, weil die Häftlinge kein Metall besitzen dürfen. Als Folge hiervon verschlimmerte sich Tserings Augenleiden und er erblindete auf einem Auge. Obendrein bekam er ernste Probleme mit seinem linken Bein, so daß er jetzt nicht mehr gehen kann. Er befindet sich in einem kritischen gesundheitlichen Zustand. Seine Entlassung ist erst 2007 fällig.