8. Dezember 2009

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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60 Tibeter in Kardze festgenommen, weil sie um die Freilassung von Tenzin Deleg Rinpoche baten - starkes Militäraufgebot in Nyagchuka

Um die 60 Tibeter aus dem Bezirk Nyagchuka (chin. Yajiang Xian), TAP Kardze, Provinz Sichuan, wurden von den dortigen Sicherheitskräften des Public Security Bureau festgenommen, als sie für die umgehende Freilassung des bekannten Geistlichen Tulku Tenzin Deleg Rinpoche appellierten.

Am 5. Dezember 2009 begab sich eine Gruppe von anfänglich sieben Tibetern, die bald auf um die 60 Personen anwuchs und bei denen es sich zumeist um Jugendliche aus dem Nachbarbezirk Othok handelte, zu der Bezirksverwaltung von Nyagchuka, wo sie die sofortige Freilassung von Tulku Tenzin Delek forderten. Sie argumentierten, ihr verehrter Lehrmeister sei 2002 von dem Höheren Volksgericht von Sichuan fälschlicherweise angeklagt und verurteilt worden.

Die Stadt Nyakchuka in der TAP Kardze, früher Kham

Am späten Abend des 5. Dezembers wurden die Bittsteller, die den ganzen Tag vor der Bezirksverwaltung ausgeharrt hatten, festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Den Quellen des TCHRD zufolge fand man am Morgen des 6. Dezember nur noch ihre blutverschmierten und zerschlagenen Motorräder herumliegen. Auch auf dem Boden waren Blutflecken zu sehen. Vermutlich wurden sie in ein Militärgelände im Bezirk Nyagchuka verbracht.

Auf diesen Vorfall hin strömten Hunderte von Tibetern aus mehreren Teilen des Bezirks Nyagchuka zu der Bezirksverwaltung, wo sie sich um Freilassung der etwa 60 festgenommenen Jugendlichen bemühen wollten. Doch die chinesischen Sicherheitskräfte versperrten ihnen den Weg zu den Regierungsgebäuden. Inzwischen wurde ein großes Kontingent an paramilitärischen Kräften (PAP) an einem Ort namens Thang Karma (offenes Feld) stationiert, wo sie Kampfkünste üben und militärischen Drill durchführen, um die Bevölkerung einzuschüchtern.

Weiter verlautet, viele ältere Tibeter und Kinder seien zu der Gemeindeverwaltung von Thang Karma gegangen und hätten die chinesische Regierung inständig gebeten, Tulku Tenzin Delek freizulassen. Doch die chinesischen Beamten stellten sich taub für ihr legitimes Ansinnen und aufrichtiges Flehen.

In ihrer Petition beschrieben sie Tulku Tenzin Deleg Rinpoche als ihren geliebten und hoch verehrten geistigen Lehrer, der für die örtliche Bevölkerung von großer Bedeutung sei. Tulku Tenzin ist ihr spiritueller Führer, ihr Lehrer, er ist wie eine Vaterfigur für sie. Die dortigen Tibeter pflegten seinen Rat in zahlreichen ihren Lebensunterhalt betreffenden Angelegenheiten einzuholen. In ihrem Appell erwähnten sie auch, daß der Tulku in vielen Land- und Weidedisputen unter den Nomaden der Gegend vermittelt habe. In den letzten sieben Jahren, seitdem er im Gefängnis ist, gab es zahlreiche Zwiste um den Besitz von Land und Weidegründen, die zum Tod von mehreren Personen führten. Die Tibeter dort leiden sehr unter der Abwesenheit von Tulku Tenzin Deleg. Sie legten dar, daß sie einen spirituellen Lehrmeister brauchen, der die religiösen Riten für die Gläubigen durchführt, besonders die Toten-Zeremonien. Damit Friede und Harmonie, die einst in ihrer Gemeinschaft herrschten, wieder zurückkehrten, müsse der Tulku freigelassen werden und wieder wie früher unter ihnen sein.

Tulku Tenzin Deleg, der 1950 in Lithang geboren wurde, ist ein hochverehrter geistlicher Würdenträger. 2002 kam es zu einer Reihe von Sprengstoffanschlägen in der Provinz Sichuan, die die chinesischen Behörden ihm später anlasteten. Sein mit ihm angeklagter Verwandter Lobsang Dhondup wurde nach einem nicht-öffentlichen Prozeß sofort hingerichtet – die erste Hinrichtung eines Tibeters seit 20 Jahren. Tenzin Deleg erhielt einen zweijährigen Vollstreckungsaufschub. Am 26. Januar 2005 wurde das Todesurteil dann in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt.

Tulku Tenzin Deleg bemühte sich unter großem persönlichem Einsatz um das Wohl der Tibeter in der Gegend von Lithang, er gründete Schulen, gesundheitliche und religiöse Einrichtungen für die Nomaden in Osttibet. Er war auch ein engagierter Befürworter der Erhaltung der Umwelt und wandte sich gegen die von China betriebene maßlose Abholzung und den massiven Bergbau. Er wirkte immer wieder als Vermittler bei Disputen aller Art unter den dortigen Tibetern. Er war bekannt als ein Bewunderer und Anhänger des Dalai Lama, bei dem er vor Jahren eine Audienz in Indien gehabt hatte. Weil er sich der täglichen Nöte und Probleme der gewöhnlichen Tibeter von Lithang liebevoll annahm und wegen seines bescheidenen Auftretens war er sehr populär in der Gegend. Der heute 59jährige Tulku Tenzin Deleg Rinpoche verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in einem chinesischen Gefängnis in Sichuan.

Weitere Information von ITSN   Einem Bericht von AP zufolge waren vor ein paar Wochen einige Angehörige von Tenzin Deleg mit einer von 30.000 Personen unterschriebenen Petition nach Peking gegangen, aber sie wurden abgewiesen und mußten unverrichteter Dinge zurückkehren. Die Delegation sei dann bei dem Gerichtshof in Sichuan vorstellig geworden, um eine Erlaubnis zu einem Besuch bei Tenzin Deleg zu bekommen. Was mit dieser Delegation weiter geschah, ist unbekannt, einigen Quellen zufolge, wurden die Mitglieder festgenommen.

Hunderte von Tibetern protestierten zur Unterstützung dieser Petition. Am Wochenende scheint es Protestaktionen von 300 Personen gegeben zu haben, viele traten in den Hungerstreik. In einigen Berichten ist sogar von 90 und über 150 Festnahmen die Rede.

Zusatz des TCHRD vom 9. Dezember   Die Situation im Bezirk Nyagchuka, TAP Kardze, Provinz Sichuan, ist äußerst angespannt. Berichten zufolge entsandten die chinesischen Behörden weitere Militärkonvois in die Gegend, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Seit dem 5. Dezember haben die Tibeter in dem Bezirk Nyagchuka in großer Zahl friedliche Proteste abgehalten und an die Behörden um die Freilassung ihres Lehrmeisters Tulku Tenzin Delek Rinpoche appelliert. Als die Lage eskalierte, wurden alle Läden und Restaurants in Nyagchuka zum Schließen gezwungen, so daß die Bittsteller keine Nahrung mehr finden können. Leute aus den benachbarten Bezirken Othok, Golok und den umliegenden Dörfern wurden daran gehindert, ihnen Proviant zu bringen. Die Behörden haben den Bittstellern ein Ultimatum gestellt: Wenn sie bis 15 Uhr am 10. Dezember nicht weichen, werden sie verhaftet.

Die Namen der von den Sicherheitskräften am 5. Dezember brutal zusammengeschlagenen und verletzten Tibeter sind: Gawa Tsering Dhondup, Gothok Toe, Dhukar Tsering, Dhondup, Ashar, Lodhon, Ageh, Ngadey, Jamtrin, Druk Gyathar, Sherab Dolma (Nonne), Drade (Nonne), Dhodrak, Kyebo Tsering, Nyandrak, Gyagay Kepo, Aka Dorjee, Drode, Truma Tsering, Lhama Chodruk. Sherab Dolma, Drade, Lhama Chodruk und Ashar trugen Beinbrüche davon.

  Siehe auch die Nachricht vom 2. Dezember 2009: „Tulku Tenzin Delek Rinpoche schwerkrank - heute vor sieben Jahren wurde er zum Tode verurteilt“ (ITSN),