4. August 2003

Tibet Information Network
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Strafminderung für zwei Mitglieder der "Zehnergruppe" aus Drepung

Zwei Gewissensgefangenen in Tibet, deren Strafen mit zu den längsten gehören, wurden jetzt von den chinesischen Behörden Strafminderungen gewährt. Beide sind Mönche aus dem Kloster Drepung in Lhasa. Die neunzehnjährige Strafe von Jamphel Jangchub (Laienname: Yugal) wurde um 3 Jahre gemindert, das heißt, sein neues Entlassungsdatum ist der 07.04.05. Ngawang Oeser (Laiennname: Jamyang) wurden 2 Jahre seiner siebzehnjährigen Strafe erlassen, womit seine Haftstrafe nun bis zum 18.04.04 währt. Diese Information erhielt die Dui Hua-Stiftung in San Francisco laut ihrem Direktor, John Kamm, von chinesischen Regierungsvertretern. Beide Mönche sind im Gefängnis Nr. 1 der TAR (Autonome Region Tibet) in Lhasa, besser bekannt als Drapchi-Gefängnis, inhaftiert.

Die beiden waren Mitglieder der "Zehnergruppe", einer Gruppierung, zu der sich im Jahr 1988 Mönche aus Drepung zusammenschlossen. Sie benutzten geschnitzte Holzdruckstöcke, um die Lehren des Dalai Lama, sowie eine Verfassung für ein künftiges, demokratisches Tibet und die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen zu drucken. Im April 1989, einen Monat, nachdem Lhasa unter Kriegsrecht gestellt worden war, nahm die Polizei fünf Mönche fest, die sie als Rädelsführer der Gruppe verdächtigte, darunter Jamphel Jangchub und Ngawang Oeser. Die übrigen wurden im Juli 1989 festgenommen. Am 30.11.89 wurde eine Gerichtsverhandlung hinter verschlossenen Türen abgehalten, einige Tage später folgte die öffentliche Verkündung der Urteile in einem Sportstadion vor einem tausendköpfigen Publikum. Die fünf Anführer erhielten Haftstrafen zwischen 17 und 19 Jahren, die Strafen der übrigen lagen zwischen fünf und neun Jahren. Ein Xinhua-Artikel vom selben Monat beschuldigte die Männer der Bildung einer "konterrevolutionären Clique", der "Verbreitung konterrevolutionärer Propaganda", der "Aufhetzung des Volkes" und der "Untergrabung der nationalen Sicherheit". Man nimmt an, daß Jamphel Jangchub jetzt ungefähr 47 Jahre und Ngawang Oeser ungefähr 39 Jahre alt ist.

Außer Jamphel Jangchub und Ngawang Oeser verbüßen auch die Mönche Ngawang Phuljung und Ngawang Gyaltsen 17 bzw. 19 Jahre Haft. Von fünf weiteren weiß oder vermutet man, daß sie ihre Strafen mittlerweile verbüßt haben (Jampal Losel, Ngawang Rinchen, Ngawang Kunga, Jampal Tsering und Jampal Monlam). Jamphel Khedrup, der ebenfalls zu 19 Jahren Haft verurteilt worden war, starb im Juli 1996 im Gefängnislazarett. Das Gefängnispersonal hatte ihn zu einer routinemäßigen Befragung bezüglich des Fortschrittes bei seiner Umerziehung beordert. Dabei wurde er so schwer gefoltert, daß er am folgenden Tag starb.

Alle zehn Mönche hatten sich am 27.09.87 an einer Demonstration in Lhasa, die als der Beginn einer Periode politischer Proteste in Tibet gilt, beteiligt. Einundzwanzig Mönche aus Drepung nahmen teil, um den Fünf-Punkte-Friedensplan des Dalai Lama zu unterstützen, den dieser einige Tage zuvor einem Komitee des amerikanischen Kongresses in Washington vorgelegt hatte. Daß die Mönche lediglich zu Verwaltungsstrafen von einigen Monaten verurteilt und nach deren Verbüßung freigelassen wurden, legt nahe, daß die Behörden den Vorfall damals wohl nicht allzu ernst nahmen.

Strafminderung bei guter Führung ist bei Strafgefangenen in China nichts Seltenes, politische Gefangene werden jedoch wesentlich härter behandelt und ihre Strafe wird selten verkürzt. Gemäß den Daten, die TIN hinsichtlich politischer Gefangenen vorliegen, sind nach 1987 nur acht politische Gefangene vorzeitig aus dem Drapchi-Gefängnis entlassen worden. In Drapchi ist vielmehr Strafverlängerung für politische Gefangene die Regel. Die Aufzeichnungen von TIN belegen, daß man bei annähernd 60 Gefangenen in Drapchi sicher weiß oder annimmt, daß ihre Strafdauer auf Grund von politischen Aktivitäten im Gefängnis verlängert wurde. Etwa 20 von ihnen sind immer noch in Haft. Soweit bekannt ist, hat jedoch keiner aus der "Zehnergruppe" eine Haftverlängerung erhalten.

Seit den frühen neunziger Jahren haben Vertreter verschiedener Staaten, einschließlich der USA und Großbritanniens, die Fälle von Jamphel Jangchub und Ngawang Oeser bei diversen Gesprächen mit chinesischen Repräsentanten vorgebracht. Menschenrechtsgruppen haben ihre Fälle während der gesamten Haftzeit dokumentiert und immer wieder auf sie aufmerksam gemacht. Alle diejenigen, die sich für die Mönche einsetzten, werden die Strafverkürzung begrüßen. Ein anderer und der Öffentlichkeit wesentlich bekannterer Fall eines Strafnachlasses in der letzten Zeit ist der von 18 Monaten für die buddhistische Nonne Ngawang Sangdrol vom Oktober 2001. Sie wurde ein Jahr danach und somit neun Jahre vor Verbüßung ihrer Gesamtstrafe wegen guter Führung auf Bewährung entlassen. Im März 2003 reiste sie mit Zustimmung der chinesischen Behörden zur medizinischen Behandlung in die USA. Die Strafe von Phuntsok Nyidrol, der weiblichen politischen Gefangenen, die zur Zeit mit 17 Jahren die längste Haftstrafe verbüßt, wurde im Jahr 2001 um ein Jahr verkürzt.

Regierungsvertreter und Menschenrechtsgruppen richteten beharrlich Anfragen an die chinesische Regierung, worin sie sich nach dem Schicksal dieser Nonnen ebenso wie nach dem von Jamphel Jangchub und Ngawang Oeser erkundigten und immer wieder ihre Betroffenheit zum Ausdruck brachten.

Siehe auch: Reports from Tibet: Prisoners and Protests, www.tibetinfo.net/reports/trprison.htm