29. Juni 2011
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org
Kontakt: Tenzin Norgay, Tel. +91 1892 222363/229225/225874

Tourist berichtet über Angst und Schrecken in Kardze – neue Proteste zu Saka Dawa

Im heiligen buddhistischen Monat Saka Dawa kam es zu einer Reihe von Protestaktionen in der TAP Kardze (chin. Ganzi) in Osttibet. Uns sind mindestens 39 Fälle von Festnahmen von Tibetern im Juni 2011 bekannt geworden, weil sie demonstrierten und dabei Slogans wie „Freiheit für Tibet“, „Lange lebe der Dalai Lama“ und „Der Dalai Lama soll nach Tibet zurückkehren“ riefen. Die Lage in der Gegend ist sehr angespannt, und Angst und Schrecken bestimmen das Klima. Tausende von Sicherheitskräften marschierten in Kardze ein, um beim geringsten Anzeichen der so populären Protestaktionen sofort einzuschreiten zu können.

Von Sicherheitspolizei bemannte Kontrollposten in Kardze im Juni 2011

Ein ausländischer Tourist, der kürzlich Kardze besuchte, berichtet über die Lage dort:

„Tausende von paramilitärischen Kräften und Soldaten sind hier im Einsatz, sie tragen Kampfausrüstung und fahren in Militärlastwagen durch die Straßen oder marschieren in Formationen durch die Stadt. Viele sind an Straßenkreuzungen positioniert und noch andere laufen in Zivil herum.

Die Nonnen, mit denen ich zusammen zur Stadt ging, wurden von der Polizei angehalten, die ihnen erklärte, sie dürften nicht weitergehen. Mutig wie sie sind, antworteten sie, sie hätten sich verlaufen und gingen einfach weiter. Da waren auch gepanzerte Fahrzeuge mit großen Geschützen auf dem Dach, Lastwagen voller Soldaten, Polizeiautos, Polizeiwagen ohne Kennzeichen, die ständig durch die Straßen fuhren, jede Minute ein oder zwei. Alle paar Meter sah man Polizisten auf der Hauptstraße und an jeder Ecke auch ein paar.

Ich war zweimal in Ganzi, das erste Mal sah ich nur halb so viele Sicherheitskräfte. Das zweite Mal, eine Woche später, was es wirklich erschreckend. Man hörte Gerüchte, daß Mönche Freiheit für Tibet gefordert hätten, vielleicht sind deshalb nun doppelt so viele Soldaten in der Stadt. Das zweite Mal, auf dem Rückweg nach Ganzi, wurde unser Fahrzeug zweimal am Stadtrand angehalten und auf Mönche, Nonnen oder Ausländer untersucht. Sie notierten die Ausweisnummern aller Mönche und Nonnen, die nach Ganzi gingen.

In der Stadt gibt es ein großes Gefängnis, das voll ist mit tibetischen politischen Häftlingen. Abends zeigen sie im Fernsehen Aufnahmen von den Gefangenen, die ihre Verbrechen bereuen – nachdem sie durch Schläge gefügig gemacht wurden. Da war eine alte Nomadenfrau, etwa 80 Jahre alt, verkrüppelt und gebeugt, ihre drei Söhne wurden umgebracht, und nun kam sie in die Stadt, um „Free Tibet“ zu rufen.

Auch meine Freunde in Ganzi, deren Namen ich natürlich nicht nennen kann, hatten mehrere Familienmitglieder im Gefängnis. Der Vater war zwei Jahre lang eingesperrt und wurde wiederholt gefoltert. Die zwei Nichten, beide Nonnen, waren als letzte im Gefängnis, 2008, weil sie einen offenen Brief geschrieben hatten, in dem sie sich zum Dalai Lama bekannten und den Wunsch ausdrückten, daß er zurückkehren möge. Sie sind noch so jung, um die zwanzig, und sie waren zwei bzw. drei Jahre eingesperrt. Als sie mir die Folterungen schilderten, denen sie unterzogen wurden, brachen sie in Tränen aus, ihre emotionalen Wunden sind noch ganz frisch.“

Choesang

Zusätzlich zu den früheren Berichten über die Demonstrationen von Nonnen und Mönchen in Kardze, erhielt das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie die Nachricht, daß noch zwei weitere Nonnen festgenommen wurden:

Am 18. Juni 2011 begannen zwei Nonnen, Choesang und Petruk, vom Kloster Dhargye Nyagye im Bezirk Kardze etwa um 9 Uhr früh auf dem Hauptmarkt von Kardze zu demonstrieren. Sie riefen „Ein langes Leben für den Dalai Lama“, „Freiheit für Tibet“, und „Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet“, während sie Flugschriften verteilten. Innerhalb von 10 Minuten rückte die Polizei an, legte sie sofort in Handschellen und schlug sie wie wahnsinnig. Es ist anzunehmen, daß die Nonnen nun in der Haft gefoltert werden. Ihre Angehörigen dürfen sie nicht besuchen und ihnen nicht einmal Nahrung und Kleidung bringen.

Choesang (31) ist aus dem Dorf Rangpa Tsachung, Gemeinde Shitse, Bezirk Kardze, ihre Eltern heißen Kelgah und Ngodup Dolma und gehören der Chunangtsang Familie an. Peltruk (34) ist die Tochter von Ngapa und Dechen Yangtso aus dem Dorf Reedha, Gemeinde Shitse, Bezirk Kardze.

Das TCHRD stellte eine Liste mit den ihm bekannt gewordenen, im Juni 2011 festgenommenen Tibetern zusammen.