20. August 2003
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., India
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Pressemitteilung

Umweltaktivitäten bedrohen den Lebensunterhalt der Nomaden

Dharamsala, 20.08.03: Dem Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) liegen bestätigte Informationen vor, daß den tibetischen Nomaden aus den TAPs (Tibetisch Autonomen Präfekturen) Golog und Yushul die Umsiedlung droht, womit ihre traditionelle nomadische Kultur in Frage gestellt wird. In einer Regierungsentscheidung vom 16.04.03 wird zu Umweltschutzmaßnahmen und zur Neuanpflanzung von Gras an den Ufern der drei wichtigsten Flüsse der Gegend, Machu, Drichu und Zachu, aufgerufen, um der Desertifikation und der Bodenerosion vorzubeugen. Es wurde auch angeordnet, daß der Viehbestand zum Schutz des Graslandes verringert werden soll, was bei den dort lebenden Nomaden tiefe Besorgnis auslöste.

Gemäß einem Xinhua-Artikel vom 17.04.03 hat die chinesische Regierung im April dieses Jahres beschlossen, große Flächen von Nomaden-Land in eine Grasland-Schutzzone umzuwandeln. Die Umsetzung dieser Verordnung wurde bereits in Angriff genommen und soll innerhalb von fünf Jahren abgeschlossen sein.

Von offizieller Seite wird diese Aktion damit begründet, daß 70 % des Graslandes im Distrikt Matoe in der TAP Golog mittlerweile unfruchtbar geworden seien. Berichten zufolge will die Regierung eine Fläche von 1540 mu (1 mu entspricht 67 qm) einzäunen, um das Grasland zu schützen und neu anzupflanzen. Im Zuge dieser Maßnahmen plant die Regierung die Umsiedlung von 27.679 Nomaden, die von Alters her von diesem Land leben, in eine andere Gegend.

Das TCHRD hat einen Brief von Bewohnern der TAP Golog erhalten, in dem sie ihre Angst und Bestürzung vor der Realisierung dieser neuen Richtlinien zum Ausdruck bringen. Die tibetischen Nomaden betrachten diese Politik als Bedrohung ihrer traditionellen Lebensformen und ihrer Nomadenkultur. Seit Generationen bildet das Grasland, auf dem sie ihre Herden weiden, ihre Existenzgrundlage. Ein Bewohner der Gegend sagte, die Nomaden fühlten sich durch die angeordnete Verringerung ihres Viehbestands und die Umsiedlung wie "Fische, die aus dem Wasser geworfen wurden".

In einem Xinhua-Artikel heißt es, die Behörden würden im Rahmen der Aktion den von der Umsiedlung betroffenen Personen eine gewisse Menge Getreide pro mu Ackerland als Entschädigung liefern und hätten außerdem Arbeitsförderungsmaßnahmen für sie vorgesehen. Die Nomaden haben bereits deutlich gemacht, daß sie von dem ganzen Plan nichts halten, außerdem würden sie auf dem Sektor der Bildung und Berufsausbildung ohnehin schon benachteiligt.

Bei diesem Umsiedlungs- und Wiederanpflanzungsprogramm handelt es sich um eine weitere "Umweltinitiative" als Reaktion auf die Überschwemmungen von 1998 in China. Man könnte es auch als Teil des viel gepriesenen "Western Development Programme" (WDP) ansehen, das im Jahr 1999 in die Wege geleitet wurde. Derartige Projekte bereiten den Tibetern bei der Sicherung ihres Lebensunterhaltes große Probleme. Dies ist keineswegs der einzige Fall, wo in ihr Recht auf eine ihnen gemäße Lebensform massiv eingegriffen wird. Das TCHRD hat viele ähnliche Verstöße dokumentiert und veröffentlicht.

Auf Grund eines Erlasses der chinesischen Regierung vom 12.05.03 wurden 8.000 Tibeter zur Umsiedlung gezwungen, damit das Mega-Bauprojekt zur Errichtung von sieben Dämmen im Bezirk Barkham, TAP Ngaba, Provinz Sichuan durchgeführt werden kann. Infolge des Dammprojekts sind viele buddhistische Heiligtümer und uralte Wahrzeichen dem Untergang geweiht.

Im Dezember 2001 hatten die chinesischen Behörden 60 Familien aus dem Bezirk Gonjo, Präfektur Chamdo, in die Präfektur Nyingtri (Kongpo), TAR, umgesiedelt. Diesen Familien, zumeist Bauern, die sich von jeher von dem Ertrag ihrer Felder ernährten, wurde eine Geldstrafe von 70.000 Yuan angedroht, sollten sie der Anordnung nicht nachkommen. Die zwangsumgesiedelten Familien sahen sich in ihrer neuen Umgebung mit enormen Problemen konfrontiert. Wie sie es aus ihrer Heimat gewohnt waren, versuchten sie Getreide anzubauen, was jedoch nicht gelang. Um ihre Familie ernähren zu können, mußten viele auf der Suche nach Arbeit nach Lhasa gehen. Die Regierung versprach ihnen finanzielle Entschädigung, aber nie haben sie auch nur einen Groschen davon gesehen.

Das TCHRD ist über die Notlage der betroffenen Tibeter, deren traditionelle Art der Sicherung ihres Lebensunterhalts durch die Verringerung des Viehbestands ernstlich gefährdet wird, zutiefst besorgt. Eine derartige Politik beweist, daß die Machthaber keinerlei Respekt für die Fähigkeiten und Kenntnisse der tibetischen Nomaden in Bezug auf den Erhalt des Graslandes haben. In den Augen des TCHRD ist dies eine weitere Maßnahme zur Zerstörung eines wertvollen und wichtigen Zweigs der tibetischen Kultur.