11. März 2008
World Tibet Network News

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Augenzeugenbericht zweier holländischer Touristen der Geschehnisse in Lhasa           

Lhasa, 10. März 2008

Heute haben wir gesehen, wie die Situation in Tibet wirklich ist.

Fotos und eine kurze Videosequenz finden Sie auf http://steve.ulrike.stivi.be/english/list.php?LijstNr=2&Item=55

Der Tag schien ruhig und friedlich zu sein, geradezu langweilig. Bis 6 Uhr. Dann versammeln sich Hunderte von Tibetern auf dem Barkhor. Sie bilden einen starken, stillen, friedlichen Kreis um die Polizisten herum, die das Zentrum des Platzes freihalten. Nicht lange, dann rufen sie nach Unterstützung. Polizisten in Zivil, unschwer zu erkennen, filmen das ganze Geschehen. Vor allem die Gesichter. Das ist eine Methode, um Angst zu erzeugen. Plötzlich bricht Panik aus. Sechs oder sieben Mönche werden festgenommen und abgeführt. Die Tibeter sind sehr besorgt wegen all der Geschichten über Gefängnisse und Folter. Inzwischen treffen in großer Zahl Polizisten ein. Sie treiben alle auseinander. Aber bis Sonnenuntergang stehen kleine Grüppchen zusammen, Touristen, Tibeter und solche Tibeter, die nach Spitzeln aussehen. Offensichtlich stehen wir zu lange herum, denn einige Tibeter warnen uns vor den Polizisten in Zivil, die uns ständig im Blick haben. Man steckt uns sogar einen Zettel zu, dass man uns beschattet und wir achtgeben sollen, was wir sagen. Den ganzen Abend folgen uns schemenhafte Figuren, sogar ins Restaurant und in die Bar.

Beinahe gelingt es der chinesischen Polizei sogar, den Eindruck zu erwecken, es handele sich nur um eine kleine Demonstration, die sie leicht kontrollieren kann. Von unseren portugiesischen Freunden Miguel und Clara, die eines der großen Klöster - Drepung - in der Nähe besuchen, erfahren wir, dass die Chinesen - abseits der Blicke der Touristen - viel härter vorgehen. Als sie zusammen mit einer Menge von Mönchen auf dem Weg nach Lhasa sind, um an der Demonstration teilzunehmen, werden sie von Bewaffneter Polizei und Militär brutal gestoppt. Miguel und Clara werden aus der Gruppe herausgeholt (sie sind zu jenem Zeitpunkt die einzigen Touristen) und weggejagt. Alle Läden müssen schließen und alle Menschen den Platz verlassen. Sie erhalten keinerlei Informationen und können keine Fragen stellen oder irgend etwas sehen. Fotos zu machen ist leider unmöglich.

Später am selben Tag geht Miguel zurück und versucht, ins Kloster zu gelangen, weil er in großer Sorge um die Mönche ist. Er schafft es, nahe ans Kloster heranzukommen und sieht, wie Militärfahrzeuge und Ambulanzen auf das Gelände fahren und wieder weg. Dann wird er gepackt, verhört und wieder in seinem Hotel abgesetzt. Wir machen uns große Sorgen darüber, was dort hinter den Kulissen geschehen ist oder immer noch geschieht. Niemand wird das erfahren.

Lhasa geht zur Ruhe mit einem Gefühl von Trauer und Beklemmung. Es mag schwer sein sich vorzustellen, wie sich das anfühlt. Wir können jetzt ermessen, wie gut es uns geht, wir haben Redefreiheit, die Freiheit zu gehen, wohin auch immer wir wollen. Hier hat ein jeder Angst zu reden - selbst wir, die wir als freie Menschen geboren wurden, und das nicht unseretwegen, sondern wegen der Tibeter, die in Schwierigkeiten kommen können, allein dadurch, dass sie mit uns sprechen. Auch ist es gespenstisch festzustellen, dass wir beschattet und angesprochen werden von Männern, die wirklich ihr Bestes tun, um auszusehen wie Tibeter, obwohl sie ungeschickt mit der Mala [Gebetskette, A.d.Ü.] umgehen. Sie fragen uns, was los ist, was wir gesehen haben und ob wir Fotos gemacht haben. [...]

Bitte unterstützen Sie die Tibeter, die für ein bisschen mehr Freiheit kämpfen.

Steve und Ulrike

11. März 2008