10. Dezember 2007

Environment and Development Desk
Department of Information and International Relations (DIIR), Central Tibetan Administration, Dharamsala


Seite drucken

Presseerklärung

Tibet: Entwicklung und Umwelt 2007 – neuer Bericht des DIIR

Das Referat für Umwelt und Entwicklung des „Department of Information and International Relations“ der Tibetischen Regierung-im-Exil freut sich, seinen dritten und umfangreichen Bericht über die menschliche Entwicklung und die Umwelt in Tibet vorlegen zu können. Dieser Bericht mit dem Titel „Tibet: A Human Development and Environment Report, 2007“ (1) bietet einen umfassenden Überblick über die Zustände im heutigen Tibet. Unter Zugrundelegung aller verfügbaren Informationen werden das Wohlergehen der tibetischen Bevölkerung und der allgemeine Zustand des Landes gründlich untersucht.

Die Resultate der Recherchen sind in vielfältiger Hinsicht besorgniserregend. Die Degradation des Graslands schreitet immer weiter voran. Zunehmende bürokratische Regelungswut und soziale Ausgrenzung machen es den Nomaden immer schwerer, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Der Anteil von Analphabeten unter den Tibetern ist hoch, und sie bleiben vom Erwerb in der modernen Gesellschaft erforderlicher Kompetenzen ausgeschlossen. Ferner sind sie von chronischer Marginalisierung, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung betroffen. Es fehlt den Tibetern häufig an der Grundversorgung, in den ländlichen Gebieten sogar am Zugang zu Trinkwasser, während eine Flut von Touristen und subventionierten Immigranten das Land überschwemmt.

All dies hat vielfältige und schwerwiegende Auswirkungen auf Land und Leute, woraus wiederum folgt, daß Tibet meilenweit davon entfernt ist, die von den Vereinten Nationen vorgegebenen „Millennium-Entwicklungsziele“ (2) zu erreichen, weder zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch bis 2015. Die offiziellen Ziele der chinesischen Zentralregierung sind seit fünf Jahrzehnten Fortschritt, Aufbau der Schlüsselindustrien, wirtschaftlicher Aufschwung, Produktivität und Wohlstand. Das Resultat einer solchen Wirtschaftspolitik sind einige Enklaven des Wohlstands inmitten einer vernachlässigten, erodierenden Landschaft: Privilegierte Inseln in einem riesigen Grasmeer der Entbehrung, des Analphabetentums und der sozialen Ausgrenzung. Der Aufbau der Schlüsselindustrie fand nicht statt, die Ungleichheit hat extreme Formen angenommen, von einem wirtschaftlichen Aufschwung ist nichts zu bemerken. Tibet bleibt nach wie vor eine der ärmsten Subsistenzwirtschaften weltweit, und was den Index des menschlichen Entwicklungstandes anbetrifft, so ist er der gleiche wie in den ärmsten Ländern der Erde.

Menschliche Entwicklung und Umweltbelastung bilden den Bezugsrahmen für diesen Bericht und ermöglichen es dem Leser, gleichzeitig auf das Land und die Menschen zu blicken. In der Betrachtungsweise der Tibeter ist die Menschheit nur eine von Myriaden mit Bewußtsein begabter Arten, jedoch versehen mit einer besonderen Verantwortung und Sorgfaltspflicht. Die Kombination von Land und Leuten, Umwelt und menschlicher Entwicklung, die dieser Bericht bietet, möge daran erinnern, daß die Lösung der Probleme, die durch die bisherige Politik verursacht wurden, nur mit der aktiven Einbeziehung der Tibeter möglich ist und nicht durch ihren Ausschluß.

Wir könnten hoffnungsvoll in die Zukunft schauen, denn vielerorts werden uns neue Wege aufgezeigt für nachhaltige Methoden zum Erwerb des Lebensunterhalts und für nachhaltige Umweltpolitik unter Berücksichtigung der biologischen Vielfalt. Fehler der Vergangenheit könnten berichtigt werden, degradiertes Grasland könnte mit modernen Methoden wiederhergestellt werden, was ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen der politischen Führung und der Bevölkerung voraussetzt. Geschickte fortschrittliche Methoden des Co-Managements mit lokalen Gemeinschaften als gleichberechtigten Partnern sind kein Ding der Unmöglichkeit. Das beginnt damit, daß man die Bauern und Nomaden anhört und ihre gründlichen Kenntnisse der landschaftlichen Gegebenheiten und darüber, wie diese am besten zu erhalten sind, respektiert. Eben dies hat in den letzten 50 Jahren gefehlt, denn es herrschte die ganze Zeit über eine von oben nach unten orientierte statische Auffassung von Entwicklung mit der Betonung auf harter Infrastruktur. Die tibetische Zivilgesellschaft sollte an den Entscheidungen beteiligt werden, sie sollte mit den in einer modernen Gesellschaft erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Die wohlbekannte Bereitschaft der Tibeter, sich als Gleichgestellte an der Wiederherstellung ihrer Umwelt zu beteiligen, könnte der Schlüssel für den Schutz der Gewässer und die erfolgreiche Aufforstung sein.

In Tibet entspringen die meisten der großen Flüsse Asiens, und dort hat auch der Monsun seinen Ursprung. Damit ist das Land eine Schlüsselregion in unserer gegenseitig abhängigen Welt. Es ist durchaus möglich, die menschliche Entwicklung in Tibet künftig zu verbessern, die Artenvielfalt zu erhalten, das Grasland wiederherzustellen und die Gewässer zu schützen. Dazu bedarf es neuer effizienter und auf Mitwirkung beruhender Methoden sowie der Unterstützung derjenigen Organisationen auf der ganzen Welt, die hochentwickelte Methoden für die Förderung menschlicher Fähigkeiten vorweisen können. Dieser Bericht richtet sich insbesondere an Entwicklungs- und Umweltorganisationen und möchte sie einladen, ihr Wissen und ihre Erfahrung nach Tibet zu bringen, um dort in der Praxis zu demonstrieren, wie die Gemeinwesen vor Ort zufriedenstellende Resultate erzielen können. Im Hinblick darauf schließt der Bericht mit einigen Richtlinien, die das in Worte fassen, was die Tibeter von den internationalen Organisationen und Investoren, die nach Tibet kommen, erwarten und brauchen.

Sorge und Hoffnung, Scheitern und neue Chancen, unbeabsichtigte Folgeerscheinungen und neue Möglichkeiten, Schäden aus der Vergangenheit und spezifische Fallstudien, die fachkundig neue Wege eröffnen, halten sich in diesem Bericht die Waage. Der Blick richtet sich nach vorne, auf eine Zukunft, in der die Stimmen der Tibeter nicht länger ignoriert und ausgeschlossen werden, was nicht nur zum Nutzen Tibets, sondern der ganzen Erde gereichen wird, denn sie ist auf den Fortbestand der tibetischen Flüsse und des Monsuns angewiesen. Solches kann jedoch nur durch nachhaltigen Umgang mit der tibetischen Umwelt und die Begrenzung der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen sichergestellt werden. Die langfristige Sicherung der tibetischen Umwelt liegt im Interesse der ganzen Welt. China hätte ganz besondere Gründe, sorgfältig zu überdenken, wie Tibet fachkundig wiederaufgeforstet, wie die Gewässer geschützt und der Respekt der Menschen durch die Verwendung fortschrittlicher Methoden gewonnen werden können. Dieser Bericht ist die Aufforderung zu einem Neuanfang.

Der erste Umwelt- und Entwicklungsbericht des „Department of Information and International Relations“ wurde 1992 beim Weltgipfel in Rio veröffentlicht. Der zweite folgte im Jahr 2000. Diese drei Berichte in ihrer Gesamtheit sind für die Menschen in Asien wie ein Weckruf, zu erkennen, was China in Tibet alles ausrichten kann.

(1) Der Bericht steht auf der Website von TibetNet kapitelweise im pdf-Format zur Verfügung.

(2) Die Millennium Development Goals sind die Ziele für die Bekämpfung der Armut in den ärmsten Ländern der Welt im Zeitraum von 2000 bis 2015, auf welche sich die internationale Gemeinschaft geeinigt hat.

Kontakt:
Mr. Thubten Samphel, Ms. Choekyi
Tel: +91-1892-222510
+91-1892-222457
+91-1892-224662