21. Juni 2008

Tibetan Solidarity Committee (Tibetisches Solidaritätskomitee)

http://www.stoptibetcrisis.net


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Pressemitteilung

Fackellauf in Lhasa, Tibeter protestieren immer wieder, obwohl sie die Folgen kennen

Unter einem enormen Sicherheitsaufwand wurde die olympische Fackel heute durch Lhasa, die Hauptstadt Tibets, getragen. Dieser Fackellauf, mit dem China die multi-kulturelle und multi-ethnische Facette von "Chinas Tibet" präsentieren wollte, versetzte die Weltöffentlichkeit in Staunen, während die Mehrheit der gewöhnlichen Tibeter zuhause bleiben mußte und nur eine handverlesene Zahl von Zuschauern und Jubeltibetern dem "historischen Ereignis" beiwohnen durfte. Das Charakteristische an der tibetischen Kultur ist ihr Bezug zur buddhistischen Religion, doch der Fackellauf entbehrte dieses Aspekts vollkommen, denn weit und breit war kein einziger Mönch zu sehen.

Bei einer Pressekonferenz am 20. Juni erklärte der stellvertretende Vorsitzende der sogenannten "Autonomen Region Tibet" (TAR), Pema Thinlay (chin. Baima Chilin), es seien 1.157 Tibeter, die im Zusammenhang mit den Protesten vom März nur geringer Vergehen beschuldigt werden, freigelassen worden, während zwölf andere Tibeter am Donnerstag bzw. am Freitag zu Haftstrafen verurteilt worden seien. 116 weitere Tibeter warteten noch auf ihre Urteile, wobei nur 100 von ihnen sich im Zusammenhang mit den Unruhen vom März in Haft befänden.

Die Wahrheit sieht jedoch ganz anders aus. Nach unseren Informationen handelt es sich bei den freigelassenen Personen ausschließlich um unschuldige Tibeter, die im April von den chinesischen Sicherheitskräften während einer rücksichtslosen Großrazzia willkürlich verhaftet worden waren. Tatsächlich sind bis auf den heutigen Tag mindestens 5.792 Tibeter inhaftiert worden, davon alleine 200 im Bezirk Kardze (chin. Ganzi), Tibetisch-Autonome Präfektur (TAP) Kardze (chin. Ganzi), Provinz Sichuan. Was die Verurteilung der zwölf Tibeter betrifft, so ist alles von der Ermittlung bis hin zur Durchführung des Gerichtsverfahrens und der Urteilsverkündung in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt, das keinen Raum für Gerechtigkeit und Transparenz läßt.

Laut einiger bestätigter Berichte haben drei Mönche des Klosters Bheri am 18. Juni um ca. 11 Uhr am Vormittag dennoch friedlich vor dem Büro der Bezirksverwaltung von Kardze demonstriert. Sie konnten identifiziert werden als Thangnye, früherer Gesangsmeister, Lobsang Gelek, der gegenwärtige Gesangsmeister des Klosters, und Lobsang Palden. Einen Tag später, am 19. Juni wurde ein weiterer Tibeter namens Lobsang Tsewang aus der Gemeinde Dhardo im Bezirk Kardze verhaftet, weil er friedlich demonstriert hatte.

Berichten zufolge hat die Bewaffnete Volkspolizei (PAP) am 18. Juni bei einer weiteren Demonstration der Mönche des Klosters Drepung in die Luft geschossen, um sie einzuschüchtern. Weiter hieß es, auch zwölf Mönche des Klosters Sera seien wegen einer friedlichen Demonstration von der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) verhaftet worden. Einzelheiten zu diesen beiden Zwischenfällen können noch nicht bekannt gegeben werden.

Am 15. Juni veranstalteten drei Tibeter, deren Namen mit Sonam Wangyal, Rinchen Dhondup und Dorje Lodoe angegeben wurden, um etwa 10 Uhr morgens eine friedliche Demonstration im Bezirk Kardze. Die drei Männer sind miteinander verwandt und waren gemeinsam unterwegs gewesen, um Yartsa Gunbhu (Cordyseps sinensis), auch bekannt unter dem Namen Raupenkeulenpilz, zu sammeln. Als sie von ihrer Exkursion zurückkehrten, stellten sie mit Entsetzen fest, daß viele ihrer Landsleute von den chinesischen Sicherheitskräften festgenommen worden waren, nachdem sie friedlich demonstriert hatten. Sie beschlossen daher, sich in den Kampf gegen die chinesische Brutalität zu stürzen. Sie hatten eine Fotografie Seiner Heiligkeit des Dalai Lama bei sich sowie Handzettel, auf denen sie Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama ein langes Leben wünschten und seine Rückkehr nach Tibet als auch die Freilassung aller tibetischen politischen Häftlinge, darunter des elften Panchen Lama, Gedun Choekyi Nyima, forderten. Mitten auf dem Marktplatz von Kardze hielt einer der drei das Foto Seiner Heiligkeit des Dalai Lama empor, während die anderen beiden die Handzettel verteilten und dabei ihre Slogans riefen. Es dauerte nicht lange, bis die Bewaffnete Polizei über die drei friedlich Demonstrierenden herfiel und sie brutal zusammenschlug, bevor sie sie in einem bereitstehenden Militärfahrzeug zum Gefängnis brachte. Sonam Wangyal läßt seinen 80jährigen Vater, eine gebrechliche Mutter, seine Frau und drei Kinder zu Hause zurück.

Angesichts der kritischen Situation in Tibet appellieren wir an die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft, sich dringend unserer folgenden Forderungen anzunehmen:

1) unverzüglich unabhängige Untersuchungskommissionen nach Tibet zu entsenden;

2) unverzüglich der freien Presse Zugang zu ganz Tibet zu gewähren;

3) unverzüglich dem brutalen Morden in ganz Tibet ein Ende zu setzen;

4) unverzüglich für die sofortige Freilassung aller festgenommenen und verhafteten Tibeter zu sorgen;

5) unverzüglich die medizinische Versorgung der verletzten Tibeter zu ermöglichen;

6) die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit der Menschen und ihren Zugang zu lebensnotwendigen Gütern sicherzustellen.