Human Rights Update

Mai 2003

Inhalt
  1. Tibetische Häftlinge auf Druck der Chinesen deportiert
  2. Auslieferung der Häftlinge an der Grenze: Augenzeugenbericht
  3. Weiteres zu dieser Gruppe
  4. Liste der tibetischen Flüchtlinge im Gefängnis in Nepal und Liste der ausgelösten Häftlinge
  5. Zwangsumsiedlung von Tibetern wegen eines neuen Staudammprojektes in Osttibet
  6. China nimmt vier Tibeter aus dem Serthar Institut fest
  7. Selbst nach dreimaliger Umerziehung nicht "reformiert"
Teil 1

Tibetische Häftlinge auf Druck der Chinesen deportiert

Einer bestätigten Information zufolge wurden die 18 tibetischen Häftlinge am 31. Mai unter dem Druck der chinesischen Botschaft in Nepal nach Tibet deportiert. Um 6 Uhr früh setzten Polizisten der Hanuman Dhoka Polizeistation die Flüchtlinge gewaltsam in einen Polizeiwagen. Es heißt, sie hätten sich widersetzt, seien dann aber einfach gepackt und hineingestoßen worden.

Die Gruppe wurde zum Police Club in der Nähe des Immigration Department gefahren, wo bereits ein Bus der chinesischen Botschaft auf sie wartete. Dessen Nummernschild sei verdeckt und die Fenster seien mit Vorhängen verhängt gewesen. Der Bus startete in Richtung Dram (nepalesisch-tibetische Grenze), wo die Gruppe dem chinesischen Grenzschutzpersonal übergeben wird.

Tashi, der nach vorübergehender Inhaftierung im Dili Bazaar Jail in das Central Badhra Jail verlegt worden war, wurde ebenfalls abgeschoben, so daß die Gesamtzahl der Deportierten 18 beträgt. Am Freitag Abend um 18 Uhr wurde er in die Hanuman Dhoka Polizeistation gebracht.

Bei den deportierten Tibetern handelt es sich um: Yeshi (weiblich), 13, Tenzin Nyima, 14, Rinchen Dhondup, 14, Gyaltsen Wangchuk, 14, Lobsang Jampa (weiblich), 16, Yonten (weiblich), 17, Rinzin Dolma (weiblich), 17, Tsultrim Gyatso, 17, Thupten Tsering, 18, Kelsang Wangdue, 19, Tashi Choedon (weiblich), 19, Lobsang Phuntsok, 21, Tashi, 22, Lobsang Tenpa, 23, Yeshe Sangpo, 23, Lobsang, 25, Lobsang Tenphel, 28, und Gelek, 30. Wie verlautet, wurden die drei Kinder (Tenzin Dolkar, 6, Lobsang Dawa, 6, und Pasang Diki, 9), die sich in der Obhut des TRRC (Tibetan Refugee Reception Centre) befinden, nicht mit der Gruppe abtransportiert.

Neun der 18 Festgenommenen sind Jugendliche im Alter zwischen 13 und 18 Jahren. Die Tatsache, daß hier Minderjährige betroffen sind, steht in direktem Widerspruch zu der Konvention der Rechte des Kindes (CRC), die auch Nepal unterzeichnet hat. Artikel 22 der CRC legt ausdrücklich fest: "Die Vertragsparteien haben Maßnahmen zu ergreifen, damit ein Kind, das den Flüchtlingsstatus sucht... angemessenen Schutz und humanitären Beistand erfährt, gemäß den in der vorliegenden Konvention verbrieften Rechten...". Und Art. 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erkennt "jedem Menschen das Recht zu, in anderen Ländern vor Vorfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen".

Soweit dem TCHRD bekannt, ist dies die erste Deportation von Tibetern, die auf die direkte Intervention und auf das Geheiß der chinesischen Botschaft erfolgt. Im Juni 1995 deportierte die nepalesische Polizei gewaltsam 39 Tibeter, aber es wurde damals kein Druck von China ausgeübt. Die 39 Personen kamen zuerst mehrere Tage lang in ein Haftzentrum in Dram und auf ihrem Weg nach Lhasa in verschiedene andere. Seit ihrer gewaltsamen Rückführung nach Tibet stehen sie unter ständiger Überwachung durch die chinesischen Behörden.

Dem Art. 3.1 des nepalesischen Immigrationsgesetzes von 1992 zufolge "wird einem Ausländer, der keinen Paß und kein Visum hat, nicht gestattet, das Königreich Nepal zu betreten oder sich darin aufzuhalten". Im Fall von Zuwiderhandlung wird mit den Schuldigen entsprechend verfahren. Der zuständige Immigrationsbeamte muß nach dem Art. 8.2 des Immigrationsgesetzes eine Untersuchung hinsichtlich einer etwaigen Verletzung dieses Gesetzes einleiten. Danach ist er bevollmächtigt, Aussagen der angeklagten Person zu Papier zu bringen, ihr einen Strafurlaub zu gewähren, sie gegen eine Kaution freizulassen oder sie nach gerichtlicher Billigung bis zu 25 Tagen zu inhaftieren, falls genügender Grund dazu vorliegt".

Der Art. 8.2 enthält eine Vorkehrung, die eine längere Festhaltung zuläßt, falls die geforderte Bürgschaft nicht gezahlt wird. Doch diese 17 Tibeter, die anfänglich die Kaution nicht zahlen konnten, wurden mit Haftstrafen von drei bis sieben Monaten belegt. Als Vertreter des TRRC in Kathmandu die Geldstrafen bezahlen wollten, um ihre Freilassung zu erwirken, vereitelte das chinesische Botschaftspersonal ihre Bemühungen, indem es die Übergabe und Deportation der Tibeter verlangte.

Dem Gesetz zufolge muß die inhaftierte Person, sobald die Kaution entrichtet wird, freigelassen werden. Daß ein Vertreter eines anderes Staates ihre Deportation fordert, ist nur dann möglich, wenn ein Auslieferungsvertrag mit diesem Staat vorliegt. Damit ein Ausländer, der sich einer Gesetzesübertretung schuldig gemacht hat, abgeschoben werden kann, muß der zuständige Immigrationsbeamte zuerst dem Generaldirektor einen schriftlichen Bericht einreichen, der zur Deportation des Ausländers wiederum die Zustimmung der Regierung Seiner Majestät (His Majesty's Government = HMG) benötigt.

Das TCHRD ist schwer betroffen über diese krasse Verletzung des Gesetzes. Nirgends im nepalesischen Recht werden Personen, die gegen das Einwanderungsgesetz verstoßen haben, als Kriminelle klassifiziert, doch die Tibeter wurden in die Distrikt-Polizei-Station Hanuman Dhoka transferiert, wo sie mit gewöhnlichen Verbrechern zusammengelegt wurden, und nach den vorliegenden Informationen zu schließen, sind die Dinge, die in den letzten zwei Tagen mit ihnen geschahen, weit davon entfernt, mit dem nepalesischen Recht in Einklang zu stehen.

Obwohl die nepalesische Regierung keine offizielle Flüchtlingspolitik betreibt, sieht das TCHRD in der Deportation der Tibeter einen Bruch mit der üblichen Verfahrensweise und der Einhaltung des "Gentlemen's Agreement" von 1989 zwischen der Regierung Nepals, dem UNHCR und der tibetischen Regierung-im-Exil, das die sichere Durchreise der Flüchtlinge nach Indien garantierte. Nepal gehört nicht zu den Unterzeichnerstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, doch es ist ein Vertragsstaat der Internationalen Übereinkunft über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR), sowie ihres ersten und zweiten fakultativen Zusatzprotokolls. Nepal ist daher verpflichtet, das Recht der tibetischen Flüchtlinge auf Asylsuche vor Verfolgung zu schützen und zu gewährleisten.

Das TCHRD ist schockiert, daß die chinesische Regierung in ihrer Druckausübung auf Nepal so weit geht, in das nepalesische Rechtsverfahren einzugreifen, um die Tibeter ihrer grundlegenden Rechte und Freiheiten zu berauben. Nepals Politik hinsichtlich der Flüchtlinge wird in letzter Zeit nur noch von den bilateralen Beziehungen zwischen Nepal und China bestimmt. Es ist grotesk, daß tibetische Flüchtlinge jetzt in ein Land deportiert werden, aus dem sie geflohen sind, um der Verfolgung zu entgehen. Das TCHRD macht sich große Sorge um das Schicksal der 18 Tibeter, da ihr Akt des "Landesverrats" ihnen schwer geahndet werden könnte.

Teil 2

Auslieferung der Häftlinge an der Grenze: Augenzeugenbericht

"Kaum hatte ich die Nachricht erhalten, daß die Flüchtlinge nun doch, wie befürchtet, deportiert würden, rief ich einen Fotografen und stürzte los. Unterwegs hörten wir, daß die Gefangenen beim Police Club von einem Polizeiwagen in ein anderes Fahrzeug umgeladen würden. Als wir dort ankamen, wurden sie gerade in einem neuen, modernen Toyota Kleinbus ohne Nummernschild und Aufschrift weggefahren. Wir hätten gar nicht gewußt, daß es der Bus mit den Häftlingen ist, wenn sich nicht eine Tibeterin – welche die einzige weitere Person an dem Ort war - schreiend vor ihn geworfen hätte, um ihn am Wegfahren zu hindern. Das gab uns Zeit, hinzurennen, einige Aufnahmen zumachen, wieder in unser Auto zu springen und ihm zu folgen. Zwischen dem Gefangenenbus und uns fuhr ein schneidiger chinesischer Geländewagen (SUV)der Botschaft mit einem chinesischen Beamten, einem Fahrer und einem Nepalesen in Zivil darin (später sprach ich mit ihm, er schien mir eine höchst verdächtige Figur zu sein; die Nepalesen behandelten ihn wie einen Vorgesetzten, doch mir erklärte er auf Hindi, er sei ein Tourist, der gerade an der Grenze Ferien mache). Etwa 60 km folgten wir dem Konvoi, ohne bemerkt zu werden, aber dann verloren wir ihn aus den Augen. Unser Fahrzeug war nämlich viel langsamer, und je weiter wir in die Berge hinaufkamen, desto schlechter wurden die Straßen.

Als wir den Konvoi wieder sahen, war eindrittes Fahrzeug hinzugekommen, nämlich ein üblicher nepalesischer LKW mit etwa 20 Polizisten, darunter ein paar Bewaffneten, die als Eskorte dienten. Sonst war außer den örtlichen Bewohnern und den LKW-Fahrern niemand in der Grenzstadt Kodari. Wir trafen sogar noch vor dem Konvoi ein. Auf der chinesischen Seite war schon viel los, zahlreiche PAP Milizionäre machten zackige Übungen oder exerzierten in den Kasernen auf der anderen Seite des Flusses. Als sie sahen, daß ich die Brücke betreten hatte, schickten sie ein kleines Aufgebot in Spezialausrüstung über die Freundschaftsbrücke, um mich zu verjagen. Eine halbe Stunde später sah ich auf der nepalesischen Seite ein großes chinesisches Polizeifahrzeug mit einem Nummernschild aus Lhasa ankommen, aus dem gewichtige tibetische und chinesische Offizielle ausstiegen und mit dem nepalesischen Grenzpersonal verhandelten. Dann traf auch das Begleitfahrzeug der chinesischen Botschaft mit dem chinesischen Beamten und seinem nepalesischen Verbindungsmann ein. Da hörte ich plötzlich lautes Hupen und sah, wie der Gefangenenbus versuchte, auf die Straße zur Brücke zugelangen. Wir konnten nur schlecht hineinsehen, weil die Fensterscheibengetönt waren, aber zumindest auf unserer Seite saßen nepalesische Polizisten zwischen jeder Gefangenenreihe und am Fenster. Deshalb konnten wir die Häftlinge nur schlecht ausmachen, außerdem geschah alles so schnell. Es erregte einiges Aufsehen, als der Bus laut hupend, mit brennenden Scheinwerfern und gefolgt von der bewaffneten Eskorte vorbeifuhr, und alle Leute des Ortes rannten neugierig herbei. Doch der Bus fuhr schnurstracks und ohne zu halten durch alle nepalesischen Checkposten hindurch und über die Brücke hinweg, bis er auf der chinesischen Seite angelangt war. Dort legten einige Beamte ihre weißen Schutzmäntel gegen SARS an und stiegen kurz in den Bus, um einige medizinische Schnelltests vorzunehmen. Danach verschwand der Bus hinter einem Gebäude. Als die chinesischen Beamten ihm indem Allradfahrzeug folgten, war es 12.25 Ortszeit. Was dann passierte, entging unseren Augen, aber die Polizeieskorte muß abgelöst worden sein, denn nach etwa einer Stunde kehrten die nepalesischen Polizisten über die Brücke zurück. Sie waren etwa 25 bis 30 an der Zahl, fünf davon mit Gewehren bewaffnet. Einer trug ein Geschenk, das ihnen die Chinesen gegeben hatten -einen großen Karton wahrscheinlich voller Bier. Einer hatte ein ganz neues Nylonseil bei sich. Und ein weiterer in Zivilkleidung trug etwa 10 Paar Handschellen, die ziemlich schwer gewesen sein müssen, denn nach einer Weile legte er sie sich um den Hals. Wahrscheinlich waren die Gefangenen während der fünfstündigen Fahrt von Kathmandu damit gefesselt gewesen. Ein paar der älteren nepalesischen Polizisten erklärten uns, es täte ihnen sehr leid und sie hätten nur ihre Pflicht erfüllt. Wir sahen noch, wie der Bus mit den Gefangenen auf der chinesischen Seite der Schlucht gefolgt von dem Polizeifahrzeug in Richtung Zhangmu davonfuhr. Das ganze war ein sehr deprimierendes Erlebnis".

Teil 3

Weiteres zu dieser Gruppe

Die Gruppe umfaßte 28 Personen aus verschiedenen Gegenden Tibets, als sie zuerst von Lhasa startete. Aber während der Überquerung des Himalaya mußten 7 Personen wegen gesundheitlicher Probleme die Gruppe verlassen. Die übrigen kamen über Solokhumbu, nachdem sie den Nangpa La Paß überwunden hatten. Diese 21 Personen wurden am 15. April auf ihrem Weg zum Tibetan Refugee Reception Centre in Thangkot außerhalb von Kathmandu gefaßt. Am 17. April wurden sie der Immigrationsbehörde zur Ermittlung übergeben. Am selben Abend wurden die Festgenommen wegen Mangels an Reisedokumenten mit Geldstrafen belegt - 37.50 US$ als Visumsgebühr und weitere 70 US$ als Strafe. Da die Tibeter die Summen nicht zahlen konnten, wurden sie zu Haftstrafen von 3 bis 7 Monaten verurteilt. Drei Kinder (zwei sechsjährige und ein neunjähriges) wurden jedoch der Obhut des UNHCR übergeben. 18 Personen kamen in das Dili Bazaar Gefängnis, doch der 22-jährige Tashi wurde später in das Central Bhadra Jail verlegt, wo er blieb, bis er in das Polizeirevier Hanuman Dhoka kam, um zusammen mit der Gruppe deportiert zu werden.

Am 7. Mai nahm die nepalesische Polizei den 28-jährigen Sobho auf seinem Weg nach Kathmandu am Checkposten Barabise fest. Er wurde 6 Tage im örtlichen Polizeirevier eingeschlossen, ehe er am 12. Mai der Immigrationsbehörde überstellt wurde. Diese nahm den Fall zu den Akten und forderte eine Visumsgebühr von 37.50 US $ plus eine Strafe von NRs. 5.000 von ihm. Da er die exorbitanten Gebühren nicht zahlen konnte, wurde er zu 10 Monaten verurteilt.

Am 13. Mai kam Sobho in das Bhadra Gefängnis in Kathmandu, wo Heruka, ein weiterer tibetischer Flüchtling, bereits eine Strafe von 10 Jahren verbüßt. Mit dieser jüngsten Festnahme und den 18 deportierten Tibetern beträgt die Zahl der in nepalesischen Gefängnissen inhaftierten Flüchtlinge nun elf.

Teil 4

Liste der tibetischen Flüchtlinge im Gefängnis in Nepal

No. Name

Alter

Geschlecht Stautus Datum der Festnahme Gefängnis Strafmaß Herkunft

Anklagepunkte

1 Gendun Samten alias Heruka 31 M Drepung Mönch 19/6/99 Bhadra Central Jail 10 Jahre Malho "TAP", Qinghai Province Illegale Grenz-überschreitung
2 Drukar 27 M Student 22/8/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre Golog "TAP", Qinghai Province Illegale Grenz-überschreitung
3 Lobsang Dorjee 20 M Student 22/8/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre Sichuan Province Illegale Grenz-überschreitung
4 Sangye Dhondup 20 M Student 22/8/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre Tsolho "TAP", Qinghai Province Illegale Grenz-überschreitung
5 Dorjee Tashi 22 M Student 22/8/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre Ngaba "TAP", Sichuan Province Illegale Grenz-überschreitung
6 Tsephel 26 F Student 22/8/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre Tsolho "TAP", Qinghai Province Illegale Grenz-überschreitung
7 Sechya Lama 24 M Sera Monk 20/8/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre unbekannt Illegale Grenz-überschreitung
8 Sonam Gyaltsen Lama 26 M Sera Monk 20/8/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre unbekannt Illegale Grenz-überschreitung
9 Choeney Dorjee 36 M Monk 25/3/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre unbekannt Illegale Grenz-überschreitung
10 Palden Gyatso 32 M Halbnomade 25/3/01 Dilli Bazaar Jail 10 Jahre Tsonub "TAP", Qinghai Province Illegale Grenz-überschreitung
11 Sobho 28 M Monk 7/5/03 Bhadra Central Jail 10 Monate Derge County, Sichuan Province Illegale Grenz-überschreitung


Liste der ausgelösten Häftlinge

No Name Alter Geschlecht Strafmaß Datum der Festnahme Datum der Entlassung Lösegeld
1 Tenzin Yangzom 19 F 10 Jahre 22/8/01 23/8/02 NRS 121,897
2 Sheri Tso 23 F 10 Jahre 22/8/01 -/12/02 NRS 109,000
3 Kyizom 22 F 10 Jahre 22/8/01 unbekannt unbekannt
4 Tashi 30 M 3 Jahre 13/12/02 27/2/03 NRS 29,000
5 Samdup 15 M 3 Jahre 13/12/02 27/2/03 NRS 29,000
6 Yanglha Tso 15 F 3 Jahre 13/12/02 27/2/03 NRS 29,000

Teil 5

Zwangsumsiedlung von Tibetern wegen eines neuen Staudammprojektes in Osttibet

Die chinesische Regierung hat mit einem Erlaß verfügt, daß achttausend tibetische Bewohner des Kreises Barkham, TAP Ngaba, Provinz Sichuan, zwangsweise umgesiedelt werden, um Platz für ein größeres Infrastrukturprojekt mit sieben neuen Staudämmen zu schaffen. Es wird befürchtet, daß bei der Konstruktion der Staudämme viele buddhistische Heiligtümer und andere alte bauliche Wahrzeichen überflutet werden. Vorgesehen für den Bau der Dämme sind die Gegenden Drakbar, Kyomkyo, Damba, Dzongbud, Tawei, Tsodun, Kokyab, sowie der Kreis Chuchen.

Der Hauptzweck des Projektes, das bis 2006 fertiggestellt sein soll, ist die Stromerzeugung und die Deckung des riesigen Trinkwasserbedarfs der Städte im chinesischen "Mutterland". Es heißt, viele chinesische Arbeiter seien bereits in Drakbar eingetroffen, wo bald mit dem Bau begonnen werden soll. Die tibetischen Bewohner der Gegend seien über den Anblick so vieler chinesischer Arbeiter entsetzt und würden sich große Sorgen um ihre Zukunft machen.

Im Dezember 2001 hatten die chinesischen Behörden 60 Familien aus dem Kreis Gonjo, Präfektur Chamdo, in die Präfektur Nyingtri (Kongpo) in der TAR umgesiedelt. Diese Leute, zumeist Bauern, die von ihrem traditionellen Ackerbau lebten, wurden mit einer Strafe von 70.000 Yuan bedroht, falls sie der Order nicht Folge leisteten. Die aus ihrer Heimat vertriebenen Familien sahen sich in der neuen Umgebung enormen Schwierigkeiten gegenüber. Sie versuchten, das Land zu bebauen, wie sie es von ihrem heimatlichen Boden gewohnt waren, doch die Ernte schlug fehlt. Viele mußten nach Lhasa gehen und dort nach Arbeit suchen, um ihre Familien durchzubringen. Die Regierung hatte ihnen eine Entschädigung versprochen, gab ihnen aber am Ende keinen einzigen Heller.

Derartige Projekte im Rahmen des vielgepriesenen "Western Development Programm" (WDP), das 1999 gestartet wurde, machen es den Tibetern immer schwerer, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die meisten Infrastrukturprojekte des WDP haben den Transfer von Ressourcen wie Wasser, Erdgas und Elektrizität von Tibet in die östlichen Provinzen Chinas zum Zweck. Der laufende zehnte Fünfjahresplan Chinas (2001-2005) "für die nationale, ökonomische und soziale Entwicklung", der einen massiven Ressourcentransfer von dem tibetischen Hochland nach Ostchina vorsieht, verletzt das Recht des tibetischen Volkes auf Lebensunterhalt.

Die Tatsache, daß die Tibeter keinen "aktiven, freien und sinnvollen Anteil an der Entwicklung und an der gerechten Verteilung des aus den staatlichen Entwicklungsprojekten resultierenden Nutzens" haben, stellt eine Verletzung des Rechtes des tibetischen Volkes auf die Verfolgung seiner "wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung" dar. Das TCHRD ist tief besorgt über die prekäre Lage der in dieser Gegend ansässigen Tibeter, die von diesem Staudammprojekt betroffen sind.

Teil 6

China nimmt vier Tibeter aus dem Serthar Institut fest

Zuverlässigen Quellen zufolge nahmen Sicherheitskräfte des Distrikts Serthar, TAP Kardze, Provinz Sichuan, am 27. Mai 2003 vier Tibeter in Gewahrsam. Die vier waren kürzlich nach einem Streit, der Ende 2002 wegen Wiederaufbaumaßnahmen in dem Buddhistischen Institut ausgebrochen war, von dem PSB-Haftzentrum des Kreises Serthar einbestellt worden.

Bei den Festgenommenen handelt es sich um Tamdin, einen Mönch Mitte dreißig, der für die Finanzabteilung des Instituts zuständig war, um Palzin, ebenfalls einen Mönch und der jüngste unter den vieren, um Shongud, einen 40-jährigen Mönch aus dem Distrikt Menyak und um Ngodup, einen Laien und Kraftfahrer von Beruf, der ursprünglich aus dem Distrikt Tawu stammt. Die einzige vorhandene Nachricht im Augenblick ist, daß sie festgenommen wurden.

Am 25. Dezember 2002 machten sich chinesische Behördenvertreter daran, die Hütten niederzureißen, welche sich einige Nonnen in der Nähe des Instituts am Ort der Verwüstung wieder aufgebaut hatten. Ein paar Nonnen seien noch drinnen gewesen, als mit dem Abriß der Hütten begonnen wurde, wobei einige von ihnen verletzt wurden. Am nächsten Tag kam es zum Streit zwischen den zwei Parteien, aber dann kam eine große Zahl von Beamten der drei Hauptverwaltungsämter des Distrikts Serthar, die den Geistlichen wegen ihrer Tat mit schrecklichen Folgen drohten. Mehrere Personen auf beiden Seiten trugen bei dem Handgemenge Verletzungen davon. Auch seien einige Fahrzeuge zerstört worden, heißt es. Am 27. Dezember kamen bewaffnete chinesische Sicherheitskräfte in das Institut, aber an diesem Tag geschah noch kein Unheil.

Auf den Vorfall hin forderten die Behörden das Institut auf, ihnen den "Rädelsführer", welcher den Vorfall ausgelöst hatte, zu überstellen; außerdem verlangten sie Entschädigung für die beschädigten Fahrzeuge. Im Falle von Mißachtung der Order drohten sie, mindestens 200 Mönche und Nonnen festzunehmen. Das Institut zahlte die Summe für die Reparaturen, aber konnte keinen Rädelsführer ausfindig machen, da alle bei dem Vorfall anwesenden Mönche und Nonnen gleichermaßen beteiligt waren. Im Verlauf der von den Chinesen durchgeführten Ermittlungen wurden die vier genannten Tibeter vorgeladen und dann verhaftet.

Das Buddhistische Institut Serthar, das als ein konfessionsübergreifendes Studienzentrum gegründet wurde, beherbergte annähernd 8.800 Praktizierende des Buddhismus - sowohl Ordinierte als auch Laienstudenten verschiedener Nationalität. Seit 1998 forderten die chinesischen Arbeitteams, daß die Anzahl der Bewohner reduziert und das Diktat der patriotischen Erziehungskampagne eingehalten werde. Am 18. April 2001 schritten die Behörden zur Geltendmachung einer Obergrenze von 1.400 Personen, was die Ausweisung von 7.000 Studenten bedeutete. Zwischen Juni und Juli 2001 wurden über 2.000 Behausungen auf dem Gelände des Instituts abgerissen, doch in ihrem Arbeitsbericht nannten die Behörden nur 1.975.

Im Juni 2002 wurde der Gründer und Abt des Buddhistischen Instituts Serthar, Khenpo Jigme Phuntsok, zurückgebracht, nachdem er über ein Jahr in Chengdu festgehalten worden war. Wie berichtet, wird das Institut hinsichtlich der Bewohnerzahl, der Verhaltensregeln, der Häufigkeit und der Thematik der religiösen Belehrungen weiterhin durch behördliche Restriktionen eingeengt, wenn auch nicht mehr in dem Maße wie vor dem Juli 2001.

Teil 7

Selbst nach dreimaliger Umerziehung nicht "reformiert"

Lobsang Namgyal, alias Lonam, 34 Jahre, wurde in der Gemeinde Tsena, Kreis Chushul, Stadtbezirk Lhasa, TAR, geboren. Er stammt aus einer Bauernfamilie mit drei Kindern, von denen er der älteste ist.

Mit acht Jahren kam Lonam in die örtliche Gemeindeschule, die er 6 Jahre lang besuchte. Nachdem er 1984 die Grundschule abgeschlossen hatte, trat er in das Nechung Institut ein, das neben der buddhistischen Lehre auch eine moderne Erziehung bot. Leider wurde das Institut 1991 geschlossen, und Lonam mußte nach Hause zurückkehren.

Etwa im März 1992 demonstrierte Lonam zusammen mit einigen Freunden am Barkhor, um Freiheit für das tibetische Volk zu fordern. Sie wurden augenblicklich verhaftet. Das Public Security Bureau von Lhasa verurteilte Lonam zu 3 Jahren "Reform-durch-Umerziehung" in der Haftanstalt Trisam. Da er nach 13 Jahren Studium nicht ganz ungebildet war, benützte er seine Zeit hinter Gittern, um den anderen Gefangenen tibetische Schrift und Buddhismus zu lehren. Er mußte dies ganz heimlich tun, da er schwere Folgen zu befürchten gehabt hätte, wenn er erwischt worden wäre. Ende Februar 1993 wurde er entlassen.

Kaum war er frei, tat er sich wieder mit einigen Freiheitsaktivisten zusammen, um bei Nacht insgeheim Unabhängigkeits-Flugblätter an Mauern in Lhasa zu kleben. Doch das PSB kam ihnen bald auf die Spur und verhaftete Lonam. Vier Monate lang war er in dem PSB Haftzentrum von Lhasa eingesperrt, wo er schwere Schläge und Folterungen erlitt. Aber Lonam gab niemals die Namen seiner Gehilfen preis. Das PSB von Lhasa stufte ihn als "nicht-reformiert" ein und schickte ihn zu weiteren drei Jahren "Umerziehung" nach Trisam. Kaum einige Tage hatte er zu Hause verbracht, da fand er sich schon wieder mit einem Urteil von drei Jahren in Trisam. Anfang 1998 wurde Lonam nach Ableistung seiner Strafe entlassen.

Im März 2001 geriet er erneut wegen Zusammenarbeit mit Anu (siehe HRU September 2002) in Verdacht, die ebenfalls aus politischen Gründen festgenommen worden war. Zusammen mit Anu und einem weiteren Gehilfen kam er für sechs Monate in die Haftanstalt Gutsa. Später verurteilte das Mittlere Volksgericht Lhasa ihn zu 4 Jahren Gefängnis wegen Kollaboration mit "anti-nationalen Elementen zur Gefährdung der Staatssicherheit". Danach kam er nach Drapchi. Seine Entlassung steht für 2004 bevor.