14. März 2008
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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Pressemitteilung

Tibet wird von einer Welle friedlicher Proteste erfasst - die Nonnen des Chutsang Klosters schliessen sich dem Protest an

In den wenigen Tagen, die seit dem Gedenktag an den Aufstand des tibetischen Volkes am 10. März 1959 vergangen sind, haben uns einige bestätigte Nachrichten über Protestaktionen, Verhaftungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in ganz Tibet erreicht, obwohl der Informationsfluß strengsten Kontrollen unterliegt. Die Lage in Tibet wird im Gefolge einer neuerlichen Flut von friedlichen Protesten, die von den drei Hauptklöstern in Lhasa ihren Ursprung nahmen und die nun auch die weiter entfernten Regionen im Osten und Nordosten, Kham und Amdo erreicht haben, zunehmend angespannter. Beim Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) gingen inzwischen zahlreiche bestätigte Berichte über eine Welle von Protesten ein, die anschließend zu Festnahmen von Menschen in ganz Tibet führte. Die chronologische Reihenfolge der Protestaktionen gefolgt von Verhaftungen sieht in etwa so aus:

Kloster Drepung - 10. März

Nach zuverlässigen Berichten aus Tibet haben am Abend des 10. März ungefähr 300 Mönche des Klosters Drepung, das am Stadtrand von Lhasa liegt, versucht, einen geplanten friedlichen Protestmarsch zum Barkhor in der Altstadt Lhasas durchzuführen. Sie wurden jedoch bereits bevor sie Lhasa erreichten von einer großen Anzahl bewaffneter chinesischer Polizei an der Durchführung ihres Vorhabens gehindert. Es wird angenommen, daß einige Mönche aus der Gruppe, die man für die Rädelsführer hielt, von Angehörigen des Büros für öffentliche Sicherheit (PSB) verhaftet wurden.

Die Situation im Kloster Drepung, von dem aus die ungefähr 300 Mönche ihren friedlichen Demonstrationszug antraten, ist äußerst angespannt. Die Behörden haben dort zusätzlich Einheiten der bewaffneten Volkspolizei (PAP) stationiert. Eine ähnlich massive Präsenz bewaffneter Kräfte einschließlich uniformierter Polizei und Zivilfahndern wird vom Barkhor und seiner Umgebung in Lhasa gemeldet, um Protesten zuvorzukommen.

Kloster Sera - 10 und 11 März

Die Vorkommnisse waren ähnlich, eine Gruppe von etwa 15 Mönchen, die später von zwei Laien unterstützt wurden, führten einen friedlichen Pro-Tibet Marsch zum Barkhor in der Altstadt durch, der beim Tsuklakhang Tempel seinen Ausgang nahm und beim dem Unabhängigkeitsparolen skandiert, Flugblätter verteilt und die verbotene tibetische Nationalfahne mitgeführt wurde. Sie wurden von den dort stationierten Einheiten des Büros für öffentliche Sicherheit (PSB) sofort festgenommen, als sie sich am Barkhor auch nur kurz zum Protestmarsch formierten. Der Barkhor ist eine der belebtesten Marktstraßen in Lhasa. Die festgenommenen Tibeter wurden, wie berichtet wird, von den Angehörigen des PSB schwer geschlagen und mißhandelt. Darüber hinaus wurde den Geschäftsinhabern und Betreibern von Verkaufsständen am Barkhor befohlen, zu schließen und alles einzupacken. Bei den festgenommenen Mönchen handelt es sich um Studierende hauptsächlich aus den Regionen Kham und Amdo, die sich als Gaststudenten in Sera aufhielten. Zusätzliche Kontingente bewaffneter Einheiten wurden in der Gegend als ausdrückliche Warnung an das Volk vor neuerlichen Protesten postiert, ebenso wie um seine Aktivitäten besser überwachen und unter Kontrolle halten zu können.

Am 11. März schossen starke chinesische Truppenverbände mit Tränengas in die Menge, um Hunderte von Mönchen aus Sera zu vertreiben, die die Freilassung ihrer Mitbrüder verlangten und ein eigenständiges Tibet forderten. Es ist bekannt, daß die Situation in den Klöstern Drepung und Sera augenblicklich recht angespannt ist, da die Bewaffnete Volkspolizei die Klöster völlig abriegelt und die Bewegungsfreiheit der Menschen in der Gegend vollständig einschränkt, so daß auch kein protestierender Laie diese Klöster aufsuchen kann.

Das TCHRD hat Fotos und die Namen von den 15 Mönchen erhalten, die am 10. März 2008 einen friedlichen Demonstrationszug auf dem Barkhor organisierten. Dabei stellte sich heraus, daß sich während der Demonstration diesen 15 Mönchen zwei Laien aus Kham angeschlossen hatten, deren Identität und Herkunft bis zum Augenblick noch nicht genau festgestellt werden konnte. Die meisten der Mönche waren Gaststudenten in Sera, Jatrel Khangtsen, und kamen ursprünglich aus den Regionen Kardze und Amdo. Die Namen, das Alter und die Herkunft der Mönche sind folgende:

  1. Trulku Tenpa Rigsang, 26 Jahre, Kloster Lungkar, "TAP" Golog,  Provinz Qinghai,
  2. Samten, 17 Jahre, Kloster Lungkar, "TAP" Golog,  Provinz Qinghai,
  3. Gelek Pel, 32 Jahre, Kloster Lungkar, Golog "TAP", Provinz Qinghai,
  4. Lobsang, 15 Jahre, Kloster Onpo (tib. Transskription: dbon po), Präfektur Sershul, "TAP" Kardze
  5. Tsultrim Palden, 20 Jahre, Kloster Onpo, Präfektur Sershul, Kardze "TAP",
  6. Lobsang Ngodup, 29 Jahre, Kloster Onpo, Präfektur Sershul, Kardze "TAP,"
  7. Lobsher, 20 Jahre, Kloster Onpo, Präfektur Sershul, Kardze "TAP",
  8. Phurden, 22 Jahre, Kloster Onpo, Präfektur Sershul, Kardze "TAP",
  9. Lobsang Thukjey, 19 Jahre, Kloster Onpo, Präfektur Sershul, Kardze "TAP",
  10. Lodoe, 30 Jahre, Kloster Onpo, Präfektur Sershul, Kardze "TAP",
  11. Thupdon, 24 Jahre, Kloster Onpo, Präfektur Sershul, Kardze "TAP",
  12. Soepa, 30 Jahre, Kloster Mangye (tib. Transskription: mang dge),
  13. Tsegyam, 22 Jahre, Kloster Kashi (tib. Transskription: ka bshi),
  14. Thupwang, 30 Jahre, Kloster Darthang (tib. Transskription: dar thang),
  15. Pema Garwang, 30 Jahre, Kloster Darthang.

Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Informationen über den Verbleib der Mönche, noch über ihr Befinden.

Kloster Lutsang, Präfektur Mangra (Guinan/Mangla), Tsolho "TAP" - 10. März

Weiterhin wurden Protestaktionen aus den traditionell zu Tibet gehörenden Gebieten in Amdo, der Kreis Mangra in Tsolho (Ch. Hainan), Autonome Tibetische Präfektur ("TAP") in der Provinz Qinghai am 10. März gemeldet. 137 Mönche aus dem Kloster Lutsang in dem Kreis Mangra, Tsolho "TAP", und etwa 200 Laien aus der Gegend wurden von Einheiten der Bewaffneten Polizei der Präfektur Mangra (PAP) eingekesselt, als sie sich der Versammlungshalle der Präfektur näherten, in der eine von der Regierung gesponserte Show stattfand. Um einem Protest der Tibeter zuvorzukommen, wurde die Show abgebrochen. Später begannen Mönche und Laien damit, Parolen wie "Lang lebe der Dalai Lama" und "Der Dalai Lama soll nach Tibet zurückkommen" zu rufen. Im Augenblick gibt es keine Nachrichten darüber, daß in dem Gebiet Tibeter verhaftet wurden, obwohl bekannt ist, daß die dortigen Behörden bereits gegen die an der Protestbewegung Beteiligten ermitteln.

"TAP" Jyekundo, Qinghai, 9. und 10. März

Am 9. März wurden Hunderte der verbotenen Fotos des Dalai Lama in Haushalten in der "TAP" Jyekundo (chin. Yushu/Jiegu), Provinz Qinghai, während mitternächtlicher Hausdurchsuchungen durch Mitarbeiter des örtlichen Büros für öffentliche Sicherheit (PSB) konfisziert. Zwei Familien mußten, wie berichtet, jeweils eine Strafe von 500 Yuan für den Besitz dieser verbotenen Porträts zahlen. Am nächsten Tag wurde bekannt, daß Poster an die Mauern in der Gegend geklebt worden waren, auf denen die Unabhängigkeit für Tibet gefordert wird

Kloster Ditsa - 10. März

Ein weiterer Zwischenfall ereignete sich, als ungefähr 20 chinesische Beamte in dem Kloster Ditsa m Autonomen Kreis Bayan, Präfektur Haidong, Provinz Qinghai, die Mönche zu einer Versammlung einberiefen. Jedenfalls verließen etwa 70 Mönche die Versammlung, trugen ein Porträt des Dalai Lama und forderten die Unabhängigkeit für Tibet. Später erstiegen die Mönche einen Hügel hinter dem Kloster, um das Sangsol Gebet zu verrichten und es gesellten sich Zuschauer zu ihnen. Wie berichtet wird, bekundeten die Mönche offen ihre Sympathie „mit den Friedensmarschierern von Dharamsala nach Lhasa", einer Initiative die von den führenden NGOs der Exiltibeter initiiert wurde. An diesem Tag versammelten sich dort etwa vierhundert Menschen zum Gebet. Bis jetzt sind aus dieser Gegend noch keine Festnahmen oder Verhaftungen, noch die Stationierung weiterer Polizeieinheiten bekannt geworden.

Kloster Labrang Tashikyil, Sangchu, "TAP"Kanlho, Präfektur Gansu - 10. März

Aus dem Kloster Labrang Tashikyil in dem Kreis Sangchu, "TAP" Kanlho, Provinz Gansu, wurde bekannt, daß die Polizei Poster entfernte, auf denen die Unabhängigkeit für Tibet gefordert wurde.

Kardze - 10. März

Es gibt ebenso Berichte, nach denen am 10. März in der Präfektur Kardze, Autonomer Bezirk Kardze, Provinz Sichuan, Plakate mit der Forderung nach Unabhängigkeit für Tibet angeklebt worden sind. Festnahmen und Verhaftungen sind bisher nicht bekannt.

Razzia bei ehemaligen politischen Gefangenen - 10. März

Wie aus zuverlässigen Quellen verlautet, wurden am Abend des 10. März von den Behörden in den Wohnungen ehemaliger politischer Gefangener Hausdurchsuchungen vorgenommen, wobei besonders nach belastendem Material, wie CDs von der Verleihung der Goldmedaille des US-Kongresses an den Dalai Lama, die in letzter Zeit verdeckt im Umlauf waren, oder elektronischen Geräten wie Computern, Telefonen und Internetverbindungen gefahndet wurde.

Kein Urlaub für Regierungsangestellte, Verhaftungen und Einschränkungen an der Universität Tibets

Am 11. März haben die städtischen Behörden von Lhasa alle Beschäftigten von verschiedenen Ämtern, die sich im Urlaub befanden, unmittelbar an ihre Arbeitsstellen zurückgerufen und bis auf weiteres ein Verbot erlassen, Urlaub zu nehmen. Ebenso wurde die Verhaftung von mindestens fünf Studenten der Tibetischen Universität durch Mitarbeiter des PSB am 13. März bestätigt. Die Bewegungsfreiheit von Studenten wurde eingeschränkt, was die Tibetische Universität in Lhasa mit einschließt, wo mehr Wachpersonal eingesetzt wurde und im Bereich des Haupteingangs jede Bewegung von Studenten festgehalten wird.

Kloster Chutsang - 12. und 13. März

Am Morgen des 12. März, in Übereinstimmung mit dem Jahrestag des Aufstandes der tibetischen Frauen, marschierten etwa hundert Nonnen aus dem Kloster Chutsang im Westen Lhasas zum Barkhor, um dort friedlich zu demonstrieren. Wie dem auch sei, sie wurden von Einheiten der chinesischen Bewaffneten Volkspolizei daran gehindert, ihren Marsch fortzusetzen und in ihr Kloster zurückgeschickt. Es gibt keine Berichte über Festnehmen oder Verhaftungen nach dem Marsch. Am Morgen des 13. März jedoch hat die gleiche Gruppe von Nonnen ihren Protestmarsch nach Lhasa wiederholt und ist bisher noch nicht wieder in das Kloster zurückgekehrt. Wenn man mit dem Kloster Kontakt aufnimmt, stellt man fest, daß nur noch ein paar ältere Nonnen zurückgeblieben sind.

Kloster Ganden - 12. März

Auch das Kloster Ganden (ungefähr 50 km östlich vom Stadtgebiet Lhasas entfernt) im Kreis Takse ist auf den Protest der Mönche am 12. März seit gestern Nachmittag völlig abgeriegelt und von der Bewaffneten Volkspolizei umstellt. Jeglicher Kontakt mit der Außenwelt ist abgebrochen.

Ramoche Tempel - 14. März
Nachrichten, die aus Lhasa herauskamen, bestätigten, daß der Ramoche Tempel im Norden Lhasas von der bewaffneten Volkspolizei (PAP) abgeriegelt wurde, nachdem an diesem Morgen Mönche aus diesem Tempel eine friedliche Demonstration in Lhasa organisiert hatten. Der Ramoche Tempel und alle Zufahrtsstraßen sind von einer großen Anzahl von PAP Kräften abgesperrt, was die Mönche daran hindert, nach außen zu gelangen. Gerade vor dem Versenden dieser Pressemitteilung erreichten bestätigte Informationen aus Tibet das Zentrum, daß es zwischen den PAP Einheiten, den Mönchen und der Bevölkerung zu Tätlichkeiten gekommen wäre. Wie berichtet wird, haben wütende Demonstranten ein Auto und Läden in Brand gesteckt, aber bis zum Augenblick sind noch keine Todesfälle, Verletzungen oder Verhaftungen bestätigt worden. Das Zentrum wird die Situation weiterhin genau beobachten und darüber berichten.