4. Dezember 2012
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org

Hohe Dunkelziffer bei Festnahmen als Folge von Selbstverbrennungen

Wie wir aus Quellen in Tibet erfuhren, gibt es eine Menge von Festnahmen im Zusammenhang mit den Selbstverbrennungen, über die gar nicht berichtet wird.

Immer wieder werden Familienglieder und Verwandte der Personen, die sich aus Protest gegen die chinesische Politik verbrannten, verhaftet, sagte eine Quelle mit Kontakten zu Kanlho. Dabei finden es die betroffenen Familien sehr schwer, anderen etwas über die Verhaftungen mitzuteilen, weil sie die Vergeltung der Behörden fürchten. „Bei den Tibetern in der Gegend von Kanlho und sogar außerhalb von Kanlho herrscht große Furcht, daß ihre Chancen auf eine baldige Entlassung schwinden, wenn sie etwas über ihre Festnahme verlauteten lassen“, wird die Quelle zitiert.

In den letzten Tagen suchten die Lokalbehörden in der Präfektur Kanlho (chin. Gannan) jeden einzelnen Haushalt heim und zwangen die Leute, ein Dokument zu unterzeichnen, daß sich keines ihrer Mitglieder selbst verbrennen werde und daß sie sich verpflichten, aufeinander aufzupassen, damit es zu keinem solchen Vorfällen kommt.

Am 21. Oktober setzte die Präfekturverwaltung von Kanlho Belohnungen von 50.000 Yuan (US$7,913) für Informationen über „die Herkunft der Anregung zu solchen Akten, deren Planung und Durchführung“ aus (1). In ähnlicher Weise gab die Präfekturverwaltung von Malho am 14. November eine Verordnung heraus, in der die Lokalbehörden angehalten werden, das Verbot von Selbstverbrennungen strikt durchzusetzen und die Familien der Selbstverbrenner und ihre Dörfer zu bestrafen (2).

Lhamo Kyabs Frau Dorjee Kyi und ihre Tochter

Derselben Quelle zufolge geriet die Familie von Lhamo Kyap, der auf seinen Feuerprotest am 20. Oktober in der Nähe des Klosters von Bora im Bezirk Sangchu, Präfektur Kanlho, hin starb, unter Druck, ein Schriftstück zu unterzeichnen (3). Die Familie wies diese Forderung zwei oder dreimal zurück, doch die Kader hörten nicht auf, sie zu bedrängen. Bei einem dieser Besuche durch die Staatsvertreter zerriß Lhamo Kyabs hinterbliebene Frau aus Wut das Dokument. Was danach geschah, weiß man nicht.

Zuvor berichteten andere Quellen, daß die Behörden einige Familienglieder der Feueropfer bedrängten, Dokumente zu unterschreiben mit dem Inhalt, daß die Selbstverbrennungen nichts mit der Mißherrschaft der chinesischen Regierung zu tun hätten. Einigen wurden Riesensummen an Geld angeboten (4). Und wiederum andere bedrohten die Behörden mit Verhaftung, falls sie mit ihren Freunden oder anderen Dorfbewohnern über diese Vorfälle sprechen, wie etwa im Falle des Vaters eines jungen Mannes, der im Juni dieses Jahr den Feuertod starb (5).

Die Unterzeichnung derartiger Dokumente wird auch außerhalb der Präfektur Kanlho gefordert. In der Präfektur Malho (chin. Huangnan), wo die Behörden nun die Verordnung vom 14. November umsetzen und das Umfeld von Selbstverbrennungen bestrafen, zwangen die Parteikader in der Gemeinde Dowa, dem Bezirk Thunding und in Rebkong Dorfvorsteher zu unterschreiben, daß sie Selbstverbrennungen auf dem ihnen unterstehenden Gebiet verhindern werden. Das TCHRD berichtete schon zuvor, daß jeder einzelne Haushalt in diesen Gegenden ein Dokument unterzeichnen müsse, daß sie sich nicht verbrennen werden. Dieselbe Quelle sprach auch von Verhaftungen in diesem Zusammenhang in der Gemeinde Dokarmo des Bezirks Rebkong (chin. Tongren) in der Präfektur Malho.

Trotz dieser offiziellen Strafandrohungen und des Verbots von Gebetszeremonien und Bestattungsritualen, war die Welle der Solidaritäts- und Beileidsbekundungen für die Hinterbliebenen überwältigend. In der Gegend von Kanlho schlossen sich Frauen zu Freiwilligengruppen zusammen, um gemeinsam zu fasten und andere religiöse Rituale zu Ehren und zum Gedächten an jene, die bei den Feuerprotesten starben, abzuhalten. Derselben Quelle zufolge haben Dörfer, Familien und Klöster die Abhaltung von Gebetszeremonien gemeinsam gesponsert.

(1) 24. Oktober 2012, „Behörden versprechen hohe Belohnungen für Hinweise auf potentielle Selbstverbrenner

(2) 22. November 2012, „China droht mit Strafen für die Familien und die Dörfer der Selbstverbrenner

(3) „Diese Chinesen lassen uns nicht in Frieden leben, es ist besser zu sterben, besser zu sterben“, waren Lhamo Kyabs letzte Worte, siehe TCHRD 29. Oktober 2012.

(4) 9. November 2012, „Dolkar Tsos Ehemann heimlich festgenommen, weil er sich nicht von den Behörden bestechen ließ

(5) Die Namen des Vaters und des Sohns können wegen der Gefahr für die Familie nicht genannt werden.