12. November 2003
Europäisches Parlament, Brüssel

Resolution des "Europäischen Parlamentarischen Forums zu Tibet: Die Antwort der EU auf den sino-tibetischen Dialog"

Die Teilnehmer an dem "European Parliament Forum on Tibet", also Abgeordnete des Europäischen Parlaments aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Abgeordnete der Parlamente einzelner Mitglied- und Anwärterstaaten, welche am 12. November 2003 in Brüssel zusammenkamen, um die Lage in Tibet und die Antwort der Europäischen Union auf den sino-tibetischen Dialog zu erörtern, faßten einmütig folgenden Beschluß:

A. Besorgt über die fortgesetzte Verletzung der individuellen und kollektiven Rechte des tibetischen Volkes, einschließlich seines Rechtes auf Selbstbestimmung, wie es von der UN Resolution 1723 (XVI) bestätigt wird, sowie über die andauernde Unterdrückung des tibetischen Volkes in seinen politischen und religiösen Überzeugungen durch die VR China;

B. In Anbetracht des langjährigen Bekenntnisses des Dalai Lama und der Tibetischen Regierung-im-Exil zu Gewaltlosigkeit, sowie ihrer nicht nachlassenden Bemühungen zur Erreichung einer durch den Dialog mit der Regierung der VR China friedlich ausgehandelten Lösung für Tibet;

C. Erfreut über den wieder aufgenommenen Kontakt zwischen Sondergesandten des Dalai Lama und chinesischen Regierungsvertretern im September 2002 und Mai-Juni 2003;

D. An die Resolution des Europäischen Parlaments vom 19. Dezember 2002 erinnernd, in welcher die chinesische Regierung ersucht wird, die über den tibetisch-buddhistischen Würdenträger Tenzin Delek Rinpoche verhängte Todesstrafe aufzuheben;

E. Erfreut darüber, dass der Europa-Rat in dem Papier zur Politik der Europäischen Union vom 13. Oktober 2003 die Förderung des Dialogs zwischen dem Dalai Lama und der Regierung der VR China, um eine gegenseitig akzeptable Lösung für die Tibet-Frage zu finden, als ein vordringliches Anliegen der Europäischen Union im politischen Dialog mit der Regierung der PRC genannt hat;

F. Enttäuscht darüber, dass bei dem EU/China-Gipfeltreffen, das am 30. Oktober 2003 stattfand, die Tibet-Frage trotz dieser politischen Verpflichtung nicht behandelt wurde und dass der Menschenrechtsdialog der EU mit der VR China bisher keine positive Wirkung auf die Lage in Tibet gezeitigt hat;

G. In Würdigung des konstruktiven Einflusses der von den Sonderbeauftragten der EU zur Lösung von Konflikten in verschiedenen Teilen der Welt geleisteten Arbeit;

H. Eingedenk der Resolutionen des Europäischen Parlamentes vom 15. Januar 1998 und 11. April 2002, der vom Dalai Lama in seiner Ansprache vom 24. Oktober 2001 an das Europäische Parlament und in seinem Brief vom 11. März 2002 an die Außenminister aller Mitgliedstaaten der EU geäußerten Bitten, sowie des Antrags der internationalen Koalition von Tibet-Unterstützungs-Gruppen in ihrem jüngsten Kommunique an die Präsidenten des Europa-Rates, der Kommission und des Parlaments auf Ernennung eines Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Tibet;

I. In Anerkennung der Bereitstellung der notwendigen Gelder im Budget der Europäischen Union für 2003 und 2004 zur Ernennung eines Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Tibet;

J. Eingedenk der Resolution des Europäischen Parlamentes vom 6. Juli 2000, insbesondere des Aufrufs an die Regierungen der Mitgliedstaaten, die Möglichkeit einer Anerkennung der Tibetischen Regierung-im-Exil als rechtmäßiger Vertreterin des tibetischen Volkes ernstlich zu erwägen;

Beschluß

1. Rufen den Europäischen Rat und die Kommission auf, die bereits erfolgte Zuweisung im Budget der Europäischen Union umzusetzen und unverzüglich einen Sonderbeauftragten der Europäischen Union für Tibet in hohem Range zu ernennen, dessen Auftrag es sein wird, für einen substantiellen Dialog zwischen der Regierung der VR China und den Vertretern des Dalai Lama zu sorgen, und dessen Amtszeit direkt mit einem wahrnehmbaren Fortschritt in dieser Angelegenheit verbunden sein wird;

2. Fordern die Freilassung aller politischen Gefangenen, einschließlich Tenzin Delek Rinpoches, der zum Tode verurteilt wurde und vielleicht schon im April 2004 von China hingerichtet werden könnte;

3. Appellieren an die Europäische Union, die Tibet-Frage bei der nächsten Sitzung des EU/China-Menschenrechtsdialogs in Peking am 26. November 2003 sowie bei allen zukünftigen EU/China-Gipfeltreffen nachdrücklich zur Sprache zu bringen;

4. Rufen die Europäische Union und alle europäischen Regierungen auf, jede Gelegenheit wahrzunehmen, um der Regierung der VR China klarzumachen, sie möge die Wiederaufnahme des Kontakts mit den Vertretern des Dalai Lama wichtig nehmen und unverzüglich im Hinblick auf eine gerechte und dauerhafte politische Lösung mit ernsthaften und aufrichtigen Verhandlungen beginnen;

5. Empfehlen, dass das Europäische Parlament angesichts des wieder aufgenommenen Kontakts zwischen Dharamsala und Peking eventuelle Fortschritte begutachtet, den Dalai Lama einlädt, um das Parlament über die sich verschlechternde Lage in Tibet und den Stand der Gespräche mit der VR China in Kenntnis zusetzen, und neu erwägt, ob die Resolution vom 6. Juli 2000, welche die Anerkennung der Tibetischen Regierung-im-Exil als die rechtmäßige Vertreterin des Tibetischen Volkes vorsieht, in die Tat umgesetzt werden soll;

6. Empfehlen, dass das Europäische Parlament eine parlamentarische Anhörung von Experten zu Tibet veranstaltet, um so ernste Probleme wie den Bevölkerungstransfer, die wirtschaftliche Marginalisierung, die Verschlechterung von Umwelt und Entwicklungsstand, denen sich das tibetische Volk heutzutage gegenübersieht, zu untersuchen;

7. Fordern China auf, alle Vorbedingungen für Verhandlungen fallen zu lassen und seine Bereitschaft deutlich erkennen zu lassen, den jetzigen Kontakt mit den Vertretern des Dalai Lama im Hinblick auf einen substantiellen Dialog fortzusetzen;

8. Beauftragen den Vorsitzenden dieses Forums, die vorliegende Resolution dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär der VN, der Regierung Chinas, dem Dalai Lama und der Tibetischen Regierung-im-Exil , sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarats zu unterbreiten.

inoffizielle Übersetzung