3. Juni 2007

World Tibet News

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Rangzen: „Internationales Forum für ein freies Tibet" in Turin

Am 26. Mai 2007 tagte in Turin das Internationale Forum für ein freies Tibet, um neue Strategien zu eruieren und die Frage der Unabhängigkeit für Tibet zu diskutieren. Fast 100 Personen nahmen daran teil, darunter Abgeordnete, Referenten und Gäste aus den USA, Indien und Europa (Italien, Frankreich, Spanien und Schweiz). Auch bekannte Verfechter von Rangzen* waren zugegen wie Palden Gyatso, Jamyang Norbu (Rangzen Alliance), Dhondup Namgyal Khorlo (Chushi Gangdruk), Chime Yungdrung (National Democratic Party of Tibet), sowie Vertreter anderer tibetischer NGOs und von Tibet-Unterstützungsgruppen. Auch italienische Vertreter der Gewerkschaften und aus Politikerkreisen sowie der chinesische Dissident Wei Jingsheng waren vor Ort.

Das Forum wurde von der Campagna die Solidarietà con il Popolo Tibetano (CSPT) zusammen mit dem Tibet Culture House, Tibet Destination Rangzen und Alternative Tibétaine (Frankreich) veranstaltet und von der italienischen Gewerkschaft CISL-ISCOS mit Unterstützung des Kreises Piemont und der Campagna di San Paolo mitfinanziert. Weitere erwartete Gäste wie Takna Jigme Sangpo und Ngawang Woeber, Präsident der Gu-Chu-Sum Bewegung, waren verhindert. Grußbotschaften von Larry Gerstein vom International Tibet Independence Movement (ITIM) und Harry Wu (Laogai Research Foundation) wurden verlesen. Worte des Zuspruchs erhielt das Forum auch von Kelsang Phuntsok, dem Präsidenten des Tibetan Youth Congress (TYC), von Tenzin Tsundue (Friends of Tibet) und von Lhasang Tsering, dem ehemaligen Präsidenten des TYC.

Das Internationale Forum von Turin steht in direkter Tradition der letztes Jahr abgehaltenen internationalen Konferenzen: der vom 19. September 2006 in Washington, auf der die „Erklärung der Unabhängigkeit der Nationen Hochasiens“ verabschiedet wurde, und der „Internationalen Konferenz von Dhokham Chushi Gangdruk“ vom 23. Dezember 2006 in New York.

So war das Forum von Turin eine weitere Etappe in der Bewegung zugunsten von Rangzen; die Konferenz für die Unabhängigkeit Tibets, die am 23. und 24. Juni in New Delhi stattfindet, wird die nächste Etappe sein.

Dieses Forum hat tibetischen Verfechtern der Unabhängigkeit aus verschiedenen Ländern und von verschiedenen Organisationen die Möglichkeit gegeben, zusammenzutreffen, um über die Zukunft ihres Kampfes zu diskutieren, ihre Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Strategien zu entwickeln.

Durch die Teilnahme von Nicht-Tibetern an diesem Forum wurde deutlich, daß die Tibeter in ihrem Kampf um Unabhängigkeit nicht mehr allein sind: sie werden nun in ihrem gerechten Kampf unterstützt und anerkannt. 

Angesichts des Fehlschlags aller Dialogversuche mit Peking haben die Teilnehmer des Forums ein weiteres Mal klar das Recht des tibetischen Volkes auf Selbstbestimmung betont und auf die Notwendigkeit einer geeinten Unabhängigkeitsbewegung und alternativer Strategien hingewiesen.

Bei dem Forum wurde die Wichtigkeit einer vereinten gemeinsamen Front aller politischen und sozialen Kräfte, die dem chinesischen diktatorischen Regime Widerstand leisten, nachdrücklich betont. Die Teilnehmer beschlossen, jede Gelegenheit zu ergreifen, um für die Rechte der tibetischen Arbeiter in Tibet und die Gründung freier Gewerkschaften zu kämpfen.

Das Internationale Forum von Turin ist ein wichtiges Ereignis, um dem tibetischen Volk zu helfen, seine Zukunft in seine eigenen Hände zu nehmen und die Weltgemeinschaft, insbesondere die Europäische Union, aufzurufen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Hier folgt der Text der bei der Konferenz von Turin verabschiedeten Erklärung:

Erklärung von Turin
Überlegungen zu China

Die Wirklichkeit in China ist völlig anders als das Bild, das die KPCh von dem Land zeichnet. Die sozialen Diskrepanzen nehmen allerorten zu und die Korruption greift auf allen Ebenen des Systems immer weiter um sich. Sowohl wirtschaftlich als auch sozial und ökologisch verschlechtert sich die Lage der Bauern, die die Mehrheit der Bevölkerung bilden, immer weiter. Und selbst in den Bereichen, wo ein gewisses Wirtschaftswachstum vorhanden ist, haben sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Mehrheit der Arbeiter nicht verbessert, und die Grundfreiheiten werden ihnen weiterhin verweigert.

Daher breitet sich der soziale Protest aus und wird immer heftiger, was auch von offizieller Seite in Peking bestätigt wird. Hinzu kommen der gewaltlose Widerstand der Anhänger der spirituellen Bewegung Falun Dafa, der Kampf der Arbeiter für die Gründung freier Gewerkschaften und die Widerstandsbewegungen gegen die koloniale Besatzungmacht der Chinesen, die sich in Ostturkestan und der Inneren Mongolei neu gruppieren.

Auf internationaler Bühne geht China – politisch, wirtschaftlich und militärisch gesehen – von Tag zu Tag aggressiver vor (die schwindelerregende Erhöhung des Verteidigungsbudgets rückt die Möglichkeit einer militärischen Operation gegen Taiwan ins Blickfeld).

Tibet im chinesischen Kontext

Die chinesische Politik in Tibet hat sich in den letzten Jahren nicht geändert, in vieler Hinsicht ist sie härter geworden. Der massive Zuzug von chinesischen Kolonisten hält an, ein Phänomen, das zu einer immer stärkeren Marginalisierung der Tibeter führt, die keinerlei wirklichen Nutzen von den mageren Investitionen haben, die Peking im Rahmen des vorgeblichen „Westlichen Entwicklungsprogramms“ in Tibet vornahm. China fährt fort, ihnen alle grundlegenden bürgerlichen und religiösen Rechte zu verweigern, trotz der zahlreichen Initiativen und Stellungnahmen von Parlamenten und internationalen Organisationen. Wir sind heute ohnmächtige Zeugen der Massenumsiedlung von Bauern und Nomaden.

Wir müssen daher feststellen, daß alle bisher unternommenen politischen und diplomatischen Demarchen fehlgeschlagen sind.

Insbesondere weisen wir darauf hin, daß 18 Jahre nach dem „Straßburger Vorschlag“ (Juni 1988) die Bemühungen des Dalai Lama und der tibetischen Regierung-im-Exil zu keinem konkreten Ergebnis geführt haben – trotz der nachfolgenden Zugeständnisse an das chinesische Regime, bis hin zum kürzlich geäußerten Verzicht auf das unveräußerliche Recht des tibetischen Volkes auf Selbstbestimmung (in seiner Erklärung zum 10. März 2007 bezeichnet der Dalai Lama das tibetische Volks als „… eine der wichtigeren Gruppen unter den 55 nationalen Minderheiten Chinas“).

Daraus wird klar, daß der sogenannte „Dialog“, der so aufgebauscht wurde, keine Änderung der Lage herbeigeführt hat, sondern nur den Regierungen und internationalen Institutionen ein Alibi dafür liefert, keine wichtigen Resolutionen zu Tibet mehr zu verabschieden (wie die Resolution des Europäischen Parlaments vom 6. Juli 2000).

Eine der am meisten beunruhigenden Folgen dieser Art des Vorgehens ist, daß das Tibet-Problem allgemein an Brisanz verloren hat. Hinzu kommt die gleichermaßen besorgniserregende Konfusion unter den Tibetern und ihren Unterstützern, die ausdrücklich aufgefordert wurden, jegliche Beschwerden und Proteste gegenüber Peking einzustellen. Außerdem bekundeten der Dalai Lama und mehrere Angehörige seiner Regierung-im-Exil zu wiederholten Malen offen ihre Unterstützung für Projekte oder Vorschläge wie die Aufnahme der VR China in die WTO (Welthandelsorganisation) oder die Zuerkennung der Olympischen Spiele an Peking. Hier sollte auch an die Aussage des Premierministers Samdhong Rinpoche erinnert werden, der die Eröffnung der Eisenbahnlinie von Golmud nach Lhasa als vorteilhaft für die wirtschaftliche Entwicklung Tibets begrüßte.

Hiervon ausgehend rufen wir dazu auf:
  • eine geeinte Unabhängigkeitsbewegung zu fördern, der wir unsere bedingungslose Unterstützung und Kooperation schenken können, um das Streben des tibetischen Volkes nach Unabhängigkeit zu verwirklichen, ein Streben, das mutige Tibeter durch ihre Proteste in Tibet selbst über die Jahre immer wieder bewiesen haben;

  • eine geeignete, auf dem Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes basierende Strategie zu erstellen, die den Entschließungen der Internationalen Konferenz von Chushi Gangdruk (Dezember 2006) und den durch die „Unabhängigkeitserklärung der Nationen Hochasiens“ (September 2006) bestätigten Grundsätzen Rechnung trägt;

  • alle politischen und sozialen Kräfte, die sowohl in Tibet wie auch in den anderen von China rechtswidrig besetzten Ländern in Opposition zum Regime in Peking stehen, zu einer einzigen Front zu vereinen;

  • die Voraussetzungen für die Gründung einer freien Gewerkschaft zu schaffen, die dafür kämpft, den tibetischen Arbeitern einen menschenwürdigen Arbeitsplatz, einen fairen Lohn und das Recht, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen, zu sichern;

  • an alle freien Länder zu appellieren, die Olympischen Spiele in Peking 2008 zu boykottieren;

  • die Vereinten Nationen aufzufordern, die illegale Besetzung Tibets, Ostturkestans und der Inneren Mongolei zu verurteilen;

  • die Europäische Union aufzufordern, den sogenannten „Dialog“ mit China solange auszusetzen, bis das Land alle von ihm unterzeichneten Verträge ratifiziert und vollständig umgesetzt hat;

  • die Universelle Gerichtsbarkeit** und das Internationale Recht zuzuziehen, um dem Ausbleiben nachteiliger Folgen, mit der die Behörden in Tibet und China handeln, ein Ende zu setzen.

Turin (Italien), 26. Mai 2007 Internationales Forum für die Freiheit Tibets:

Palden Gyatso, Jamyang Norbu (Rangzen Alliance), Dhondup Namgyal Khorlo (Dhokham Chushi Gangdruk), Tamding Choepel (Tibet Culture House), Chime Yungdrung (National Democratic Party of Tibet), Wei Jingsheng (Wei Jingsheng Foundation), Claudio Tecchio (Campagna di Solidarietá con il Popolo Tibetano), Mathieu Vernerey and Sonia Pradine (Alternative Tibétaine), Françoise and François Bruxeille, François Corona (Tibet Destination Rangzen) Alan Cantos and José Elias Esteve (Comite de Apoyo al Tibet), Larry Gerstein (ITIM) Mario Scotti (Segretario Generale, CISL) Piemonte Paolo Pozzo (Comitato ISCOS), Piemonte Bruno Portigliatti (Unione Buddhista Europea), Antonello Brandi (Laogai Research Foundation Italy), Angelo Montali , Movimento Cristiano Lavoratori, Piero Verni, Claude B. Levenson, Antonio Attisani, Jean-Claude Bührer.

*Rangzen ist das tibetische Wort für Unabhängigkeit, Freiheit

** z.B. die bei dem Obersten Gerichtshof in Madrid eingereichte Klage gegen die früheren chinesischen Machthaber wegen Genozids und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die sie gegen das tibetische Volk begangen haben.