25. Juli 2002

TIBET INFORMATION NETWORK

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Rückkehr des Lehrmeisters Khenpo Jigme Phuntsog in das Buddhistische Institut Serthar

TIN erhielt die Bestätigung der Nachricht, daß Khenpo Jigme Phuntsok Anfang Sommer in das Buddhistische Institut Serthar in der Provinz Sichuan zurückgekehrt ist. Jigme Phuntsog, der Gründer und oberste Lehrer des Instituts, wurde im Sommer 2001 während einer Razzia, in deren Verlauf Hunderte von Nonnen und Mönchen vertrieben und unzählige Unterkünfte zerstört wurden, aus Serthar im Tal Larung Gar weggebracht (Siehe TIN News über die Ausweisungen in Serthar und den Spezialbericht "Religiöse Arbeit für das Neue Jahrhundert"). Unlängst wurde berichtet, daß sogar noch nach der großangelegten Zerstörung in diesem Frühjahr weitere Hütten abgebrochen wurden. Khenpo Jigme Phuntsogs Abwesenheit gab den in Serthar übrig gebliebenen Mönchen und Nonnen, sowie seinen Anhängern in und außerhalb Tibets Anlaß zu großer Sorge und allerlei Spekulationen. Während der Khenpo wegen seiner diversen Leiden ärztliche Behandlung erfuhr, war seine Freizügigkeit sehr eingeschränkt. Seine Rückkehr nach Serthar wurde einige Tage lang gefeiert. Die allgemeine Lage in dem Institut ist, wie verlautet, immer noch gespannt, und bisher hat der Khenpo keine Belehrungen erteilt.

Während die genauen Umstände der Abreise Khenpos aus Serthar unklar bleiben, konnte TIN in Erfahrung bringen, daß er zuerst in ein Militärhospital in Barkham (chin. Ma'erkang), der Hauptstadt der Tibetischen Autonomen Präfektur Ngaba, eingeliefert und in der Folge zu weiterer medizinischer Behandlung nach Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan, verlegt wurde. Es heißt, er habe an Knie-Problemen sowie vegetativen Störungen gelitten, außerdem ist er teilweise erblindet. Obwohl Khenpo Jigme Phuntsog nicht unter offiziellem Hausarrest gestanden zu haben scheint, unterlag er strenger Überwachung. Die Behörden bestanden darauf, daß er von einem von ihnen bestimmten, westliche Medizin praktizierenden Arzt behandelt wird, anstatt von einem traditionellen tibetischen Doktor. In Chengdu wohnte Jigme Phuntsog bei seinen Anhängern und Verwandten.

Während die Regierung Ausländern oder außerhalb der PRC lebenden Tibetern nicht erlaubte, ihn zu besuchen, war dies seinen Studenten aus Serthar nicht verboten, obgleich wohl nur wenige wegen der hohen Kosten und Schwierigkeiten einer Reise nach Chengdu dazu in der Lage waren. Außerdem konnte der Khenpo mit seinen Anhängern in Serthar per Telefon in Kontakt treten. Er soll ihnen gesagt haben, sie sollten sich keine Sorgen um ihn machen, eifrig studieren und "brav sein". Indessen fuhren seine älteren Schüler in Serthar fort, den regelmäßigen religiösen Unterricht fortzusetzen, doch erteilten sie keine "rituellen Ermächtigungen" (tib. wang).

Obwohl viele seiner Anhänger fürchteten, daß Khenpo Jigme Phuntsog die Rückkehr nach Serthar versagt bleibe, begannen vor ein paar Monaten Spekulationen über eine mögliche Rückkehr und den diesbezüglichen Zeitpunkt die Runde zu machen. Einem Augenzeugen zufolge wurde seine Rückkehr nach einem Jahr Abwesenheit begeistert gefeiert. Auf einem Paß etwas oberhalb von Serthar fand eine Begrüßungszeremonie statt, nach der dann sechs Tage lang im Institut gefeiert wurde. Um eine Quelle aus Serthar zu zitieren: "Lehrer und Studenten freuten sich, wieder mit dem Khenpo zusammen zu sein. Indessen veranstalteten die Mönche und Nonnen aus dem Larung Choekyi Gronkhyer (Serthar Institut) und Tibeter aus der ganzen Umbegung von Serthar ein großes Fest mit Gesangsdarbietungen und Spielen". Khenpos Gesundheit soll sich gebessert haben, obwohl er noch nicht ganz auf der Höhe ist. Über seine Rückkehr nach Serthar gab es keinerlei offizielle Verlautbarung.

Berichten aus der Gegend zufolge herrscht auch nach der Rückkehr des Khenpo eine angespannte Atmosphäre in Serthar. Außerdem sei lokalen Beamten von den Behörden der TAP Kardze und des Distrikts Serthar klar gemacht worden, daß sie die Festlichkeiten anläßlich Khenpos Rückkehr nicht besuchen dürften. Besucher werden durch an den Mauern angebrachte Anschläge gewarnt, daß sie das Kloster nicht ohne Erlaubnis der Behörden betreten und keine Kameras mitbringen dürfen. Einer Quelle zufolge wurden einige Touristen von den Behörden des Distrikts Serthar festgenommen und verhört, während man ihre Photoapparate konfiszierte. Das "Public Security Bureau" des Ortes, das sich bisher etwa 3 km von dem Institut entfernt befand, wurde nun in ein Gebäude verlegt, in dem zuvor ausländische Studenten des Instituts wohnten. Die Quelle fügt hinzu, daß die Mönche und Nonnen durch auf dem Institutsgelände installierte Lautsprecher gewarnt werden, keine Gruppen zu bilden und keine neuen Häuschen zu bauen: "Diese laufen immer, egal ob die Leute hinhören oder nicht". Nach seiner Rückkehr dankte Khenpo Jigme Phuntsok öffentlich seinen Anhängern für ihre Unterstützung, aber er hielt weder eine Rede noch gab er Belehrungen. "Der Rinpoche hält üblicherweise jedes Jahr während des Sommerfestes eine Rede, aber dieses Jahr gab es keine solche, weshalb viele Leute ziemlich enttäuscht waren".

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