5. Juni 2013
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org

Zwei Mönche wegen Gebetsritualen für ein Feueropfer zu drei Jahren Gefängnis verurteilt

Im Zuge ihres unerbittlichen Vorgehens gegen die Selbstverbrennungsproteste verurteilten die chinesischen Behörden zwei tibetische Mönche zu je drei Jahren Gefängnis, weil sie für einen Tibeter, der im November vergangenen Jahres nach seinem Feuerprotest starb, religiöse Rituale und Gebetsdienste veranstaltet hatten. Die chinesischen Behörden klassifizieren diese Handlung der Mönche, die nur ihre Grundrechte in Anspruch nahmen, gemäß den Richtlinien für den Umgang mit Selbstverbrennungen von 2012 als ein strafbares Delikt.

Tsondue
Gendun Tsultrim

Wangchen Norbu, 25, starb am 19. November 2012 bei seinem Selbstverbrennungsprotest in der Gemeinde Kangtsa im Bezirk Yazi (chin. Xunhua) Salar in der Präfektur Tsoshar (chin. Haidong), Provinz Qinghai. Brennend forderte Wangchen Norbu ein Ende der chinesischen Repression und die Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet, Freiheit in Tibet sowie die Freilassung des 11. Panchen Lama und aller tibetischen politischen Gefangenen (1).

Noch an dem Tag seines Feuertodes hielten Mönche des Klosters Beudo die vorgeschriebenen religiösen Rituale ab und rezitierten Gebete für den Verstorbenen.

Laut den dem TCHRD zugegangenen Informationen verurteilte das Bezirksgericht von Yazi (chin. Xunhua) am 18. April 2013 Tsondue, 27, und Gedun Tsultrim, 30, beides Mönche des Klosters Beudo in der Gemeinde Beudo (chin. Wendu), zu je drei Jahren Haft.

Zwei Tage nach dem Feuerprotest nahm die Polizei des Bezirks (PSB) Tsondue und Gedun Tsultrim fest, als es bei der Ortschaft Sergye Nyaga, Gemeinde Kangtsa, zu einer Konfrontation zwischen der Polizei und den dort ansässigen Tibetern, darunter auch den Mönchen aus Beudo und noch weiteren Klöstern gekommen war. Provoziert worden war sie durch die Beamten der Bezirksregierung und die PSB-Polizisten, die die Tibeter daran hinderten, Wangchen Norbus Angehörige aufzusuchen, um Gebete zu sprechen und ihr Beileid auszudrücken. Da sie nicht weitergehen konnten, setzten sich die Mönche in Sergye Nagya nieder und begannen trotz des Verbots der Regierungsleute und Polizisten ebendort mit den Gebeten. Tsondue führte die Gebete als der Hauptgesangsmeister (tib. Umdze). Daraufhin nahm die Polizei Tsondue und Gedun Tsultrim sowie eine unbekannte Anzahl von Mönchen und Laien, die mit dabei waren, fest.

Die nächsten fünf Monate wurden die Mönche ohne Kontakt zur Außenwelt in Gewahrsam gehalten und ihren Familien wurde jegliche Information über ihren Aufenthaltsort und ihren Zustand verweigert. Mindestens fünfmal sprachen die Angehörigen der Mönche in Begleitung von Lamas des Klosters Beudo und angesehenen Gemeindemitgliedern bei der Bezirksverwaltung vor, um sich nach der Lage der Mönche zu erkundigen. Dabei baten die Angehörigen die Behörden, sie freizulassen, weil sie ja kein Verbrechen begangen hätten und nur Gebete für den Verstorbenen gesprochen hätten, wie es sich für Mönche gehört. Schließlich teilten ihnen die Beamten mit, daß die Mönche im Bezirk Yazi festgehalten würden, doch sie erlaubten ihnen keinen Besuch bei den Festgenommenen.

Tsondue, der aus dem Dorf Chukyel Gongma in der Gemeinde Beudo stammt, wurde angeklagt, am 19. November die Gebetsrituale im Kloster Beudo organisiert zu haben, und außerdem bei dem am 21. November der Anordnung der Vollzugsbehörden zuwider abgehaltenen Gebetsdienst als Gesangsmeister gehandelt zu haben.

Gedun Tsultrim aus dem Dorf Shongyul in der Gemeinde Beudo wurde vorgeworfen, dafür gesorgt zu haben, daß Mönche und Laien am 21. November Wangchens Norbus Haus aufsuchen konnten, um dort Gebete abzuhalten. Zu den Beschuldigungen gegen ihn gehören das Sammeln von Spenden für die Angehörigen des Verstorbenen und die Organisation von Fahrzeugen für diejenigen, die die Familie besuchen wollten.

Verwandtenbesuch bei Gendtun Tsultrim und Tsondrue im Gefängnis

Nach etwa fünf Monaten in geheimem Gewahrsam wurden beide Mönche am 18. April in einer Verhandlung, bei der einige Angehörige zugegen waren, verurteilt. Offensichtlich hatten die Behörden beiden Familien das Datum des Prozesses mitgeteilt. Viele Mönche und Laien, die von der anstehenden Verhandlung hörten, kamen zu dem Bezirksgericht, doch nur ein paar unmittelbaren Familiengliedern und Verwandten wurde erlaubt, der Verhandlung zu folgen.

Das Kloster Beudo, eines der größten in der Gegend, liegt nur 4 km von der Fernstraße, die vom Bezirk Yazi nach Regkong führt, und etwa 25 km von der Stadt Yazi entfernt.

Im Dezember 2012 gaben die obersten Justiz- und Vollzugsbehörden Chinas eine Richtlinie heraus: „Gutachten über den Umgang mit Selbstverbrennungsfällen in den tibetischen Gebieten gemäß dem Gesetz“, deren offenkundiger Zweck es ist, eine ganze Reihe von Aktivitäten im Zusammenhang mit den Feuerprotesten (direkt) zu kriminalisieren. Auf Grund dieser Richtlinie ordneten die Behörden im Zusammenhang mit diesen Protesten viele willkürliche Festnahmen an und es kam zu widerrechtlichen Verurteilungen.

Dieser kontroversen Richtlinie zufolge gehört zu den strafbaren Handlungen auch die Abhaltung von Zusammenkünften, um Gebetsgottesdienste oder Einäscherungsrituale für jene, die bei Selbstverbrennungsprotesten starben, abzuhalten. Ebenso wird es als ungesetzlich und kriminell erklärt, „Leute zum Trauern zusammenscharen oder Gelder für einen Selbstverbrenner zu sammeln“. Derartige Aktivitäten würden nämlich „die gesellschaftliche Ordnung, die öffentliche Ordnung oder den Verkehr durcheinanderbringen“, „weshalb sie gemäß dem Gesetz als strafbare Handlung einzustufen sind.

Solch eine absurde Verordnung, die Handlungen, wie die Durchführung von Gebetszeremonien in Klöstern und Tempeln sowie  Kondolenzbesuche bei Angehörigen eines Verstorbenen zu einem Verbrechen machen, zeigt wie die Lage der Religionsfreiheit in Tibet tatsächlich ist. Sie wirft auch ein Licht auf Chinas „Rechtstaatlichkeit“, wo das Rechtssystem des Landes als ein Werkzeug mißbraucht wird, um den politischen Zielen des Einparteienstaates zu dienen. Ganz abgesehen von dem internationalen Menschenrechten, verletzt diese Art von Vorgehen sogar Chinas eigene Verfassung, die ihren Bürgern die Freiheit der Religion garantiert.

(1) 19.11.2012, „Drittes Feueropfer in drei Tagen: Wangchen Norbu verbrennt sich in Kangtsa