27. Dezember 2006
TibetInfoNet
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”Leute mit niedrigeren Geburtenraten werden schneller reich”

Die chinesische Regierung beabsichtigt, der bisher uneinheitlichen Durchsetzung ihrer Richtlinien zur Geburtenkontrolle in den ländlichen Bereichen des Staatsgebietes, zu denen auch die meisten tibetischen Gebiete zählen, bis 2010 ein Ende zu setzen. Mit diesem Schritt soll der "Teufelskreis" von Armut und "exzessivem Bevölkerungswachstum auf dem Land" gebrochen und die "Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen” beschleunigt werden. Kernpunkt dieser Politik, die vermutlich weitreichende Konsequenzen haben wird, ist die Abschaffung der bisher üblichen pauschalen Beihilfen für die Armen und die Einführung eines Systems, bei dem diejenigen, die Familienplanung betreiben und sich an die vom Staat vorgegebenen Kinderquoten halten, bevorzugt und belohnt werden. Weitere Maßnahmen sind eine bessere Überwachung der Umsetzung der Richtlinien und finanzielle Anreize für die Provinzbehörden, die Geburtenkontrollpolitik mit größerem Nachdruck zu betreiben.

Zhang Weiqing, der Direktor der Staatlichen Bevölkerungs- und Familienplanungskommission, spezifizierte in einem Interview, das am 18. Oktober 2006 in der Zeitung Beijing Jingji Ribao erschien, daß das neue System der Förderung und Belohnung der Familienplanung in ländlichen Gegenden mit dem Motto "Wer weniger Kinder hat, wird schneller reich" (chin. shao sheng juai fu) das bisherige mit dem Motto "Mehr Geburten werden bestraft" unterstützen, jedoch nicht ersetzen soll. Für die "effektivere Kontrolle" des Bevölkerungswachstums in den ländlichen Gebieten seien beide gleichermaßen wichtig.

Wie Zhang weiter ausführte, wurde die neue Politik 2002 in der Autonomen Region Nungxia Hui probeweise eingeführt. Auf eine im darauffolgenden Jahr vom Finanzministerium und der Staatlichen Bevölkerungs- und Familienplanungskommission durchgeführte Erhebung hin erklärte die Führung der VR China das Experiment für erfolgreich. Daraufhin wurde es 2004 auf Qinghai, zu dem der Großteil der von den Tibetern Amdo genannten Region gehört, sowie auf die Provinzen Yunnan und Sichuan, in welche die traditionell als Kham bekannte tibetische Region eingegliedert wurde, ausgeweitet; ebenso auch auf einige andere Provinzen und Städte der VR China. Im Jahr 2005 wurde es auf einen noch größeren Teil des Landes ausgedehnt, darunter auch auf 12 Landkreise der TAR. Eine neue Phase zur vollständigen Umsetzung des Programms begann 2006 mit der Einbeziehung der Provinzen Innere Mongolei, Hainan, Gansu und Xinjiang, sowie “all derjenigen Orte, an denen die Leute gemäß den Vorschriften für Minderheitengebiete drei Kinder haben dürfen".

Zhang räumt ein, es gäbe "einige Schwierigkeiten und Probleme" bei der Durchsetzung der Geburtenkontrollpolitik, die er einem "Mangel an angemessener Propaganda und Bildung" zuschreibt, weiterhin der Tatsache, daß die Richtlinien nur unzureichend umgesetzt würden.

Im Hinblick auf diese Probleme werde man nun verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die neue Politik zu propagieren und ihre praktische Durchführung effektiver zu gestalten. Insbesondere sollen nun mehrere Stellen zuständig sein für die Beurteilung, wer die Förderung verdient, sowie für das Management und die rechtzeitige Verteilung der Mittel. Das legt nahe, daß die in der Vergangenheit für die Familienplanung bereitgestellten Gelder häufig veruntreut wurden. Auch die Pflicht zur Aktenführung soll genauer genommen werden, vor allem durch die Erstellung von "dynamischen und persönlichen Dateien über die Bauern".

Zhang betont, diese Politik werde sich auch "günstig auf die Verbesserung der öffentlichen Finanzen" auswirken, weil nun die Beihilfen wegfielen, die in den wohlhabenderen Gegenden oft eher unpopulär gewesen seien. Ein bestimmter Anteil der für die Hilfestellung und das Belohnungssystem notwendigen Mittel ist von den Provinzen beizusteuern, wodurch diese zu besseren Leistungen motiviert werden sollen. Der Prozentsatz, mit dem die Provinzen sich finanziell beteiligen, hängt von dem Grad ihrer Armut ab. Auf diese Weise macht der von der Zentrale beigesteuerte finanzielle Anteil in Shandong und Fujian nur 20% aus, während er in den Provinzen des chinesischen Kernlands 50% und im Westen sogar 80% beträgt.