30. Januar 2003

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Die neue Regelung der TAR für Tibetisch wird den wachsenden Einfluss des Chinesischen nicht aufhalten können

Ein am 25. Januar 2003 von der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichter Bericht rühmt die "Verordnung über das Studium, den Gebrauch und die Entwicklung der tibetischen Sprache" als eine der größten Errungenschaften des scheidenden 7. Volkskongresses der Autonomen Region Tibet (TAR). Wie es darin heißt, wird diese neue Verordnung "die von China beabsichtigte Entwicklung des Westens vorantreiben und die Kulturen vor Ort erhalten". Generell liegt die Betonung des Regelwerkes auf der "Gleichheit" der tibetischen und der "allgemeinen nationalen" Sprache (Han Chinesisch). Während darin durchaus Maßnahmen zum Schutz und zur Begünstigung der tibetischen Sprache, aber andererseits keine zu ihrer Förderung vorgesehen sind, wird in der Praxis die Bedeutung des Chinesischen, das im Geschäftsleben, Handel und der Verwaltung bereits dominiert, wahrscheinlich noch zunehmen.

Diese am 22. März 2002 bei der 15. Sitzung des 7. TAR Volkskongresses gebilligte neue Regelung wurde am folgenden Tag von China Daily als "die erste jemals in China von der Regierung für die Erhaltung der Sprache einer ethnischen Minderheit verabschiedete Verordnung" gerühmt. Ihr Schwerpunkt liegt darauf, daß sowohl die Verwendung von Tibetisch als auch von Chinesisch, das von Xinhua als die "allgemein gebräuchliche Sprache" bezeichnet wird, "entsprechend den Umständen" erlaubt ist, etwa bei wichtigen Konferenzen und Tagungen staatlicher Organe, bei Arbeitssitzungen von Einheiten in TAR Unternehmen (Art. 4) und bei der Justiz (Art. 5). Die neue Regelung ersetzt die "Verordnung der TAR über das Studium, den Gebrauch und die Entwicklung der tibetischen Sprache (zur probeweisen Einführung)", die auf das Betreiben des 10. Panchen Lama und von Ngabo Ngawang Jigme 1987 vom Volkskongreß der TAR verabschiedet und im März 1989 verkündet wurde. Diese Proberegelung befaßte sich mit der Förderung der tibetischen Sprache in der Erziehung und im öffentlichen Leben, wobei die Verwendung von Tibetisch als auch Chinesisch gestattet wurde. Tibeter hatten bei wichtigen und großen Meetings Tibetisch zu reden, nicht erwähnt wurde jedoch, in welcher Sprache sich chinesische Kader auszudrücken hatten. Einer Xinhua Nachricht vom März 1989 zufolge enthielt diese Verordnung auch Klauseln, die der tibetischen Sprache durch eine schrittweise Aufwertung im Erziehungssystem zu einer allmählichen Vorherrschaft verholfen hätten (siehe: "Policy shift in teaching in Tibet", TIN News Update 6 May 1997).

Praktische Maßnahmen im Hinblick auf eine umfassendere Verwendung der tibetischen Sprache wurden jedoch entweder nicht umgesetzt oder schließlich ganz gestrichen. In der Erziehung wurde beispielsweise 1996 ein Pilotprojekt zur Ausweitung der Unterrichtssprache Tibetisch auf die höheren Schulen aufgegeben, und man fing statt dessen damit an, in tibetischen Schulen chinesische Klassen einzurichten. Mit der neuen Verordnung von 2002, in deren Art. 6 es heißt, daß "die grundlegenden Unterrichtssprachen in den Pflichtklassen Tibetisch und die allgemeine nationale Sprache sein werden", scheint es überhaupt keine positive Hervorhebung des Tibetischen mehr zu geben. In ähnlicher Art und Weise besagt der Art. 10 der neuen Verordnung, daß die staatlichen Organe vorzugsweise Personen einstellen sollen, "die sowohl Tibetisch als auch die allgemeine nationale Sprache fließend beherrschen". Dies ist eine Schwerpunktverlagerung gegenüber der Verordnung von 1987, die gute Tibetischkenntnisse als eine der Voraussetzungen für die Einstellung und die Beförderung im staatlichen Dienst hervorhob.

Einige der Aspekte der Regelung von 1987 zur Förderung des Tibetischen wurden von der neuen Verordnung von 2002 übernommen. Beispielsweise sieht der Art. 11 der Verordnung (2002) zweisprachige Siegel, Schilder und Anschläge auf öffentlichen Plätzen vor, und der Art. 9 besagt, daß die TAR "aktiv das tibetische Sprachwesen zu fördern hat, worunter Erziehung, Nachrichten, Veröffentlichungen, Radiosendungen und Filme fallen". Sie erwähnt jedoch nicht, ob dazu auch Extramittel bereitgestellt werden oder ob dieser Auftrag aus dem vorhandenen Budget der TAR bestritten werden muß. In der Tat hat es im Hinblick auf die Förderung der tibetischen Sprache seit der Verkündung der neuen Verordnung im März 2002 keine bedeutenden Veränderungen gegeben.

Gleichzeitig kommt dem Standard-Chinesischen (putonghua) überall in der VR China eine zunehmend größere Rolle zu. Das "Gesetz über die allgemeine nationale Sprache" wurde am 31. Oktober 2000 von dem 18. Plenum des 9. Nationalen Volkskongresses verabschiedet und trat am 1. Januar 2001 in Kraft. Dieses Gesetz definiert die "allgemeine nationale Sprache" (guojia tongyong yuyan wenzi) als "putonghua und Standard Han-Wortzeichen" umfassend. Die spezifisch politische Natur dieses Gesetzes wird aus dem Art. 5 ersichtlich, der lautet: "Die Verwendung der allgemeinen nationalen Sprache muß der staatlichen Souveränität und der Würde der Nationalitäten Genüge tun, sie muß der nationalen Einheit und der Einheit der Nationalitäten, sowie dem Aufbau der sozialistischen Zivilisation von materiellem und spirituellem Nutzen sein." In Übereinstimmung damit besagt der Art. 4: "Lokale Regierungen und andere Verwaltungsorgane auf allen Ebenen haben Maßnahmen zu ergreifen, um putonghua zu popularisieren und die Standard Han-Wortzeichen zu fördern".

Eine Übersetzung der Verordnung über das Studium, den Gebrauch und die Entwicklung der tibetischen Sprache findet sich auf der Website von TIN unter www.tibetinfo.net/publications/docs/languagelaw.htm