7. Dezember 2004
Pressekonferenz am 7. Dezember 2004 in Berlin

Bericht der IGFM-China- und Hong Kong-Watch

Bundeskanzler Gerhard Schröder verbringt die Woche der Menschenrechte in der Volksrepublik China. Wir Menschenrechtler fragen uns immer wieder, warum Herr Schröder so häufig gerade bei diesen und anderen Diktatoren - sprich Putin - zu Gast ist, während er die anderen in Cuba, Burma, Vietnam usw. auslässt. Diese Besuche haben einerseits ihr Gutes, denn sie helfen, politische und Gewissens-Gefangene befreien. Letzter Fall: Die Berliner Wirtschaftsingenieurin Xiong Wei, die wegen ihres Eintretens für die Falun Gong in China zwei Jahre lang in einem Zwangsarbeitslager gequält wurde.

Deshalb würde die IGFM es gerne sehen, wenn Herr Schröder möglichst bald nach Vietnam, Burma, aber zuallererst zu Fidel Castro fahren würde. Auch ein Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten über die Vorfälle in Guantanamo ist dringend.

Das ist die positive Seite der Medaille. Die negative bereitet uns umso größeres Unbehagen. Da sind Herrn Schröders nicht akzeptable, ja verabscheuungswürdige Statements, daß "das EU-Waffen-Embargo gegen die VRC fallen müsse" und "daß Taiwan ein Teil Chinas und nicht unabhängig sei". Dank der Grünen im Deutschen Bundestag und der großen Mehrheit im Europäischen Parlament ist das Waffen-Embargo - hoffentlich! - erst einmal vom Tisch. Zu allem Überflusss hat China in der vergangenen Woche erklärt, man werde den Kanzler mit der dringen- den Forderung nach Aufhebung des EU-Waffen-Embargos konfrontieren und dafür keinerlei Zugeständnisse machen, nicht einmal bei den Menschenrechten. Das kommt davon, wenn man die Asien-Erfahrung des Auswärtigen Amtes negiert und kommunistischen Diktatoren, zumal Chinesen, den kleinen Finger reicht und sie zugleich darum bittet, das eigene Geltungsbedürfnis mit einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu stillen.

Das Waffen-Embargo darf auf keinen Fall aufgehoben werden, weil China die Waffen auch zur Unterdrückung eigener und benachbarter Minderheiten und Völker einsetzen wird, nicht zuletzt gegen Taiwan. Ausserdem würde damit das bundesdeutsche Prinzip durchbrochen, Waffen nur an Staaten zu liefern, die sich damit verteidigen wollen. China will aber aufrüsten und auf Dauer auch militärische Weltmacht werden. Diese Waffen werden sich zunächst gegen Taiwan und Japan richten, später der gewaltsamen Beschaffung von Energie und Rohstoffen dienen. Mit Chinesen lässts sich herrlich Handel treiben, aber einem kommunistischen oder faschistischen Staat China liefert man keine Waffen, nicht einmal Motoren für U-Boote, wie das jetzt vereinbart wurde.

Genauso ärgerlich sind für die IGFM die Feststellungen des Herrn Bundeskanzlers zu Taiwan. Nach internationalem Völkerrecht ist die Republik Taiwan ein selbstständiger Staat mit dem unwiderruflichen Recht auf vollständige und alleinige Selbstbestimmung. Ein Spezial-Seminar des Völkerrechtlers Prof. Dr. Tomuschat hier in Berlin hat das schon vor Jahren festgestellt. Inzwischen sind in Taiwan zweimal demokratische Regierungen gewählt worden. Damit sind alle Voraussetzungen für eine selbstständige unabhängige Demokratie gegeben, die von der UNO geschützt werden muss. Wer etwas anderes behauptet, macht sich des Rechtsbruches schuldig, von der Liebedienerei gegenüber Diktatoren ganz zu schweigen, und er leistet überdies bewaffneten Auseinandersetzungen Vorschub, denn Taiwan ist für die Volksrepublik China nicht ohne Krieg zu haben.

Die Bemühungen der Bundesregierung um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat sieht die IGFM ebenfalls mit größtem Unbehagen, nicht nur weil auf die deutsche Menschenrechtspolitik wie eben dargestellt kein Verlass ist. Die West-Mächte Frankreich, England und wahrscheinlich auch die USA ihre dominierende Stellung, möglicherweise sogar das Veto-Recht verlieren. Das kann für die Durchsetzung der Menschenrechte langfristig nur von Nachteil sein.

Die IGFM empfiehlt der Bundesregierung deshalb äusserste Zurückhaltung in dieser Frage, zumal das deutsche Interesse an einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat anscheinend wesentlich durch persönliche Motive des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers bestimmt ist.

Aus Hong Kong gibt es derzeit keine Fortschritte in Richtung Demokratie und Selbstbestimmung zu berichten. Am 22. November sagte der Chinesische Präsident Hi Jintao in Richtung Hong Kong "Seid zufrieden mit dem, was ihr habt".

Kaufleute (ich war selber einer) und Fabrikanten sind dagegen nie mit dem zufrieden, was sie haben. Deshalb blüht der China-Handel. In Deutschland ist gar eine China-Euphorie ausgebrochen. Dagegen haben wir Menschenrechtler nichts.

Aber wir müssen die nach wie vor böse Situation der Menschenrechte in der Volks- republik China beklagen. Gutwillige im Westen sollten sich nicht im Geringsten von dem neuen White Paper der VRC "Progress in China's Human Rights Cause in 2003" blenden lassen. Sie ist ein Meisterwerk der Propaganda und gehört als Lehrmaterial in jede Dialektik-Schule. Was darin steht lohnt nicht das Lesen, denn alle großen Menschenrechtsverbrechen der Volksrepublik werden darin mit keinem Wort erwähnt. Sie sind


Forced Abortion
Forced Labour
No Rule of Law
Torture and Deliberate Killings
Public Executions
Organ Trade

Aber wir müssen davor warnen, daß das bundesdeutsche, in meinen Augen unappetitliche "Geiz ist Geil"-Syndrom auf Kosten chinesischer Zwangsarbeiter, Strafgefangener, Todeskandidaten gefüttert wird. Nicht nur der Organhandel blüht. Auch die Zahl der Todesurteile und Vollstreckungen ist nicht geringer geworden.

Im vergangenen Jahr hat die VRC nach eigenen Angaben ca. 7.000 Nieren tranplantiert. Da es unter In- und Auslandschinesen nach alter Tradition fast keine Organspender gibt, ist diese Zahl zugleich ein Anhaltspunkt für die Zahl der menschen, die um ihrer Organe willen zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. Die Körper werden noch auf der Fahrt zum Krematorium von Fachchirurgen ausgeschlachtet.l

Diese LAOGAI-Lager werden nach wie vor energisch betrieben und dienen sowohl der systematischen Vernichtung von Menschen als auch der Versorgung der Wirtschaft mit kostenlosen Arbeitskräften. LAOGAI heisst "Umerziehung durch Arbeit". Dachau lässt grüssen.

LAOGAI ist überall. Niemand, kein Importeur, keine Fabrik in China kann sicher sein, daß die gekauften Waren nicht ganz oder teilweise aus dem LAOGAI stammen. Die IGFM ist sehr dankbar für die Initiative einer Gruppe deutscher Spielzeughändler die Herkunft der in China gekauften Produkte durch ein neutrales Institut überprüfen zu lassen. Wir bitten alle deutschen Firmen, die mit China Handel treiben oder dort produzieren, sich diesem Verfahren anzuschließen. Dabei ist mit größter Hartnäckig- und Genauigkeit vorzugehen, denn in China kann man alles kaufen, auch jedes Gerichtsurteil, jedes Zertifikat und manchmal auch ein Leben, im positiven wie negativen Sinne. Der Organhandel beweist es.

Hannover, 3. Dezember 2004

Peter E. Müller
Glückauf 12 a
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e-mail: IGFM-HongKongwatch@t-online.de