21. März 2008

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
Phone/Fax: +91 1892 23363 / 25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org


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Pressemitteilungen

Tibetern steht eine Welle von Massenverhaftungen bevor

Nach mehren Tagen gewaltfreier Proteste in Lhasa und anderen Teilen Tibets gehen die chinesischen Behörden nun allerorten daran, Hunderte von Tibetern festzunehmen.

Am 19. März verhafteten die Behörden der Stadt Lhasa 24 tibetische Demonstranten und nahmen sie in Untersuchungshaft. Dabei ist jetzt schon klar, daß man sie schwerer Verbrechen anklagen und zu langjährigen Haftstrafen verurteilen wird. Inhaftierung zu Ermittlungszwecken ist in China allgemeine Praxis, und vermutlich werden die Festgenommenen innerhalb von fünf Tagen vor Gericht gestellt, was verglichen mit demokratischen Ländern ein unglaublich schnelles juristisches Verfahren ist. Die außerordentlich schnellen Festnahmen und Verurteilungen sind typisch für das chinesische Justizsystem, das die Bevölkerung auf diese Weise in Angst und Schrecken versetzen will, um sie von weiteren Protesten abzuhalten. „Ziegen töten, um die Schafe zu abzuschrecken“, lautet das Sprichwort.

Offiziellen chinesischen Quellen zufolge haben sich bisher 170 Tibeter "freiwillig" gestellt. Obwohl die chinesischen Behörden allen, die sich bis zum 17. März um Mitternacht meldeten, Milde versprochen haben, steht angesichts der Natur des chinesischen Regimes und dessen Umgang mit den tibetischen Demonstranten im Jahr 1989 zu befürchten, daß die Demonstranten von heute mit allem anderen als mit Milde zu rechnen haben. Es bestehen nur sehr geringe Aussichten, daß diejenigen Tibeter, die sich gestellt haben, weniger streng bestraft werden als andere. Bisher wurden über 1.000 Tibeter verhaftet, Hunderte sind verschwunden und die Zahlen steigen ständig.

In ganz Tibet herrschen weiterhin strengste Restriktion  und Überwachung und es wird immer wieder gemeldet, daß die tibetische Bevölkerung von Knappheit an Nahrungsmitteln, Trinkwasser und anderen Versorgungsgütern betroffen ist, ein Notstand, von dem es heißt, daß er absichtlich vom Staat herbeigeführt wurde.

Die Tibeter im Bezirk Ngaba, die am 15., 16. und 17. März protestiert hatten, wurden bereits aufgefordert, sich den chinesischen Behörden zu stellen, wenn sie mit Nachsicht behandelt werden möchten. Ferner sollen sie die Waffen übergeben. Die Häuser von Tibetern, die die Behörden einer Teilnahme an den Demonstrationen verdächtigen, wurden durchsucht. Die Gebetszeremonien im Kloster Kirti wurden auf behördliche Anordnung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Es wurde auch über Fälle von plötzlichem Verschwinden aus der Gegend berichtet.

Das TCHRD ist tief besorgt über die derzeitigen Umstände in den von Tibetern bewohnten Gebieten.

20. März 2008

23 Opfer bei den Protesten in Kirti, darunter eine Schülerin der Mittelschule des Bezirks Ngaba

Nach bestätigten Berichten, die das Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) erhalten hat, wurde der Leichnam des im Zuge der Niederschlagung der Proteste im Bezirk Ngaba erschossenen Mädchens als Lhundup Tso identifiziert. Das Mädchen war 16 Jahre alt und Schülerin der Tibetischen Schule des Bezirks Ngaba.

Am 16. März 2008 brachen einige Tausend Tibeter im Anschluß an die morgendliche Gebetszusammenkunft im Kloster Amdo Ngaba Kirti im Bezirk Ngaba zu einem spontanen Protest auf, dabei mit Parolen Forderungen ausrufend wie "Unabhängigkeit Tibets", "Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet", und "Freiheit für Tibet". Der Demonstration schlossen sich später gewöhnliche Bürger des Bezirks Ngaba an und der Demonstrationszug wandte sich in Richtung des Hauptsitzes der Bezirksregierung von Ngaba. Mindestens 23 Menschen, darunter die erst 16jährige Schülerin, Lhundup Tso, wurden später als Todesopfer gemeldet, nachdem die bewaffnete chinesische Polizei am 16. März eine Vielzahl von Salven scharfer Munition in die Protestversammlung im Bezirk Ngaba (ch: Aba Xian), "TAP" Ngaba, Provinz Sichuan, geschossen hatte. Die Namen derjenigen, die identifiziert werden konnten, sind Tashi Wangchuk, Ghegyam, Norbu, Lotse, Ghepan Thalo, Ngudrup Tso, Atisha, Sangye, Tsezin. Die Identitäten der anderen waren bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Die 16jährige Lhundup Tso war die Tochter von Sherab Tsomo oder Shetse (Mutter) und Jigshe (Vater). Sie war eine hervorragende Schülerin der Tibetischen Schule des Bezirks Ngaba, "TAP" Ngaba, Provinz Sichuan.

Die gegenwärtige Situation im Bezirk Ngaba ist auf die friedlichen Massenproteste während der vergangenen Tage, bei denen es zahlreiche Toten und Verletzten unter den Tibetern ga, besonders angespannt. Zusätzliche militärische Verstärkung aus Zentralchina wurde in das Gebiet entsendet, um das Übergreifen des Protests auf benachbarte Bezirke zu verhindern und die Situation fest unter Kontrolle zu bringen.

Nach dem Kenntnisstand des TCHRD sind wenigstens 70 Tibeter seit dem Protest von Mönchen des Tempels Ramoche am 14. März in Lhasa getötet worden. Und die Zahlen der Toten und Verletzten werden wahrscheinlich ansteigen, so weitere Vorfälle von Protest und gewalttätiger Niederschlagung durch bewaffnete Polizei aus verschiedensten Teilen Tibets bekannt werden. Das Zentrum wird die Situation weiterhin genau beobachten und nach Bedarf die Informationen aktualisieren, wenn Neuigkeiten aus der Region bekannt werden.

Das TCHRD verurteilt auf das schärfste die brutale Anwendung von Gewalt durch die chinesischen Sicherheitskräfte gegen friedliche tibetische Demonstranten und ist tief beunruhigt über die Auferlegung schwerwiegender Restriktionen hinsichtlich der Bewegungsfreiheit der tibetischen Menschen, wodurch ihr tägliches Leben schwer beeinträchtigt wird. Nun wird ihnen sogar der unmittelbare Zugang zu Nahrung, frischem Trinkwasser und anderen grundlegenden und lebensnotwendigen Gütern vorenthalten. Das TCHRD ist der Ansicht, daß die anhaltenden scharfen Restriktionen in Tibet alle Elemente von „Kriegsrechts“, wenn es auch offiziell nicht als solches bezeichnet wird, aufweisen.