11. März 2004
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
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Neuer Bericht des TCHRD zu Tulku Tenzin Delek

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) hat am 10. März 2004, zeitgleich mit dem 45. Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes, einen neuen Bericht mit dem Titel "Ungerechtes Urteil: Ein Sonderbericht zu Tulku Tenzin Delek" herausgegeben. Am 2. Dezember 2003 erschien bereits ein ähnlicher Bericht auf Tibetisch.

Der 66 Seiten umfassende Bericht gibt einen guten Überblick über den Fall Tulku Tenzin Delek, die Umstände, die zu seiner Verhaftung führten, das unfaire Gerichtsverfahren, die ungenügende Verteidigung, die Hinrichtung seines Gefährten und die Bestätigung der Todesstrafe gegen ihn, sowie die in der chinesischen Verfassung und im Völkerrecht vorgesehenen Regelungen für Gerichtsverfahren und Todesstrafe und wie dagegen verstoßen wurde. Der Bericht basiert hauptsächlich auf Aussagen der Schüler und Anhänger des Tulku, der Leute aus seinem Heimatort und auf Meldungen, die von internationalen und tibetischen Medien veröffentlicht und in den Berichten verschiedener Regierungen und damit befaßter Ausschüsse der Vereinten Nationen erwähnt wurden.

Am 2. Dezember 2002 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Kardze in der Tibetisch Autonomen Präfektur Kardze in der Provinz Sichuan Tulku Tenzin Delek wegen "Verursachens von Explosionen" und "Aufhetzung zum Separatismus" zum Tode mit zweijährigem Vollstreckungsaufschub. Der 28-jährige Lobsang Dhondup, ein früherer Anhänger und entfernter Verwandter von Tulku Tenzin Delek, wurde wegen "Aufhetzung zum Separatismus", "Verursachens von Explosionen" und "illegalem Besitz von Feuerwaffen und Munition" zum sofortigen Tode und lebenslangem Verlust der politischen Rechte verurteilt. Lobsang Dhondup wurde am 26. Januar 2003 hingerichtet, während Tulku Tenzin Delek sich weiterhin in Haft befindet. Die Gerichtsverhandlung fand hinter verschlossenen Türen statt und entsprach nicht den üblichen Rechtsnormen, weshalb sie von NGOs wie Amnesty International als unfair bezeichnet wurde.

Als Antwort auf einen diplomatischen Einspruch der Europäischen Union zu dem Fall Tulku Tenzin Delek Anfang 2004 ließ das chinesische Außenministerium, wie von International Campaign for Tibet mitgeteilt, verlauten, "sein Todesurteil werde vom Datum der Verurteilung an gerechnet und könne auch in ein milderes Urteil abgewandelt werden". Der Artikel 50 des chinesischen Strafgesetzbuches sieht vor, "wenn es erwiesen ist, daß jemand ein vorsätzliches Verbrechen begangen hat, so wird die Todesstrafe nach Überprüfung und Bestätigung durch den Obersten Volksgerichtshof vollstreckt". Eine andere Bestimmung in demselben Gesetz besagt, daß ein Todesurteil in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt werden kann, wenn der Gefangene "während der Zeit des Aufschubs keine vorsätzliche Straftat begeht", und daß die Strafe, wenn "der Gefangene sich ausgesprochen bewährt hat, in eine festgesetzte Haftstrafe von nicht weniger als 15 und nicht mehr als 20 Jahren umgewandelt werden kann".

Obwohl die grundlegenden Menschenrechte auch in der chinesischen Verfassung nicht fehlen, werden sie in der Praxis nur allzu oft ignoriert. Die häufigsten Formen von Menschenrechtsverletzung sind willkürliche Festnahme und Inhaftierung, lang anhaltende Haft ohne Kontakt zur Außenwelt und die Verweigerung eines gesetzmäßigen Prozesses. In den meisten politischen Fällen werden den Angeklagten die grundlegenden gesetzlich verbürgten Rechte und ein ordentlicher Prozeß vom chinesischen Justizsystem vorenthalten, weil der Staat dem Schutz der öffentlichen Ordnung und der Zerschlagung der politischen Opposition mehr Gewicht bemißt als der Einhaltung rechtlicher Normen. Werden die bestehenden Gesetze bei der Prozeßführung derart pervertiert, sind Justizirrtümer nahezu unvermeidlich.

Das TCHRD ist der Ansicht, daß Tulku Tenzin Delek fälschlich beschuldigt wurde, an den Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen zu sein. Nach zuverlässigen Informationen des TCHRD stand er unter ständiger Beobachtung der Behörden, und sie verfolgten ihn wegen seines Einsatzes bei der Förderung und Erhaltung der tibetischen Kultur und Religion, wegen seiner großen Beliebtheit beim Volk und seinem unverhohlenen Bekenntnis zum Dalai Lama und dessen Lehren. Auch mißfiel ihnen sein soziales Engagement im Kreis Lithang, wie etwa die Gründung von Waisenhäusern, Schulen und Altenheimen, der Bau von Klöstern und die Schlichtung von Streitigkeiten unter der ortsansässigen Bevölkerung.

Das TCHRD fordert die Führung in Peking auf, Tulku Tenzin Delek bedingungslos freizulassen, das Justizsystem zu verbessern und das Verfahren gegen ihn unter fairen Bedingungen wieder aufzunehmen. Vor allem ist das TCHRD fest davon überzeugt, daß die gegen Tulku Tenzin Delek erhobenen Anklagen falsch sind und er unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werden muß.