20. Juni 2008

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
Phone/Fax: +91 1892 23363 / 25874, e-mail: office@tchrd.org, www.tchrd.org


Seite drucken

Pressemitteilung

Lage in Lhasa wegen Ankunft der Olympischen Fackel sehr angespannt

Nachdem der olympische Fackellauf durch die Autonome Region Tibet von drei Tagen auf einen Tag verkürzt worden ist, wird die olympische Fackel nun am 21. Juni in der unter strengster Überwachung stehenden Stadt Lhasa eintreffen.

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) ist nach wie vor zutiefst besorgt wegen der einschneidenden Restriktionen, die dem tibetischen Volk in Tibet seit den Protesten vom März auferlegt werden.

Seit Anfang Juni wurden wieder Tausende von Angehörigen der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) und Polizisten des Büros für Öffentliche Sicherheit (PSB) nach Lhasa verlegt und sind nun an den wichtigsten Marktplätzen, den Hauptstraßen, an Straßenkreuzungen und um die großen Klöster herum  eingesetzt, um bei unerwarteten Zwischenfällen, wenn die Fackel vom Norbulingka zum Platz vor dem Potala Palast getragen wird, sofort eingreifen zu können.

Laut einer offiziellen Website der chinesischen Regierung wird die 11 km lange Strecke am Norbulingka, dem Sommerpalast des Dalai Lama, beginnen und am Potala Palast enden, doch der Zeitplan für den Fackellauf wurde nicht bekanntgegeben. Ein internes Zirkular wurde an alle Regierungsabteilungen mit der Anweisung versandt, ihre eigenen Mitarbeiter wie auch die Bürger der Stadt dringend davor zu warnen, sich an politischen Aktivitäten während des Fackellaufes zu beteiligen.

Bei einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit der dritten von der chinesischen Regierung veranstalteten Medientour durch Tibet am 3. Juni hatte Pema Tinley, stellvertretender Vorsitzender der Autonomen Region Tibet (TAR), auf die Frage eines Hongkonger Journalisten hin eingeräumt, daß die Sicherheitskräfte in Tibet aufgestockt worden seien, wofür er drei Gründe nannte: „In Lhasa darf während des Fackellaufes nicht mehr die geringste Möglichkeit zu weiteren ungewollten Zwischenfällen geben, während des heiligen buddhistischen Monats Saka Dawa sollen diese ebenfalls vermieden und schließlich sollen die ‚Aktivisten für die tibetische Unabhängigkeit' unter Kontrolle gebracht werden."

Mit dieser Aussage bestärkt Pema Tinley das, was die bereits früher gemachten Drohungen der chinesischen Behörden zum Ausdruck brachten, nämlich daß jeder Tibeter, der versuchen würde, den Fackellauf zu "sabotieren", "schwer bestraft" und „keine Nachsicht mit ihm geübt“ würde. Die Entscheidung der chinesischen Regierung, nun doch Journalisten von 29 ausländischen Mediengruppen über den Fackellauf durch Lhasa berichten zu lassen, wurde von all denjenigen begrüßt, die eine Öffnung Tibets für die Medien fordern. Während der staatlich organisierten Medientouren der vergangenen Monate waren die ausländischen Journalisten intensiver Überwachung unterworfen, weshalb noch viel zu wünschen übrig bleibt. Allen Medien sollte freier und ungehinderter Zugang zu Tibet gewährt werden, damit ans Licht kommt, was tatsächlich passiert ist.

Das TCHRD sieht die Präsenz von ausländischen Medienvertretern in Lhasa positiv, wünscht jedoch, daß die chinesischen Behörden den Journalisten die Möglichkeit geben sollte, uneingeschränkt mit Tibetern zu sprechen, die berühmten Klöster zu besuchen, die noch immer unzugänglich sind, und diejenigen, die sich in Haft befinden, zu besuchen, um sich ein Bild über die jüngsten Proteste zu machen.

Da Tibet hermetisch abgeriegelt und die Einreise unabhängiger Beobachter nach Tibet behindert wird, wie auch eine strenge Zensur aller Medien herrscht, haben die chinesischen Behörden zur Zeit so etwas wie eine staatlich sanktionierte Lizenz, Menschenrechtsverletzungen zu begehen, was willkürliche Festnahmen, das Zusammenschlagen und Entführen von Tibetern mit einschließt. Dem TCHRD liegen Informationen über die Verhaftung oder willkürliche Festnahme von 6.500 Tibetern und den Tod von über 200 anderen vor. Dabei sind Tausende von Fällen von Verletzten seit dem 10. März noch gar nicht berücksichtigt. Wie dem TCHRD berichtet wurde, erlagen einige Tibeter nach der Entlassung aus der Haft ihren Verletzungen, weil sie dort unmenschlicher Folter ausgesetzt waren. So verstarb die 38jährige Nechung, Mutter von vier Kindern, aus dem Dorf Charu Hu im Bezirk Ngaba, Tibetisch-Autonome Präfektur (TAP) Ngaba, Provinz Sichuan, am 17. April, wenige Tage nach ihrer Entlassung aus einem chinesischen Gefängnis als Folge der durch die Folter erlittenen schweren Verletzungen. Und Dawa, ein 31jähriger Bauer aus dem Dorf Dedrong in der Gemeinde Jangkha im Bezirk Phenpo Lhundup, Stadt Lhasa, starb am 1. April an den Verletzungen, die ihm chinesische Gefängniswärter durch ihre brutalen Schläge beigebracht hatten.

Zahlreiche glaubwürdige Berichte über das Ausmaß und die Intensität der Repression allerorten in Tibet lassen vermuten, daß die chinesische Regierung die Proteste vom März als willkommene Gelegenheit nutzte, um die Tibeter systematisch in ihren grundlegenden Rechten einzuschränken. Die chinesische Regierung hat große Kontingente an Sicherheitskräften in Tibet stationiert, um weitere Demonstrationen zu unterdrücken, und gleichzeitig hat sie die Kampagne der "Patriotischen Erziehung" in allen Teilen der tibetischen Gesellschaft intensiviert. Bislang haben die chinesischen Behörden kaum etwas über die Prozesse verlauten lassen, bei denen Tibeter im beschleunigten Verfahren verurteilt wurden.

Auf die Proteste vom März in Lhasa und den anderen traditionell tibetischen Gebieten in Osttibet hin hat die chinesische Regierung sich immer wieder über die Forderung des Dalai Lama und der tibetischen Exilregierung, unabhängige Beobachter nach Tibet reisen zulassen, die über die zahlreichen Proteste und die Reaktion der Behörden darauf hätten berichten können, hinweggesetzt. Als Antwort auf die weltweite Verurteilung des brutalen Vorgehens gegen die Demonstranten hat die chinesische Regierung jüngst drei offizielle Medientouren nach Lhasa und Labrang organisiert und gestattete Ende März fünfzehn Diplomaten Lhasa zu besuchen, hinderte sie jedoch daran, frei mit Tibetern zu sprechen.

Anfang April äußerte Louise Arbour, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hochrangigen chinesischen Diplomaten in Genf gegenüber die Bitte, Tibet besuchen zu können, um sich unabhängig und aus erster Hand ein Bild über die Menschenrechtsverletzungen und die derzeitige Krise in Tibet machen zu können. Ihr Ansuchen wurde von der chinesischen Regierung mit der Begründung abgelehnt, der „Zeitpunkt sei nicht günstig“. Dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, dessen Aufgabe es ist, Hafteinrichtungen auf der ganzen Welt aufzusuchen und die Situation der Häftlinge zu überprüfen, wurde noch nie erlaubt, in China seiner Arbeit nachzugehen, insbesondere nicht in Tibet nach den Protesten vom 10. März, deren Folge Massenverhaftungen im ganzen Land waren. In ähnlicher Weise veröffentlichten sechs Sonderberichterstatter der UNO eine gemeinsame Erklärung, in der sie „einen besseren und uneingeschränkten Zugang zu den betroffenen Regionen für Journalisten und unabhängige Beobachter forderten, eine Garantie für den freien Informationsfluß und die volle Einhaltung der internationalen Vorschriften bezüglich der Behandlung von Demonstranten und Festgenommenen“, doch alle ihre Bitten wurden ignoriert.

Noch immer sind Hunderte von Tibetern in den chinesisch verwalteten Gefängnissen und Haftzentren eingeschlossen, weil sie friedlich ihre Meinung zum Ausdruck brachten und ihre grundlegenden Menschenrechte wahrnahmen. In zahlreichen Fällen wissen ihre Angehörigen überhaupt nichts über ihren Haftort und ihre Lage.

Die Menschenrechtsverletzungen in China sind systematisch, und weitverbreitet und das kommunistische Regime tritt weiterhin die bürgerlichen Freiheiten und demokratischen Rechte der Tibeter mit Füßen. Das TCHRD ruft die Regierung der VR China auf, das grundlegende Menschenrecht des tibetischen Volkes auf die friedliche Äußerung seiner Meinung zu achten, so wie es in der chinesischen Verfassung und zahlreichen internationalen Menschrechtsverträgen, die von der VR China unterzeichnet und ratifiziert wurden, festgeschrieben ist.