9. Juli 2007

Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
Phone/Fax: +91 1892 23363 / 25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org


Seite drucken

Tibetischer politischer Gefangener nach 15jähriger Haftstrafe entlassen

Wie das TCHFR aus zuverlässiger Quelle erfuhr, haben die chinesischen Behörden in Tibet am 5. Juli 2007 den 58jährigen politischen Gefangenen Thupten Yeshi nach Verbüßung seiner Haftstrafe aus dem Gefängnis Chushul entlassen. Am 30. Juni 1992 hatten Thupten Yeshi und vier Bauern während einer Versammlung in der Gemeinde Gyama, Kreis Meldrogunkar, TAR, öffentlich demonstriert. Am 6. Juli 1992 wurde Thupten als angeblicher Hauptverantwortlicher verhaftet. Thupten wurde als Kind einfacher Bauern in der Gemeinde Gyama geboren. Er hatte kurz vor seiner Verhaftung 1992 geheiratet und war zur Familie seiner Frau gezogen.

Festnahme:

Am 30. Juni 1992 hatten sich rund 1200 Menschen, darunter gewichtige Persönlichkeiten aus Gemeinde und Landkreis zu einer Versammlung eingefunden. Mitten in der Veranstaltung stürmten vier Bauern –  Lhundup, Sonam Rinchen, Kunchok Lodoe und Sonam Dorjee – mit einer riesigen tibetischen Fahne auf die Bühne und riefen Parolen wie "Freiheit für Tibet", "Chinesen raus aus Tibet" und "Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama". Als daraufhin die Menge unruhig wurde und Chaos ausbrach, mußte die Veranstaltung abgebrochen werden. Innerhalb von 15 Minuten traf die Polizei ein und verhaftete die vier Männer.

Am 6. Juli 1992 wurde auch Thupten Yeshi verhaftet, weil die Ermittler ihn für den Anstifter und Anführer der Protestierenden hielten. 13 Tage lang wurde er im Haftzentrum des Kreises Meldrogunkar festgehalten. Während dieser Zeit durfte ihn seine Frau Tsering Yangchen einmal sehen, jedoch nicht mit ihm sprechen. Später wurde er heimlich nach Gutsa verlegt, wo er fast drei Monate lang inhaftiert war und während der Verhöre unmenschlich mißhandelt und gefoltert wurde.

Urteil:

Nach erschöpfenden Verhören und wiederholten Folterungen der Angeklagten in der Gutsa-Haftanstalt fällte der Mittlere Volksgerichtshof Lhasa am 20. Oktober 1992 das Urteil über die fünf. Sie wurden wegen "Konterrevolutionärer Verschwörung" und "Volksverhetzung mittels reaktionärer Propaganda" zu unterschiedlich langen Strafen verurteilt: Thupten Yeshi, Lhundup und Sonam Rinchen zu jeweils 15 Jahren; Sonam Dorjee und Kunchok Lodroe zu 13 Jahren. Ihnen allen wurden ihre politischen Rechte auf fünf Jahre aberkannt.

Am 20. November 1992 kamen sie nach Drapchi. Thupten Yeshi kam gleich nach seiner Ankunft in Einzelhaft, weil er Gebete rezitiert und sich angeblich geweigert hatte, an der Umerziehung teilzunehmen. Nach Fertigstellung der neuen Strafanstalt Chushul wurden alle fünf im April 2005 dorthin verlegt.

Aus den langjährigen Haftstrafen, die gegen diese fünf Tibeter verhängt wurden, nur weil sie friedlich gegen die chinesische Herrschaft demonstriert hatten, kann man ersehen, mit welcher Härte die Behörden gegen jedwede politische Aktion vorgehen.

Tod durch Folter:

Einer der fünf Bauern, Sonam Rinchen, damals Mitte 20, wurde durch die wiederholten Folterungen gesundheitlich so geschädigt und teilweise gelähmt, daß er 1999 in der Haft verstarb. Der fünfte Mann, Kunchok Lodroe, wurde 1996 aus medizinischen Gründen vorzeitig entlassen, doch sein Gesundheitszustand ist nach wie vor miserabel.

Das TCHRD befürchtet, daß auch Thupten Yeshi infolge der langen Haft und der Mißhandlungen, die er durchmachte, bei schlechter Gesundheit sein könnte. 1998 litt er an Nierenproblemen und hatte am ganzen Körper einen Ausschlag, weshalb man ihn schließlich in das Militärkrankenhaus Xizang in der Nähe von Drapchi brachte und stationär behandelte. Noch ehe er wieder gesundet war, holte man ihn in schlechter Verfassung wieder ins Gefängnis zurück.

Auf Grund der Tatsache, daß in den von China verwalteten Haftanstalten systematisch gefoltert und mißhandelt wird, ist das TCHRD äußerst besorgt über das Befinden und die Sicherheit der politischen Gefangenen, die schwerste Folterungen erdulden müssen. Ein ehemaliger Insasse von Drapchi weiß zu berichten, daß Thupten Yeshi wahren Patriotismus und Mut besaß: "Er ist sehr zäh, robust und weicht selbst nach harter Bestrafung nicht von seinem Standpunkt ab. Er ist bis ins Innerste ein tibetischer Patriot".

Das TCHRD macht sich große Sorgen wegen des unmenschlichen Umgangs der VR China mit politischen Gefangenen. Die Tatsache, daß über 89 Gefangene infolge von Folter und Mißhandlungen starben, ist alarmierend und verlangt nach umfassenden Untersuchungen durch unabhängige Gremien. 

Für das TCHRD ist die Freilassung bekannter tibetischer politischer Gefangener kein Anzeichen für eine wie auch immer geartete Verbesserung der Menschenrechtslage in Tibet. Indem es sich dem Appell des Sonderberichterstatters anschließt, fordert das Zentrum die Freilassung von Jigme Tenzin, Jigme Gyatso, Lobsang Tsultrim (sie verbüßten alle langjährige Haftstrafen im Gefängnis Chushul), denn „sie wurden aus politischen Gründen verurteilt und ihre Aussagen wurden vermutlich durch Folter erzwungen“. Dieses Jahr dokumentierte das TCHRD 116 Fälle von namentlich bekannten politischen Häftlingen, die in den Gefängnissen Tibets einsitzen.

Wenn China es mit der Verbesserung der Menschenrechtslage ernst meinte, müßte es alle politischen und Gewissensgefangenen sofort freilassen.