9 March 1998
Free Tibet Campaign
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FREE TIBET, Issue No. 24, Spring 1998
Nicht autorisierte Übersetzung aus dem Englischen


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Weil wir keinen Muckser tun, kommt China mit willkürlichen Verhaftungen und Folterungen ungeschoren davon

Isabel Hilton in The Guardian

Es gibt fast nichts, was China hinsichtlich der alten Politik von "divide et impera" noch lernen könnte. In den alten Tagen des Imperialismus, ehe China sich den roheren Methoden der militärischen Kolonisierung zuwandte, war dies seine bevorzugte Politik, um die aufmüpfigen Barbaren an seinen Grenzen unter Kontrolle zu halten. Die kürzliche Entscheidung der Außenminister der EU, in diesem Jahr Abstand von einer Resolution vor der UN Menschenrechtskommission in Genf zur Verurteilung Chinas wegen seines Menschenrechtsmißbrauchs zu nehmen, zeigt, daß die alten politischen Künste nicht vergessen wurden. Überraschend an dieser traurigen Episode ist nur, wie wenig die europäischen Regierungen von der chinesischen politischen List und Tücke begriffen haben und wie unwillig sie sind, es anzuwenden.

Vor 1996 gab es zumindest den alljährlichen Versuch, wobei die USA die führende Rolle spielten und von der EU unterstützt wurden, solch eine Resolution der Kommission vorzulegen. Manche argumentieren zwar, daß dieser Schritt niemals viel brachte, weil China immer erfolgreich war, die Resolutionen vom Tisch zu kehren. Aber jedes Jahr wurde die Zahl der Befürworter größer, und die Anstrengung, die China machen mußte, um die drohende öffentliche Kritik abzuwenden, beweist, daß es sie zumindest ziemlich ernst nahm.

Aber 1996 begann die Haltung in der EU zu wanken. Sir Leon Brittan von der Kommission argumentierte, daß seine Aufgabe der Förderung der Handelsbeziehungen zu China ohne diese ärgerlichen Unterbrechungen leichter sei, und China merkte, daß der Enthusiasmus von Business Lobbyisten aller Länder für seine Märkte seiner Diplomatie sehr zustatten kommen kann. Abgesehen von der Freiheitsfloskel, die von Enthusiasten für einen globalen Markt gerne gebraucht wird, ist die Allianz zwischen Geschäft und Diktatur nichts Neues. Vielleicht ist es nicht die Aufgabe von Business auf den Menschenrechten zu bestehen, aber es ist sicherlich die Verantwortung von demokratischen Regierungen. Man sollte meinen, daß die EU die Achtung vor den Menschenrechten als einen ihrer leitenden Grundsätze niedergelegt hätte: Diese ist nicht nur eine der Bedingungen für Mitgliedschaft, sondern es gibt auch die Voraussetzung, daß Vereinbarungen der EU mit Drittländern eine Klausel über Menschenrechte beinhalten müssen, damit geschäftliche Erwägungen, wie wichtig sie auch sein mögen, nicht die Oberhand über die Gebote von Freiheit und Gerechtigkeit gewinnen.

Vor zwei Jahren jedoch begann Frankreich am Rande des ersten ASEM (Asia-Europe Meeting) Gipfels in Bangkok, diese Richtlinien zugunsten einer Reihe von lukrativen Verträgen aufzugeben. Deutschland folgte auf den Fuß, und der EU Konsensus begann brüchig zu werden. Die EU beschloß zwar bei dem Gipfel von Turin, eine Resolution zu unterstützen, aber viel zu spät, so daß die übliche Lobbyarbeit zu ihren Gunsten schwer gekürzt wurde.

Im folgenden Jahr gab es auch nach langem Disput keine gemeinsame Position. Im April, als Präsident Chirac sich zu einem offiziellen Besuch in China anschickte, zog Frankreich, gefolgt von Deutschland, Griechenland, Italien und Spanien seine traditionelle Unterstützung für den Antrag zurück. Großbritannien und die anderen Partner blieben beiseite. Was uns zu diesem Jahr bringt, dem Nullpunkt der ethischen Außenpolitik Großbritanniens, und zufälligerweise auch der Augenblick, in dem es den Vorsitz über die EU innehat. Groß waren unsere Hoffnungen, aber wir wurden enttäuscht, die Ethik reicht wohl nicht bis China. Großbritannien stimmte dieses Jahr für Geschäft vor Prinzipien. Optimisten könnten da wohl meinen, daß China kein großer Verletzer von Menschenrechten mehr sei Aber ein Blick auf die Berichte des US State Department und von Amnesty International nehmen ihnen schnell die Illusion. Der letzte Bericht von a.i. über China sagt: "Das vergangene Jahr sah die willkürliche Verhaftung von Tausenden von Protestierenden und mutmaßlichen Regierungsgegnern, die fortgesetzte Einsperrung von Tausenden von politischen Gefangenen, äußerst unfaire Gerichtsprozesse, weitverbreitete Folterung und Mißhandlung in Polizeihaft, Gefängnissen und Arbeitslagern und die umfassende Anwendung der Todesstrafe." China ist ein großes Land, aber trotzdem ist die Zahl beeindruckend: "Trotz einiger Gesetzesänderungen wurden in China 1997 über 200.000 Menschen ohne Prozeß oder Anklage zur "Umerziehung durch Arbeit" in Lagern willkürlich festgehalten."

Das Argument gegen die Resolution von Genf ist zweigleisig: China will sein Gesicht bewahren, sagen die alten China-Experten des Auswärtigen Amtes, deshalb könne man durch "stille Diplomatie" mehr gewinnen als durch öffentliche Anprangerung. Zweitens hat China demonstriert, daß es gegen die Geschäftsinteressen jener Länder, die einen festen Standpunkt vertreten, Vergeltung übt. Hinsichtlich des ersten Punktes weisen die Funktionäre auf Zeichen von Forschritt hin. Nachdem es China erst einmal gelang, unter den EU Staaten hinsichtlich der Genfer Resolution Verwirrung zu stiften, bot Peking an, den "Dialog" über Menschenrechte mit der EU wiederaufzunehmen, der 1996 abgebrochen wurde, als die EU die Resolution unterstützte; und letztes Jahr unterzeichnete es die "Internationale Verpflichtung für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" der UNO. Dann gibt es das Versprechen, daß Mary Robinson, die UN Kommissarin für Menschenrechte, China besuchen darf, sowie einige gesetzliche Reformen, welche Optimisten als Beweis sehen wollen, daß sich China in Richtung Rechtstaat bewege. Das seien die Erfolge der stillen Diplomatie, heißt es.

Aber China hat noch nicht den Doppelvertrag für bürgerliche und politische Rechte unterzeichnet, und, wie jene glücklosen Unterhändler, die jahrelang darum kämpften, China zur Beachtung seiner intellektuellen Copyright Verpflichtungen zu bringen, schon lange entdeckten, bedeutet die Tatsache, daß China etwas auf diplomatischer Ebene versprochen hat, noch lange nicht, daß sich im Lande irgend etwas verändert hat. Die gesetzlichen Reformen waren rein kosmetischer Art: Die Anklage der Konterrevolution, die über die Jahre das Leben von Millionen, die zu unbesonnen waren, einen dem Regime unbequemen Gedanken auszudrücken, in den Abgrund stürzte, wurde abgeschafft. Aber als Ersatz dient das "Verbrechen der Gefährdung der Staatssicherheit" genau demselben Zweck. Wie zwei Amtsträger der UN Arbeitsgruppe für Willkürliche Verhaftung unlängst berichteten, hat das Regime so die Handhabe, "Personen, die friedlich ihre Grundrechte auf Rede- und Versammlungsfreiheit ausüben, festzunehmen und zu schikanieren...".

Die Europäische Union ist gemein genug, die UN Menschenrechtskommission zu unterhöhlen, indem sie öffentlich argumentiert, daß ihr eigener "Dialog" - hinter geschlossenen Türen - wirksam sei. Als ein Sieg für die Ethik klingt dies fast genauso überzeugend wie Waffenverkäufe an Indonesien.