23. Juli 2008

Tibetan Solidarity Committee (Tibetisches Solidaritätskomitee)

http://www.stoptibetcrisis.net


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Pressemitteilung

Berichte über Explosion im Kloster Gonchen in Derge lassen Zweifel aufkommen

Einer Mitteilung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua vom 22. Juli zufolge veröffentlichte die Provinzregierung von Sichuan eine Pressemitteilung über die Explosion, die sich am 12. Juli im Kloster Gonchen* in Derge (chin. Dege) ereignet hatte und bei der zwei Mönche ums Leben kamen und vier weitere verletzt wurden. Der Provinzregierung zufolge gab es in einem Lagerraum für altehrwürdige Artefakte und Ritualgegenstände eine gewaltige Detonation, als deren Ursache der illegale Besitz von Schwarzpulver** genannt wurde. Dieses hätten die Mönche zu ihren religiösen Ritualen gebraucht, es habe sich durch einen elektrischen Kurzschluß entzündet und die Explosion verursacht.

In der Xinhua-Meldung heißt es auch, die Behörden hätten weitere 716 kg des Schwarzpulvers aus anderen Lagerräumen des Klosters beschlagnahmt, die nun in staatlichen Besitz überführt wurden. Außerdem hätte das Kloster 29 altertümliche Gewehre, die bei religiösen Ritualen Verwendung fanden, den Behörden übergeben. Dieser Bericht wirft eine Reihe von Zweifeln auf, nämlich:

1. Wenn die Explosion am 12. Juli stattfand, warum haben die Behörden erst jetzt darüber berichtet? In den letzten 10 Tagen ging eine Reihe von unterschiedlichen Meldungen über das Zustandekommen der Explosion durch die internationalen Medien. Könnte es nicht sein, daß die Behörden diese Meldung nachträglich herausgaben, um die wahre Ursache der Explosion zu verschleiern?

2. Normalerweise werden bei buddhistischen Ritualen keine derartigen Sprengstoffe verwendet. Warum berichteten die Behörden dann über den Fund einer so großen Menge Schwarzpulver in dem Kloster?

3. In der Meldung heißt es, daß das Pulver seit 1994 in dem Kloster gelagert wurde. In all diesen Jahren hat die Regierung, abgesehen von der „patriotischen Umerziehung“, des öfteren Durchsuchungen im Kloster vorgenommen. Warum hatte bis auf den heutigen Tag kein Regierungsbeamter den Sprengstoff entdeckt?

4. Wie sollte es möglich sein, daß die Tibeter ihre wertvollen religiösen Artefakte und Ritualgegenstände zusammen mit dem Schwarzpulver in einem Raum aufbewahren?

5. Bei den sechs bei der Explosion getöteten bzw. verletzten Mönchen habe es sich um die Lagerhalter des Klosters gehandelt, heißt es in der offiziellen Meldung, die gerade ihr Mittagessen einnahmen, als die Explosion erfolgte. Ist es wahrscheinlich, daß die sechs Mönche gar nichts von dem Kurzschluß gemerkt haben, der das Pulver sich entzündete?

Wenn wir die von den chinesischen Behörden genannten Ursachen untersuchen, dann stürzt uns das in große Sorge und wirft ernste Zweifel bezüglich der wahren Ursache der Explosion auf.

Bestätigten Informationen zufolge haben die chinesischen Sicherheitskräfte in den letzten Tagen drei Tibeter verhaftet, nämlich Lhagyal aus der Nomadensiedlung Dochok im Bezirk Serthar (chin. Seda), Tendar aus Kyilru Gopa und So Lo aus Kangtsa Depa, am 15. Juli, bzw. 5. und 6. Juli.

Kelsang Lhamo, die Mutter der Nonne Tsewang Khandro vom Kloster Dragkar in Kardze starb am 27. Juni infolge des immensen von den Chinesen auf sie nach der Inhaftierung ihrer Tochter ausgeübten Druckes. Es wurde bekannt, daß Kelsang Lhamo intensiven Verhören ausgesetzt und von den Behörden massiv bedroht wurde, was ihrer Gesundheit schwer zusetzte. Hinzu kamen die einschneidenden Restriktionen, die die Behörden über die Gegend verhängt hatten und die nicht abreißende Kette von Fällen, wo Tibeter verhaftet, verletzt oder umgebracht wurden. Die Verstorbene stammte aus dem Dorf Dura im Bezirk Kardze, Ihre Tochter, die Nonne Tsewang Khandro, wurde am 28. Mai festgenommen, als sie friedlich im Bezirkszentrum von Kardze demonstrierte (siehe unsere Mitteilung vom 29. Mai).

Angesichts der kritischen Situation in Tibet appellieren wir an die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft, sich dringend unserer folgenden Forderungen anzunehmen:

1) unverzüglich unabhängige Untersuchungskommissionen nach Tibet zu entsenden;

2) unverzüglich der freien Presse Zugang zu ganz Tibet zu gewähren;

3) unverzüglich dem brutalen Morden in ganz Tibet ein Ende zu setzen;

4) unverzüglich für die sofortige Freilassung aller festgenommenen und verhafteten Tibeter zu sorgen;

5) unverzüglich die medizinische Versorgung der verletzten Tibeter zu ermöglichen;

6) die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit der Menschen und ihren Zugang zu lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen.

* Diesem Kloster ist der berühmte "Derge Parkhang" angeschlossen, in dem die tibetischen Blockbücher gedruckt werden.

** Pulver, das aus einer Mischung von Kohle, Schwefel und Kalisalpeter bestehendes Sprengpulver, das heute vorwiegend in Steinbrüchen angewendet wird.