7. Februar 2005
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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Die Menschenrechtssituation in Tibet: Jahresbericht 2004

Das TCHRD veröffentlichte dieser Tage seinen neuesten Jahresbericht "Die Menschenrechtssituation in Tibet 2004", der sich eingehend mit der aktuellen Menschenrechtslage in Tibet befaßt. Für den Inhalt wurden die Ergebnisse unabhängiger Nachforschungen sowie die Aussagen neu in der Exilgemeinschaft eingetroffener Flüchtlinge verwendet. Der diesjährige Bericht konzentriert sich auf die anhaltende Verletzung der Rechte der Tibeter auf Entwicklung und Bildung, der bürgerlichen und politischen Rechte, sowie des Recht auf Information und Religionsfreiheit.

Im Jahr 2004 wurden einige prominente politische Gefangene aus chinesischen Gefängnissen entlassen. Dessen ungeachtet wurden dem TCHRD einundzwanzig Fälle von Verhaftungen wegen des Verdachts auf Aktivitäten, welche in den Augen der chinesischen Regierung "die Staatssicherheit gefährden", bekannt - Aktivitäten etwa, bei denen Freiheit für Tibet gefordert oder einfach nur Verehrung für den Dalai Lama zum Ausdruck gebracht wurde. 2004 saßen den Aufzeichnungen des TCHRD zufolge 146 Tibeter in den verschiedenen über Tibet verteilten chinesischen Haftanstalten ein. 55 von diesen verbüßen Haftstrafen von 10 Jahren und mehr. 63% der politischen Gefangenen, über die man etwas weiß, sind Mönche und Nonnen. Das TCHRD ist der Überzeugung, daß es noch viel mehr unbestätigte Fälle gibt, die Dunkelziffer also wesentlich höher liegt.

Das Recht auf ausgewogene und freie Information bleibt in Tibet weiterhin eingeschränkt - wettgemacht werden soll es durch die vom Staat propagierte Information! Die Regierung greift in den freien Austausch und die Verbreitung von Nachrichten und den Zugang zu Informationen ein, die der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen sollten.

Der Stand der Religionsfreiheit in Tibet gibt im Jahr 2004 weiterhin Anlaß zu schwerer Besorgnis; die Unterdrückung der Religion beeinträchtigt die Ausübung des Buddhismus auf vielen Ebenen. Buddhistische Geistliche sind in Tibet nach wie vor Verfolgung, Schikanen und Einschüchterungsversuchen durch die chinesischen Behörden ausgesetzt. Die "patriotische Umerziehungskampagne", mittels derer Mönche und Nonnen zwangsweise mit der Staatsideologie indoktriniert werden, wurde fortgesetzt.

Im vergangenen Jahr wurde auch der Grad des Geshe Lharampa wieder eingeführt, nachdem er 15 Jahre lang verboten gewesen war. Die Zulassung wurde allerdings an die Bedingung geknüpft, daß alle Bewerber um diesen Grad (bei dem es sich um den höchsten handelt, der durch das Studium der buddhistischen Lehre erworben werden kann) sechs Bücher über politische Ideologie kennen und darüber eine Prüfung ablegen müssen. Auf diese Weise wird die Tradition dieses Titels untergraben.

Die chinesische Regierung versucht beständig, durch die Behauptung, die Tibeter hätten von den Entwicklungsprogrammen Pekings profitiert, jegliche Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik zu entkräften. Die Resultate unserer Nachforschungen und der Interviews mit geflohenen Tibetern sprechen aber eine andere Sprache. Den Tibetern werden systematisch das Recht und die Gelegenheit verweigert, ihre Meinung zu äußern oder an der Entwicklung Tibets mitzuwirken. Die massive Zuwanderung von Han-Chinesen verursacht den Tibetern weiterhin Probleme beim Erwerb ihres Lebensunterhalts. Statt daß sie die Nutznießer der chinesischen Entwicklungsprogramme wären, wird die Mehrheit der Tibeter in allen Bereichen weiterhin marginalisiert und diskriminiert.

Das Recht des tibetischen Volkes auf Bildung wird auch künftig zugunsten eines vom Staat bestimmten Lehrplans, der in erster Linie dazu dient, den Schülern Loyalität gegenüber China und dem Sozialismus beizubringen, nicht beachtet. Seitens der Regierung sind im vergangenen Jahr keinerlei greifbare Maßnahmen im Hinblick auf die Erhaltung der tibetischen historischen, kulturellen oder sprachlichen Identität unternommen worden. Die vorherrschende Unterrichtssprache ist weiterhin Chinesisch, und in dieser Sprache wird den Schülern auch die chinesische Version der Geschichte eingetrichtert und von ihnen verlangt, den Dalai Lama zu verunglimpfen.

Ein positives Signal ist die am 14. März 2004 durch den 10. Chinesischen Nationalen Volkskongreß verabschiedete Aufnahme des Zusatzes über die Menschenrechte in die Verfassung. In Artikel 33 der Chinesischen Verfassung steht jetzt: "Der Staat achtet und schützt die Menschenrechte." Dieser Verfassungszusatz wurde als ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Menschenrechte in China gewertet - allerdings sollte die chinesische Regierung nun auch tatsächlich Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte ergreifen.

Das TCHRD bittet die internationale Gemeinschaft, den Druck auf China auch weiterhin aufrechtzuerhalten, damit dem eigenen Volk die Menschenrechte nicht länger verweigert werden und die internationalen Menschenrechtsvereinbarungen, die von der VR China unterzeichnet oder ratifiziert wurden, beachtet werden.

Des weiteren ruft das TCHRD die chinesische Regierung zur Freilassung aller willkürlich inhaftierten Gefangenen auf, also derjenigen, die aus politischen Gründen im Gefängnis sind, weil sie ihr Recht auf Rede-, Meinungs- und Glaubensfreiheit wahrgenommen haben, sowie zur Veränderung ihrer Rechtsprechung, damit ein fairer und rechtmäßiger Gerichtsprozeß gewährleistet ist. Es ist nicht damit getan, daß China internationale Menschenrechtskodizes ratifiziert oder sich mit schönen Worten zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet - die Menschen in China müssen nun endlich konkrete Verbesserungen sehen und sich davon überzeugen können, daß tatkräftige Schritte zur Achtung und Weiterentwicklung ihrer Menschenrechte unternommen werden.

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