10. Dezember 2007
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
Phone/Fax: +91 1892 23363 / 25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.org
Pressemitteilung


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Erklärung des TCHRD zum Internationalen Tag der Menschenrechte

Anläßlich des 59. Internationalen Menschrechtstages, den wir heute begehen, grüßt und dankt das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie all jenen Menschen auf der ganzen Welt, die sich für den Schutz und die Förderung der fundamentalen Grundrechte einsetzen, für die dem Menschen innewohnende Würde und die gleichen und unveräußerlichen Rechte, auf die alle Mitglieder der menschlichen Familie mit ihrer Geburt ein Anrecht haben. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (UDHR), die am 10. Dezember 1948 von der Vollversammlung der UNO verabschiedet wurde, stellt „das von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal“ bezüglich der Menschenrechte dar.

Obwohl es zur Formulierung dieser Erklärung vieler Jahre bedurfte und sie nun schon Jahrzehnte zurückliegt, erfordert der Kampf darum, dass einem jeden Erdenbürger der Anspruch auf die 30 in ihr festgeschriebenen Freiheiten und Rechte  auch gewährt wird, unser Engagement nicht nur heute, sondern jeden Tag.

Der 10. Dezember ist für die Tibeter nicht nur als der internationale Menschenrechtstag wichtig, sondern auch als ein Tag, an dem sie der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dalai Lama 1989 in Anerkennung seines unermüdlichen gewaltlosen Einsatzes für Frieden und Menschenrechte gedenken. Das TCHRD erinnert heute an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die darin verankerten Werte und würdigt die Bemühungen von uns allen zur Verteidigung der Menschenrechte des tibetischen Volkes in Tibet.

In den vergangenen elf Monaten mussten die Tibeter in Tibet erfahren, wie ihre Menschenrechte und Freiheiten schlimmer denn je von den chinesischen Behörden missachtet wurden. Es ist äußerst bedauerlich und zu verurteilen, dass die VR China, obwohl sie als ein ständiges Mitglied der UNO den meisten UN-Menschenrechtsverträgen beigetreten ist, die fundamentalen in der UDHR niedergelegten Grundsätze nicht respektiert und einhält, sondern diese in eklatantester Form in Tibet regelmäßig verletzt und dabei noch ungestraft bleibt. Die chinesischen Behörden verweigern den Tibetern weiterhin systematisch ihre Menschenrechte.

In den vergangenen elf Monaten des Jahres 2007 hat das TCHRD u.a. die folgenden Ereignisse dokumentiert:

  • Die erhaltenen Informationen über eine ganze Reihe neuer Fälle von Festnahmen von Tibetern unter dem Verdacht politischer Aktivitäten.

  • Am 1. Januar 2007 traten die neuen 56 Artikel umfassenden „Maßnahmen für die Handhabung der religiösen Angelegenheiten“ in Kraft, die von dem 11. Ständigen Ausschuß der Volksregierung der „TAR“ verabschiedet wurden. Statt den religiösen Angelegenheiten Schutz zu gewähren, ist der einzige Zweck dieser neuen Bestimmungen, die Einhaltung der staatlichen Vorschriften bezüglich religiöser Einrichtungen, deren Mitarbeitern und gläubigen Bürgern, sowie was die Stätten der Anbetung und religiösen Aktivitäten angeht, gewaltsam durchzusetzen.

  • Mitgliedern der KP und Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, sogar dem gewöhnlichen Volk in Lhasa, wurde in der Woche, in der im März die Politische Konsultativkonferenz in Peking tagte, der Besuch von Tempeln verboten. Man drohte ihnen mit dem Verlust der Parteimitgliedschaft oder Entlassung aus dem Dienst, falls sie in der Hauptstadt buddhistische Tempel zum Gebet aufsuchten.

  • China verschärfte sein Verbot religiöser Aktivitäten in Tibet, besonders während des heiligen Monats Saka Dawa ab dem 17. Mai 2007 waren die Gläubigen von scharfen Restriktionen betroffen. Chinas „Staatliche Verwaltung für Religiöse Angelegenheiten“ (SARA) gab einen 14 Artikel umfassenden „Maßnahmenkatalog für die Reinkarnation lebender Buddhas im tibetischen Buddhismus“ heraus, der am 1. September in Kraft trat. Dies zeigt deutlich, wie entschlossen die KP ist, die jahrhundertealte Tradition und religiöse Praxis der Tibeter zu untergraben und in Misskredit zu bringen. Die neuen Maßnahmen, die von der offiziellen Presse als ein „wichtiger Schritt zur Institutionalisierung der Verwaltung von Wiedergeburten“ beschrieben wurden, richten sich bewusst gegen einen der zentralen Glaubensinhalte des tibetischen Buddhismus, wenn sie „Bestätigungsverfahren“ für lebende Buddhas vorschreiben. Sie sind ein Beweis für die Absicht der KP, die tibetische religiöse Hierarchie zu untergraben und zu zersetzen und die Autorität der rechtmäßigen religiösen Führungspersönlichkeiten in Tibet, vor allem die des Dalai Lama, zu schwächen.

  • China erhöhte den Druck auf das Kloster von Tulku Tenzin Delek, Kham Nalanda Thekchen Jangchub Choeling, und ließ am 19. Juli 2007 zwei ältere Frauen, Odho und Apha Bomo, beide aus dem Dorf Othok, Kreis Nyagchuka, „TAP“ Kardze, Provinz Sichuan, festnehmen. Den Frauen wurde vorgeworfen, sie hätten ihre Landsleute dazu aufgehetzt, sich ihrem Appell nach der Freilassung Tenzin Deleks anzuschließen. Nachdem die Behörden dann den Dorfchef von Othok verpflichteten, für ihr weiteres „gutes Betragen“ die Garantie zu übernehmen, wurden sie am 27. August entlassen.

  • Am 1. August 2007 wurde Ronggye Adrak verhaftet, weil er während des jährlichen Pferderennenfestes in Lithang öffentlich seine Meinung geäußert hatte. Auf Ronggye Adraks Verhaftung hin erließen die Behörden in Lithang und den umliegenden Gebieten scharfe Restriktionen, weil sie massive Proteste der ihn unterstützenden Bevölkerung befürchteten. Sie stellten zusätzliche Kontingente der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) zur Verstärkung bereit, um die Aktivitäten seiner Sympathisanten zu überwachen. Am 21. August wurden drei seiner Neffen, Adruk Lopoe, Adruk Nyima und Adruk Gyatso, willkürlich festgenommen. Nyima und Gyatso wurden zwar nach sechs Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt, aber Adruk Lopoes Verbleib war bis zu seinem Gerichtsverfahren unbekannt.

  • Am 19. August 2007 wurde Lothok, ein 36jähriger tibetischer Nomade und Vater von fünf Kindern aus dem Dorf Drakar Latse, Distrikt Lithang, in einem Gästehaus in Chengdu, der Provinzhauptstadt Sichuans, willkürlich festgenommen.

  • Eine beinahe vollendete gold- und kupferbeschlagene riesige Statue von Guru Rinpoche im Kloster Samye, Kreis Dranang, Präfektur Lhoka, „TAR“, wurde in dem den Buddhisten heiligen Monat Saka Dawa, Mitte Mai, von den Milizen der PAP zerstört. Eine weitere Statue von Guru Rinpoche wurde in der ersten Oktoberwoche in Ngari Darchen, Distrikt Purang, Präfektur Ngari, „TAR“, niedergerissen. Bei einem ähnlichen Vorfall musste am 14. August 2007 der Bau einer Statue von Guru Rinpoche im Dorf Rongpatsa, Distrikt Kardze, „TAP“ Kardze, auf Befehl der Lokalbehörden eingestellt werden.

  • Seit der ersten Septemberwoche 2007 haben die chinesischen Behörden in Lithang und den umliegenden Kreisen einen intensiven Feldzug zur „patriotischen Erziehung“ gestartet. Am 2. September wurde Adruk Kalgyam, ein tibetischer Nomade aus dem Dorf Youru Kharshul, verhaftet, weil er den Kadern bei der Umerziehung widersprochen hatte. In ähnlicher Weise wurde am 3. Oktober Jamyang Tenzin, ein Mönch des Klosters Youri Geydenling im Distrikt Lithang wegen seines offenen Widerstandes gegen die Behörden bei der patriotischen Umerziehung festgenommen. Über beider Schicksal liegen keine Informationen vor.

  • Um den 7. September hielt die Polizei 40 Schüler fest, die tags zuvor angeblich auf die Mauern der Polizeistation und anderer Gebäude ihres Dorfes Parolen gekritzelt hätten, in denen sie die Rückkehr des Dalai Lama und Freiheit für Tibet forderten. Innerhalb von 48 Stunden wurden alle bis auf sieben aus der Polizeihaft entlassen. Die sieben, die aus Nomadenfamilien stammen, sind Schüler der Mittelschule von Amchok Bora im Distrikt Labrang, „TAP“ Gannan, Provinz Gansu. Vier von den sieben Schülern, die alle wegen der Anbringung der Graffitis geschlagen und misshandelt wurden, befinden sich noch in Gewahrsam. Die Anwendung der Folter ist in Tibet immer noch endemisch und eine weitverbreitete Praxis, obwohl China die UN-Konvention gegen Folter unterschrieben und ratifiziert hat.

  • Das Verbot der Folter ist im internationalen Völkerrecht eindeutig festgeschrieben. Es ist unmissverständlich und absolut und bindend für alle Staaten und in allen Gebieten, die ihrem Herrschaftsbereich unterstehen. Es gilt unter allen Umständen und für alle Zeiten. Ebensowenig ist Folter zulässig, wenn sie in anderen Worten umschrieben wird: Grausame und unmenschliche Behandlung sind inakzeptabel und illegal, ungeachtet dessen, wie sie bezeichnet werden.

  • Erhöhte Überwachung und strengere Maßnahmen vor und nach der Auszeichnung des Dalai Lama mit der höchsten Auszeichnung, die einem Bürger zuteil werden kann, durch die USA am 17. Oktober zogen eine Reihe von Verletzungen der  fundamentalen Menschenrechte der Tibeter in Tibet nach sich. Die chinesischen Behörden trafen diverse Vorsichtsmaßnahmen. So wurde die Überwachung aufgestockt, verdächtige Individuen wurden strenger kontrolliert und ehemalige politische Gefangene vorsichtshalber sogar in Gewahrsam genommen. Insbesondere im Kloster Drepung ist die Lage weiterhin angespannt, und die Mönche unterstehen fortwährend erhöhter Überwachung. Ein großes Kontingent an PAP-Kräften marschierte in dem Kloster auf, wo sie das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit einschränkten. Ein Mönch und vier Laien wurden im Kloster Amdo Labrang Tashikyil im Distrikt Sangchu, „TAP“ Kanlho, Provinz Gansu, festgenommen, nachdem sie sich zum Sangsol Gebet versammelt und Feuerwerkskörper entzündet hatten, um die Auszeichnung des Dalai Lama zu feiern. Außerdem sollen zwei Tibeter aus dem Dorf Othok, Distrikt Lithang, „TAP“ Kardze, am 17. Oktober festgenommen worden sein, nachdem sie Gebetsfahnen aufzogen und das Sangsol Gebet ausführten, um die Verleihung der höchsten zivilen Ehre der USA an den Dalai Lama zu feiern.

  • Am 18. Oktober wurden am Nangpa Paß von den Grenzschutztruppen erneut Schüsse auf fliehende Tibeter abgefeuert, wonach von der Gruppe von 46 Flüchtlingen nun neun vermisst werden und drei festgenommen wurden.

  • Am 20. November verurteilte das Mittlere Volksgericht von Kardze Ronggye Adrak zu acht Jahren Gefängnis und dem Verlust der politischen Rechte für vier Jahre wegen des Delikts der „Aufhetzung zur Spaltung des Landes und Untergrabung der Einheit der Nation“ und der „ernsthaften Störung der öffentlichen Ordnung“. Adruk Lopoe, ein Neffe Ronggye Adraks, wurde unter der Anklage der „Kollaboration mit ausländischen separatistischen Kräften zur Spaltung des Landes und Verteilung von politischen Pamphleten“ mit zehn Jahren Gefängnis am härtesten bestraft. Der Künstler Kunkhen (Jacmyang Goingqen), der willkürlich am 22. August von den PSB-Beamten des Kreises Lithang aus unbekanntem Grund festgenommen worden war, wurde zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, weil er „spalterischen Tätigkeiten“ nachgegangen sei. Der Nomade Lothok wurde von demselben Gericht zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

  • Über 130 Tibeter befinden sich noch in Tibet in verschiedenen Gefängnissen, bloß weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnahmen. Der Verbleib des Panchen Rinpoche, Gedhun Choekyi Nyima, und vieler bedeutender religiöser Führungsgestalten liegt immer noch im Dunkeln. Der Fall von Ronggye Adrak und seiner drei Gefährten aus Lithang und die harten Gefängnisstrafen, die der Mittlere Volksgerichthof von Kardze wegen der ungenau definierten Anklage der „Gefährdung der Staatssicherheit“ über sie verhängte, machen das Ausmaß der Repression deutlich. Sie zeigen, welchen Preis die Tibeter in Tibet zahlen müssen, wenn sie die in der chinesischen Verfassung verankerten Rechte friedlich ausüben, sowie andere grundlegende Menschenrechte, die von den internationalen auch von China unterschriebenen Verträgen geschützt werden.

Das TCHRD nimmt diesen wichtigen Gedenktag zum Anlass, seine Besorgnis darüber zum Ausdruck zu bringen, dass die im chinesischen Gesetz mit ungenauen Begriffen formulierten Anklagepunkte wie „Gefährdung der Staatssicherheit“, „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung“ immer öfter von der chinesischen Justiz herangezogen werden, um Tibeter festzunehmen und im Gefängnis verschwinden zu lassen. Das TCHRD drängt die chinesische Führung, der Praxis der Folter und der patriotischen Umerziehung in den Klöstern Tibets sofort ein Ende zu setzen. Es verlangt, dass China die Bestimmungen der UN-Konvention gegen Folter (CAT) und des Internationalen Vertrags über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (ICESCR), denen es beiden beigetreten ist, auch respektiert. China sollte seinen Verpflichtungen nachkommen und die Zusatzprotokolle zu dem CAT und dem Internationalen Vertrag über Bürgerliche und Politische Rechte (ICCPR) ratifizieren. Das Zentrum für Menschenrechte und Demokratie ruft die chinesische Regierung erneut dazu auf, sich an die internationalen Menschenrechtsnormen zu halten und die Garantien seiner eigenen Verfassung zu respektieren.