15. März 2022
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org

Beliebter tibetischer Sänger Tsewang Norbu stirbt bei Selbstverbrennung aus Protest gegen die Politik Chinas

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) wurde von vertrauenswürdigen Quellen darüber informiert, daß Tsewang Norbu, 25, ein bekannter tibetischer Sänger, aus Protest gegen die Unterdrückung durch die chinesische Regierung am 25. Februar dieses Jahres auf dem Platz vor dem Potala Palast in Lhasa Feuer an sich legte und an den Folgen starb.

Ein Tibeter in Tibet bestätigte, daß chinesische Sicherheitsbeamte, kaum hatte er sich in Brand gesetzt, herbei eilten und Norbu wegbrachten. Er starb einige Tage später.

Quellen, die dem Verstorbenen nahestanden, erklärten dem TCHRD, daß die herrschenden Umstände, nämlich die extreme staatliche Überwachung und Zensur, es schwierig machen, greifbare Beweise wie Fotos oder Filmmaterial von der Selbstverbrennung zu erhalten oder eventuelle Zeugen zu befragen.

Tsewang Norbu

In einer Nachricht, die er am 25. Februar um 11.59 Uhr Ortszeit auf sein Weibo-Benutzerkonto hochgeladen hatte, teilte Norbu einige frühere Fotos von sich mit seinen Anhängern und schrieb: „Ich habe alle eure Kommentare gelesen. Ich danke euch. Nachdem ich entmutigt war, bin ich jetzt in Frieden. Wenn ihr auch entmutigt seid, versäumt nicht zu schweigen.“ (1) Das war sein letzter Beitrag auf Weibo.

Es sind genau die Worte aus seinem neuen Lied „Don't fail to keep silent despite distress“, das drei Tage vor seiner Tat veröffentlicht wurde.

Es scheint, daß er sich nur ein oder zwei Stunden nach dem Schreiben dieses Beitrags selbst verbrannt hat.

Alle Kommentare zu Norbus letztem Beitrag wurden nach seiner Selbstverbrennung von der staatlichen Zensur gelöscht, doch die Zahl der „Gefällt mir“- und „Teilen"-Clicks, die der Beitrag bekam, stieg stetig an.

Am 12. März 2022 fügte der Weibo-Administrator dem Konto folgenden Vermerk an: „Diesem Nutzer ist derzeit wegen Verstoßes gegen einschlägige Gesetze und Vorschriften die Benutzung verboten“.

Tsewang Norbu wurde 1996 in Nagchu (chin. Naqu) geboren. Er war Absolvent der Tibet-Universität in Lhasa. Er war verheiratet und hatte ein Kind. Sein Vater Choegyen aus dem Bezirk Pelgon ist Lehrer an der „Nagchu City Performance Arts Troupe“. Choegyen zählt zu den besten Musikern und Komponisten auf nationaler Ebene. Die Mutter von Norbu ist die berühmte Sängerin Sonam Wangmo aus dem Bezirk Sog.

Im Jahr 2018 wurde Norbus Onkel Lodoe Gyatso zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er am Potala Palast in Lhasa friedlich gegen die chinesische Regierung protestiert hatte. Seine Frau Gakyi wurde ebenfalls zu zwei Jahren verurteilt, weil sie dabei geholfen hatte, ein Video vom Protest ihres Mannes aufzunehmen. Gyatso hatte zuvor 21 Jahre im Gefängnis verbracht, und wenn seine jetzige Haftstrafe abgelaufen ist, würde es bedeuten, daß er 39 Jahre seines Lebens hinter Gittern verbracht hätte.

Lodoe Gyatso

2014 nahm Norbu an dem vom Satellitenfernsehen Guangdong veranstalteten musikalischen Talentwettbewerb „China's Good Boys“ teil. Er wurde als einer der 12 besten Künstler aus seiner Region und als einer der besten von 48 Künstlern landesweit anerkannt. Im Jahr 2017 wurde er einer der neun Finalisten des nationalen Talentwettbewerbs „The Sun of Tomorrow“.

Im Jahr 2021 brachte ihm seine Teilnahme an dem chinesischen Gesangswettbewerb viele Fans in Tibet und China ein. Er war für viele selbst komponierte populäre Lieder bekannt, darunter „Tsampa“ („Gerstenmehl“) und „Phayul Log Dro“ („Laßt uns ins Vaterland zurückkehren“), neben vielen anderen.

Tsewang Norbu ist der erste uns bekannt gewordene Fall von Selbstverbrennung, seit sich der 24jährige Yonten im November 2019 im Bezirk Ngaba (chin. Aba) verbrannte. Somit ist er unserer Kenntnis nach der 158. Tibeter, der sich seit 2009 aus Protest gegen die chinesische Regierung verbrannte.

Die Selbstverbrennung junger Tibeter wie Tsewang Norbu, dem es an materiellen Gütern und auch sonst nichts zu mangeln schien, entlarvt Chinas Behauptung, daß die Flut von Selbstverbrennungen, die das tibetische Hochplateau seit 2009 heimgesucht hat, durch psychologische Probleme und Probleme mit dem Lebensunterhalt ausgelöst worden sei.

China greift zu immer neuen Strategien, um die Herzen und Köpfe der neuen Generation von Tibetern für sein Sinisierungsprojekt zu gewinnen, doch die Selbstverbrennungsproteste junger Tibeter wie Yonten und Tsewang Norbu zeigen, wie Chinas böswilliges Vorgehen in Tibet junge Tibeter zutiefst verletzen.

Um noch mehr Selbstverbrennungen zu verhindern und Leben zu retten, fordert das TCHRD China auf, seine Sinisierungsprogramme zu stoppen und die Menschenrechte der Tibeter zu beachten, die darin bestehen, daß sie ihre Kultur und Sprache schützen und fördern und ihre Grundrechte wahrnehmen, einschließlich der Meinungsfreiheit und der Freiheit, ihre Religion oder ihren Glauben auszuüben.

Das TCHRD fordert die chinesischen Behörden auf, die sterblichen Überreste von Tsewang Norbu an seine Familie zu übergeben, damit diese die üblichen Riten und Rituale für Verstorbene durchführen kann. Norbus Familie und Angehörige dürfen nicht unter Zwang verhört und willkürlich inhaftiert werden.

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