6. Dezember 2016
Tibetisches Zentrum für Menschenrechte und Demokratie, www.tchrd.org

Im Zusammenhang mit einer Selbstverbrennung inhaftierte Tibeterin körperlich und seelisch krank entlassen

Am Sonntag entließen die chinesischen Behörden eine tibetische Mutter in schlechter physischer und psychischer Verfassung aus dem Gefängnis. Wegen angeblicher Mithilfe zu einer Selbstverbrennung im Bezirk Ngaba, TAP Ngaba (ehemals Provinz Amdo), Provinz Sichuan, wurde sie zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Dolma Tso, 30, wurde am Abend des 4. Dezembers aus dem Gefängnis Mianyang entlassen. Wie ihr in Australien lebender Bruder Meo Kongyam mitteilte, bereiteten ihre Familie und etwa 200 Tibeter der Nomadensiedlung Meruma ihr einen großartigen Empfang, als sie in ihrem Dorf eintraf.

Dolma Tso wird zu Hause empfangen unter einem Portrait des X. Panchen Lama

Fotos auf sozialen Medien zeigen, wie Dolma Tso von einer Menge von Tibetern mit Khatags und einem Portrait des X. Panchen Lama willkommen geheißen wurde. Auf einem anderen Bild wird sie bei einem Festessen von Freunden und Verwandten gefeiert. Dolma Tso, die Tochter von Gyerig und Dhonko, hat eine 14jährige Tochter, Tsultrim Dolma.

Den Informationen von Kongyam zufolge hat Dolma Tso nach der dreijährigen Inhaftierung nun eine posttraumatische Belastungsstörung. Sie wird von Schwindelattacken und Schlaflosigkeit heimgesucht. Einst von fröhlichem Wesen, leidet sie jetzt unter Depression und einem Angstsyndrom. Infolge der Schläge und Folterungen, die sie während der 11monatigen Isolationshaft vor der Verurteilung zu ertragen hatte, ist ihr physischer und psychischer Zustand jetzt sehr schlecht.

Vor einem Jahr bekamen ihre Angehörigen ein Schreiben von der Gefängnisleitung, in dem stand, daß Dolma Tso wegen einer nicht genannten Krankheit dringend operiert werden müßte. Sie befürchteten das Schlimmste und verweigerten daher ihre Zustimmung zu der Operation. Sie unterschrieben das Dokument nicht. Sie verlangten, zuerst Dolma Tso zu Gesicht zu bekommen, um sich von ihrem Zustand selbst zu überzeugen, doch dieses Gesuch wurde ihnen verweigert. Als sie dann später einige Minuten lang ihre Angehörigen im Gefängnis sehen konnte, bat Dolma Tso sie, auf keinen Fall zu unterschreiben. Anfang dieses Jahres startete Amnesty International eine Kampagne gegen die Absicht der Gefängnisleitung, an Dolma Tso eine Zwangsoperation vorzunehmen, da dies ein Vorwand sein könnte, um sie irgendwelchen dubiosen medizinischen Prozeduren zu unterziehen. Kongyam zufolge fand die Operation dann auch nicht statt.

Dolma Tso wurde festgenommen, als sie half, den verkohlten Körper von Kunchok Tseten, der sich am 3. Dezember 2013 in Brand gesetzt hatte (1), in ein Fahrzeug zu heben. Auf Kunchok Tsetens Selbstverbrennung hin nahm die Ortspolizei in der Ortschaft Meruma um die 20 Tibeter fest, darunter auch Dolma Tso. Einige wurden nach zehntägigen intensiven Verhören freigelassen, während die übrigen, darunter Dolma Tso, Kunchok Lodoe, Gedhun Phelgye, Lobsang Gyatso und Tenpa, 11 Monate ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wurden. Am 3. November 2014 verurteilte das Bezirks-Volksgericht von Ngaba Dolma Tso und Kunchok Lodoe zu je drei Jahren und Gedhun Phelgye zu zwei Jahren Gefängnis (2). Alle drei wurden der vorsätzlichen Tötung und der Anstiftung zur Selbstverbrennung angeklagt.

Dolma Tso geehrt (TCHRD)

In einer Verordnung des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit, des Obersten Volksgerichts und der Obersten Volksprokuratur vom Dezember 2012 wurde ein Selbstverbrennungsprotest generell zu einer Straftat erklärt. Es heißt darin: „Leute, die in irgendeiner Form eine Selbstverbrennung planen, organisieren, dazu anregen oder anderen bei der Durchführung helfen, werden wegen vorsätzlicher Tötung vor Gericht gestellt“.

Konchok Lodoe wurde am selben Tag ein paar Stunden vor Dolma Tso entlassen, aber im Augenblick weiß man noch nichts Genaueres. Über Phelgyes etwaige Entlassung liegen ebenfalls keine Informationen vor. 

(1) 4. Dezember 2013, Ein tibetischer Vater zweier Kinder verbrennt sich in Ngaba und stirbt

(2) 6. November 2014, Acht Tibeter wegen „Beihilfe“ zur Selbstverbrennung zu Gefängnis verurteilt