10. Juni 2011

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org
Kontakt: Tenzin Norgay, Tel. +91 1892 222363/229225/225874

Wo sind die verschwundenen Mönche von Kirti? - „Fortbildung in Rechtsfragen“ reine Augenwischerei!

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) begrüßt das am 8. Juni 2011 veröffentlichte Statement der UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen (1). Darin äußert die Expertengruppe schwere Bedenken wegen des Schicksals und des Aufenthaltsorts von ungefähr 300 Mönchen, die die chinesischen Sicherheitskräfte am 21. April entführten. Seit der Selbstverbrennung des 20jährigen Phuntsok am 16. März beobachtete und dokumentierte das TCHRD die Lage in Ngaba nach bestem Vermögen. Die Menschenrechtslage in der Gegend ist erschreckend, wobei das Kloster Kirti im Mittelpunkt des scharfen Vorgehens der Sicherheitsbehörden steht.

Als ein wichtiger Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen hat die VR China die Pflicht, der Aufforderung eines Expertengremiums Folge zu leisten und Auskunft über den Verbleib der Mönche zu geben. Leider ließ die Regierung durch ihren Sprecher des Auswärtigen Amtes, Hong Lei, die Sache herunterspielen. Um ihr Gesicht zu wahren, deklariert sie ihre politische Indoktrinationskampagne nun als „Rechtserziehung“, anstatt das Problem verantwortungsvoll zu lösen.

Der Sprecher des Außenministeriums stellte gegenüber den Medien fest: „Es ist völlig rechtmäßig, die religiösen Angelegenheiten zu überwachen und die normale religiöse Ordnung zu schützen. Im Grunde genommen existiert die ganze Problematik eines gewaltsamen Verschwindenlassens nicht“. Und Hong fuhr fort: „So weit wir wissen, führen die zuständigen Regierungsstellen eine kollektive Schulung in Gesetzeskunde für die Belegschaft des Klosters Kirti durch“.

Die Regierung der Präfektur Ngaba erklärte Ende April, sie müsse die Mönche über die Rechtslage aufklären, weil es viele „illegale Aktivitäten“ im Kloster gegeben habe, wie etwa den Besuch von Prostituierten, Trunkenheit, Glücksspiel und Pornographie (2).

Die Lokal- wie auch die Zentralregierung halten hartnäckig an ihrer Behauptung fest, daß es überhaupt kein gewaltsames Verschwindenlassen gegeben habe. Das TCHRD hat indessen mittels seiner Dokumentationen, Recherchen und Indizien hinreichend bewiesen, daß die Menschenrechtslage im Bezirk Ngaba sehr ernst ist. Das Zentrum dokumentierte den Tod von vier Tibetern (Phuntsok mit eingeschlossen) durch die Brutalität der Polizei, etwa 35 Fälle von Inhaftierung und das Verschwinden von 300 Mönchen (3).

Um die ihr lästige Kritik der internationalen Gemeinschaft zu entschärfen, benützt die chinesische Regierung seit einigen Jahren den Ausdruck „Fortbildung in Rechtsfragen“ für das, was im wesentlichen die „patriotische Umerziehung“ ist. Der Begriff „patriotische Umerziehung“ ist ein veraltetes Konzept, das das kultivierte und moderne Bild, das die VRC von sich zur Schau stellt und anstrebt, trüben würde. Um der Verantwortung gerecht zu werden, die der angestrebte Status einer Weltmacht mit sich bringt, sollte die Regierung die Probleme aber aufrichtig zu lösen versuchen, anstatt sie unter den Teppich zu kehren.

Die „patriotische Umerziehung“ gibt es nach wie vor, weil die Vorgehensweise und die Komponenten der sogenannten „Fortbildung in Rechtsfragen“ mit denen der „patriotischen Umerziehung“ identisch sind. China führte diese Kampagne erstmals 1996 in den monastischen Institutionen in Tibet durch. Seitdem sind Tausende von Mönchen entweder aus ihren Klöstern ausgewiesen oder ins Gefängnis gesperrt worden, weil sie Widerstand gegen die Behörden leisteten. Bei der im Gange befindlichen Umerziehungskampagne im Kloster Kirti mußten die Mönche sich mit Texten beschäftigen, die den Dalai Lama kritisieren, sie mußten selbst solche verfassen und dem großen Mutterland ihre Loyalität geloben.

Angesichts der jüngsten Welle zahlreicher Fälle von gewaltsamem und unfreiwilligem Verschwindenlassen in ganz China und besonders in Tibet drängt das TCHRD die Regierung der VR China, die Internationale Konvention über den Schutz aller Menschen vor gewaltsamem Verschwindenlassen zu ratifizieren (4). Als gewichtiger Mitgliedstaat der Vereinten Nationen sollte die VR China die internationalen Gesetze respektieren und Rechenschaft über die verschwundenen tibetischen Mönche ablegen.

Gewaltsames Verschwindenlassen ist gemäß dem Völkerrecht ein Verbrechen, und es darf nicht geduldet werden, daß es irgendwo und unter welchen Umständen auch immer praktiziert wird. Es gibt keine Entschuldigung dafür, Leute einfach verschwinden zu lassen, besonders jene nicht, die ihre, von derjenigen der Regierung abweichende Meinung auf friedliche Weise ausdrücken. China sollte sich an die Menschenrechtsnormen halten und kooperieren und Auskunft über die Verschwundenen geben. Die dieses Verbrechens Schuldigen sollten gerecht bestraft werden. China sollte diejenigen, die willkürlich festgenommen wurden, weil sie sich mit Phuntsok solidarisch zeigten und mit den Ansichten der Regierung nicht übereinstimmen, bedingungslos freilassen.

(1) 8. April 2011, „China: UN expert body concerned about recent wave of enforced disappearances

(2) 24. April 2011, „China startet Verleumdungskampagne gegen die Mönche des Klosters Kirti

(3) Eine unvollständige Liste der verschwundenen Mönche (162 Namen konnten identifiziert werden)

(4) 23.Dezember 2010, „Verschleppt, gefoltert, verschwunden