8. Februar 2012
Free Tibet, www.freetibet.org, Radio Free Asia, www.rfa.org, TCHRD, www.tchrd.org

Tibet brennt: Noch eine Selbstverbrennung, und das am internationalen Solidaritätstag für Tibet

Zu dem Vorfall kam es ausgerechnet an dem Tag, an dem in der ganzen Welt für jene gebetet wurde, die ihr Leben für Tibet opferten.

Am 8. Februar, um etwa 18.30 Uhr (Ortszeit), zündete sich der 19jährige Rinzin Dorjee (alias Rikpe) in der Grundschule No. 2 in der Stadt Ngaba, Bezirk Ngaba, Provinz Sichuan, an, wie aus örtlichen Quellen hervorgeht. Von Flammen umzingelt rief er Parolen gegen die chinesische Regierung.

PAP-Streitkräfte in Ngaba auf einer leeren Straße

Kurz nach dem Vorfall kam das Sicherheitspersonal, löschte die Flammen und brachte Rikpe in das Bezirkskrankenhaus von Ngaba, später wurde er in ein Krankenhaus nach Barkham verlegt. Zwei Mönche in der Nähe seien unmittelbar nach dem Geschehen festgenommen worden, wie ein Augenzeuge berichtet.

Über seinen Zustand weiß man kaum etwas, einigen Quellen zufolge sei er jedoch in der Nacht auf den 8. Februar „dem Tode nahe“ gewesen. Rikpe war früher Mönch im Kloster Kirti, 2010 verließ er dieses aus unbekannten Gründen und lebte seitdem bei seiner Familie. Er ist aus dem Dorf Meruma, Bezirk Ngaba, und das jüngste der sechs Kinder seiner Eltern Tsongko und Dungkar.

Dies ist die 21. Selbstverbrennung in Tibet seit 2009, man weiß, daß 13 davon gestorben sind, während das Schicksal der anderen 8 Tibeter unbekannt ist.

„Die Tibeter in Tibet sind sich der heutigen globalen Solidaritätskundgebungen ihrer Landsleute im Exil durchaus bewußt. Die Präsenz des Sicherheitspersonals in Ngaba war heute ungeheuerlich. Untertags sah man fast keinen Tibeter auf den Straßen“, sagte Kanyag Tsering von Exilkloster Kirti in Dharamsala. „Die Selbstverbrennung ereignete sich am Abend, nachdem sich die Sicherheitskräfte etwas zurückgezogen hatten, und nicht an einem öffentlichen Platz der Stadt, sondern in einer etwas abgeschiedenen Ecke“.

Um den unerträglichen Druck, unter dem die Tibeter in Ngaba stehen, zu beschreiben, zitierte ein Ortsansässiger ein Sprichwort: „Wir schwitzen sogar, ohne daß die Sonne scheint“. Er flehte die Vereinten Nationen und jeden, der irgendwie helfen kann, an, etwas für die Lösung der Probleme zu unternehmen. „Tapfere Tibeter sterben, indem sie sich verbrennen, andere werden ins Gefängnis geworfen, und wieder andere wie ich sind nicht tapfer genug, um etwas zu tun, sie sind verängstigt und leiden unter den von der chinesischen Regierung angeordneten Repressionen“.

Die Spannungen in Ngaba haben sich in den letzten Tagen noch mehr verschärft. Bewohner von dort sagten, daß auf jeden Tibeter inzwischen drei Sicherheitsleute kämen.

Am Morgen des 8. Februars verbreiteten sich bereits Gerüchte, daß es eine Protestaktion geben würde. Ein Augenzeuge berichtete, daß mit Schußwaffen, Holzstöcken, Schlagstöcken und nägelgespickten Metallruten bewaffnete paramilitärische Einheiten die Straßen patrouillierten. Es hieß, 40 bis 50 Militärfahrzeuge parkten vor dem Kloster Kirti, und auf den Straßen der Stadt sehe man kaum Tibeter. Der Augenzeuge beschrieb ferner, daß er Hunderte von paramilitärischen Kräften sehe, die durch die Stadt marschieren, gefolgt von „Panzerfahrzeugen mit aufgesetzten Geschützen“. Außerdem seien da noch viele Sicherheitskräfte in Zivilkleidung, und man glaube, daß diese als Provokateure fungieren sollten, um etwaige Proteste „in Gewalt ausarten“ zu lassen.

Eine andere Quelle aus einem Dorf im Bezirk Ngaba berichtete, daß den Einwohnern dort erklärt wurde, sie würden sofort festgenommen, falls sie heute Abend aus dem Hause gingen.

Urgen, der am 27. Januar totgeschossen wurde

Am selben Tag, etwas früher, mußte eine Gebetszeremonie im Kloster Kirti abgebrochen werden. Das Kloster Kirti steht unter intensiver Überwachung, seit auf eine Protestaktion in der nahegelegenen Gemeinde Meruma hin um die 300 chinesische Offizielle dorthin verlegt wurden.

Einige Chinesen, die in der Gegend wohnen, beschrieben die Lage als unsicher. Sie fürchten, daß die Festnahme von Tibetern und der Einsatz von Gewalt gegen unbewaffnete Zivilisten die Spannung zwischen der Tibetergemeinschaft und den chinesischen Geschäftsleuten noch erhöhen könnte. Einige machten ihre Läden dicht und verließen die Gegend.

Die Stadt Ngaba steht unter einschneidenden Restriktionen, besonders die Klöster Kirti und Se. Am Sonntag den 5. Februar, gab es eine Kerzenmahnwache im Kloster Se, das zwischen 800 und 1000 Mönchen zählt.

Update zur Gemeinde Barma, Bezirk Dzamthang, wo es am 27. Januar zu einer tödlichen Schießerei kam: Heute ging die Polizei in der Gemeinde Barma von Haus zu Haus und verlangte von den Bewohnern, daß sie eine Kritik der Demonstration vom 27. Januar (bei der Urgen von dem Sicherheitspersonal erschossen wurde) niederschrieben und unterzeichneten, und zwar auf Chinesisch. Diejenigen, die nicht Chinesisch schreiben können, mußten ihre Kritik mündlich vortragen, und die Polizei schrieb dann ihre Aussage nieder, die sie mit ihrer Unterschrift bestätigen mußten.

Anfang der Woche hielten die Regierungsbeamten ein Meeting, bei dem sie als eine Art von Übung in Propaganda über das „Übel“ der Protestaktionen diskutierten.