1998
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)

Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., phone/fax +91/1892/23363, e-mail: dsala@tchrd.org, website: www.tchrd.org

Hinter Gittern - Gefängnisbedingungen in Tibet

(Behind Bars - Prison Conditions in Tibet)

Inhalt
  1. Erklärung der Fachausdrücke und Abkürzungen
  2. Einführung
  3. Gefängnisse und ihr Standort (Tabelle der hauptsächlichen Gefängnisse)
    1. Drapchi Gefängnis
    2. Sangyip Gefängnis
    3. Gutsa Haftzentrum
    4. Gefängnis Trisam
    5. Gefängnis Powo Tramo
    6. Tibetisches Militärgefängnis
    7. Präfektur-Haftzentren und laojiao
    8. Haftzentrum von Shigatse-Nyari
    9. Kreis Lhoka Nyadong/Haftzentrum Tsethang
    10. Chamdo Sethog Thang Haftzentrum
    11. Gefängnisse außerhalb der TAR
  4. Das Chinesische Rechtssystem
    1. Untersuchungshaft
    2. Prozeß und Verurteilung
    3. Laojiao - "Umerziehung-durch-Arbeit"
    4. Gefängnisse und laogai "Reform-durch-Arbeit"
    5. Nach der Entlassung
  5. Brief der politischen Gefangenen von Drapchi vom März 1997
  6. Haftbedingungen
    1. Allgemeines
    2. Die Haftbedingungen im Drapchi Gefängnis
    3. Die Bedingungen in der Gutsa Haftanstalt
    4. Die Bedingungen im Trisam Gefängnis
    5. Die Bedingungen in der Haftanstalt Sangyip
    6. Die Bedingungen in anderen Gefängnissen
  7. Gefängniskost
    1. Allgemeines
    2. Hungertod von Gefangenen in den 60er Jahren
  8. Gefängnisarbeit
  9. Politischer Unterricht
  10. Vernehmungen, Folter und Mißhandlungen
    1. Allgemeines
    2. Der Einsatz von Hand- und Fußschellen
    3. Bestrafung
  11. Medizinische Behandlung
  12. Einzelhaft
  13. Proteste in der Gefangenschaft
    1. Allgemeines
    2. Die Proteste in Drapchi vom Mai 1998
    3. Die Proteste in Drapchi von 1990 und 1991
  14. Besuche im Gefängnis
  15. Das Recht auf Ausübung der Religion
  16. Behandlung von weiblichen Gefangenen
  17. Kurzbiographien der interviewten ehemaligen Gefangenen
    1. Adhe Tapontsang (Ama Adhe)
    2. Bagdro
    3. Damchoe Palmo
    4. Dawa Kyizom
    5. Dorje Namgyal
    6. Gaden Tashi
    7. Gyaltsen Choetsoe
    8. Gyaltsen Pelsang
    9. Jampel Monlam
    10. Leusang
    11. Lhundup Monlam
    12. Lobsang Shakya
    13. Lukar Jam
    14. Ngawang Choedon
    15. Ngawang Choezom
    16. Palden Gyatso
    17. Rinzin Kunsang
    18. Sonam Dolkar
    19. Tenzin Choedon
    20. Thupten Tsering
    21. Yeshe Togden
    22. Yeshi Damdul
  18. Zusammenfassung
  19. Empfehlungen
  20. Gefängniserweiterung zur Unterbringung von mehr Gefangenen
  21. Bibliographie

Teil A

Erklärung der Fachausdrücke und Abkürzungen

APL: (Administrative Punishments Law of the PRC) Administratives Strafgesetz der VR China
Barkhor: Zentraler Umrundungsweg und Marktplatz um den Jokhang Tempel in Lhasa
CEDAW: (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women) Konvention zur Ausschaltung aller Formen der Diskriminierung von Frauen
CPL: (Criminal Procedure Law) das revidierte Kriminalverfahrensgesetz der VR China, das am 1. 1. 1997 in Kraft trat.
CRC: (Convention on the Rights of the Child) Konvention für die Rechte des Kindes
Drapchi Gefängnis: Offiziell als das Gefängnis Nr. 1 der TAR (Tibet Autonomous Region).bezeichnet.
Gefährdung der Staatssicherheit: Ein von dem revidierten Kriminalgesetz als Ersatz für "konterrevolutionär" eingeführter Begriff
Gyama: Gewichtsmaß etwa 500 g entsprechend
Haftanstalt: (chin. kanshuosuo) Ort, an dem Verdächtigte ohne Anklage festgehalten werden und bis zur Verurteilung vernommen werden. Gutsa ist die Haftanstalt für den Bezirk Lhasa und Seitru für die TAR
ICCPR: (International Covenant on Civil and Political Rights) Internationale Vereinbarung über zivile und politische Rechte der UNO
ICESCR: (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights) Internationale Vereinbarung über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der UNO
ICJ: (International Commission of Jurists) Internationale Juristenkommission
Jokhang: Der heiligste Tempel Tibets, im Zentrum der Altstadt von Lhasa gelegen.
Konvention gegen Folter: UNO Konvention gegen Folterung und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Gefangenen
Konterrevolutionär: Ein juristischer und politischer Ausdruck für einen Staatsfeind oder irgendeinen Akt, der "mit dem Ziel des Sturzes der politischen Macht der Diktatur des Proletariats und des sozialistischen Systems begangen wird" (Chinesisches Kriminalgesetz, 1980, Art. 90). In dem revidierten Kriminalgesetz wurde dieser Begriff durch "Gefährdung der Staatssicherheit" ersetzt.
Kreis: (tib. dzong oder shen, chin. xian) Verwaltungseinheit, ähnlich einem Distrikt.
Kulturrevolution: Der von Mao Zedong konzipierte Feldzug, um die Kontrolle der Partei wiederherzustellen, wobei jungen Chinesen befohlen wurde, die "Vier alten Übel" (alte Ideen, alte Kultur, alte Gebräuche, alte Gewohnheiten) auszurotten. Die Chinesen nennen diese Zeit von 1966-1976 nun die "Zehn schlechten Jahre". In Tibet wird sie manchmal bis 1979 dauernd gerechnet.
Lhasa City: Dieser Verwaltungsbezirk umfaßt die Stadt Lhasa, die Hauptstadt Tibets, sowie acht Landkreise.
Laogai: Lager für juristisch verurteilte Gefangene zur Reformierung-durch-Arbeit
Laojiao: Kurzform für laodong jiaoyang, ein Lager zur Umerziehung-durch-Arbeit, das für administrativ verurteilte Gefangene zuständig ist.
Monlam: Das große Gebetsfest, das traditionell in der dritten Woche des tibetischen Neuen Jahres gefeiert wird.
Momo: Gefüllte Klößchen
Mu: Flächenmaß, etwa gleich 67 qm
Mutterland: Ein von den Chinesen zur Bezeichnung ihrer Nation verwendetes Wort, das Tibet mit einschließt.
Norbulingka: Sommerpalast des Dalai Lama in Lhasa
PAP: (chin. Wu Jing) (People's Armed Police) bewaffnete Volkspolizei, eine paramilitärische Truppe, die für innere Sicherheit, Grenzschutz und Gefängnisse zuständig ist.
Potala Palast: Offizielle Residenz des Dalai Lama in Lhasa
PRC: (People's Republic of China) Volksrepublik China
Präfektur: Verwaltungseinheit unter der Ebene einer Provinz und über der Ebene eines Landkreises. Die TAR ist in fünf Präfekturen unterteilt, von denen jede wiederum aus sieben und mehr Landkreisen besteht.
Prokuratur: Regierungsbehörde, welche für die Untersuchung und Verfolgung von Straffällen zuständig ist.
PSB: Public Security Bureau (chin. Gong An Ju), Polizeibehörde auf Lokalebene, welche für die Verhaftung und Festnahme von Verdächtigen und die Festhaltung vor dem Prozeß verantwortlich ist
Sang: Maßeinheit, etwa 50 g (10 sang machen 1 gyama aus)
Shang: (chin. xiang): Stadtgemeinde
Spalter: (tib. khadrel ringluk) Terminus der Partei zur Bezeichnung jener Tibeter, die für Unabhängigkeit und den Dalai Lama sind
Tingmo: (tib.) Dampfwecken
Thukpa: (tib.) Nudelsuppe
TAP: Tibetan Autonomous Prefecture. Zehn dieser Verwaltungsbezirke unter der Ebene einer Provinz oder Region, die vorwiegend tibetischer Bevölkerung sind und in Nord- und Ost-Tibet (in den ehemaligen Provinzen Kham und Amdo) liegen, gibt es außerhalb der TAR.
TAR: (Tibet Autonomous Region) die von der PRC formell 1965 eingerichtete Autonome Region Tibet, die Zentral- und Welt-Tibet umfaßt, stellt das einzige Gebiet dar, das von der PRC als "Tibet" anerkannt wird.
Thamzing: (tib.) "Kampfsitzung" während der Kulturrevolution, bei welcher der Angeklagte öffentlich gedemütigt und oft heftig angegriffen wurde, wozu manchmal sogar seine Freunde und Familienglieder gezwungen wurden.
TIN: Tibet Information Network, eine unabhängige Organisation in London, welche die Lage in Tibet verfolgt
Ting: (chin.) Regierungsabteilung oder Behörde auf der Ebene einer Provinz oder autonomen Region.
Topden: Person, welche die traditionelle Himmelsbestattung durchführt
Tsampa: geröstetes Gerstenmehl
Tsuglhakhang: (oder Jokhang) der heiligste Tempel in Tibet
UDHR: (Universal Declaration of Human Rights) Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
UN: (United Nations) Vereinte Nationen
Xizang: (chin.) Tibet, nur das Gebiet, welches heute die TAR umfaßt
Yuan: Chinesische Währung, 8 Yuan machen annähernd einen US$ aus.

Teil B

Einführung

Die Menschenrechte in Tibet werden auf vielerlei Weise verletzt. Grundsätzlich wird den Tibetern verweigert, ihre Rechte auf Ausdrucksfreiheit, freie Versammlung und freie Vereinigung wahrzunehmen. Wenn sie bei dem Versuch der Ausübung dieser Rechte erwischt werden, droht ihnen Verhaftung, was die Verletzung weiterer Rechte nach sich zieht, so etwa des Rechtes, keiner Folter zu unterliegen und menschlich behandelt zu werden. Weiterhin werden sie in der Gefangenschaft in dem Recht der Praktizierung ihrer Religion eingeschränkt.

Dieser Bericht wurde hauptsächlich auf der Basis von 22 Interviews zusammengestellt, die in der ersten Hälfte 1998 in Dharamsala geführt wurden. Alle Befragten sind ehemalige tibetische politische Gefangene, die zwischen 11 Jahren und unter einem Jahr im Exil leben. Sie wurden ausgewählt, um Aussagen über eine Reihe von Gefängnissen und Zeitabschnitten zu bekommen, obwohl es hauptsächlich um das Drapchi Gefängnis und die Gutsa Haftanstalt, als den Strafanstalten, in denen die meisten Gefangenen eingesperrt sind, geht. Es handelt sich vor allem um Berichte aus den letzten zehn Jahren, um die aktuelle Behandlung von Gefangenen zu beleuchten. Der Bericht beschränkt sich in seinem Umfang auf den Umgang mit politischen Gefangenen, da nur sie für Interviews zur Verfügung stehen. Die alleine auf der Grundlage der Interviews zusammengestellten Informationen wurden soweit dies möglich ist, überprüft.

Es geht hier um die Verhältnisse in den chinesischen Strafanstalten. Das Wort "Gefängnis" bezieht sich in dem Bericht auf alle Einrichtungen, welche die Chinesen nicht nur als Gefängnisse, sondern auch als "Zentren zur Reform durch Arbeit", "Zentren zur Umerziehung durch Arbeit" oder Haftzentren bezeichnen. Die Verhältnisse in den verschiedenen Einrichtungen liegen nämlich sehr ähnlich, und von den Insassen selbst werden sie als Gefängnisse bezeichnet. Tibeter werden oft bis zu sechs Monaten unter Umständen darin gehalten, die mindestens ebenso schwer wie in den Gefängnissen sind, weshalb es so wesentlich ist, ihre Erfahrungen zu dokumentieren.

Vor der chinesischen Besetzung Tibets gab es nur zwei Gefängnisse in Lhasa, die beide sehr klein waren. Einer der Interviewten, Thubten Tsering, erinnert sich, wie man vor 1949 davon sprach, daß es schrecklich ist, so viele Verbrecher zu haben - und dabei gab es in beiden Gefängnissen gerade 15 Straftäter! Außerdem fungierten einige der Klöster als inoffizielle Strafanstalten, wenn Kriminelle in ihrer Nähe gefaßt wurden. Nach der Besetzung Tibets 1959 wurden noch nie dagewesene Zahlen von Tibetern ins Gefängnis geworfen, weil sie sich gegen die Unterdrückung erhoben. Der Panchen Lama stellte im März 1987 in einer Rede an den Ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses fest: "1959 gab es Rebellionen in Tibet, Streitkräfte wurden entsandt, um die Unruhen niederzuzwingen, was ein richtiger Schritt war, der nicht getadelt werden sollte. Doch wurden dabei eine Menge unschuldiger Leute verfolgt. Viele Fehler wurden in der Art und Weise, wie die Niederschlagung gehandhabt wurde, begangen. Die Machthaber machten keinen Unterschied zwischen denjenigen, die der Teilnahme an den Revolte schuldig waren und den Unschuldigen. Die Leute wurden willkürlich verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Es gab keine Vernehmung. Beim bloßen Anblick wurden die Tibeter ins Gefängnis gesteckt und geschlagen. Solche Dinge sind heute immer noch an der Tagesordnung in Tibet."

Seit 1959 hat sich die Anzahl der Strafanstalten in Tibet vervielfacht. Offizielle Statistiken der PRC sind nur schwer zu bekommen, weil die chinesische Regierung den Fluß der Informationen streng kontrolliert. Es ist jedoch klar, daß die Anzahl der Gefängnisse und Haftanstalten dramatisch gestiegen ist und daß ihre Kapazität immer mehr ausgedehnt wird, um mit der stets steigenden Zahl von sowohl kriminellen als auch politischen Gefangenen fertig zu werden. Im Mai 1998 sagte der Präsident des Obersten Volksgerichts Bai Zhau, daß in den letzten 5 Jahren in der TAR 6.291 Personen vor Gericht gestellt wurden, von denen nur 0,73% als unschuldig erfunden wurden. Über die Hälfte der Angeklagten wurden mit Urteilen von 5 Jahren bis zum Tod belegt. Er sagte auch, daß 1996 einer Polizeirazzia gegen Verbrecher 1.286 Personen ins Netz gingen. Wie viele der Angeklagten Tibeter waren, erwähnte er jedoch nicht. Im Mai 1998 erklärte ein Vertreter der Justizbehörde den damals auf Besuch weilenden drei Botschaftern der EU, daß es in den verschiedenen Gefängnissen der TAR insgesamt etwa 1.800 Straftäter gebe, und daß 1997 im Durchschnitt annähernd 1.300 Personen in den Haftzentren festgehalten wurden. Diese Aussagen von Regierungsvertretern der TAR scheinen nicht mit den darin genannten Zahlen im Einklang zu stehen, aber die tatsächliche Anzahl von Gefangenen zu schätzen, ist nicht anders möglich als aufgrund der von den Chinesen gelieferten Information. Die Zahlen beziehen sich nur auf die juristisch verurteilten Häftlinge, nicht auf jene die "administrativ" verurteilt wurden und die bis zu 4 Jahren ohne Prozeß festgehalten werden können.

Während es schon schwer genug ist, die Zahl der kriminellen Gefangenen in Tibet herauszufinden, ist es unmöglich, eine genaue Zahl der tibetischen politischen Gefangenen in chinesischen Gefängnissen zu nennen. Es überrascht nicht, daß die chinesischen Statistiken ein sehr verschiedenes Bild von dem anderer Gruppen, welche die Lage verfolgen, abgeben. Offizielle Gefangenenzahlen stehen nicht zur Verfügung, Ende 1997 schätzte das TCHRD jedoch, daß es über 1.200 politische Gefangene in Tibet gibt, darunter 295 Frauen und 39 Minderjährige unter 18 Jahren. Im Gegensatz dazu behauptete die chinesische Regierung 1991, daß es bei ihnen überhaupt keine politischen Gefangenen gebe, weil unter dem chinesischen Kriminalgesetz nämlich alle Gefangenen mit politischen Motiven krimineller Straftaten wegen überführt wurden. Am 1. September 1997 sagte Tsering Phuntsog, der Direktor des Amtes für die Gefängnisverwaltung der TAR, daß etwa 155 Gefangene der TAR mit "Gefährdung der Staatsicherheit" belastet wurden, was 9% der gesamten Anzahl der Insassen ausmacht. In einer 1995 von TIN, einem unabhängigen Tibet-Nachrichtendienst in London, durchgeführten Studie wurde gefunden, daß nur 18 Gefangene von über 1.000 Fällen, die als politische Festhaltungen bezeichnet wurden, Gewalttaten verübt hatten. Von 879 politischen Gefangenen wurden 65,3% wegen Demonstration verhaftet und 15,5% wegen des Schreibens und Verteilens von Flugblättern.

Die in diesem Bericht gelieferte Information bezieht sich im wesentlichen auf die TAR und nicht auf das ganze Tibet, wie es vor der chinesischen Besatzung bestand. Die tibetische Regierung im Exil vertritt die Ansicht, daß Tibet vor 1949 aus drei Provinzen bestand: U-Tsang, Amdo und Kham. Seit der chinesischen Besatzung wurde Tibet in die TAR (die hauptsächlich aus U-Tsang besteht) und einige andere Provinzen, nämlich Qinghai, Sichuan, Gansu und Yunnan zerschnitten. Fast alle Interviewten, deren Berichte hier niedergelegt sind, stammen aus der TAR. Angesichts der Schwierigkeit, Informationen über andere tibetische Provinzen zu erhalten und zu bestätigen, bleibt der Umfang dieses Berichtes auf die TAR beschränkt.

Die internationale Gemeinschaft hat sich der Sache des menschenwürdigen Umgangs mit Gefangenen angenommen, indem sie die Universelle Deklaration der Menschenrechte (UDHR), die Standard-Minimum-Vorschriften der UNO für die Behandlung von Gefangenen, die Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Behandlung und Bestrafung, die Konvention über die Rechte des Kindes (CRC), die Internationale Vereinbarung über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und die Internationale Vereinbarung über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) verkündete. Zusammen genommen setzen diese Übereinkünfte einen Mindeststandard, nach dem Menschen überall auf der Erde, auch die Gefangenen, ungeachtet ihrer Nationalität oder politischen Einstellung behandelt werden sollten.

Die PRC ist eine Reihe von internationalen gesetzlichen Verpflichtungen eingegangen, sie hat u.a. die Konvention gegen Folter, die CRD und die CEDAW ratifiziert. Die Volksrepublik hat jedoch die ICCPR noch nicht unterschrieben oder ratifiziert (1998). Am 28. Oktober 1997 unterschrieb die PRC die ICESCR, die nun zur Ratifizierung ansteht.

In ihrem Weißbuch mit dem Titel "Neuer Fortschritt in Menschenrechten in Chinas Autonomer Region Tibet", das im Februar 1998 herauskam, behauptet die PRC, daß "die Justizbehörden der TAR streng in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen die Grundrechte und Freiheiten, sowie andere legale Rechte und Interessen der Bürger aller Volksgruppen in Tibet beschützen. Sie schützen auch das Vermögen der öffentlichen Hand und das rechtmäßige Privatvermögen der Bürger, sie bestrafen jene Gesetzesübertreter, welche die Gesellschaft gefährden, und sie wahren die gesellschaftliche Ordnung nach dem Gesetz. Die Verbrechens- und die Gefangenenrate der TAR liegen unter dem nationalen Durchschnitt. Die legalen Rechte von Kriminellen werden vom Gesetz geschützt, und es besteht keine Diskriminierung gegen Angehörige ethnischer Minoritäten oder religiöser Sekten, sondern es wird Rücksicht genommen auf ihren Lebensstil und ihre Gebräuche... Jedes Gefängnis hat eine Krankenstation, die Anzahl von Gefängnisärzten liegt über dem nationalen Durchschnitt. Strafgefangene haben Ruhetage, Ferien und ihre traditionellen ethnischen Festtage gemäß den vereinheitlichten Richtlinien des Staates. Gefangene können jeden Monat einmal Besuche bekommen, sie können eine Reduzierung ihres Strafmaßes gewinnen, sie können aus medizinischen Gründen entlassen werden und gemäß dem Gesetz verschiedene Belohnungen erhalten."

Traurigerweise werden diese Behauptungen von den Berichten der Interviewten oder Informationen solcher Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International, Human Rights Watch, TIN und dem TCHRD in keiner Weise bestätigt.

In den letzten Jahren besuchte eine Reihe von Delegationen auf Einladung der chinesischen Regierung und unter streng erzwungenen Bedingungen Tibet. Solchen Abordnungen wurde gelegentlich Zugang zu den Gefängnissen in Tibet gewährt, wie etwa den drei Botschaftern der EU im Mai 1998. Die sich aus solchen Besuchen ergebenden Berichte zeugen gewöhnlich davon, daß die Delegationen auf ziemliche Probleme stoßen, wenn sie die wahre Lage in den Gefängnissen einzuschätzen wollen, weil sie nicht frei mit den Gefangenen sprechen dürfen. Die EU Botschafter besuchten beispielsweise Drapchi am 4. Mai, d.h. drei Tage nach dem ersten Gefängnisprotest und am Tag des zweiten Protestes, die zum Tod von 11 Gefangene führten. Die Delegation hat von beiden Protesten überhaupt nichts erfahren. Die beste Methode, um Informationen über Gefängnisse zusammenzutragen, ist die langfristige und systematische Beobachtung, wie sie von den genannten Menschenrechtsgruppen durchgeführt wird.

Trotz eindeutiger internationaler Richtlinien, welche die angemessene Behandlung von Gefangenen genau definieren, stellen die Zeugnisse der Befragten ernsthaft in Frage, ob und inwieweit die chinesische Regierung sich an die eingegangenen Verpflichtungen hält. Der Art. 6 der UDHR sieht vor, daß "niemand Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden darf", doch die Berichte der ehemaligen politischen Gefangenen sind mit Beschreibungen solcher Mißhandlungen geradezu gespickt.

Teil B

Gefängnisse und ihr Standort

Als die drei EU Botschafter im Mai 1998 Tibet besuchten, wurden sie von einem Vertreter der Justizbehörde informiert, daß es drei Gefängnisse in Tibet gebe: Drapchi, das Lhasa Stadtgefängnis (wahrscheinlich ist damit Outridu gemeint) und Pomi in der Präfektur Linzhi (oder Powo Tramo in Kongpo, Nyingtri). Weiterhin wurden ihnen gesagt, daß etwa 1.800 Missetäter in diesen Gefängnissen festgehalten werden. Nur Gefangene, die von einem Gericht verurteilt wurden, kommen in diese Gefängnisse. Offiziell ist Drapchi nur für gerichtlich verurteilte Gefangene, die Haftstrafen über 5 Jahren ableisten, zuständig, aber Tatsache ist, daß sich auch Gefangene mit kürzeren Haftstrafen dort aufhalten. Drapchi war früher das einzige offiziell anerkannte Gefängnis der TAR, doch 1994 erließ der Nationale Volkskongreß ein neues "Gefängnisgesetz", in dem der Begriff laogai durch Gefängnis ersetzt wird. Daher werden ehemalige laogai (Lager zur Reform durch Arbeit) wie Powo Tramo nun als Gefängnisse bezeichnet, obwohl sich die Verhältnisse dort nicht geändert haben. Die offizielle staatliche Verlautbarung lautet: "Von nun an wird das Wort laogai nicht mehr vorkommen, aber die Funktion, der Charakter und die Aufgaben unseres Gefängniswesens bleiben unverändert."

Die Insassen der Gefängnisse müssen sich an die Vorschriften des "Ausschusses für Gefängnisse der TAR" halten, der auch für das Gefängnispersonal und die Verwaltungsarbeit zuständig ist.

Zusätzlich gibt es noch eine ganze Reihe von administrativen Haftanstalten, die laojiao oder Anstalten zur Umerziehung-durch-Arbeit genannt werden. Die in diesen Anstalten festgehaltenen Personen werden ohne Prozeß von quasijuristischen Verwaltungskomitees verurteilt und ohne irgendeine Form von Rechtsverfahren oder Berufungsrecht bis zu drei Jahren eingesperrt. Die Haftfrist kann auf 4 Jahre ausgedehnt werden. Es gibt drei solcher Orte der Festhaltung in dem Stadtbezirk von Lhasa, die als Yitridu, Outridu und Trisam bekannt sind. Yitridu und Outridu bilden beide Teile des Sangyip Komplexes. Außerdem gibt es sechs Administrativhaftanstalten auf Präfekturebene außerhalb des Bezirks Lhasa, die auch als laojiao fungieren. Nach der den EU Botschaftern im Mai 1998 gelieferten Information soll es in Lhasa eine Anstalt zur Umerziehung mit etwa 100 Insassen und eine weitere in der Präfektur Ngari geben, während eine weitere in der Präfektur Chamdo gebaut wird. "Umerziehung-durch-Arbeit" sei ein viel freieres System, die Türen seien nicht verschlossen und die Insassen würden ohne Aufsicht arbeiten, wurde ihnen weiterhin erklärt.

Die Festgenommenen kommen zuerst zur Befragung in die Haftzentren. Die Dauer der Inhaftierung dort ist verschieden, gewöhnlich beträgt sie etwa 6 Monate und während dieser Zeit haben die Verhafteten nur mit ihren Zellengenossen, falls sie nicht alleine sind, und den Vernehmern Kontakt. Die hauptsächlichen Haftanstalten sind Gutsa für den Bezirk Lhasa und Seitru, das innerhalb des Sangyip Komplexes untergebracht ist, für die TAR. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Kreisgefängnissen, wo lokale Demonstranten gehalten werden, ehe sie der Haftanstalt ihrer Präfektur oder der Stadt Lhasa ausgehändigt werden. So weiß man von tibetischen Dissidenten, die in den Kreisgefängnissen von Meldrongongkar, Taktse, Toelung, Lhatse, Phenpo Lhundrup, Tingri, Nyalam und Lhokha Gongkar festgehalten wurden. Viele Tibeter, die bei der Flucht aus Tibet gefaßt werden oder die aus Indien und Nepal nach Tibet zurückkehren, kommen zuerst in die Haftzentren von Tingri oder Nyalam, ehe sie in das Gefängnis von Shigatse weitergeleitet werden. Darüber hinaus werden Tibeter auch einige Zeit in lokalen Polizeistationen gehalten, ehe sie in eine andere Haftanstalt verlegt werden. Dem EU Dreigespann wurde erklärt, daß jede Präfektur und eine Reihe von Landkreisen ein örtliches Haftzentrum hätten und daß 1997 durchschnittlich 1.300 Straftäter in diesen Zentren eingesperrt waren.

Übersicht Gefängnisse

Die folgende Tabelle zeigt die hauptsächlichen Gefängnisse und Strafanstalten der TAR

Tibetischer Name Offizieller Name Ort Typ
Drapchi TAR Gefängnis No. 1 Lhasa Gefängnis
Powo Tramo TAR Gefängnis No. 2 650 km östl. von Lhasa Strafanstalt/Zwangsarbeit
Outridu Einheit No. 5/Lhasa Gefängnis Lhasa Gefängnis/laojiao
Sangyip/Yitridu Einheit No. 1 Lhasa laojiao/Zwangsarbeit
Seitru No. 4 Zweigstelle Lhasa TAR Untersuchungshaftzentrum
Gutsa Einheit No. 4 Lhasa PSB-Haftzentrum
Trisam unbekannt 14 km westl. von Lhasa laojiao
Tibet Militärgefängnis unbekannt 11 km östl. von Lhasa Militärgefängnis
Chamdo Sethog Thang unbekannt Kreis Chamdo Haftzentrum
Shigatse Nyari unbekannt 7 km NW von Shigatse PSB-Haftzentrum
Tsethang unbekannt Kreis Lhoka Nyadong Haftzentrum

In diesem ganzen Report wird der Begriff "Verhaftung" in demselben Sinn wie Festnahme gebraucht, was heißt, daß eine Person von der Polizei oder den Sicherheitskräften in Verwahrsam genommen wird. In offiziellen chinesischen Dokumenten bedeutet der Begriff "Verhaftung" nur die formelle Anklageerhebung gegen einen Eingesperrten, welche, falls sie überhaupt stattfindet, erst Monate, nachdem die Person festgehalten wurde, erfolgen kann. Die hier gedruckten Gefängnispläne wurden von ehemaligen Gefangenen dieser Anstalten gezeichnet.

B 1)

Das Drapchi Gefängnis

Das Drapchi Gefängnis (chinesisch: Di Yi Jianyu - Gefängnis No. 1) wird auch manchmal unter dem Namen "TAR Automobilwerk" erwähnt. Man nimmt an, daß das in den nordöstlichen Vororten von Lhasa gelegene Gefängnis 1960 gebaut wurde. Wegen Überbelegung wurde das südliche Gefängnistor von Drapchi kürzlich niedergerissen, und die Arbeiten zur Erweiterung begannen im April 1998.

Im Dezember 1989 wurde Drapchi in 5 Sektionen unterteilt, und zum ersten Mal gab es eine eigene Abteilung für männliche politische Gefangene. Ab 1993 wurde Drapchi erweitert und in 7 Sektionen unterteilt: die erste, zweite, vierte, sechste und siebte sind für männliche Kriminelle, die dritte für sowohl politische als auch kriminelle weibliche Gefangene und die fünfte für männliche politische Gefangene. Die fünfte Sektion wurde weiterhin in zwei Unterabteilungen geteilt. Jede Zelle der fünften Sektion ist für 12 Gefangene angelegt, während es in jeder Unterabteilung 12 Zellen gibt. Diese 7 Sektionen sind gegenwärtig in 8 Blöcken untergebracht. Zu lebenslänglicher Haft oder Hinrichtung nach zwei Jahren verurteilte Straftäter kommen in die erste Sektion.

Am 30. Oktober 1997 berichtete der BBC Nachrichtendienst, daß laut Xinhua in dem Drapchi Gefängnis 968 Insassen, einschließlich 200 Frauen sind, wovon 75% ethnische Tibeter (726) ausmachen. Der Gefängnisdirektor Lobsang Geleg sagte, daß die Insassen nicht mehr als 6 Stunden täglich und fünf Tage in der Woche arbeiteten, und jeder Gefangene mindestens 7 Stunden Unterricht in der Woche besucht. Das Gefängnis würde angesehene Persönlichkeiten und Gelehrte einladen, um über Staatsrecht, tibetische Geschichte, Entwicklung und Fortschritt zu sprechen. Die Unterhaltskosten pro Kopf hätten nun jährlich 2.500 Yuan erreicht, die höchste Ziffer aller chinesischen Gefängnisse.

Im Januar 1998 berichtete das TCHRD, daß nach seinen Unterlagen in Drapchi 350 politische Gefangene eingesperrt sind. Chinesische Politiker erklärten kürzlich, daß etwa 800 Gefangene dort seien, von denen 75% Tibeter, 20% Han Chinesen und 5% andere Minderheiten sind. Sie fügten hinzu, daß über 90 Gefangene wegen "Verbrechen gegen die Staatssicherheit" in Drapchi eingesperrt seien. Einem Brief zufolge, der im März 1997 von in Drapchi einsitzenden tibetischen politischen Gefangenen geschrieben wurde, gab es damals 520 tibetische politische Gefangene, von denen 250 Frauen und 270 Männer waren.

Nur gerichtlich verurteile Gefangene kommen nach Drapchi. Ausländischen Besuchern wurde erklärt, daß die dort inhaftierten Männer Urteile von fünf Jahren oder darüber hätten. Tatsächlich haben viele männliche Insassen jedoch kürzere Haftstrafen. Es scheint, daß alle von einem Gericht verurteilten politischen weiblichen Fälle nun unabhängig von der Länge ihrer Verurteilung in Drapchi eingeliefert werden. Im Mai 1998 behauptete China, daß sich alle religiösen Gefangenen (Mönche und Nonnen) in Drapchi befinden. Man nimmt an, daß Drapchi ein oder auch mehrere Arbeitslager angeschlossen sind.

Es gibt einen kleinen Basketballspielplatz, wo die Gefangenen versammelt und Besucherdelegationen empfangen werden. Man nimmt an, daß diese in oder neben den Verwaltungsbüros unterrichtet und dann zu den Gefängnisblöcken der Kriminellen geführt werden. Die Blöcke mit den politischen Gefangenen werden ihnen nicht gezeigt. Der Plan vom Drapchi Gefängnis zeigt die Anordnung im einzelnen.

B 2)

Das Sangyip Gefängnis

Sangyip trägt den offiziellen Namen "Zweigstelle Nr. 1 der Bewaffneten Volkspolizei". Es handelt sich um einen in den nordöstlichen Vororten Lhasas gelegenen Militär- und Gefängniskomplex. Man nimmt an, daß es 1964 eröffnet wurde und die folgenden Anstalten einschließt:

· Sangyip oder Yitridu Gefängnis (chin. Di yi zhidui - Einheit Nr. 1), das entweder ein "Zentrum zur Umerziehung durch Arbeit" (laojiao) auch als "Administrativhaft-Zentrum" beschrieben, oder ein "Arbeitsbeschaffungs-Zentrum", also eine Quasi-Haftanstalt, wo Gefangene selbst nach ihrer Entlassung noch, hier etwa in der Fahrzeugreparatur arbeiten müssen. Wahrscheinlich liegt es in der offiziell als "PAP Automobilteam" bezeichneten Einzäunung oder in der offiziell als "PAP Zweigstelle Nr. 1" benannten Haftanlage. Schon immer seitdem es dieses Gefängnis gibt, wurden tibetische politische Gefangene darin festgehalten. Ab 1987 wurde Yitridu vor allem als ein Militärlager für die Unterbringung von chinesischem Armeepersonal verwendet. Dennoch scheinen politische Gefangene immer noch dorthin zu kommen, wenn die anderen Gefängnisse voll sind oder wenn mehr Einzelhaftzellen gebraucht werden. Beispielsweise wurden politische Gefangene auf die großen Proteste vom März 1989 hin in Yitridu eingesperrt, als die anderen Haftanstalten in Lhasa voll waren. Es besteht jetzt aus 6 verschiedenen Blöcken, die 600-700 Personen aufnehmen können. Das TCHRD weiß von 6 politischen Gefangenen, die sich im Januar 1998 dort befanden.

· Seitru oder "Zweigstelle Nr. 4" (chin. Di si chu) ist das Haftzentrum der TAR und liegt im Norden der Stadt Lhasa. Man nimmt an, daß es 1983 gebaut wurde und seit 1984 in Benutzung ist. Es ist ein regionales Vernehmungs- und Haftzentrum für die Verwahrung von Gefangenen, die noch nicht "verhaftet" sind, d.h. gegen die noch keine Anklage erhoben wurde. Personen, die ernster politischer "Verbrechen" wie Organisieren von Protesten oder Sammeln von vertraulicher Information verdächtigt werden, kommen hierher zur Vernehmung, möglicherweise unter der Aufsicht des Staatsicherheitsbüros. Seitru besitzt eine Kapazität für etwa 70 Insassen in drei Zellblöcken, von denen jeder 12 Zellen hat. Das TCHRD weiß von 6 politischen Gefangenen, die mit Stand Januar 1998 dort einsaßen.

· Outridu, oder Authiti (chin. Di wu zhidui oder Einheit Nr. 5) war ehemals ein Zentrum zur Reform durch Arbeit (laogai); es kann sein, daß es sich hierbei um die Hafteinrichtung handelt, die den EU Botschaftern als das Lhasa-Stadtgefängnis genannt wurde. Heute enthält es beinahe keine politischen Gefangenen mehr, da die meisten Mitte 1992 nach Trisam verlegt wurden, möglicherweise auf einen kurzen Unabhängigkeitsprotest der Gefangenen von Sangyip am 20. Mai 1991 hin. Die Arrestzellen zur Bestrafung der Gefangenen haben ein Ausmaß von 6 x 3 Fuß und sind ohne Fenster. Es gibt Anzeichen, daß die Chinesen Outridu durch einige neue Zellenblöcke erweitern. Gegenwärtig gibt es vier Zellenblöcke. Derzeit soll es annähernd 500 Kriminelle dort geben.

Dieses Anfang der 60er Jahre gebaute Gefängnis ist eines der größten, die der Aufsicht des "TAR Gefängnis-Verwaltungs-Komitees" unterstellt sind. Von 1960 bis Anfang 1990 wurden viele politische Häftlinge in Outridu gehalten. Seit 1990 wurde es beträchtlich erweitert. Nachdem 1991 in Drapchi separate Abteilungen für politische Gefangene geschaffen wurden, kamen alle politischen Fälle von Outridu in andere Gefängnisse, darunter auch nach Drapchi. Trotzdem werden noch gelegentlich politische Gefangene nach Outridu gebracht, um in Einzelhaft gesetzt zu werden, wenn derartige Karzer in den anderen Gefängnissen voll sind. Im März 1992 wurden drei weibliche politische Gefangene, Chungdak, Phuntsok Palmoe und Dawa Dolma, von Drapchi nach Outridu verlegt, wo sie 15 Tage mit Einzelhaft bestraft wurden. Es könnte auch sein, daß auf den Protest vom Mai 1998 hin einige politische Gefangene aus Drapchi nach Outridu kamen. Sowohl Outridu als auch Drapchi unterstehen der Kontrolle des "TAR Gefängnis-Verwaltungs-Komitees", weshalb die Regeln und die Uniformen in beiden im wesentlichen gleich sind.

· Ein neues modernes Gefängnis wird in den nördlichen Stadtgebieten von Lhasa gebaut, das eine Hochsicherheitsanlage oder ein PSB Haftzentrum auf Bezirks- oder Präfekturebene werden könnte. Es umfaßt 2-3 Zellenblöcke mit je 12-14 Zellen und liegt 100 m südwestlich von dem Outridu Gefängnis, weshalb angenommen wird, daß es zu dem Sangyip Komplex gehört. Sein Name ist nicht bekannt.

Das Sangyip Gefängnis und Seitru sind die einzigen Sektionen des Sangyip-Komplexes, in denen unseres Wissens politische Gefangene gehalten werden, aber wegen der schweren Zugänglichkeit von Informationen könnte es sich auch anders verhalten.

B 3)

Das Gutsa Haftzentrum

Das Gutsa Haftzentrum (chin. Si ke - Einheit Nr. 4) ist die Haftanstalt für den Bezirk Lhasa und liegt 3 km östlich von Lhasa in der Nähe des Kyichu Flusses. Gutsa ist hauptsächlich für Gefangene vorgesehen, gegen die ermittelt wird oder die auf ihr Urteil warten. Die meisten der Insassen wurden noch nicht "verhaftet" (angeklagt) oder sie wurden administrativ verurteilt. Man nimmt an, daß sich auch ein Umerziehungs-Arbeitslager und eine "Obdach- und Untersuchungseinheit", in der Landstreicher in Verwahrsam genommen werden, darin befinden. Viele Gefangene müssen Zwangsarbeit wie Steine brechen leisten. Es könnte auch eine separate Frauenabteilung namens Chinyugoa geben, die direkt hinter Gutsa liegt, obwohl anderen Berichten zufolge Frauen in Gutsa selbst gehalten werden. Im Januar 1998 waren dem TCHRD 64 politische Gefangene bekannt, die in Gutsa festgehalten werden. Viele der in Gutsa eingesperrten politischen Fälle wurden 1992 nach Trisam verlegt.

Das Alter für kriminelle Verantwortlichkeit liegt in der PRC bei 14 Jahren, doch in Tibet werden oft Kinder unter diesem Alter eingesperrt und verurteilt. Es scheint, daß jugendliche Straftäter meistens nach Gutsa kommen. Unter der CRC und auch der ICCPR, sowie nach chinesischem Recht müssen Kinder getrennt von Erwachsenen gefangengehalten werden, aber die Realität in Tibet scheint ganz anders zu sein. 1990 hieß es, daß es in Gutsa separate Abteilungen für Jugendliche gibt, aber jüngsten Berichten zufolge wurden diese wieder aufgegeben, und Jugendliche werden nun zusammen mit Erwachsenen eingesperrt. Keiner der von uns interviewten Jugendlichen gab an, daß er/sie von erwachsenen Gefangenen getrennt und anders als diese behandelt wurde. Genauso wie die Erwachsenen wurden sie vernommen, geschlagen und zur Zwangsarbeit kommandiert.

Während Gutsa vornehmlich für Gefangene da ist, die auf ihr Urteil warten, könnte ein geringer Prozentsatz dort auch nach dem Urteilsspruch, meistens für Fristen bis zu einem Jahr, eingesperrt sein.

B 4)

Das Gefängnis Trisam

Trisam ist ein laojiao (Lager zur Umerziehung durch Arbeit) und wahrscheinlich für den Bezirk Lhasa zuständig. Sein offizieller Name ist nicht bekannt, aber manchmal wird es auch als Toelung Dechen oder "Toelung Brücke" erwähnt, denn es liegt in dem Kreis Toelung, 10 km westlich von Lhasa. Das Gefängnisgebäude war früher eine landwirtschaftliche Schule. Trisam wurde um Februar 1992 eröffnet und hat seitdem viele politische Gefangene von Sangyip, Outridu und Gutsa aufgenommen.

Trisam hat drei Einheiten: die erste für männliche politische Gefangene, die zweite für männliche Kriminelle und die dritte für politische und kriminelle weibliche Gefangene. Es gibt drei Zellenblöcke mit je drei Zellen. Männliche politische Gefangene sind in der ersten Abteilung, männliche Kriminelle in der zweiten und weibliche Gefangene in der dritten. Es scheint sich mehr auf politische Gefangene zu spezialisieren, und es wird angenommen, daß es 1992 wegen der wachsenden Zahl an politischen Gefangenen gebaut wurde.

Die Insassen von Trisam müssen harte Arbeit leisten, darunter auch Schweine hüten und den Boden ackern. Mindestens 8 Zellen in Trisam sind für die Einzelhaft von Gefangenen vorgesehen, die sich weigern während der Vernehmung Fragen zu beantworten oder die ihre eigene Meinung auszudrücken wagen. Jeder dieser Karzer ist etwa 2 qm groß und ohne Fenster. Die Gefangenen werden an Hand- und Fußgelenken gefesselt in sie hineingeworfen.

Sherab Ngawang, die bei ihrer Verhaftung 12 Jahre alt war, starb im Februar 1995 und drei Monate nach ihrer Entlassung aus Trisam. Sie wurde 1992 zu drei Jahren verurteilt und zuerst in Gutsa festgehalten und dann nach Trisam verlegt. Sie starb infolge der Mißhandlungen in Trisam, weil sie den Gefängniswachen Grimassen geschnitten hatte.

Im Januar 1998 waren dem TCHRD 11 politische Gefangene bekannt, die in Trisam festgehalten wurden. TIN ist der Ansicht, daß mindestens 50 Insassen von Trisam politische Fälle sind. Ein ehemaliger politischer Gefangener, der im Januar 1997 entlassen wurde, berichtete, daß es zu seiner Zeit annähernd 300 Insassen in Trisam gab.

B 5)

Das Gefängnis Powo Tramo

Powo Tramo ist der Name des dem Gefängnis am nächsten liegenden Dorfes. Sein offizieller Name ist nicht bekannt, aber es wird allgemein als TAR Gefängnis Nr. 2 bezeichnet (chin. Bo'o). Die chinesische Regierung hat die Existenz eines "Arbeit-Reform-Kommandos" in oder bei der Stadt Tramo in Kreis Powo, 500 km östlich von Lhasa in der Nähe von Nyingtri, bestätigt. Man nimmt an, daß es seit März 1962 existiert. Es gibt eine Reihe von Zweigstellen in der Nachbarschaft, wovon Powo Zhungar eine sein könnte. Powo Tramo, früher als laogai bezeichnet, aber von den Chinesen nun Gefängnis genannt, untersteht der Regionalverwaltung und ist für Gefangene da, die zu zehn und mehr Jahren verurteilt sind.

Man nimmt an, daß es 30 Zellen mit 6 Extrazellen für Einzelhaft umfaßt. Zur Zeit seiner höchsten Belegung mag der gesamte Komplex mit den umgebenden Einheiten über 10.000 Gefangene gehabt haben. Im Januar 1998 waren nach dem Wissensstand des TCHRD elf politische Gefangene dort.

B 6)

Tibetisches Militärgefängnis

Dieses von der PLA verwaltete Gefängnis besteht seit 1959. 1993 zog es nach Tsalgungthang um, etwa 11 km östlich von Lhasa. 1989 waren auch einige politische Häftlinge dort, aber wegen der inzwischen erfolgten Erweiterungen anderer Gefängnisse ist nicht bekannt, ob noch weitere politische Fälle dorthin gebracht wurden. Es beherbergt nun militärische Gefangene.

B 6)

Präfektur-Haftzentren und laojiao

In dem Verwaltungssitz einer jeden Präfektur gibt es Gefängnisse. Die TAR umfaßt außer dem Bezirk Lhasa noch 6 weitere Regionen. Die folgende Tabelle zeigt den Verwaltungssitz jeder Region:

Tibetisch Chinesisch Verwaltungssitz
Shigatse Rigaze

Shigatse

Nagchu Naqu

Nagchu

Ngari Ali

Ngari

Lhoka Shannan

Tsethang

Kongpo-Nyingtri Linzhi

Nyingtri oder Bayi

Chamdo Qamdo

Chamdo

Bei diesen Gefängnissen handelt es sich wahrscheinlich um laojiao (administrative Haftzentren) und kanshuo suo (Untersuchungshaftzentren). Zusätzlich gibt es noch Gefängnisse auf Kreisebene, wohin Häftlinge kommen, über die noch kein Urteil gesprochen wurde. Die EU Delegation vom Mai 1998 bekam die Auskunft, daß jede Region, sowie eine Reihe von Kreisen ihre lokalen Haftzentren hätten.

B 7)

Haftzentrum von Shigatse-Nyari

Diese Strafanstalt liegt etwa 7 km nordwestlich von Shigatse in dem Nyari Tal, Kreis Shigatse. Sie wurde 1960 gebaut und ist sowohl für politische als auch kriminelle Fälle beabsichtigt. Die meisten Personen, die in einem der 18 Landkreise der Region Shigatse verhaftet werden, kommen hierher. Bei vielen der politischen Gefangenen handelt es sich um Tibeter, die in Indien waren und bei ihrer Rückkehr nach Tibet unter der Beschuldigung, sie hätten politische Dokumente oder Tonbänder aus Indien oder Nepal mitgebracht, einige Monate festgehalten werden. Das TCHRD meint, daß Ende 1997 etwa 160 Häftlinge in Nyari einsaßen, von denen annähernd 7 politische Fälle gewesen sein könnten. Ngawang Choephel, der zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, und mehrere Assistenten von Chadrel Rinpoche (dem Leiter der Suchkommission nach dem Panchen Lama) wurden anfänglich hier festgehalten, ebenso mehrere Mönche aus dem Tashilhunpo Kloster.

1997 bestand das Nyari Haftzentrum aus fünf Zellenblöcken, von denen jeder eine andere Kategorie von Gefangenen in sich barg und 10 Zellen hatte. Tibeter, die bei der Flucht nach Indien erwischt wurden, kamen in den ersten Block, verurteilte Gefangene in den zweiten, weibliche in den dritten, unter Vernehmung stehende in den vierten, und geringfügiger Verbrechen wegen nur kurzzeitig eingesperrte in den fünften Block. Die Gefangenen werden zur Arbeit in den Gemüsefeldern, die etwa 30 mu Land umfassen, und in einer Obstbaumplantage eingesetzt.

Wie es bei den meisten anderen Haftzentren auch der Fall ist, sind die Gefängniswachen durchwegs PSB Bedienstete, während PAP Soldaten das Gefängnis und die Umgebung bewachen. Ein ehemaliger Gefangener, der 1997 in Nyari eingesperrt war, berichtete, daß er nur zweimal täglich etwas zu essen bekam und daß es keine ärztlichen Dienste im Gefängnis gab.

B 8)

Kreis Lhoka Nyadong/Haftzentrum Tsethang

Diese Haftanstalt, die 1960 gebaut wurde, und nun eines der größten Kreisgefängnisse in der TAR darstellt, liegt in dem Kreis Lhoka Nyadong in der Region Lhoka. Sie enthält mehr Gefangene als irgendein anderes Gefängnis auf Kreisebene der TAR. Sowohl politische als auch kriminelle Gefangene sind hier eingesperrt. Viele politische Gefangene sitzen hier bis zu einem Jahr lang in Untersuchungshaft, bis ihr Fall untersucht wurde.

B 9)

Chamdo Sethog Thang Haftzentrum

Dieses Gefängnis liegt in dem Kreis Chamdo der TAR. Man nimmt an, daß es eine Kapazität für 1.500 Gefangene besitzt. Vor kurzem wurde es erweitert und die Anzahl der kriminellen Gefangenen wurde vermehrt.

B 10)

Gefängnisse außerhalb der TAR

Es gibt zahlreiche Gefängnisse für Tibeter auch außerhalb der TAR. Weil in den tibetischen Gebieten außerhalb der TAR zahlreiche Chinesen wohnen, bilden die Tibeter in diesen Strafanstalten die Minderheit. Ehemalige politische Gefangene, die in Amdo und Kham (den tibetischen Provinzen außerhalb der TAR) verhaftet wurden, berichten, daß tibetische politische Gefangene gewöhnlich zusammen mit anderen Straftätern eingesperrt sind und daß es keine verschiedenen Abteilungen für politische und kriminelle Gefangene gibt. Dem mag so sein, weil Tibeter sich in diesen Gegenden in der Minderzahl befinden, und es nicht so viele politische Gefangene gibt, um eine getrennte Unterbringung notwendig zu machen. Es scheint, daß die meisten politischen Gefangenen, die in Amdo und Kham verhaftet werden, in das am nächsten gelegene Gefängnis kommen, statt in eine besondere Strafanstalt für derartige Fälle.

Ein ehemaliger Gefangener, Lukar Jam, gab an, daß er in zwei Gefängnissen in der tibetischen Provinz Amdo (chin. Qinghai ) gehalten wurde: Pinang, das in der Nähe von Siling (chin. Xining ) liegt, und in dem Terlengkha (chin. Delingha) Haftzentrum, das westlich von dem Tso Ngonpo See und östlich von dem Kreis Wulan liegt. In dem Gefängnis von Pinang, wo er 1994 einsaß, war er der einzige politische Fall unter etwa 60 bis 70 Häftlingen. In dem Haftzentrum von Terlengkha, wo er ebenfalls 1994 einsaß, war er einer von vier tibetischen politischen Gefangenen unter etwa 90 Häftlingen.

In ihrem "Laogai Handbuch" listete die Laogai Research Foundation (California) über 1.000 laogai in ganz China auf. Von diesen liegen 13 in der TAR, 32 in der Provinz Qinghai und 6 in der Provinz Sichuan. Diese Liste ist aber nicht erschöpfend, denn sie enthält nicht alle laogai in China und überhaupt keine Haftzentren. Einige politische Gefangene waren 1997 in dem Gefängnis von Kanlho in der Kanlho TAP, Provinz Gansu, eingesperrt.

Darüber hinaus gibt es noch einige tibetische politische Gefangene, die in chinesischen Gefängnissen sogar außerhalb Tibets schmachten. Beispielsweise ist Chadrel Rinpoche, der frühere Abt von Kloster Tashilhunpo in Shigatse, in dem Chuandong Gefängnis No. 3 in Kreis Dazu, Provinz Sichuan, eingekerkert.

Teil D

Das Chinesische Rechtssystem

Das chinesische juristische System weicht von dem anderer Länder beträchtlich ab. Allgemein anerkannte Grundsätze wie "Unschuld gilt, solange die Schuld nicht erwiesen ist" und das Recht auf gesetzliche Vertretung sind in der PRC unbekannt. Statt ihrer wird auf die chinesischen Prinzipien wie "zuerst der Schuldspruch, dann der Prozeß", "Milde für die Geständigen, Strenge für die Widerspenstigen" und "Reform oder Umerziehung durch Arbeit" zurückgegriffen. Tibeter werden routinemäßig verhaftet, monatelang festgehalten und vernommen, ohne irgendeinen Kontakt zur Außenwelt zu haben. Sie dürfen solange ihre Angehörigen nicht sehen, ganz zu schweigen von einem Rechtsanwalt, bis der Staatsanwalt einen Fall nicht dem Gericht übergeben hat. Das Urteil steht dabei bereits fest, und das Gericht braucht ihm nur noch seinen Stempel aufdrücken. Seit relativ kurzer Zeit erst werden politische Gefangene überhaupt vor Gericht gestellt.

Trotz Modifizierungen an dem Kriminalverfahrensgesetz der PRC, die 1997 in Kraft traten, sind willkürliche Verhaftung ohne Haftbefehl oder Anklage, fortgesetzte Festhaltung ohne Prozeß und Fehlen eines Rechtsbeistandes immer noch an der Tagesordnung für tibetische politische Gefangene. Viele Gefangene geben an, daß sie während der Vernehmung gefoltert wurden, um sie zum Geständnis ihrer "Verbrechen" zu zwingen. Auch unter dem revidierten Gesetz gibt es noch die Gerichtsverhandlung hinter verschlossenen Türen, wenn es um sogenannte "Staatsgeheimnisse" geht. Folterung und Mißhandlung von Gefangenen in Haftzentren, Gefängnissen und Arbeitslagern sind weit verbreitet und führen manchmal sogar zum Tod der Opfer. Offiziellen Angaben zufolge wurden im ersten Halbjahr 1997 in ganz China 300 bis 400 Fälle von Mißhandlung von den Prokuraturen untersucht. Der tatsächliche Einsatz der Folter ist jedoch viel höher, wie von der Tatsache belegt wird, daß alle von uns Interviewten in der einen Form oder der anderen gefoltert wurden, und keiner von ihnen dagegen klagen konnte, ganz zu schweigen eine Untersuchung zu veranlassen.

Es ist noch nicht lange her, 1991 nämlich, daß die chinesische Regierung behauptete, gar keine politischen Gefangenen zu haben: "In China stellen Meinungen alleine, solange sie zu keiner Handlung führen, welche das Kriminalgesetz verletzt, noch kein Verbrechen dar. Keiner unterliegt der Bestrafung, nur weil er abweichende politische Ansichten hegt. Sogenannte politische Gefangene gibt es in China nicht. In dem chinesischen Kriminalgesetz bezieht sich der Begriff 'konterrevolutionäres Verbrechen' auf ein die Staatssicherheit gefährdendes Verhalten, d.h. kriminelle Akte, die mit dem Zweck des Sturzes der Staatsmacht und des sozialistischen Systems begangen werden und die unter § 91-102 des Kriminalgesetzes als kriminelle Delikte aufgeführt sind, also diejenigen, die mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen oder die Nation zu spalten, verübt werden; oder auf die Aufstachelung einer Menschenmenge zu bewaffneter Rebellion, sowie auf Spionagetätigkeiten. Diese Art von kriminellen Akten, welche die Staatssicherheit gefährden, sind in jedem Land strafbar."

In der Tat unterliegen solche Akte in den meisten Ländern der Bestrafung, aber der Unterschied liegt in der Interpretation, was solche Taten sind. Alle der von uns Interviewten sind ehemalige politische Gefangene, von denen die meisten verhaftet wurden, weil sie an friedlichen Protesten teilgenommen haben, weil sie "Free Tibet" oder "Chinesen verlaßt Tibet" riefen oder Blätter mit denselben Botschaften verteilten. Diese Art von Aktivität wird in den meisten Ländern nicht als "Verbrechen" geahndet, während sie in der PRC Freiheitsstrafen bis zu 6 Jahren einbringen kann.

Eine 1995 von TIN durchgeführte Studie 879 politischer Häftlinge ergab, daß die häufigsten Arten der Gesetzesübertretung Demonstrieren (65%), sowie Schreiben und Verteilen von Flugblättern (15%) waren, während nur 18 von den über 1.000 Fällen der Festhaltung aus politischen Gründen zu Gewalttaten gegriffen hatten.

Bis vor kurzem erfolgte die Festhaltung von Tibetern aus politischen Gründen gemäß dem Delikt "Verbrechen der Konterrevolution" in dem Kriminalverfahrensgesetz der PRC, das in §90 weitläufig als "alle Akte zur Gefährdung der PRC, die mit dem Ziel des Sturzes der politischen Gewalt der Diktatur des Proletariats und des sozialistischen Systems begangen werden", definiert ist. 1994 rechnete Asia Watch aus, daß, während der allgemeine Prozentsatz der in der PRC wegen "konterrevolutionärer" Verbrechen Verurteilter bei 0,3% der Gefangenenzahl lag, er in Tibet 6,5% betrug. Asia Watch stellte auch fest, daß es in Tibet, dessen Bevölkerung nur etwa 0,2% der gesamten Bevölkerung Chinas ausmacht, mehr aus politischen und religiösen Gründen Inhaftierte als in dem ganzen übrigen Land gibt. Daraus wird klar, daß der Anteil an tibetischen politischen Gefangenen in den chinesischen Gefängnissen viel zu hoch liegt.

Im Mai 1998 berichteten die Chinesen, daß es 200 Gefangene gibt, die wegen "Verbrechen gegen die Staatssicherheit" festgehalten werden. Im Gegensatz dazu schätzt das TCHRD die derzeitige Zahl an politischen Gefangenen in Tibet auf etwa 1.200 (Die Zahlen des TCHRD liegen immer höher als die offiziellen chinesischen Statistiken, weil alle Häftlinge, die im ganzen tibetischen Bereich einsitzen, gezählt werden und nicht nur diejenigen in der TAR, ebenso auch die Insassen der Haftzentren und Umerziehungslager mitgerechnet sind).

Indem sie das chinesische Kriminalgesetz unter die Lupe nahm, kam die "UN Arbeitsgruppe für willkürliche Festhaltung" 1995 zu dem Schluß, daß "eine Gesetzgebung, welche Aktivitäten wie konterrevolutionäre Propaganda und Agitation als Delikte ahndet, nicht der UDHR (Universal Declaration of Human Rights) und der ICCPR (Internnational Covenant on Civil and Political Rights) entspricht". Eine neue Gesetzgebung trat am 1. Oktober 1997 in Kraft, welche zwar die "konterrevolutionären Verbrechen" aus dem Kriminalkodex strich, aber sie durch das sehr ähnliche Delikt der "Gefährdung der Staatssicherheit" ersetzte. Indem sich die PRC auf diese Weise einen international gängigen Begriff aneignete, scheint sie die nationale und internationale Kritik an der harten und willkürlichen Art ihrer strafrechtlichen Verfolgung ablenken zu wollen. Diese neue Bezeichnung des Deliktes ist jedoch mindestens so umfassend wie das bisherige "konterrevolutionäre" Verbrechen. Es scheint nun, daß beinahe jeder Ausdruck der politischen Meinung in Tibet als Gefährdung der Staatssicherheit Chinas interpretiert werden kann. In seinem Weißbuch von 1998 mit dem Titel "Neuer Fortschritt in Menschenrechten in Chinas Autonomer Region Tibet" rechtfertigte beispielsweise China die Unterdrückung der freien Rede mit einer weithergeholten Auslegung des Begriffes "Staatssicherheit".

D 1)

Untersuchungshaft

Ein Verdächtiger wird während der Untersuchungsperiode gewöhnlich ohne Verbindung zur Außenwelt gehalten. Die revidierten Bestimmungen, daß die Familie eines unter Verdacht Stehenden innerhalb von 24 Stunden nach der Gefangennahme benachrichtigt werden muß, können außer acht gelassen werden, wenn es "die Untersuchung hindert" oder wenn es "keine Möglichkeit zur Benachrichtigung der Familie gibt". In ähnlicher Weise kann das Recht auf einen Rechtsbeistand in den Fällen verweigert werden, welche "Staatsgeheimnisse" beinhalten, ein Ausdruck, von dem in der PRC reichlich Gebrauch gemacht wird und der besonders bei politischer Aktivität herhalten muß.

Der international anerkannte Rechtsgrundsatz, daß Unschuld vorausgesetzt wird, solange die Schuld nicht erwiesen ist, wurde nicht in die chinesischen Kriminalverordnungen aufgenommen. Ebenso fehlt das Recht auf Verweigerung der Aussage. Da die Schuld eines Verdächtigten im allgemeinen schon von vorneherein feststeht, wird die Weigerung, ein Geständnis abzulegen, als ein Zeichen von Widerspenstigkeit oder Ungehorsam angesehen. Die Vernehmer drohen den Festgenommenen mit dem Motto "Milde für die Geständigen und Härte für die Widerstrebenden".

Um aus dem Verdächtigten ein "Geständnis" herauszuziehen, werden intensive Befragung und Folterung eingesetzt. Die schon von der Außenwelt abgeschiedenen Verhafteten werden auf diese Weise durch stunden- oder tagelange und sich immer wiederholende Fragen fertiggemacht, durch Nahrungs-, Wasser- und Schlafentzug geschwächt und durch physischen und mentalen Mißbrauch gebrochen. Ihr auf diese Weise erzwungenes sogenanntes "Geständnis" wird dann später bei der Urteilsfällung gegen sie benutzt.

Von den fünf Arten der Festhaltung in der Vorprozeßphase unterliegt nur die als "Verhaftung" bezeichnete einer Prüfung durch eine nicht-polizeiliche Instanz, während zahlreiche Schlupflöcher sowohl in der früheren als auch in der revidierten Kriminalverordnung eine fast unbegrenzte Inhaftierung zur Untersuchung erlauben. Die ursprüngliche CPL sah vor, daß Verdächtigte maximal 3 Monate in der Untersuchungsphase festgehalten werden konnten, die revidierte CPL erlaubt dagegen die Festhaltung bis zu 7 Monaten. Administrativhaft ist die häufigste Form der Einsperrung, weil sie praktisch keiner Kontrolle von außen unterliegt und die Fristen für die Festhaltung ignoriert werden können. Unter der Administrativhaft können Personen bis zu 3 Jahren ohne Gerichtsprozeß eingesperrt bleiben, ja die Zeitspanne kann sogar auf 4 Jahre erhöht werden. Kommt es etwa zu keinem Prozeß, so kann eine Person auch ganz ohne Anklage wieder entlassen werden.

In seinem Bericht von 1996 über die revidierte CPL stellte das Lawyers Committee for Human Rights fest: "Der grundlegende Defekt des chinesischen Systems ist die ungeheure Macht, welche der Polizei gegeben ist, verdächtige Kriminelle festzunehmen". Es fügte noch hinzu: "Das auffallendste Übel an dem revidierten CPL ist das Ermessen, das der Polizei gewährt wird, den Begriff 'Staatsgeheimnisse' als eine Rechtfertigung heranzuziehen, um in der Untersuchungsphase dem Verdächtigten den Zugang zu einem Anwalt zu verweigern." Beide Punkte stellen einen Verstoß gegen die internationalen Konventionen dar und führen zu einer regelmäßigen Verletzung der Menschenrechte der Tibeter.

Gefangene werden gewöhnlich von 3 bis 6 Monaten, manchmal auch länger, in Untersuchungshaft gehalten, ehe sie entweder ohne Anklageerhebung entlassen, ohne Prozeß zu laojiao (Umerziehung durch Arbeit) verurteilt oder offiziell "verhaftet", d.h. mit einem Delikt belastet und vor Gericht gestellt werden. Die Befugnis, einen formellen Haftbefehl auszustellen und eine Person zu verhaften, obliegt dem PSB und der Prokuratur.

D 2)

Prozeß und Verurteilung

Das Kriminalverfahren Chinas wird vortrefflich von der gängigen chinesischen Maxime xian pan hou shen - "zuerst das Urteil, dann die Gerichtsverhandlung" gekennzeichnet. Gewöhnlicherweise wird die Schuld eines Angeklagten in der Untersuchungsphase vor dem Prozeß von Komitees bestimmt, die sich aus Vertretern des PSB oder Parteikadern zusammensetzen. Amdo Sangye, ein ehemaliger Richter am Obersten Gerichtshof von Qinghai in Xining, der von der Internationalen Juristenkommission (ICJ) interviewt wurde, erklärte, daß praktisch alle richterlichen Urteilssprüche auf den Berichten der Polizeiuntersuchung basieren und daß die Richter keine Macht haben, aufgrund der Prüfung eines Falles im Gerichtssaal jemand freizusprechen: "Wenn ein Richter zu einem anderen Schluß kommt als der Polizeibericht, dann muß er mit der Polizei und der Prokuratur konferieren und sie müssen eine gemeinsame Entscheidung treffen". Obwohl den Angeklagten Anwälte beigestellt würden, könnten diese Anwälte die vor Gericht Stehenden in der Praxis nicht verteidigen. Er bestätigte, daß in weitaus den meisten Fällen, die ihm vor Augen kamen, die Angeklagten "Geständnisse" unterschrieben hatten, nachdem sie von der Polizei geschlagen wurden.

Am 11. Juni 1998 berichtete Tibet Daily, daß die chinesischen Gerichte zwischen 1992 und 1997 in Tibet weniger als 1% der Beklagten freigesprochen hätten. Die Feststellung von Bai Zhao, dem Präsident des Obersten Volksgerichtes, wurde zitiert, daß die Gerichte in der TAR in den letzten 5 Jahren 6.291 Fälle verhandelten, von denen nur 0,73% als unschuldig erklärt wurden. Über die Hälfte der vor Gericht Gestellten wurden mit Urteilen von 5 Jahren Haft bis zum Tod belegt, sagte Bai Zhao weiter. Einzelheiten nannte er nicht, weil die PRC die Anzahl der von chinesischen Gerichten verhängten Todesurteile nicht preisgegeben will. Ebenso wenig gab er an, wie viele der Angeklagten Tibeter waren.

Viele der Interviewten wurden überhaupt nicht vor Gericht gestellt. Einige von ihnen waren bis zu einem Jahr und 9 Monaten in Gewahrsam und wurden dann ohne irgendeine Gerichtsverhandlung oder Erklärung entlassen. Yeshi Damdul, der 1989 verhaftet wurde, bekam zu hören, daß sein Prozeß seit 1959 der erste für politische Gefangene sei, obwohl Bagdro schon vor ihm im Januar 1989 zusammen mit 5 anderen politischen Gefangenen in Lhasa vor Gericht gestellt wurde. Keiner der Interviewten, die vor Gericht gestellt worden waren, bekamen eine gesetzliche Vertretung. Einigen von ihnen wurde die Möglichkeit, von einem Anwalt vertreten zu werden, angeboten, aber keiner machte davon Gebrauch, weil sie keine Hoffnung hatten, daß dies irgendeinen Unterschied bewirke. Die von uns Befragten äußerten sich sehr skeptisch über das chinesische Rechtssystem.

Damchoe Palmo berichtet: "Als ich zum ersten Mal verhaftet wurde, gab es keinen Prozeß. Das zweite Mal wurden wir vor Gericht gestellt, aber wir bekamen keine gesetzliche Vertretung. Wir hatten zwar das Recht darauf, aber wir machten keinen Gebrauch davon, weil uns praktisch niemand vertreten hätte, denn der Arbeitsplatz der betreffenden Person wäre in Gefahr gewesen. Wir wußten auch, daß unsere Urteile bereits gefällt waren, weshalb es von vorneherein sinnlos war. Als ich das zweite Mal verhaftet wurde, gab es einen Prozeß und dann wurde einige Tage später das Urteil im Gefängnis verkündet. Wir wurden überhaupt nicht gefragt, es gab kein eigentliches Verhör, sie lasen einfach die Anklagen gegen uns vor und fragten dann, ob wir noch etwas zu sagen hätten. Nichts, was wir gesagt hätten, hätte etwas ändern können, da alles ohnehin schon entschieden war.

Yeshe Damdul
sagte über seine Erfahrungen von 1989: "Ich war zweimal vor Gericht. Das erste Mal erklärten sie hauptsächlich, wie mein Urteil lauten würde und sagten, daß sie mir eine Woche Zeit geben würden, um über das von dem Gericht vorgesehene Urteil nachzudenken, und daß wir dann zu der endgültigen Urteilsverkündung gerufen würden. Zuerst wurden wir vor das Gericht von Tsethang gestellt, während die zweite Sitzung in dem Kino der Stadt stattfand, wo viel Publikum, darunter unsere Eltern, Familien und Freunde, war und dann das Urteil verkündet wurde. Sechs von uns wurde der Prozeß gemacht, weil wir Flugblätter verteilt hatten, und den vier anderen, weil sie in Lhasa demonstriert hatten. Nachdem uns die Urteile verkündet wurden, schleppten sie uns aus der Kinohalle und brachten uns zurück in das Gefängnis von Tsethang. Dort erklärten uns die Gefängnisoberen, formell könnten wir zwar bei dem Volksgericht in Lhasa Berufung einlegen, aber weil wir politische Aktivisten sind, wäre es fast unmöglich, einen Fall zu gewinnen, selbst wenn wir appellierten. Unser Fall sei nämlich völlig verschieden von dem der kriminellen Straftäter.

Ich hatte keine Chance, von einem Rechtsanwalt vertreten zu werden. Wir wußten ja nicht einmal, wann wir vor Gericht gestellt würden, bis sie uns tatsächlich dorthin brachten. Während der ersten Gerichtssitzung waren drei PSB Angehörige aus unserem Dorf dabei, als Augenzeugen für das, was wir getan hatten. Die Prokuratoren stellten ihnen diesbezügliche Fragen. Wir hatten zweimal Plakate angebracht, aber wurden erst das zweite Mal erwischt. Obwohl wir beim ersten Mal nicht festgenommen wurden, erklärten die PSB Leute vor Gericht, sie hätten uns gesehen. Wir leugneten den ersten Vorfall und fragten die Polizisten, ob sie uns gesehen hätten. Wir konnten sagen, daß dieser Verdacht nicht wahr sei, und daß wir die Plakate nur einmal angebracht hätten. Ich wurde als ein 'konterrevolutionärer Aktivist" für schuldig befunden, was als ein sehr schweres Verbrechen gilt. Unsere Teilnahme an der Demonstration wurde nicht als ein so schwerwiegendes Vergehen betrachtet, weil wir hinter anderen herliefen, aber das Anbringen der Plakate, meinten sie, würde die Öffentlichkeit vergiften. Zum Glück waren die meisten von uns noch unter 20, weshalb wir wegen unserer Jugend 'nachsichtig' behandelt wurden. Ich wurde zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt."

Gyaltsen Choetsoe berichtet: "Bei meiner zweiten Festnahme wurde ich zusammen mit drei anderen Nonnen vor Gericht gestellt. Ein Richter des Mittleren Volksgerichtes erläuterte, was meine Verbrechen waren. Als ich nach Gutsa kam, wurden mir zuerst von den lokalen Volkspolizisten Fragen gestellt, dann kamen einige Prokuratoren und dann noch einige Vernehmungsbeamte vom Gericht für zwei bis drei Wochen. Die schlimmsten Vernehmer waren die von der PAP und der Prokuratur, weil sie uns schlugen, während die Gerichtsbeamten dies nicht taten. Als ich vor Gericht stand, erläuterte die Polizei mein Verbrechen und der Richter fragte, ob ich jemand brauche, um mir die Dinge zu erklären. Ich sagte, ich brauche niemanden, um für mich zu sprechen. Das Gericht erklärte, daß wir am Barkhor demonstriert hätten und zählte im einzelnen unsere Taten auf. Wir gaben zu, daß es so gewesen sei. Nach der Gerichtssitzung brachten sie mich wieder nach Gutsa. Nie wurde ein Urteil über mich gesprochen, obwohl ich zweimal mit den anderen Nonnen vor das Gericht kam."

Lhundup Monlam, der 1990 festgenommen wurde, erklärte: "Ich wurde vor das Volksgericht von Kreis Gyangtse gebracht, das auf Tibetisch und auf Chinesisch tagte. Ich verstand ein wenig Chinesisch, aber das meiste der Verhandlung war auf Tibetisch. Das Urteil wurde von den Chinesen gefällt. Sie sagten, ich könne einen Anwalt bekommen, aber ich wollte keinen. Am 24. Juli 1990 wurde ich zu viereinhalb Jahren verurteilt. Mein Urteil hätte auf 4 Jahre gelautet, wenn ich nicht so lange mit dem Geständnis gezögert hätte, fügten sie hinzu."

Ngawang Choezom
beschrieb ihren "Prozeß" so: "Nach zwei Wochen stellten sie mich mit anderen Gefangenen in eine Reihe, und eine um die andere wurden uns die Urteile verlesen. Dies wurde auf Video aufgenommen. Sie verlasen zuerst die Anklagepunkte und dann die Urteile."

D 3)

Laojiao - "Umerziehung-durch-Arbeit"

Im März 1996 wurde das "Administrative Strafgesetz" in der PRC verabschiedet. Während das CPL das für die kriminelle Bestrafung zuständige Gesetzbuch ist, regelt das erstere die "Administrativ-Sanktionen ". Diese administrativen Sanktionen werden häufig bei tibetischen Verdächtigten eingesetzt, und das System des laojiao (Umerziehung durch Arbeit) wurde auch unter dem neuen Gesetz beibehalten. Während "Umerziehung-durch-Arbeit" theoretisch hauptsächlich für jene gilt, die kleinerer Vergehen, die noch nicht als Verbrechen eingestuft werden, schuldig sind, wird sie praktisch in großem Maße zur Bestrafung von politischen Dissidenten und tibetischen Nationalisten eingesetzt. Ein derartiges Urteil wird von einem "Verwaltungsrat für Umerziehung-durch-Arbeit" bestimmt, der hauptsächlich aus PSB-Beamten zusammengesetzt ist. Es gibt kein Recht auf einen Rechtsbeistand oder auf ein Verhör, und die Schuldigen können bis zu 3 Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung um ein Jahr bei "Mißerfolg der Reform" festgehalten werden.

D 4)

Gefängnisse und laogai "Reform-durch-Arbeit"

Das chinesische Kriminalsystem legte schon immer eine große Betonung auf laogai, das heißt "Reform durch Arbeit". Am 9. Dezember 1994 verkündete der Nationale Volkskongreß der PRC jedoch eine neue Gefängnisverordnung, welche offiziell den Begriff laogai durch das Wort "Gefängnis" ersetzte. Der einzige Effekt dieser Änderung ist, daß die Anstalten, die bisher als laogai klassifziert wurden, nunmehr als Gefängnisse bezeichnet werden. Das grundlegende Ziel des laogai Systems war nicht nur die Bestrafung, sondern auch die "Reform und Besserung". Die Insassen von sowohl Gefängnissen als auch Arbeitslagern (nun ebenfalls Gefängnis genannt) unterliegen harten Arbeitsanforderungen, was sowohl ihren politischen Eifer brechen als auch Gewinn durch Produktion schaffen soll. Sie müssen zusätzlich eine intensive ideologische Schulung über sich ergehen lassen, im Verlauf derer sie sich zu ihrer "kriminellen" Vergangenheit bekennen und sich gemäß der kommunistischen Doktrin zu "reformieren" haben.

Nach welchen Gesichtspunkten die Chinesen genau entscheiden, welche politische Gefangene sie in Gefängnisse schicken und welche in die Administrativhaftanstalten, ist nicht so ganz klar. Gefangene können in diesen Anstalten für eine anfängliche Periode von 3 Jahren eingesperrt werden, aber es ist oft unklar, warum gewisse Gefangene gerichtlich verurteilt werden, während andere auf administrativem Wege festgehalten werden. Manchmal werden die "gefährlicheren" und auf lange Zeit verurteilten politischen Gefangenen ins Gefängnis gesteckt, wo sie in Isolation gehalten werden. Alle juristisch verurteilten Gefangenen müssen offiziell in die Gefängnisse kommen, während all diejenigen, die mit Administrativhaft belegt wurden, zur "Umerziehung-durch-Arbeit" in separate Lager kommen, aber objektiv ist es schwer auszumachen, wen die Machthaber zur Administrativhaft und wen zur Verurteilung vor ein Gericht bestimmen.

Letztendlich macht es jedoch kaum einen Unterschied, wohin die Gefangenen kommen, denn auch in den Gefängnissen müssen sie arbeiten, etwa in den Werkstätten oder Gewächshäusern an Ort und Stelle. Die Häftlinge in den Arbeitslagern können zur harten Arbeit in der Landwirtschaft, dem Bergbau oder dem Straßenbau, manchmal in unwirtlichen und trostlosen Gegenden Tibets, eingesetzt werden. Die "Arbeit zur Reformierung" ist obligatorisch bis zu 10 Stunden täglich, mit einem freien Tag alle zwei Wochen. In gewissen Jahreszeiten müssen die Gefangenen 12 Stunden oder sogar noch mehr am Tag arbeiten, etwa wenn ein bestimmtes Soll zu erfüllen ist. Jene, die administrativ zur "Umerziehung durch Arbeit" verurteilt wurden, werden zwar für ihre Arbeit bezahlt, aber dieser minimale Lohn reicht selten für mehr als Essen und die Stromrechnung.

D 5)

Nach der Entlassung

Wenn sie schließlich entlassen werden, dann finden sich die ehemaligen politischen Gefangenen hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten und dem Zugang zu sozialen Diensten benachteiligt. Mönche und Nonnen dürfen nicht mehr in ihr Kloster zurückkehren. Gewesene politische Gefangene haben meistens große Probleme, einen Job zu finden, weshalb sie oft ihren Familien zur Last fallen. Nach der Entlassung müssen Gefangene, die gerichtlich verurteilt wurden, in ihre jeweiligen Heimatorte gehen, um Lebensmittelkarten zu bekommen und sich in dem Kreis- oder Stadtamt zu registrieren. Wenn in dem Entlassungsschein eines Gefangenen eine Bemerkung steht, daß er/sie sich in der Haltung nicht gebessert hätte, dann werden sie auch noch während der Zeitspanne des Verlustes der Bürgerrechte überwacht und oft sogar noch danach. Solche Gefangene werden ständig beobachtet und verfolgt, auch ihre Familien können Verdächtigung und Diskriminierung erleiden. Die lange und brutale Inhaftierung haben physische und mentale Narben bei ihnen verursacht und viele fühlen sich alleine. Viele politische Ex-Gefangene werden daher wieder verhaftet.

Unter solchen Umständen haben viele ehemalige politische Gefangene die qualvolle Entscheidung getroffen, ihre Familien und ihr Heimatland zu verlassen, um ein neues Leben im Exil zu beginnen. Heute gibt es annähernd 500 ehemalige politische Gefangene, die sich schwer tun, ihr Leben im Exil einzurichten. Trauma und Konfusion bei dem Versuch der Anpassung an eine neue Umgebung, Sprache, Kultur und Lebensweise sind unvermeidlich.

Entlassungsschein aus dem Drapchi Gefängnis:

Name: Yeshi Damdul, Geschlecht: männlich, derzeitiges Alter: 28 Jahre, Ort: Kreis Lhoka Gongkar. Der konterrevolutionären Propaganda bezichtigt. Am 19.10.1989 verhaftet und von dem Mittleren Volksgericht von Lhoka zu 5 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Verlust der politischen Rechte vom 16.3.1994 bis zum 15.3.1997 verurteilt. Wird nach Vollendung seiner Haftperiode entlassen. Ausgestellt von dem TAR Gefängnis am 16.3.1994.

Zu beachtende Punkte: 1. Der Träger dieses Dokumentes muß sich vor dem 10.4.1994 bei dem PSB von Gongkar melden. 2. Niemand darf etwas an diesem Schein ändern.

Teil E

Brief der politischen Gefangenen von Drapchi vom März 1997

"Das Thema Menschenrechte ist seit der Universalen Deklaration der Menschenrechte zu einem Allgemeingut unter gebildeten Leuten geworden. Die einzelnen Länder haben Paragraphen zum Schutz dieser Werte aufgestellt, dennoch fahren einige Länder fort, diese grundlegenden menschlichen Werte zu mißachten...

Wir möchten die Tatsache betonen, daß die Chinesen vor internationalen Vertretern vorgeben, sie würden die Menschenrechte in China und Tibet respektieren. Obwohl China zu den Unterzeichnern dieser Deklaration gehört, fährt es fort, die Grundfreiheiten des tibetischen Volkes zu verletzen. Gierig überschritten sie 1949 unsere Ostgrenze, drangen in unser Land ein und besetzten schließlich 1959 ganz Tibet gewaltsam....

Gemäß der Universalen Deklaration der Menschenrechte und im Namen der sechs Millionen Tibeter wies Seine Heiligkeit der Dalai Lama auf die kritische Lage des tibetischen Volkes vor den Vereinten Nationen und vielen anderen Nationen darunter auch den USA hin und forderte dringendes Handeln. 1987 schlug Seine Heiligkeit der Dalai Lama einen 5-Punkte Friedensplan in der Hoffnung vor, friedliche Verhandlungen mit China einleiten zu können. Die chinesische Regierung wies diesen Vorschlag jedoch zurück und verdammte Seine Heiligkeit. Das ist unerträglich für uns, und wir können einfach nicht stille bleiben.

Seit den Ereignissen von 1959 und der brutalen Besatzungs- und Kolonisierungspolitik des chinesischen Regimes ist das tibetische Volk aufgewacht, es rief nach seiner Freiheit und protestierte gegen die brutale chinesische Unterdrückung. Als Folge davon fanden 1,2 Mio. Tibeter den Tod und auch heute noch werden Tibeter immer wieder festgenommen. Doch die Wahrheit wird ewig währen.

Am 27. September 1987 veranstalteten die Tibeter wieder einmal eine friedliche Demonstration gegen China. Hunderte von Tibetern schlossen sich der von Mönchen und Nonnen angeführten Erhebung an, um ihre Opposition gegen die chinesische Herrschaft in Tibet zu bezeugen. Bei der Unterdrückung der folgenden Demonstrationen griff die chinesische Armee zur Schußwaffe, tötete und verwundete viele schwer auf der Stelle und nahm Tausende von unbewaffneten Demonstranten fest. Die chinesischen Besatzer zwangen die Festgenommenen mittels grausamer Vernehmungen zu einem Geständnis.

In Tibet ist Folter die einzige Methode der Befragung. Im Gefängnis werden unmenschliche und erniedrigende Foltermethoden angewandt, um Geständnisse aus den Opfern herauszupressen. Diese sind Entzug von Nahrung, Wasser und frischer Luft, Einschließen in einen eiskalten Karzer, Loslassen von abgerichteten Hunden auf die Opfer und das Schockieren mit elektrischen Viehstöcken.

In manchen Fällen werden die Gefangenen wie Kriminelle angeklagt und ohne Kontrolle durch eine unabhängige Justiz werden sie mit administrativer Haft belegt. Das von der chinesischen Staatsmacht festgesetzte Gerichtsverfahren stellt die höchste Autorität dar, weshalb die Tibeter kein Recht auf Berufung haben.

Nach der Gefangennahme werden die politischen Häftlinge völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Sie werden von speziellen von der chinesischen Regierung eingesetzten Wachen streng kontrolliert, und ihr Recht, Besuche zu bekommen, wird stark eingeschränkt. Ein politischer Gefangener darf nur einmal monatlich von einem Verwandten besucht werden, während es für andere Gefangene keine Einschränkungen gibt. Politischen Gefangenen werden auch oft die von ihren Verwandten mitgebrachten Lebensmittel vorenthalten, während gewöhnliche Gefangene sie ungehindert bekommen.

Politische Gefangene haben kein Bett, statt dessen müssen sie auf ihren abgelegten Kleidern schlafen. Sie werden gezwungen, verdorbene und verdreckte Nahrung zu sich zu nehmen, und keiner darf es wagen auszusprechen, das schade der Gesundheit.

Aus politischen Gründen verlangt man von den Gefangenen, Seine Heiligkeit den Dalai Lama und die tibetische Freiheit aus ihren Herzen zu verbannen und ihre Liebe zu der kommunistischen Partei zu beteuern. Gleichzeitig müssen sie die chinesischen Gesetze und Bestimmungen für Gefangene akzeptieren, sich von allem abkehren, was sie in Vergangenheit taten und versprechen, sich in Zukunft an die Gesetze zu halten.

Wenn die Gefangenen diese Prinzipien nicht annehmen, dann werden sie grausamer und unmenschlicher Mißhandlung unterworfen, wobei alle nur möglichen Folterinstrumente eingesetzt werden: Schlagen mit Eisenstangen, Stöcken, eisernen Vorhängeschlössern, über Tage hinweg werden sie in Hand- und Fußfesseln gelegt und ohne Nahrung gelassen. Auf diese Weise starb Sangay Tenphel (ein 19-jähriger Mönch, der im Mai 1996 den Folgen der Mißhandlungen erlag).

Die Chinesen tragen keine Verantwortung für kranke Gefangene. Selbst wenn kranke Insassen einmal zur Sprechstunde gebracht werden, dann werden nur veraltete Medikamente und Instrumente verwendet. Aus diesen Gründen starben Lhakpa Tsering (1990) und Kelsang Thutop (1996) im Gefängnis.

Politische Gefangene werden regelmäßig Zwangsblutentnahmen und anstrengendem Exerzieren unterworfen. Politische Gefangene werden auch angehalten, alles jauchzend zu begrüßen, was der Gefängniswärter sagt. Selbst wenn die Wachen etwas Falsches sagen, müssen wir die kommunistischen Werte und Ideologien preisen. Trotz alledem sind wir vereint und hören nicht auf diese Reden. Deshalb werden wir schwer geschlagen und werden mit Nahrungs-, Wasser- und Schlafentzug bestraft.

Man kann gar nicht alle Einzelheiten aufschreiben, es ist so schwer. Wenn wir uns über die Mißhandlungen im Gefängnis bei den zuständigen Stellen beklagen, dann wird unsere Beschwerde nicht nur ignoriert, sondern unsere Hafturteile werden noch bedeutend verlängert. Wir werden strengstens überwacht und mit Brutalität niedergehalten. Dafür werden die Gefängniswachen befördert und von den Behörden belohnt.

In der Zeitung "Tibet Daily" stand, daß bei einer staatlichen Kundgebung das PSB und das Justizbüro der TAR beschlossen, jene Wärter, die bei der Disziplinierung der politischen Gefangenen erfolgreich waren, mit Vergünstigungen zu belohnen.

Wir haben nun 253 politische Gefangene in Drapchi, im Alter von 15 bis 70, die zu Haftstrafen von 1 bis 19 Jahren verurteilt sind. Die gegenwärtige Lage in Tibet ist kritisch und immer mehr Restriktionen werden uns auferlegt. Wir sind unmittelbar all diesen Grausamkeiten ausgesetzt. Deshalb appellieren wir an die Menschen der Welt, welche Wahrheit, Frieden, Demokratie und Menschenrechte lieben und unterstützen.

Von allen politischen Gefangenen des Drapchi Gefängnisses. 10. März 1997

Teil F

F 1)

Haftbedingungen

Allgemeines

Die von uns Interviewten berichteten, daß die Haftbedingungen entsetzlich waren. Viele ehemalige Gefangene erzählten, daß ihre Zellen sehr schmutzig waren, daß sie ihre Notdurft in einen Behälter im Zimmer - oft vor vielen anderen - verrichten mußten und daß sie kaum Gelegenheit zum Waschen hatten. Einige klagten auch, daß der Boden ihrer Zellen von Exkrementen verunreinigt war, als sie in diese hineingestoßen wurden. Viele Gefangene mußten ohne Matratzen oder Decken auf dem Boden schlafen, im allgemeinen solange, bis ihre Verwandten sie ihnen sandten oder das Gefängnis sie nach einiger Zeit mit diesen Dingen versorgte.

Manche berichteten, daß sie mit 20 Zellengenossen so eng nebeneinander liegen mußten, daß sie wie Sardinen in einer Dose zusammengepreßt lagen und keinen Platz zur Bewegung hatten. Andere sagten dagegen, daß es genügend Platz in den Zellen gab, aber die Zelle nur ein leerer Betonraum ohne Betten oder sonstiges Mobiliar mit einem Blechbehälter in der Ecke als Toilette war. Einige Gefangene hatten Etagenbetten in den Zellen, während andere auf Holzplanken auf dem Boden schliefen. Es scheint in dem, was den Gefangenen an Lebensnotwendigem zugestanden wird, keine Einheitlichkeit unter den einzelnen Gefängnissen zu geben.

Die Interviewten machten unterschiedliche Angaben, wie oft sie sich waschen konnten. Es scheint, es war dem Gutdünken der Wachen überlassen, wann sie den Gefangenen erlaubten, sich zu waschen. Oder, wenn bestimmte Zeiten dafür festgesetzt sind, dann sind diese sehr selten und variieren beträchtlich zwischen den einzelnen Strafanstalten. Ein Gefangener konnte sich nur zweimal in fünf Jahren waschen, während andere berichteten, daß sie sich etwa einmal alle zwei Wochen waschen konnten. Wenn einer ins Spital kam, dann durfte er sich immer vorher waschen.

Während die Berichte der Gefangenen ziemlich unterschiedlich sind, ist es klar, daß keiner von ihnen Haftbedingungen vorfand, wie sie von den Standard-Minimum-Regeln der UNO für die Behandlung von Gefangenen gefordert werden. Darin heißt es nämlich:

Alle für die Gefangenen bestimmten Räume, insbesondere alle Schlafräume, müssen den Anforderungen der Gesundheit entsprechen, wobei auf die klimatischen Verhältnisse und besonders das Raumvolumen an Luft, eine Mindestfläche, Beleuchtung, Heizung und Ventilation gebührend zu achten ist.

Die sanitären Einrichtungen müssen angemessen sein, damit jeder Gefangene in hygienischer und anständiger Weise seine Notdurft verrichten kann.

Angemessene Bade- und Duscheinrichtungen müssen zur Verfügung gestellt werden, damit jeder Gefangene ein Bad oder eine Dusche bei einer dem Klima gemäßen Temperatur nehmen kann, und zwar so oft, wie es je nach Jahreszeit und geographischer Lage die allgemeine Hygiene erfordert.

Gefangene müssen ihren Körper rein halten, weshalb sie mit Wasser, sowie den für Gesundheit und Reinlichkeit notwendigen Toilettenartikeln versorgt werden müssen.

Jedem Gefangenen ist in Übereinstimmung mit den lokalen oder nationalen Richtlinien ein separates Bett zu geben, mit separatem und ausreichendem Bettzeug, das bei der Ausgabe sauber sein muß, in Ordnung gehalten und bei Verschmutzung gewechselt werden muß.

In Drapchi hat jede Zelle einen Zellenvorsteher und einen Sekretär, die dafür verantwortlich sind, daß die Häftlinge der jeweiligen Zelle hart arbeiten. Sie müssen auch über eventuelle Strafen, die diesen verhängt werden, Buch führen. Diese zwei Vertreter jeder Zelle treffen regelmäßig mit der Gefängnisleitung zusammen, um die Verhaltensakte jedes Gefangenen zu prüfen. In den letzten Jahren hat dies eine Art System angenommen, nach dem jedem Gefangenen 100 Punkte zugeteilt werden, die er halten muß, wobei für außerordentlich gutes Benehmen Punkte hinzugefügt und für schlechtes Benehmen Punkte abgezogen werden. Gefangene können einen Strafnachlaß bekommen, wenn sie über mehrere Jahre ununterbrochen einen Punktestand von über 100 halten können.

F 2)

Die Haftbedingungen im Drapchi Gefängnis

Eine Delegation der Europäischen Union, die Drapchi am 4. Mai 1998 besuchte, berichtete: "Die Haftbedingungen waren erträglich mit 12 Gefangenen in einem Zimmer, jeder hatte sein Etagenbett. Die Unterbringung war karg und auf das Notwendigste beschränkt, nicht allzu verschieden von einer chinesischen Kaserne oder sogar einem Studentenschlafsaal. Uns wurde gesagt, daß die wegen Verbrechen gegen die Staatssicherheit Verurteilten keine verschiedene Behandlung erführen. Es gebe etwa 90 derartige Fälle in Drapchi. Sie teilten mit anderen Gefangenen die Zellenblöcke und es gebe keine separate Hafteinheit für sie."

Diese Feststellung steht in direktem Widerspruch zu den Berichten von ehemaligen politischen Gefangenen. Definitiv gibt es separate Abteilungen für die politischen Gefangenen in Drapchi, weshalb die Aussage, es gebe keine speziellen Hafteinheiten für sie, einfach falsch ist. Unklar ist, welchen Teil des Gefängnisses die EU Delegation zu sehen bekam.

Jampel Monlam berichtete: "Das Drapchi Gefängnis wurde kurz nach meiner Ankunft in 5 Abteilungen gegliedert. Ich kam in die fünfte Abteilung, diejenige für die politischen Gefangenen. Wir wurden alle zusammen gehalten, damit sie uns leichter kontrollieren konnten. Die Zahl der politischen Gefangenen wuchs auf etwa 500. Ich wurde in eine Zelle gesteckt, die etwa 15 x 12 Fuß maß und in der 12 Gefangene waren. Es gab ein langes Bettgestell, auf dem alle nebeneinander liegend schliefen. Ein Eimer im Zimmer war unsere Toilette. Man kann sich vorstellen, was für ein Zustand dies war, wenn einer von uns Durchfall oder Bauchweh hatte: die Geräusche, der Gestank... Manchmal mußten zwei von uns gleichzeitig in diese Ecke rennen!

In 5 Jahren konnte ich mich nur zweimal waschen. 1991 wurden Badezimmer eingerichtet, weil man eine ausländische Delegation erwartete, aber weil es keine Verordnung über ihren Gebrauch gab, ließen sie uns nicht dorthin gehen. Selbst konnten wir nicht hingehen, weil uns die Wachen hinbringen mußten, und diese weigerten sich, weil die Regeln fehlen würden.

Die Gefängnisleitung nahm uns alle Zivilkleider und persönlichen Gegenstände weg, sogar die gesegneten Schnürchen und Photos, und verbrannte sie vor unseren Augen. Wir bekamen eine Gefängnisuniform aus sehr grobem Stoff. Jedem wurde eine Steppdecke ausgegeben, die aber im Winter nicht ausreichte. Im Sommer war die Temperatur erträglich, außer wenn wir in den Gemüsehäusern mit den Plastikdächern arbeiten mußten, in denen es zum Ersticken heiß war. Im Winter war das Wetter ein Problem. Den jüngeren machte die Kälte nicht so viel aus, aber für die älteren, die gewohnt waren, im Winter pelzgefütterte Mäntel zu tragen, war es sehr schwer. Sie litten fürchterlich."

Damchoe, die in der Sektion 3 von Drapchi war, erinnert sich: "Wir waren zu zwölft in der Zelle, ein großes Zimmer mit Etagenbetten. In dem Zimmer waren Matratzen und Decken. Die Zelle war vom Morgen bis zum frühen Abend offen, so daß wir zur Toilette gehen konnten. Wir konnten uns auch waschen, aber es gab kein heißes Wasser."

Thupten Tsering stellte fest: "Im Drapchi Gefängnis wurde ich in eine Zelle mit 12 anderen politischen Gefangenen gesteckt, das Zimmer war mit 15 x 30 Fuß ziemlich groß und nicht überbelegt. Es gab 6 doppelstöckige Betten darin. Unsere Sachen, etwa die Eßnäpfe, stellten wir unter die Betten. Es gab eine Toilette, die wir benutzen durften. In Drapchi konnten wir uns einmal monatlich waschen."

Yeshi Damdul
beschrieb die Art und Weise, wie Gefangene in ihren Zellen lebten: "Den Häftlingen jeder Zelle wurde befohlen, einen Gruppenleiter zu wählen, der so etwas wie ihr Repräsentant war. Seine Aufgabe war, das Benehmen der anderen Gefangenen zu beobachten. An den Wänden jeder Zelle war eine Liste mit all unseren Namen und zum Start gab man uns 100 Punkte. Abhängig davon, wie hart wir arbeiteten und ob wir als guter Gefangener angesehen wurden oder nicht, wurden uns Punkte hinzugefügt oder abgezogen. Manchmal bekam ein Gefangener 105 Punkte, was bedeutete, daß er als sehr gut eingestuft wurde und hart gearbeitet hatte. Dann wurde er gut behandelt. Einige Gefangene, die nicht mit der Gefängnisobrigkeit kooperierten oder nicht gut arbeiteten oder an den körperlichen Übungen nicht teilnahmen, bekamen Punkte abgezogen und mußten mehr leiden. Ob man ein paar mehr oder weniger als 100 bekam, machte keinen Unterschied. Jeden Monat riefen die Gefängnisleiter die Gruppenführer und den Sekretär in ihr Büro. Die Zellenrepräsentanten mußten berichten, wie ihre Gruppe während des Monats gearbeitet hatte, sowie über irgendwelche besonderen Vorfälle. Kriminellen Gefangenen stellte man in Aussicht, daß, wenn sie vier Jahre lang sehr gut arbeiten und regelmäßig über 100 Punkte haben, ihr Strafmaß verringert wird. Aber politische Gefangene konnten so etwas niemals erwarten."

F 3)

Die Bedingungen in der Gutsa Haftanstalt

Ngawang Choezom erinnerte sich: "Im inneren Teil der Anstalt wurde ich zusammen mit sechs weiteren weiblichen Gefangenen in einen kleinen Raum gesteckt, der etwa 12 x 8 Fuß maß. Wenn wir uns alle darin hinlegten, dann war für niemand mehr Platz, die Zelle war vollgepfropft. Meistens war ich mit anderen politischen Gefangenen eingesperrt, aber manchmal kamen auch kriminelle, die von einer Zelle in eine andere verlegt wurden, für einige Tage in meine Zelle. Manchmal waren chinesische Strafgefangene vorübergehend in der Zelle. Der einzige Gegenstand in dem Raum war ein Blechbehälter, den wir als Toilette benutzten. Wir durften zur Toilette nicht hinausgehen, sondern mußten den Eimer nehmen, der in der Zelle war. Es gab nichts, worauf wir uns legen oder womit wir uns bedecken konnten. Wir mußten auf dem Zementfußboden schlafen. Offiziell war uns gestattet, uns alle zwei Wochen einmal zu waschen, aber manchmal ließ uns ein freundlicher Wärter 15 Minuten lang hinaus, so daß wir uns öfters waschen konnten. Wir bekamen keine Gefängnisuniform zum Anziehen, ich trug meine Nonnenkleidung. Im Winter war es ziemlich kalt, weil es ein kleines Fenster gab, und der Wind durch ein Loch in der Tür hereinpfiff. Das Licht brannte die ganze Nacht."

Dawa Kyizom sagte: "Als ich nach Gutsa verlegt wurde, kam ich mit 4 anderen Nonnen und einer Frau in eine Zelle. Die anderen hatten eine Strafe von 6 Jahren. Die Männer wurden in eine Zelle von derselben Größe, 12 x 12 Fuß, gesperrt, sie hatten nur einen Toilettentopf für alle. In meiner Zelle war Platz zum Schlafen, aber bei den Männern war es so eng, daß sie beim Schlafen eng aneinander lagen und sich gegenseitig quetschten. Wir hatten einen Toilettentopf in unserer Zelle, den wir durch das Loch in der Tür hinausschieben mußten, durch das die Wachen uns auch das Essen reichten. Wir bekamen eine Matratze und eine Steppdecke. Von außen sah die Gutsa Haftanstalt ganz manierlich aus, um die UNO Delegierten hinters Licht zu führen, aber innen war es abscheulich schmutzig. Das Essen und die Kleider, die man uns gab, waren auch dreckig und niemals genug. Wir froren häufig, die Steppdecken waren zu dünn."

Rinzin Kunsang
erzählte: "Die weiblichen Gefangenen wurden in einem großen Gebäude gehalten, das viele separate Zellen hatte. Jede der Nonnen, mit denen ich verhaftet wurde, wurde alleine in eine Zelle gesteckt. Meine Zelle maß etwa 12 x 6 Fuß. Nach einem Monat mußte ich meine Zelle mit einer anderen Gefangenen teilen, einem kriminellen Fall. Sie wurde verhaftet, weil sie eine Prostituierte war. Die ganze Zeit fragte sie mich, warum ich verhaftet worden war, und ich hatte den Verdacht, daß sie ein Spitzel ist, die den Wachen zutragen sollte, was ich antwortete. Sie war die einzige Person, mit der ich in den ganzen zwei Monaten reden konnte. In der Zelle gab es überhaupt nichts. Sie hatte einen Zementboden, auf dem Blutflecken waren. Anfangs gaben sie mir nicht einmal eine Matratze, Zudecke oder Steppdecke. Nach 10 Tagen bekam ich eine zerfranste Matratze und eine Decke. Ein Metalleimer diente als Toilette. In den zwei Monaten, die ich in Gutsa war, konnte ich mich kein einziges Mal waschen. Wir bekamen nicht einmal Trinkwasser. Es gab ein ziemlich großes und mit Stangen vergittertes Fenster. Bei Sonnenuntergang machten die Wachen das elektrische Licht an, das die ganze Nacht über brannte".

Dorje Namgyal erinnert sich: "In Gutsa kam ich in eine Art langen Schlafsaal, der 25 x 9 Fuß maß und für 10 Personen gedacht war, aber wir waren nur zu acht darin. Ich weiß nicht, wie die anderen Zellen aussahen, weil ich mit keinem anderen Gefangenen sprechen konnte. Erhöhte Holzbretter dienten als Betten, auf denen wir Seite an Seite schliefen. Es gab eine Eisentür mit einem Fensterchen darin und neben der Tür war ein vergittertes Fenster. In einer Ecke stand der Toilettenbehälter aus Plastik, der ziemlich groß war. Er verbreitete immer einen schrecklichen Gestank. In Gutsa konnte ich mich in den 4 Monaten, die ich dort, nie waschen."

Gyaltsen Choetso
e berichtet: "In der Zelle gab es überhaupt nichts außer einem Blechbehälter, den wir als Toilette benutzen mußten, und einer Schüssel für das Essen. Es gab keine Matratzen oder Decken. Von der Gefängnisleitung bekamen wir überhaupt nichts, nur nach 20 Tagen von unseren Familien etwas Kleidung; mir sandten sie auch eine Decke, eine dicke Steppdecke, ein Kissen und ein Laken. Nach einem Monat gaben sie uns vom Gefängnis Matratzen. Es gab nur ein winziges verglastes Fenster und eine rote elektrische Birne, die die ganze Nacht brannte."

F 4)

Die Bedingungen im Trisam Gefängnis

Ngawang Choedon erzählte: "Die chinesische Regierung behauptet, Trisam sei kein Gefängnis, sondern ein Haftzentrum, aber tatsächlich bietet es keinen Unterschied zu Gutsa. In der Anstalt Trisam mußten wir Militärdrill absolvieren und konnten auch etwas lernen, aber sonst war alles gleich. Meine Zelle in Trisam war groß genug für 10 Personen, aber nur 8 waren darin. Es gab Etagebetten. Sie lieferten uns keine Matratzen oder Decken, aber wir durften sie von zu Hause bekommen. Ich bekam meine nach einigen Tagen von Freunden. In der Zelle stand ein Blechbehälter, der als Nachttopf dienen sollte, aber die Wachen erlaubten uns zur Toilette hinauszugehen, wenn immer wir darum baten. Wir durften keine Nonnenkleidung tragen, sondern hatten eine Chuba zu tragen."

Leusang erinnert sich: "In Trisam wurden 12 Personen in einer Zelle gehalten, die ziemlich schmutzig war. Es gab drei große Gebäude, jedes mit 13 Zellen zu je 12 Gefangenen. Im ganzen waren es etwa 300 Gefangene. Die Zellen maßen 15 x 10 Fuß, es gab zweistöckige Bettgestelle darin. Zur Bewegung war kaum Platz da. Es gab einen Schrank am Ende des Zimmers, aber keine Stühle oder Tische. Das Gefängnis gab uns überhaupt nichts, sogar die Decken hatten wir entweder selbst mitgebracht oder sie wurden von unseren Familien geschickt. Als Uniform bekamen wir lange Hosen und Hemden. Im Winter war es recht kalt. Es gab eine elektrische Birne, die um 11 Uhr ausgeschaltet wurde, es war auch ein Fenster da, so daß wir etwas Tageslicht bekamen."

F 5)

Die Bedingungen in der Haftanstalt Sangyip

Sonam Dolkar wurde 5 Monate lang alleine in einer Zelle gehalten, ehe eine weitere Gefangene zu ihr gelegt wurde, weil sie zu krank war, um sich alleine zu bewegen: "Meine Zelle maß 6 x 8 Fuß. Etwa 5 Monate lang war ich alleine, dann wurde mir eine chinesische Gefangene aus Dechung zugeteilt, weil ich damals so krank war, daß ich nicht einmal zur Tür gehen und meinen Essensnapf holen oder meinen Toiletteneimer leeren konnte. Es gab ein Bett, einen Tisch, eine Matratze, eine Steppdecke und einen Metallbehälter in der Zelle, die ziemlich sauber war. Mindestens einmal in der Woche kamen sie, um mein Zimmer zu durchsuchen. Wenn irgend etwas an der Wand war, dann beschimpften sie mich. Als ich zwei Tage in Gutsa festgehalten wurde, gab es überhaupt nichts in der Zelle. Ich konnte mich auch nicht waschen, weil sie mich nicht aus der Zelle herausließen. Sie gaben mir keine Kleidung, aber ich hatte schnell noch einige Kleider gepackt, als ich verhaftet wurde."

Thubten Tsering sagte: "Ich wurde 8-9 Monate alleine in meiner Zelle in Seitru gehalten. In der Zelle war Platz genug für 2 Betten. Die Bedingungen in Seitru waren schlechter als in Drapchi. Als ich in Seitru in Einzelhaft war, gab es ein kleines Loch in der Tür, durch das mir die Wachen das Essen reichten. Es gab eine Matratze, ein altes Bettuch und eine Decke. Meine Notdurft mußte ich in einem kleinen Topf im Zimmer verrichten."

Yeshe Togden erzählte: "In Outridu gab es 15 Zellen, von denen jede 20 Personen enthielt. Es war eine große Anstalt mit Fabriken, einer Werkstätte für Fahrzeuge, einem Platz zum Behauen von Steinen und vielen Gemüsefeldern. Seit 1959 waren viele Gefangene dort. Die Zellen maßen etwa 14 x 10 Fuß, sie waren zu klein, daß 20 Männer sich gleichzeitig zum Schlafen hätten niederliegen können. So schliefen wir in zwei Schichten. Jeder hatte nur einen Fuß Breite zum Liegen. Wir mußten uns alle zusammendrängen. Wir schliefen auf einer erhöhten Zementplattform, die mit Holzbrettern belegt war. Darauf war eine Schicht Zeltbahn ausgebreitet und darüber noch eine Steppdecke, die aber auseinander fiel. Wir durften nur auf diesem Podest schlafen. Zuerst gelang uns das nicht, aber dann gewöhnten wir uns daran. Es war eiskalt, besonders im März, wenn es in Tibet sehr kalt ist. Die Toilette war garstig und voller Fliegen. Das war besonders schlimm, weil es kein Wasser gab und alles in der Toilette einfach dort liegen blieb und nicht weggespült wurde. Durch den Wassermangel sollten wir bestraft werden, weil er keine sichtbaren Spuren an uns hinterließ, aber unsere Gesundheit schädigte. Manchmal durften wir zur Toilette gehen, aber die Zeit war viel zu kurz für alle, deshalb rannten wir dorthin, um der erste zu sein. Sonst mußten wir den Behälter in unserer Zelle benützen. Als wir ankamen, gab es Wasser, aber das wurde bald danach abgestellt. Wasser war so knapp, daß ich mich 4 Monate lang fast nicht waschen konnte. Wir bekamen nur einen kleinen Topf mit 400 ml zum Waschen und 4 oder 5 Kleidungsstücke."

F 6)

Die Bedingungen in anderen Gefängnissen

Adhe Tapontsang berichtete über die Gefängnisse, in denen sie Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre eingesperrt war, und von denen einige außerhalb der TAR lagen: "In dem Gefängnis von Karze, wo ich zuerst inhaftiert war, lag ich 20 Tage in Handschellen zusammen mit 10 weiteren Frauen. Es gab kein Licht in dem Zimmer. Nur einmal morgens und einmal abends durften wir kurz hinaus, um unseren Toilettentopf zu leeren. Im Dartsedo Gefängnis war das Zimmer vollkommen leer, es enthielt keinerlei Gegenstände. Wir mußten alle Seite an Seite schlafen, weil es überbelegt war. In der Mitte des Zimmers stand ein großer Metallbehälter als Toilette. Wir mußten vor aller Augen zur Toilette gehen, was sehr peinlich war. Wir bekamen überhaupt nichts, nicht einmal Decken. Diese hatten wir nur, wenn sie uns von zu Hause gebracht wurden. Die Chinesen beobachteten durch ein kleines Fenster, was wir trieben.

1966, als ich nach Minyak Ra Nga Gang verlegt wurde, kamen wir in ein Zimmer mit zwei Wachen. Dann wurde unser Haar geschnitten, sie nahmen uns die Chubas ab und zwangen uns, die blauen chinesischen Kittel zu tragen, auf denen das Wort 'Gefangener' stand. Von diesem Augenblick an verboten sie uns, Tibetisch miteinander zu sprechen, weil sie dachten, wir würden Geheimnisse austauschen. Wir versuchten Chinesisch zu sprechen, aber es war sehr schwierig. Eine alte Frau konnte überhaupt kein Chinesisch und stellte sich daher stumm und sprach kein Wort.

Palden Gyatso
erzählte: "1959 war ich im Kloster Norbukhungtse eingesperrt, das in ein Gefängnis verwandelt worden war, denn vor dem Aufstand von 1959 gab es nicht so viele Gefängnisse in Tibet. Kreidelinien wurden an die Wände gezogen und wir bekamen gerade genug Platz zum Hinliegen. 1959 mußte man sein eigenes Bettzeug mitbringen. Wir bekamen einen Gefangenenkittel, der alle 2 Jahre ersetzt wurde."

Dawa Kyizom
berichtet: "In dem Militärlager Taktse wurde ich in einem Haus mit 6 Zellen gehalten. Ich war alleine in der Zelle, und auch sonst war niemand im ganzen Gebäude. Damals gab es keine anderen Gefangenen. Um den Komplex herum war ein großer Zaun. Es gab ein Fenster, das aber von außen zu öffnen war, und die Wachen öffneten oder schlossen es nach ihrer Laune. In all den 28 Tagen, die ich in dem Militärlager war, konnte ich mich nicht waschen."

Lobsang Shakya erinnert sich an die Verhältnisse im Militärlager von Karkhang: "Die Zelle, in die ich gelegt wurde, maß 8 x 12 Fuß. Ich war allein darin. Das Dach war auch Blech. Die einzigen Gegenstände in der Zelle waren eine zerrissene Matratze und ein altes Bettuch, die ich nach einiger Zeit bekam. Die ersten 5 Tage mußte ich einen Toiletteneimer benutzen, aber dann konnte ich zur Toilette hinausgehen. In dem Monat, den ich im Gefängnis war, konnte ich mein Gesicht zweimal waschen, aber meinen Körper überhaupt nicht. Ehe ich ins Spital kam, wuschen sie das Blut von meinem Gesicht ab. Es war entsetzlich kalt in der Zelle. Manchmal liehen mir freundliche Wachen ihre Hemden zum Tragen, sonst hatte ich nichts und mußte frieren. Es gab kein elektrisches Licht in der Zelle, aber ein großes Fenster mit Eisenstangen."

Yeshe Damdul berichtete: "In Tsethang war ein großes Gefängnis. Es gab nur zwei Blöcke, einer war für die kriminellen, die geringfügiger Vergehen wegen einsaßen, und der andere für Gefangene mit ernsteren Verbrechen, wie etwa politische Gefangene. Es gab etwa 40 Strafgefangene und 16 politische dort. Jeder war in einer Extrazelle, ein ziemlich großes Zimmer, das ganz leer war, es gab weder ein Bett, noch eine Matratze, noch eine Decke, überhaupt nichts darin. Ich wurde zuerst im März verhaftet und es war schrecklich kalt, ich litt viel. Eine Woche lang bekam ich nichts, und es war so kalt, daß ich bei Nacht nicht schlafen konnte. Nach einer Woche bekam ich dann eine Art Matratze aus Decken. Nach einem weiteren Monat durfte ich einige Decken und eine Matratze von meiner Familie erhalten. Es gab nur einen Metalleimer als Toilette. Nach vier Monaten Aufenthalt in der Zelle hatte ich nicht einmal mein Gesicht waschen können."

Lhundup Monlam stellte fest: "In dem Gefängnis von Gyangtse, das dem Public Security Bureau unterstand, gab es nur 4 Gefangene. In Nyari waren die Bedingungen besser als in Gyangtse, in dem Zimmer gab es ein Fenster. In meiner Zelle, die für 8 Personen gedacht war, waren 4 Gefangene. Wir mußten auf den Gemüsefeldern arbeiten. In Nyari gab es vier Matratzen und eine Thermosflasche für uns in der Zelle und zwei weitere Behälter zum Waschen. In Gyangtse war es sehr kalt im Winter, und da ich in Fußschellen lag, litt ich entsetzlich an Schmerzen in den Beinen, die von der Kälte kamen."

Lukar Jam erinnert sich: "In der Terlengkha Haftanstalt gab es 7 oder 8 Gefangene in jeder Zelle, die etwa 12 x 12 m maß. Wir hatten hölzerne Betten mit Matratzen, aber wir mußten die Decken von zu Hause bringen. Es gab ein kleines Fenster mit Eisenstangen. Im Winter war es so kalt, daß wir mit Kohlenfeuer machten und der Raum sich mit Kohlenmonoxid füllte."

Teil G

G 1)

Gefängniskost

Allgemeines

Die Gefangenen werden nicht mit dem Notwendigsten versorgt, das allen Menschen zusteht. Die geringe Menge und schlechte Qualität der Gefängniskost war ein Punkt, über den sich die meisten der Interviewten beklagten, nur noch übertroffen von den physischen Mißhandlungen, denen sie ausgesetzt waren. Fast alle ehemaligen politischen Gefangenen klagten, daß sie nicht genügend zu Essen bekamen. Viele sagten auch, daß das Essen äußerst schmutzig und mit toten Insekten übersät war, und es sogar vorkam, daß Kot auf der Nahrung schwamm. Ein weiteres beängstigendes Element in den Erzählungen ist die Häufigkeit, mit der den Gefangenen Trinkwasser verweigert wurde. Nahrung ist ein menschliches Grundbedürfnis und sie sollte in genügender Menge geliefert werden. Weiterhin sollte sie nicht auf Basis der Diskriminierung oder Bestrafung verteilt werden. Essensreduzierung wird beispielsweise zur Bestrafung von Gefangenen eingesetzt, wenn sie zuerst verhaftet und vernommen oder wenn sie später in Einzelhaft gesteckt werden.

Ehemalige Gefangene berichteten, daß sie, je nach dem Gefängnis, in dem sie sich befanden, verschiedenerlei Essen bekamen. Allgemein bekamen sie eine Diät aus Reissuppe, Dampfwecken und Gemüse. Es gab viele Klagen, daß das Gemüse, was meistens Kohl oder gelegentlich Kartoffeln oder Karotten bedeutete, schmutzig war. Das Gefangenenessen wurde nur gekocht, nicht irgendwie schmackhaft gemacht, auch das Gemüse wurde ohne Fett nur in Wasser gekocht. Tibeter sind an eine Kost mit viel Protein und Fett gewöhnt, die aus reichlich Fleisch und Milchprodukten besteht. Deshalb fällt es ihnen um so schwerer, sich an die Gefängnisernährung zu gewöhnen.

Einige ehemalige politische Gefangene gaben an, daß die Kriminellen bevorzugte Behandlung im Essen erfuhren. Sie bekamen Reis, während man den politischen nur Dampfwecken gab, und die Kriminellen bekamen ihr Essen zuerst, so daß sie mehr Gemüse hatten, während den politischen Gefangenen nur die Überbleibsel gegeben wurden.

Die Gefangenen konnten allgemein ihr Essen mit Nahrungsmitteln ergänzen, die Verwandte ihnen von außerhalb mitbrachten, und in letzter Zeit berichten Gefangene von Drapchi, daß sie in einem Laden in dem Gefängnis noch etwas extra Nahrung kaufen konnten. Es ist schlimm, daß die Gefangenen von der Nahrung abhängen, die ihnen Besucher bringen oder die sie separat kaufen, um überhaupt existieren zu können.

Sie müssen im Allgemeinen ihre Nahrung in ihren Zellen zu sich nehmen, obwohl manche Gefängnisse, etwa Trisam einen separaten Eßsaal haben. In den Zellen zu essen, ist unzumutbar, besonders angesichts der Tatsache, daß viele Gefangene keine separate Toilette haben, sondern nur einen Eimer in dem Zimmer. Das ist eindeutig unhygienisch und ein weiterer demütigender Aspekt des Gefängnislebens.

Viele Gefangene berichteten von gesundheitlichen Problemen wegen der schlechten Nahrungsqualität, etwa Durchfall oder Bauchweh. Andere, die durch die Folterungen innere Verletzungen und Nierenschäden davontrugen, fanden es sehr schwierig, das Gefängnisessen zu verdauen, aber sie hatten keine andere Wahl.

Das Informationsbüro des Staatsrates der PRC stellte kürzlich fest: "Die Regierung garantiert für die Gefängnisinsassen die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Kleidung, Obdach und der täglichen Gebrauchsgegenstände. Jedes Gefängnis in Tibet besitzt separate Eßräume, gibt verschiedene Kost für die einzelnen Gefangenengruppen und versorgt sie auch jeden Monat mit Tsampa, Buttertee, gezuckertem Tee usw."

Die Geschichten der ehemaligen Insassen weichen beträchtlich von dieser Behauptung ab: Die meisten Gefängnisse haben keine separaten Speiseräume und die Gefangenen klagen, daß sie von keiner Speise genug zu essen bekommen, geschweige denn die Speise ihrer Gewohnheit. Die Qualität und die Quantität der in den Haftzentren gelieferten Nahrung scheinen weit unter der in den "Gefängnissen" zu liegen, wobei die schrecklichsten Geschichten aus der Gutsa Haftanstalt kommen. Lukar Jam, der von 1994 bis 1995 in dem Terlengkha Haftzentrum eingesperrt war, kam ins Krankenhaus, als er nur noch 30 kg wog. Er gab an, daß der Hauptgrund für seine Krankheit und dem folgenden Gewichtsverlust die schlechte Gefängniskost und die unhygienischen Bedingungen waren.

Die folgenden Berichte von einzelnen Gefangenen stehen in krassem Widerspruch zu den Standard Minimumregeln der UNO für die Behandlung von Gefangenen. Die Regel 20 dieser Liste sieht vor:

"Jeder Gefangene hat von der Verwaltung zu den üblichen Tageszeiten der Gesundheit zuträgliche und kräftigende Nahrung, von bekömmlicher Qualität, gut zubereitet und ordentlich serviert zu bekommen. Trinkwasser muß jedem Gefangenen, wenn er danach verlangt, zur Verfügung stehen."

Rinzin Kunsang, die 1988 in der Gutsa Haftanstalt eingesperrt war, berichtete: "Wir bekamen kein Wasser zum Trinken. Die Strafgefangenen wurden zuerst gefüttert. Wir bekamen dann nur noch die Reste. Das Essen war sehr schmutzig und ungenügend. Um 7 Uhr morgens bekamen wir dünne Reissuppe, dann zu Mittag zwei kleine Dampfwecken und am Abend noch einmal dünne Reissuppe. Den Kriminellen gaben sie Gemüse, aber wir bekamen nur die Gemüsewurzeln. Sie brachten uns niemals Getränke und das Essen war nie genug. Wir hatten großen Hunger. Zu den Essenszeiten öffneten die Wachen unsere Zellentüren und schoben uns das Essen herein. Wir mußten es in unseren Zellen zu uns nehmen."

Tenzin Choedon beschrieb, was sie täglich in Gutsa zu essen bekam: "Am Morgen bekamen wir dünne Reissuppe, zu Mittag zwei kleine Wecken und in Wasser gekochtes Gemüse. Zum Abendessen gaben sie uns die Reste vom Mittag. Das Essen wurde von den Strafgefangenen gekocht, die ihre Zigarettenstummel hineinwarfen, einmal sah ich sogar Kot in der Suppe schwimmen. Alle drei Tage bekamen wir eine Tasse Wasser oder schwarzen Tee. Es war Sommer, als ich dort eingesperrt war, und alle hatten großen Durst, aber konnten nur vom fließenden Wasser träumen. Wir bekamen nicht genug zu essen und waren oft hungrig."

Yeshe Togden
erzählte seine Erlebnisse in Outridu 1989: "Beinahe vier Monate lang bekamen wir kein Wasser. Am Morgen erhielten wir eine kleine Handvoll Tsampa mit schwarzem Tee und Salz. Weil wir so wenig zu essen bekamen, genossen wir wirklich, was wir hatten: Am Morgen mischten wir ein klein wenig Tsampa und leckten es dann langsam, langsam auf. Wir wurden zweimal täglich gefüttert, manchmal gab es zu Mittag etwas, aber abends nichts, und manchmal Abendessen und zu Mittag nichts. Die zweite Mahlzeit bestand aus zwei Wecken und Gemüsesuppe. Es war eher eine Gemüsebrühe, weil außer einigen Wurzeln kein Stückchen Gemüse darin war. Sogar diese Wurzeln mußten wir uns extra aus dem Topf fischen, und für unsere Mühe bekamen wir noch einen Hieb mit dem Servierlöffel auf den Kopf! Die Suppe war so salzig und voller Chili. Sie wurde in einem rostigen Ölfaß gekocht, weshalb sie rostfarben war. Wir waren so hungrig, daß die Leute direkt vor den Augen der Aufseher die Wecken stahlen, weil ihr Hunger stärker als ihre Furcht war. Abends waren wir schrecklich durstig, weil die Suppe so salzig war, aber wir hatten kein Wasser zum Trinken. Wir waren so dehydriert, daß wir oft überhaupt kein Urin ließen. Wir hatten einen Behälter für den Urin in unserer Zelle, aber obwohl wir 20 Personen waren, brauchten wir ihn nur einmal in der Woche zu leeren. Die einzige Flüssigkeit, die wir den ganzen Tag bekamen, war der Tee und die salzige Suppe. Wenn wir unsere Zelle verließen, mußten wir uns an der Wand festhalten, so schwach waren wir. Wenn wir mal etwas Wasser bekamen, und sei es auch nur ein halber Liter, war es wie ein Segen, wir hoben es als eine Kostbarkeit auf, daß es sogar bei 20 Leuten in der Zelle so lange in der Büchse blieb, bis diese zu rosten begann. Natürlich tranken wir es trotzdem. Abends, wenn eine kühle Brise wehte, saßen wir da und öffneten unseren Mund wie Eidechsen, weil der kühle Wind gleich Wasser auf unsere Kehle wirkte. Der Durst war sogar noch schlimmer als der Hunger. Viele Leute waren sehr schwach und unterernährt."

Bagdro klagte über den Nahrungsmangel in Gutsa 1989: "In Gutsa bekamen wir sehr schmutziges Essen, ein paar dreckige Kartoffeln, ein kleines Weckchen und etwas zu trinken. Manchmal bekamen wir eine kleine Tasse schwarzen Tee und ein kleines Dampfweckchen, ein andermal war es eine winzige Menge Gemüse (gerade ein oder zwei Blätter) mit Wasser gemischt und ein kleines Weckchen. Es gab so wenig Wasser, daß ich meinen eigenen Urin trinken mußte, aber auch der wurde immer weniger und nach einiger Zeit konnte ich gar nicht mehr zur Toilette gehen, weil ich so wenig zu essen und zu trinken hatte. Ich war dem Hungertod nahe, ich versuchte sogar, mein Hemd zu essen."

Yeshi Damdul beschrieb die Gefangenenkost in Tsethang 1989: "Morgens bekamen wir ein kleines Weckchen mit einer Tasse schwarzen Tee, zum Mittagessen bekamen wir manchmal 2 tingmos und eine Tasse schwarzen Tee, manchmal auch mit ein wenig Gemüse, abends variierte das Essen, manchmal waren es leichte Nudeln oder leichtes Gemüse. Anfangs war das Essen noch etwas sauberer, aber allmählich wurde es immer schlechter. Später war es mir dann egal, ob die Nahrung sauber und gut war: Ich war zu hungrig und aß alles, was man uns gab."

Gyaltsen Choetsoe
erzählte über ihre Erlebnisse in Gutsa 1990: "Sie gaben uns sehr schmutziges Essen. Beim Gemüse war meistens noch der Dreck dran und oft waren sogar Exkrete im Essen. Es war auch so salzig, daß wir es nicht zu uns nehmen konnten. Morgens bekamen wir in heißem Wasser gekochten Reis, der aber unnatürlich gelb war, und zu Mittag gaben sie uns ein tingmo mit schmutzigem Gemüse oder, wenn wir zufällig einen freundlichen Koch hatten, bekamen wir auch zwei oder gar drei tingmo. Abends hatten wir dasselbe wie zu Mittag. Die Strafgefangenen bekamen einmal in der Woche Reis, aber die politischen Reis bekamen gar keinen Reis bis gegen Ende meiner Gefangenschaft, als wir manchmal Reis und schwarzen Tee bekamen. Alle außer den politischen Gefangenen bekamen schwarzen Tee zu Mittag. Das Gefängnis gab uns nie genug zu essen, daß ich hätte meinen Magen füllen können, aber ich konnte gegen ein wenig Schmiergeld für die Gefängniswärter etwas Nahrung von meiner Familie bekommen. Ich litt schrecklich unter dem Hunger."

Lhundup Monlam
beschrieb seine Kost in dem Nyari Gefängnis in der Region Shigatse 1990: "In Nyari war das Essen sehr dürftig. Wir bekamen gewöhnlich schwarzen Tee mit tsampa, zum Mittagessen Reis mit Gemüse und manchmal ein paar Reiskörner in heißem Wasser und abends wieder schwarzen Tee mit tsampa. Von dem Essen wurden wir niemals satt. Im Gemüse sahen wir viele weiße Insekten, weil es nicht richtig gewaschen wurde."

Gyaltsen Palsang, die 1993 ein Jahr und acht Monate in Gutsa festgehalten wurde, erzählte: "Um 4 Uhr früh bekamen wir eine Tasse schwarzen Tee, zu Mittag gab es entweder Reis mit Gemüse oder nur Reis oder tingmo und zu Abend wieder ein kleines tingmo. Wir hatten nicht genug zu essen und wir waren sehr hungrig. Wegen der schlechten Qualität der Nahrung bekamen wir blutigen Durchfall, wir hatten Bauchschmerzen und waren sehr geschwächt. Das Essen wurde uns durch das Loch in der Zellentür gereicht. Wir durften zum Essen nicht aus der Zelle gehen."

Lukar Jam erinnert sich an das Gefängnisessen in der Terlengkha Haftanstalt 1994: "Wir hatten nur 2 Mahlzeiten am Tag. Wir bekamen eine tägliche Ration von 250 g Mehl und konnten auch heißes Wasser haben. Deshalb war das Frühstück meistens einfach heißes Wasser mit aus diesem Mehl geformten Nudeln oder tingmo. Die Hauptmahlzeit bestand aus zwei tingmo aus dem restlichen Mehl. Gelegentlich bekamen wir Gemüse, das auf dem Markt übriggeblieben war, weil es schon am Verfaulen war."

Lobsang Shakya sprach über die Bedingungen im Karkhang Gefängnis in der Nähe von Shigatse 1995: "Wir bekamen nur zweimal täglich zu essen. Etwa um 9 Uhr bekamen wir entweder Reis in heißem Wasser oder manchmal ein kleines tingmo. Gegen 18 Uhr bekamen wir Reis und Gemüse, aber es war einfach in Wasser gekochtes Gemüse, ohne jedes Fett. Das Essen war sehr schmutzig, es war rot oder gelb gefärbt und manchmal schwammen tote Insekten darin herum. Es war wirklich viel zu wenig. Ich fühlte mich immer hungrig. In der ersten Woche aß ich in meiner Zelle, aber dann befahlen sie mir, es irgendwo außen zu mir zu nehmen, immer alleine... Die Wachen trieben mich immer beim Essen an."

G 2)

Hungertod von Gefangenen in den 60er Jahren

Anfang der 60er nach der Besetzung Tibets durch China erfuhr Tibet seine erste Hungersnot in der Geschichte. Besonders in der Zeit von 1960 bis 1962 starben als Ergebnis der Kampagne "Großer Sprung vorwärts" der Chinesen viele Tausende von Tibetern alleine in den Gefängnissen an Hunger. Der Panchen Lama schrieb in seiner 70.000 Buchstaben umfassenden Petition an die chinesischen Führer:

"Obwohl Tibet in der Vergangenheit eine von dunklem und wildem Feudalismus beherrschte Gesellschaft war, hat es niemals solch einen Mangel an Korn gegeben. Weil der Buddhismus überall in hoher Achtung stand, hatten alle Leute, ob adelig oder gemein, die gute Gewohnheit, den Armen zu helfen, weshalb Leute einfach durch Erbetteln ihrer Nahrung überleben konnten. Eine solche Situation, wo die Menschen verhungern, hätte nie entstehen können, und wir hörten nie davon, daß Leute verhungert wären."

Adhe Tapontsang erinnert sich: "Als ich 1959 im Dartsedo Gefängnis war, bekamen wir wenig mehr als dreimal täglich ein Glas sehr dünner Reissuppe. Es gab viel Wasser, aber nichts sonst zu trinken. Nach 10 Tagen waren wir so vom Hunger geschwächt, daß wir nicht mehr aufrecht stehen konnten. Als wir in die Golthok Bleibergwerke verlegt wurden, bekamen wir dasselbe Essen, aber es war noch schlechter als zuvor. Unsere Gesundheit verfiel schnell. Die Arbeit am Tag war sehr hart, aber wir bekamen nicht genug Nahrung, um uns am Leben zu erhalten. Die Männer begannen, Insekten in ihre Reissuppe zu tun, am beliebtesten war ein gelber Wurm mit rotem Kopf. Die Frauen scheuten sich, Insekten zu verspeisen. Bald konnte ich wegen des Nahrungsmangels nicht mehr laufen. Eines Tages lag ich danieder und konnte nicht zur Arbeit gehen. Da wurde ich geschlagen. Alles, was wir zu essen hatten, war ein Glas Reissuppe dreimal täglich. Viele, viele Menschen starben den Hungertod. Jeder starb auf eine andere Weise. Manche riefen den Namen Seiner Heiligkeit, andere wurden verrückt, sie schrieen einfach stundenlang nach Nahrung, bis ihnen die Stimme versagte. Dann starben sie einfach. Ein Mann starb, und ein Insekt, das er gegessen hatte, kam wieder aus seinem Mund hervor. Sein Gesicht war ein schrecklicher Anblick. Seine Wangen waren völlig eingefallen und seine Augen saßen tief in den Augenhöhlen.

Wir konnten die Zahl der Gefangenen, die verhungerten, gar nicht zählen. Jede Nacht schliefen wir Seite an Seite und am Morgen waren viele im Zimmer tot. Jeden Tag starben die Leute. Einmal legte ich mich wie gewöhnlich neben zwei Freundinnen schlafen. In der Mitte der Nacht schien es mir, daß eine sich nicht mehr bewegte, so schaute ich nach, ob sie noch lebte. Sie war gestorben. Dann wandte ich mich zu der anderen Freundin, um es ihr zu sagen, aber sie war auch tot. Jeden Tag starben mindestens 10 Personen. Und das ging drei Jahre lang, von 1960 bis 1963, jeden Tag so weiter. Von 1960 bis 1963 starben 12.019 Gefangene des Hungers. Ich weiß dies, denn als nach diesen 3 Jahren der Gefängnisleiter wechselte und der neue kam, wurde die Zahl der Toten bekannt gegeben."

Palden Gyatso
stellte fest: "1959 mußte meine Familie das Essen bringen, weil die Gefängnisse noch nicht organisiert waren. Später, als überall in Tibet Nahrungsmangel herrschte, bekamen wir dreimal täglich schwarzen Tee, aber unsere Angehörigen mußten das Geld für den Brennstoff beschaffen. Um 1962 durften wir keine Lebensmittel mehr von unseren Angehörigen bekommen. Statt dessen gaben uns die Wachen täglich einen Behälter mit etwa 4 Handvoll tsampa, manchmal ohne jedes Gewürz oder Salz, nur mit ein wenig Wasser. Das war alles, was wir in einem Tag zu essen oder zu trinken bekamen. Um 1969 starben viele Leute des Hungertodes im Gefängnis. Am schlimmsten war es 1960-62, als der Verhungerten so viele waren, daß man sie nicht mehr zählen konnte."

Teil H

Gefängnisarbeit

Theoretisch könnte Arbeit im Gefängnis die Möglichkeit bieten, neue Fertigkeiten zu lernen und wertvolle Erfahrungen aus der Gefangenschaft mit nach Hause zu tragen. Gefangene in Tibet müssen jedoch manuelle Arbeit verrichten, ohne daß irgendeine Absicht dabei wäre, ihnen etwas beizubringen, sondern nur um die Produktion für den Staat zu erhöhen. Die Gefangenen müssen festgesetzte Produktionsquoten erfüllen, sonst werden sie bestraft oder gar geschlagen. In Tibet werden die Gefangenen häufig in der Landwirtschaft und zum Holzfällen eingesetzt, wo die Arbeit besonders herausfordernd ist und Unfälle häufig vorkommen. Das chinesische Gesetz legt zwar fest, daß Gefangene nicht über 12 Stunden am Tag zur Arbeit herangezogen werden dürfen, mit einem Ruhetag alle 2 Wochen, aber einige der Interviewten berichteten, daß sie manchmal, wenn ein besonderer Termin gesetzt war, länger arbeiten mußten und daß auch der zweiwöchentliche freie Tag oft gestrichen wurde.

In den "Laogai Richtlinien" steht unter allgemeinen Prinzipien, was der Sinn des laogai-Gefängnis-Systems in der PRC ist: "Diese Maßnahmen werden speziell angewandt, um alle Konterrevolutionäre, sowie andere kriminelle Straftäter zu bestrafen und sie zu zwingen, sich durch Arbeit zu bessern und neue Menschen zu werden."

Verurteilte Gefangene mußten gewöhnlich acht Stunden am Tag körperliche Arbeit tun. Viele von ihnen hatten wegen ihres jugendlichen Alters oder weil sie in Klöstern oder in der Schule waren noch nie vorher gearbeitet. Mit der körperlichen Zwangsarbeit zurechtzukommen, fiel ihnen daher schwer. Die Art der Arbeit variierte je nach der Anstalt, in der sie eingesperrt waren. Bis vor kurzem teilte das chinesische Strafrecht die Haftanstalten in verschiedene Kategorien ein: Gefängnisse und Lager zur Reform durch Arbeit, aber jetzt laufen sie alle unter Gefängnis. Die Berichte der Gefangenen lassen nicht schließen, daß es materielle Unterschiede in der Art der Behandlung oder der Arbeit gab, die sie in den verschiedenen Anstalten ausführen mußten.

In Drapchi arbeiteten die männlichen Gefangenen entweder in den Gemüsefeldern, auf dem Bau, in den Ziegelfabriken oder der Fahrzeugreparatur, während die Frauen menschliche Exkremente aus den Toiletten entfernen mußten oder in der Näherei und der Wollesortierung beschäftigt wurden. Jüngste Berichte zeigen an, daß männliche politische Gefangene in Drapchi statt zu arbeiten nun den ganzen Morgen "exerzieren" und am Nachmittag die Umerziehung über sich ergehen lassen müssen. In anderen Gefängnissen, besonders in Südtibet holzten die Gefangenen Wälder ab und arbeiteten in den Sägewerken. Oft mußten sie auch in den stickig-heißen Gewächshäusern arbeiten, die voller Dämpfe der Insektizide waren, mit denen die Pflanzen besprüht wurden. Sie mußten auch erniedrigende und demütigende Arbeit tun wie Gülle aus den Gefängnisklosetts schöpfen und als Dünger auf die Felder verteilen.

Die Interviewten berichteten, daß sie basierend auf dem Produktionswert eine gewisse Arbeitsquote erfüllen mußten. Der Staat überwacht streng das Gefängnissystem der TAR, um den größten Profit aus der Gefangenenarbeit zu ziehen. Im Oktober 1990 machte der Parteisekretär des PSB (Polizei) der TAR die Feststellung, daß die Gefängniskomplexe und Arbeitslager in der TAR 16 Mio. Yuan (2 Mio. US$) erwirtschaftet hätten, was damals 10% der gesamten Wirtschaftsleistung der TAR bedeutete. Er fügte hinzu, daß die Gefängnisse und Arbeits-Reform-Lager in 1980 100 Mio. Yuan (US$13 Mio.) beitrugen und daß in der Zeit von 1975-79 ein Nettogewinn von etwa 2 Mio. Yuan gemacht und von den Arbeitslagern der TAR nach Peking geleitet wurde.

Im Gegensatz zu dem, was eine Reihe von ehemaligen politischen Gefangenen berichteten, wurde die EU Delegation informiert, daß "das Gefängnis die Leute erziehe und bis zum Mittelschulstand Chinesisch und Tibetisch lehre. Die Regel sei 5 Tage Arbeit und 2 Tage Ruhe. Von den 5 Arbeitstagen werden 3 mit körperlicher Arbeit verbracht und zwei für Studium und Politik. Durch ihre Arbeit und die Schweine- und Gemüsezucht können die Gefangenen rund 2.000 Yuan im Jahr verdienen. Benehmen und Arbeitsleistung werden monatlich überprüft und in komplizierten Tabellen an den Gefängniswänden verzeichnet."

Eine Reihe von Befragten wurden noch über die Periode ihrer Freiheitsstrafe hinaus festgehalten und gezwungen, unter ähnlichen Bedingungen wie in der Gefangenschaft zu arbeiten. Obwohl kein Schloß mehr an ihrer Tür hing, war ihr Recht, die Anstalt zu verlassen, streng eingeschränkt und sie erhielten, wenn sie überhaupt bezahlt wurden, viel weniger Lohn als sie normal bekommen hätten. Human Rights Watch stellt dazu fest: "In China, wo die Gefängnisse eine wichtige Einkommensquelle für den Staat darstellen, behalten die Gefängnisleitungen zwangsweise einige Gefangene, die eigentlich ihre Strafe abgebüßt haben, zum Arbeiten da. Unter diesem System, das seit Anfang der 50er Jahre gilt, werden Gefangene im ganzen Land gezwungen, sogar nach dem Ende ihrer Haftstrafen als sogenannte Arbeiter gar für den Rest ihres Lebens im Gefängnis zu bleiben. Die Arbeitsbedingungen und die Produktionsquoten für diese Leute sind praktisch dieselben wie für die Gefangenen."

Ehemalige politische Gefangene berichten, daß sie viel härtere Arbeit als die kriminellen Gefangenen leisten mußten, etwa Felsbrocken in kleine Stücke brechen und Toiletten reinigen. Gefangene scheinen im allgemeinen einen arbeitsfreien Tag in der Woche zu haben, aber in einigen Gefängnissen mußten sie jeden Tag ohne Unterbrechung arbeiten. Sie müssen ohne Rücksicht auf ihre körperliche Verfassung oder ob sie verletzt sind, immerzu arbeiten. Konchok Tsomo beispielsweise, deren Arm bei ihrer Verhaftung gebrochen wurde, mußte im Drapchi Gefängnis drei Jahre lang in der Wollereinigung arbeiten, obwohl ihre Verletzung niemals behandelt wurde. Sie hielt den Arm in einer Schlinge. Jetzt ist es zu spät für den Arm richtig zu heilen, weil wildes Fleisch um und in dem gebrochenen Knochen gewachsen ist. Schreckliches berichten die Gefangenen über das Ausmaß an Arbeit, das sie Anfang der 60er Jahre leisten mußten, sowie über die mangelnde Rücksicht der Staatsdiener für Leben und Wohlergehen der Häftlinge.

Neuerdings berichteten Gefangene, daß sie zum "Exerzieren" gezwungen werden, etwa in derselben Weise, wie die chinesischen Soldaten. Sie müssen vielerlei Dinge tun, wie Schnellauf oder direkt in die Sonne starren. Wenn die jeweilige Aufgabe nicht gebührend erfüllt wird, erfolgt die Strafe auf den Fuß, der Gefangene wird gewöhnlich geschlagen. Aus diesem Grund bezeichnen die Gefangenen das Exerzieren als eine Art der Strafe, und alle hassen diese Aktivitäten zutiefst, nicht nur wegen der physischen Anstrengung, sondern auch wegen der mentalen Kontrolle, die gleichzeitig auf sie ausgeübt wird.

Gefangene, über die noch kein offizielles Urteil gesprochen wurde, dürfen gewöhnlich ihre Zellen nicht verlassen, außer für die Vernehmungen und vielleicht einmal täglich, um ihren Toiletteneimer zu leeren. Die Gefangenen haben einfach gar nichts zu tun in ihren Zellen. Sie dürfen kein Papier und keine Stifte haben, oft sind sie in Einzelhaft oder dürfen nicht mit ihren Zellengenossen sprechen. Sie dürfen ihre Religion nicht ausüben und sie haben den ganzen Tag an nichts anderes zu denken, als wann die nächste Verhörsitzung auf sie zukommt. Die Tatsache, daß Gefangene gewöhnlich sechs Monate lang oder sogar noch länger ohne Verurteilung und oft alleine in einer Zelle eingeschlossen werden, stellt schon für sich genommen eine unmenschliche Behandlung dar.

Leusang, der in dem Trisam Gefängnis einsaß, sagte: "Wir mußten den ganzen Tag arbeiten außer während der Mittagspause. Um 7 Uhr morgens verließen wir unsere Zellen und kamen um 18 Uhr zurück. Wir hatten viel verschiedenerlei Arbeiten zu verrichten. Manchmal waren wir in den staatlichen Arzneimittelwerken. Wir mußten auch Ziegelsteine und Zementsäcke auf unserem Rücken tragen oder auf dem Bau arbeiten. Wir hatten niemals Ferien, höchstens bekamen wir, falls die Arbeit es zuließ, am 1. und 15. des Monats einen freien Tag, um unsere Besucher zu treffen. Es wurde erwartet, daß wir jedes Jahr 25.000 Yuan erwirtschafteten. Jedes Gebäude hatte einen Wart, der in die Stadt gehen durfte, um Arbeit für den Rest von uns zu suchen. Und dieser brachte uns dann zur Arbeit. Die Wachen feuerten uns zum Wetteifern miteinander an, so daß wir sehr hart arbeiten mußten, etwa wenn wir Erde aushieben oder Abwasserrohre verlegten. Einige meiner Gefährten und auch ich wurden immer wieder ohnmächtig. Manchmal mußten wir uns beim Gehen an der Wand festhalten, weil wir so schwach waren. Viele waren so ausgezehrt und anämisch, daß sie plötzlich für einige Minuten weg waren. Als ich kam, gab es auch Geisteskranke, aber sie mußten nicht arbeiten."

Bagdro erzählte über seine Zeit in Drapchi: "Wir mußten jeden Tag außer dem Sonntag Steine hauen... für die politischen Gefangenen war die Arbeit härter als für die kriminellen".

Dawa Kyizom berichtete: "Von 9 Uhr morgens bis mittags wurden wir zur Arbeit aus unseren Zellen geholt und dann wieder von 15 bis 18 Uhr. Die Männer mußten Steine behauen, was eine sehr anstrengende Arbeit ist, und das spärliche Essen gab ihnen nicht die nötige Kraft dazu, so daß sie immer wieder in Ohnmacht fielen während der Arbeit. Manchmal mußten wir die Fäkalien aus der Gemeinschaftstoilette sammeln und sie über die Felder verteilen und ein andermal mußten wir Steine tragen, die Felder umpflügen, den Gemüsegarten bewässern oder den Gefängnishof kehren."

Ngawang Choedon
erinnert sich: "In Gutsa wurden wir nur für fünf Minuten täglich hinausgelassen. In Trisam konnten wir öfters die Zelle verlassen und für ein oder zwei Stunden draußen bleiben. Dort mußte ich im Gemüsegarten arbeiten, Kartoffeln und Kohl pflanzen. Wir wurden auch in die Toiletten geschickt, um die Fäkalien zu holen und je zwei Eimer zu den Feldern zu tragen. Während der Erntezeit mußten wir auf anderen Feldern arbeiten, Weizen dreschen und ähnliches. Wir arbeiteten von morgens bis abends. Es war den Wachen überlassen, ob sie uns erlaubten, sonntags auszuruhen oder nicht. Auch in Gutsa mußte ich oft dieselbe Arbeit wie in Trisam leisten. Im Trisam Gefängnis mußten wir früh morgens so schnell wir konnten rennen, dann in Reih' und Glied marschieren, wieder kehrtmachen und in Reihe stehen. Wir mochten diesen Drill überhaupt nicht, denn die Instruktionen wurden auf Chinesisch gegeben, und wenn wir sie nicht verstanden und uns nicht umwandten, wie wir es tun sollten, dann wurden wir mit Stöcken geschlagen."

Lhundup Monlam
gab an: "In Nyari mußten wir auf dem Bau und in den Gemüsefeldern arbeiten: Jeden Wochentag acht Stunden lang, es fiel mir sehr schwer, weil ich nicht ans Arbeiten gewöhnt war."

Damchoe Palmo
berichtete aus ihrer Zeit in Drapchi von 1994-96: "Von der zuvor eingeweichten und dann getrockneten Wolle mußten wir vier sang spinnen, dann mußten wir die Stränge trennen und die Wolle für die Verarbeitung zu Teppichen oder Pullovern herrichten. Wir mußten vier sang in einem Tag fertigbringen und durften niemals einen Rest für den nächsten Tag übriglassen. Im Winter mußten wir die Arbeit abends bei Lampenlicht zu Ende bringen. Die Wollarbeit war unser eigentlicher Job, aber manchmal brachten die Drillübungen unseren Tagesplan durcheinander, aber solange die Arbeit nicht fertig war, durften wir nicht in die Zellen zurückkehren.

In Drapchi wurden wir zu dem Exerzieren gezwungen, tatsächlich war es eine Art Strafe. Wir mußten ganz stramm stehen mit Papierfetzen unter den Armen und zwischen den Beinen und wurden schwer gescholten, wenn das Papier zu Boden fiel. Wir mußten auch mit Wasserschüsseln auf dem Kopf unbeweglich dastehen oder mit offenen Augen direkt in die Sonne starren. Wir sollten wie die Soldaten sein, erklärten sie uns. Wenn wir einen Fehltritt taten, stießen sie uns oder verdroschen uns mit Gürtelschnallen oder einem Rohrstock oder verabreichten uns einen elektrischen Schock. Einmal erklärte mir ein Aufpasser, mein Blick sei so unverschämt, worauf er gegen mich ausholte und mich mit seinen Stiefeln in die Brust stieß. Der Tritt war so heftig, daß sogar die Person hinter mir hinfiel und der Schmutz ihrer Stiefel an meinem Hemd haftete und mein Mund voller Blut war. Sogar jetzt noch leide ich an den Nachwirkungen dieses Angriffs. Der Drill dauerte immer sehr lange, in der Morgendämmerung begannen wir und mußten bis zum Frühstück, etwa 8 Uhr, üben. Nach dem Frühstück ging die Tortur weiter, wenn wir direkt in die Sonne blicken oder etwas Ähnliches tun mußten. Wenn wir einen Fehler gemacht hatten, mußten wir nach dem Mittagessen weitermachen. Auch am Abend mußten wir vier Stunden lang drillen. Dazwischen mußten wir die Wollarbeit verrichten. Die Leute starben wegen dieser Militärexerzitien, so viele wurden geschlagen, weil sie etwas falsch machten. Alles, was ein regulärer Soldat in China tun muß, wurde auch von uns verlangt, außer Kung fu zu lernen. Die Soldaten bekamen wenigstens gutes Essen, aber unsere Nahrung war sehr dürftig, alle wurden jeden Tag gekickt und gestoßen."

Adhe Tapontsang
erinnerte sich: "Als ich in den Gothok Bleiminen war, mußte ich Gebäude für das Gefängnis bauen helfen. Morgens mußten wir 4 Stunden arbeiten und nach der Mittagspause noch einmal 4 Stunden. Von einem Berghang mußten wir Erde abgraben. Es handelte sich ja um eine Bleimine, und die Arbeit war sehr beschwerlich. Jeder von uns bekam einen Hammer, um das gefundene Blei flach zu schlagen. Es herrschte Arbeitsteilung, die stärkeren Gefangenen mußten neue Häuser bauen, in denen wir wohnten, während die schwächeren in dem Bergwerk arbeiteten."

Yeshe Dramdul
erzählte: "In Tsethang gab es kein besonders Soll zu erfüllen, weil es gar keine Arbeit gab, ich wurde den ganzen Tag in meine Zelle eingeschlossen. Es fiel mir schwer, die Zeit zu verbringen. Die ersten vier Monate durfte ich meine Zelle überhaupt nicht verlassen, außer wenn ich zur Vernehmung gebracht wurde. Nach vier Monaten ließen sie mich gelegentlich heraus, aber es war sehr selten... In Drapchi wurden wir jeden Tag aus der Zelle gelassen. Früh morgens mußten wir den Militärdrill absolvieren und marschieren. Das war sehr hart für uns. Gleich danach kam das Frühstück. Danach mußten wir arbeiten, manchmal in den Gewächshäusern und manchmal mußten wir die Gemüsefelder umgraben oder Steine in Stücke zerhauen. Wir mußten auch in die Gefängnistoiletten hineinsteigen und Eimer voller Gülle herausheben. Das war wirklich ein abscheulicher Job, in die überfließenden Toiletten hineinzugehen und die Fäkalien mit Eimern herauszuschöpfen. Dann brachten wir die Eimer mit Karren auf die Felder.

Die Arbeit war sehr schwierig. Im Gewächshaus bekam jeder von uns ein Feld zugewiesen, das er bearbeiten mußte. Wenn wir unsere Arbeit nicht schafften, wurden wir geschlagen und gepeinigt. Wir mußten sehr viel Zwangsarbeit leisten und wurden nie dafür bezahlt. Wenn wir zur Zufriedenheit der Aufseher arbeiteten, galten wir als gute Gefangene. Wir mußten jeden Tag etwa 11 Stunden arbeiten, einschließlich des Exerzierens und des politischen Unterrichts. Am schlimmsten war das Exerzieren. Danach mußten wir noch täglich außer sonntags 7-8 Stunden körperlich arbeiten.

Jampel Monlam erzählte: "Anfänglich, als wir in Gutsa eingesperrt waren, durften wir unsere Zellen gar nicht verlassen. Nachdem das Urteil über uns gesprochen wurde, mußten wir jedoch jeden Tag von 8 Uhr früh bis 6 Uhr Nachmittag hinausgehen und arbeiten. Die politischen Gefangenen bekamen die härtesten Jobs wie Häuser bauen, Steine behauen und die Gemüsefarm betreuen. Die Arbeit war sehr intensiv, wir mußten gewisse Quoten erfüllen, andernfalls wurden wir bestraft. Nur sonntags war frei. Jeden Tag mußten wir 8 Stunden arbeiten, aber wenn ein gewisser Arbeitsabschnitt schnell zu vollenden war, dann mußten wir weiterarbeiten, bis wir fertig waren."

Sonam Dolkar berichtete über Seitru: "In den ersten 4 Monaten durfte ich meine Zelle überhaupt nicht verlassen. Dann ließen sie mich jeden Morgen 5 Minuten hinaus. Ich durfte nicht zur Toilette gehen, sondern mußte einen Blechbehälter verwenden. In dem Gebäude gab es 10 Zellen, aber sie führten uns alle zu verschiedenen Zeiten heraus, damit wir uns nicht begegnen sollten. Die einzige Person, mit der ich die ganze Zeit über sprechen konnte, war die chinesische Mitgefangene in meiner Zelle.... Sie nahmen unsere Bücher und Schreibstifte weg, sogar unsere Schnürsenkel und Gürtel."

Thupten Tsering
erinnert sich: "In Drapchi öffneten die Wachen früh morgens die Tür, damit wir zur Toilette gehen konnten. Nach dem Frühstück wurden wir zur Arbeit geschickt, wir mußten Apfelbäume und verschiedene Arten Gemüse pflanzen und Dünger auf die Felder bringen. Manchmal konnten wir ein wenig Gemüse stibitzen, wenn wir in den Feldern tätig waren. Außer sonntags mußten wir 7-8 Stunden arbeiten. In Seitru, wo ich zuvor war, war die Arbeit viel härter, dort mußte ich Steine brechen und Ziegelmauern bauen."

Ngawang Choezom erinnert sich: "In Gutsa gab es keine feste Zeit, wann wir unsere Zellen verlassen durften, das hing von den Wachen ab, die freundlichen ließen uns etwa 15 Minuten bis 1 Stunde hinaus, sonst mußten wir in den Zellen bleiben. Manchmal mußten wir die Toiletten leeren, die Fäkalien mit Eimern herausschöpfen und diese dann auf die Gemüsefelder bringen. Am Anfang meiner Gefangenschaft mußte ich den Gefängnishof kehren. Manchmal mußten wir auch Unkraut in den Gemüsegärten jäten."

Palden Gyatso
beschrieb die Gefängnisarbeit so: "Wir mußten jeden Tag 9 Stunden arbeiten. Von 1960 bis 1964 mußten wir wie Tiere die Erde umpflügen. Das Geschirr war sehr schwer und aus Eisen. Zu sechst mußten wir den Pflug an Seilen ziehen, und den ganzen Tag auf diese Weise schuften. Nur zu Mittag hatten wir eine Stunde Pause. Wenn wir stoppten, um das Gewicht richtig zu verteilen, schlugen die Aufseher mit Peitschen auf uns ein, die uns oft Wunden ins Fleisch rissen. Wenn ein Gefangener hinfiel und nicht sofort wieder aufstand, dann wurden seine Hände und Füße um eine Stange gebunden, er wurde weggetragen und manchmal vor unseren Augen in die Erde verscharrt. Es war entsetzlich mit anzusehen und ich wollte lieber sterben, als so weiterleben. Wir sahen die Leute vor unseren Augen sterben und begraben werden und wir fürchteten, daß es uns auch so geschehen würde. Wir lebten die ganze Zeit in großer Angst, es war so grausam. Physisch war es sehr anstrengend, und dazu so bedrückend und stressig. Als ich zuletzt in Gefangenschaft war, wurde diese Art der Anschirrung von Menschen immer noch betrieben, obwohl die Bedingungen etwas besser als Anfang der 60er Jahre waren.

Das war aber nicht die einzige Art, wie die Gefangenen eingesetzt wurden. Lange Zeit mußte ich Felder pflügen, dann Teppiche weben und Steine brechen, schließlich wurde ich zum Schneider gemacht. Selbst wenn man zur Schneiderei abkommandiert wurde, waren die einzelnen Arbeiten so aufgeteilt, daß keiner wirklich etwas Neues lernte. Einer mußte die Knöpfe annähen, ein anderer die Kleider zusammennähen und wieder ein anderer den Stoff schneiden. Es war überhaupt nicht konstruktiv, sie wollten uns einfach für eine Arbeit einsetzen, aber uns kein handwerkliches Können beibringen. Ich konnte zwar alle notwendigen Fertigkeiten erwerben, aber alle vermochten das nicht. Die Arbeit war sehr schwierig.

Als ich in den Steinbruch geschickt wurde, mußten wir Felsbrocken tragen. Das war gefährlich und schürfte unsere Haut ab, weil wir keinerlei Schutzkleidung bekamen. Wir legten ein paar alte Sträflingskittel zusammen und benützten sie als Unterlage, aber das Gewicht der Steine rieb sie durch, so nähten wir die Gummisohlen von alten chinesischen Schuhen zusammen, um unseren Rücken zu panzern; aus alten Reifenschläuchen machten wir uns Schürzen. Auf diese Weise suchten wir uns zu behelfen, weil das Gefängnis uns keinerlei Ausrüstung gab."

Gyaltsen Choetsoe
sagte: "Als ich zum dritten Mal inhaftiert war, mußte ich jeden Tag zwischen 400 und 600 Ziegelsteine herstellen. Wenn wir das tägliche Soll nicht erfüllten, wurden wir abends bestraft. Sie schlugen uns dann mit den elektrischen Viehstöcken, die sie immer bei sich hatten, und stießen uns. Jeden Morgen mußten wir Wasser auf die Ziegel gießen, die wir am Vortag gemacht hatten. Wir mußten auch Toiletten reinigen, Gülle auf die Gemüsebeete bringen und sie damit bedecken, ebenso die Pflanzen gießen. Wir arbeiteten von 9 Uhr morgens bis mittags und dann wieder nach dem Mittagessen bis fünf Uhr oder bis wir die Tagesquote fertig hatten. Wir durften kein Papier und Schreibstifte haben. Wenn sie diese bei uns erwischten, dann schlugen sie uns und fragten, von woher wir sie bekommen hätten."

Teil I

Politischer Unterricht

Viele politische Gefangene erzählten, daß sie lästige politische Erziehung über sich ergehen lassen mußten. Sie sollten umdenken lernen, daß die Anwesenheit der Chinesen gut für Tibet sei. Zu diesem Zweck wurden die Gefangenen oft regulären und intensiven Indoktrinierungsstunden unterworfen, wo sie Texte lesen oder Lobreden über die Wohltaten der Chinesen in Tibet anhören mußten. Dann wurde von ihnen verlangt, daß sie selbst Reden verfassen, wo sie das Gehörte wiedergaben oder Fragen zu dem Thema beantworteten. Wenn sie die Parteilinie nicht zufriedenstellend einhielten, wurden sie geschlagen. Es scheint, daß die politische Erziehung in Drapchi am rigorosesten gehandhabt wird. So berichten kürzlich eingetroffene Gefangene, daß es dort tägliche Indoktrinierung gibt, und daß die Sträflinge verschiedene Fragen über die behandelten Themen beantworten müssen.

Der Gefängnisaufenthalt ist nämlich nicht nur als eine Strafe konzipiert, sondern verfolgt den Zweck, das Identitätsgefühl der Gefangenen als Tibeter zu zerstören. Viele Interviewte erklärten, daß die politische Erziehung, der sie unterworfen wurden, ihre schlimmste Erfahrung im Gefängnis war, weil sie das, woran sie glaubten, entehren mußten. Mangelnde Beteiligung wurde mit geschwinder Strafe vergolten, was den Gefangenen keine andere Wahl ließ, als das zu sagen, was von ihnen erwartet wurde. Im chinesischen Strafsystem gibt es überhaupt keinen Raum für Ausdrucks- oder Meinungsfreiheit.

Außer dem politischen Unterricht gibt es für die Gefangenen, die in ihren Zellen kein Schreibmaterial haben dürfen, keine andere Art von Weiterbildung. Eine Ausnahme bilden einige Berichte von Drapchi, wo die politischen Gefangenen am Freitag und die Strafgefangenen am Samstag in tibetischer Sprache unterrichtet wurden. Jede andere Form von Weiterbildung oder Freizeitbeschäftigung war in den Gefängnissen streng verboten.

Das ist eine deutliche Verletzung der Regel 77 der Standard Minimum Verordnung für die Behandlung von Gefangenen, wo es heißt: "Vorsorge ist zu treffen für die Weiterbildung aller Gefangenen, aus der sie Nutzen davontragen können, einschließlich der religiösen Unterweisung in den Ländern, wo dies möglich ist. Die Erziehung von Analphabeten und Kindern in der Haft ist obligatorisch und muß von der Verwaltung besonders berücksichtigt werden."

Bagdro
beschreibt die Lage in Drapchi: "Am Sonntag, dem arbeitsfreien Tag, mußten wir chinesische Politik studieren. Wir wurden über Deng Xiaoping belehrt und mußten seine politischen Aussagen in unsere Hefte schreiben, seinen Lebenslauf und den anderer hoher Politiker studieren. Wir mußten auch anhören, daß Tibet nie frei sein würde und daß die chinesische Herrschaft vortrefflich sei. Tibeter und Chinesen seien Mitglieder einer Familie, und wir würden niemals unsere Unabhängigkeit zurückbekommen. Manchmal kamen hohe chinesische Funktionäre und sprachen zu uns. Von einem freien Tibet könnten wir nur noch träumen."

Dawa Kyizom
sagte: "Wir bekamen überhaupt keinen Unterricht. Manchmal gab es Versammlungen und wir mußten das Weißbuch lesen (Tibet: Besitzer und Menschenrechtslage, das 1992 vom Informationsamt des Staatsrates der PRC veröffentlich wurde). Ein Artikel darin besagte, daß Seine Heiligkeit der Dalai Lama ein Bösewicht sei, worüber wir dann diskutieren und manchmal unsere Bestätigung schriftlich formulieren mußten. Wenn wir uns weigerten, wurden wir geschlagen oder mit Strafverlängerung bedroht. Bei diesen Sitzungen gaben sie uns Schreibmaterial, aber danach sammelten sie es wieder ein. Selber durften wir gar nichts haben. Manchmal gelang es uns, einige Stifte und Papier zu ergattern, aber wir mußten sie sorgfältig verstecken. Wir bekamen eine chinesische Zeitung zu lesen."

Lobsang Shakya erzählte über das Karkhang Gefängnis außerhalb von Shigatse: "Das einzige Buch, das ich haben durfte und das mir von dem Gefängnis gegeben wurde, war voller Propaganda gegen den von Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama bestimmten 11. Panchen Lama. Ich müsse das Buch lesen, weil ich nichts über die Sache verstünde, sagten sie und dann wieder, daß ich blöd sein müsse, wenn ich das Buch nicht begreife. Tag und Nacht mußte ich in der Zelle bleiben. Ich konnte nichts tun, als für den wahren Panchen Lama zu beten."

Yeshe Damdul berichtet über Drapchi: "Die kriminellen Straftäter mußten fast dieselbe Arbeit wie die politischen tun. Der einzig wahre Unterschied waren die Versammlungen, zu denen wir gehen mußten. Die Obrigkeit wünschte, daß die politischen Gefangenen durch Arbeit und Studium reformiert würden, während sich die kriminellen nur durch physische Arbeit, nicht mental bessern brauchten. Deshalb hatten diese gewöhnlich keinen Unterricht.

Nach der Arbeit wurden wir zu einer Art Unterricht geschickt, wo wir Zeitungen lesen und den Rednern zuhören mußten. Vorher gaben sie uns verschiedene Zeitschriften und Zeitungen, die alle die chinesische Meinung propagierten. Die Kader lasen dann etwas daraus vor, was uns die richtige Ansicht einbleuen sollte. Sie gaben uns auch Papier und Stift. Nachher mußten wir unsere Meinung über das Gelesene oder bei der Versammlung Besprochene zu Papier bringen. Es war sehr selten, daß jemand etwas Eigenmächtiges und Konträres schrieb, denn hätte er dies getan, wäre er ganz gewiß auf der Stelle geschlagen werden.

Es gab verschiedene Arten der Versammlung, manchmal war es eine große, zu der alle Gefangenen, sogar die kriminellen, gerufen wurden. Der tägliche Unterricht fand in der Zelle statt, wo wir zu zwölft waren. Ein PSB Mann ging in jede Zelle und gab dem Gruppenleiter einen Text, den er uns vorlesen mußte. Die Gefangenen bekamen leeres Papier, auf das sie ihre Meinungen schreiben mußten. Diese Klassen fanden täglich außer sonntags statt und dauerten eine Stunde."

Leusang sagte über Trisam: "Im Winter brachten sie einen Lehrer von außerhalb, um uns über Kommunismus und die chinesische Revolution zu belehren. Nichts wurde über Tibet gelehrt. Wir durften nicht einmal das Wort 'Tibet' aussprechen. Zwei Monate lang dauerte diese Indoktrination, danach mußten wir intensives physisches Training machen und lange Läufe absolvieren. Wir haßten dies. Das war noch schlimmer als die Zwangsarbeit."

Gyaltsen Pelsang sagte: "Wir erhielten niemals irgendeine Art von Unterricht. Wenn die Wachen Schreibmaterial bei uns erwischten, nahmen sie es uns weg. Wir durften nur Zeitungen lesen, die sie uns brachten. In denen stand, daß Tibet nicht frei ist, und daß die Chinesen gut und ehrlich seien und ähnliche Dinge. Diese Zeitungen wurden uns gegeben, damit wir unser Denken ändern sollten."

Thubten Tsering
erzählte über die Zeit der Kulturrevolution: "Nach Beendigung unserer Arbeit mußten wir ein Buch von Maotse Dong studieren. Gefangene, die keine zufriedenstellenden Fortschritte in ihrer mentalen Reform machten, wurden dem thamzing unterworfen. Wir mußten uns gegen den 10. Panchen Lama stellen und abfällige Bemerkungen über ihn machen. Wer sich drücken wollte, wurde bescholten und dem thamzing ausgesetzt. Sie erklärten uns, daß der Dalai Lama und der Panchen Lama beide Verräter seien. Bei dem thamzing wurden uns Arme und Beine gefesselt, dann wurden wir gestoßen und geschlagen und bescholten. Das passierte uns, wenn sie meinten, daß unser Denken nicht richtig sei und wir China nicht gebührend priesen."

Palden Gyatso
berichtet: "Nach der Arbeit kam das politische Studium, wir mußten etwa alle kommunistischen Länder auswendig lernen. Ich kann sie immer noch aufsagen. Wenn ich einen Fehler dabei machte, schalten die Wachen: 'Du bist nicht richtig reformiert, du denkst immer noch daran, nach Indien zum Dalai Lama zu gehen, du hängst immer noch an ihnen.' Diese Indoktrinierung ging bis zu meiner Entlassung 1992 weiter. Sie gaben uns Tibet Daily zum Lesen. Die Seite 4 brachte internationale Nachrichten, und wir blättern immer dorthin um in der Hoffnung, eine Änderung zu sehen. Aber einige Spitzel zeigten uns bei den Wachen an, wenn wir nur diese Seite lasen. Ich wurde dem thamzing ausgesetzt zur Strafe dafür, daß ich nur diese Seite gelesen hatte und nicht die anderen, die voller chinesischer Propaganda über all das Gute, das China seit der Befreiung Tibets gebracht hätte, waren. Vor allen anderen kündigten sie an, daß ich mich nicht reformieren ließe, daß ich noch leere Hoffnungen hätte usw., und dann wurde ich geschlagen. Das ging monatelang so, mindestens einmal in der Woche mußte ich stundenlang in gebeugter Haltung vor den anderen dastehen."

Teil J

J 1)

Vernehmungen, Folter und Mißhandlungen

Allgemein

Fast alle Gefangenen gaben an, daß sie schon bei der Verhaftung schwer geschlagen wurden. Bei den meisten ging das so weiter, bis sie entweder geständig wurden oder ein Urteil über sie gesprochen wurde. Gemäß der berüchtigten Maxime "Milde für die Geständigen, Härte für die Widerspenstigen" (tanbai congkuan, kangju songyan) wird in der PRC üblicherweise so verfahren.

Die persönlichen Berichte der Interviewten über die Schläge und Mißhandlungen sind entsetzlich. Ehemalige Gefangene gaben wieder, wie sie mit hinter dem Rücken gefesselten Händen an der Decke aufgehängt wurden, wie sie mit elektrischen Viehstöcken geschlagen und manchmal im Mund, den Ohren, der Vagina und dem Anus schockiert wurden, wie sie systematisch mit hölzernen Brettern und Knüppeln geschlagen wurden, wie Jagdhunde auf sie losgelassen wurden, wie sie manchmal bei den Torturen nackt dastehen mußten, wie Feuer unter ihnen entfacht wurden und der Rauch ihnen in den Augen brannte, wie sie bis zum Ohnmächtigwerden elektroschockiert wurden, wie sie auf Eis stehen mußten, bis ihre Fußsohlen anfroren... die Liste geht weiter und weiter. Die Art und Weise, wie mit den Gefangenen in der Untersuchungsphase umgegangen wird, ist nicht nur extrem gewaltsam, sondern soll sie auch erniedrigen und demütigen. So geben viele ehemalige Gefangene an, daß sie vor anderen nackt ausgezogen wurden. Mehrere berichteten, daß sie oft so fürchterlich geschlagen wurden, daß sie die Kontrolle über ihre Blase verloren.

Viele Gefangene wurden derart mißhandelt, daß sie ihren Verletzungen erlagen. Das TCHRD hat seit 1987 bis dato 67 Todesfälle durch Folterung nachgewiesen. 1998 starben einige Gefangene in Drapchi. Ngawang Dekyi, eine 25-jährige Nonne, starb am 21. Januar 1998 nach den im Gefängnis erlittenen Schlägen. Im Mai 1998 sollen nach den Gefängnisprotesten 11 Gefangene gestorben sein. Zwei davon erlagen den Schußverletzungen, drei starben nach den schweren Schlägen, drei scheinen den Erstickungstod gestorben zu sein, einer erhängte sich, während die Todesursache der zwei letzten nicht bekannt ist.

Weibliche Gefangene werden genauso wie die männlichen geschlagen und gefoltert. Dazu werden sie noch mit Stäben oder elektrischen Schlagstöcken sexuell mißbraucht. Einige weibliche Gefangene erfuhren eine besonders schlimme Erniedrigung, als sie bei den Vernehmungssitzungen nackt ausgezogen wurden.

Einhergehend mit der körperlichen Gewaltanwendung wurden die Gefangenen manchmal psychisch traumatisiert. So drohten ihnen die Gefängniswachen, daß ihre Angehörigen wegen ihres "Starrsinns" oder ihrer Unwilligkeit, zu gestehen, auch verhaftet oder ebenfalls der Verdächtigung anheimfallen würden. Die Vernehmungen wurden oft im Stil von "guter Kerl/schlechter Kerl" gehandhabt, wobei der erste Beamte den Gefangenen relativ höflich behandelte, aber wenn er keinen Erfolg hatte, kam ein anderer herein, der ihn zu schlagen begann. Die Dauer der Befragungsperioden variierte sehr bei den einzelnen Gefangenen. Einige wurden täglich zwei Stunden vernommen, andere fast ohne Unterbrechung über einen ganzen Monat.

Die Fragen selbst waren meist darauf abgerichtet, dem Gefangenen ein Geständnis zu entlocken und herauszubekommen, wer hinter der zur Verhaftung führenden Tat steht. Viele Gefangene wurden mit Fragen bedrängt, ob sie Kontakt zu der "Spalterclique des Dalai Lama" oder zu Ausländern hätten. Sie wurden unerträglichem mentalem und physischem Druck unterworfen, um den Dalai Lama zu denunzieren und die Personen zu nennen, die mit ihnen protestiert hatten.

Im Allgemeinen wurden die Verhaftungen von den Bediensteten des PSB vorgenommen, die ihre Opfer dann in eine Haftanstalt schleppten, wo die Vernehmungen von den Kräften der PAP (paramilitärische Einheiten) durchgeführt wurden. Frauen wurden gewöhnlich von Polizistinnen vernommen, aber nicht immer. In letzterer Zeit, wo Gerichtsverfahren häufiger geworden sind, werden die Gefangenen, wenn sie erst einmal ein Geständnis abgelegt haben, zuerst von der Prokuratur und dann von Gerichtsbeamten vernommen. Es scheint die Regel zu sein, daß die Gefangenen während der Vernehmung durch die Prokuratur geschlagen werden, während die Mißhandlungen bei der Vernehmung durch den Gerichtsbeamten seltener sind, obwohl sie auch stattfinden.

Es ist klar, daß die Foltertechniken in chinesischen Gefängnissen von Zeit zu Zeit geändert werden, aber es scheint kein Abweichen von den Schlägen und Mißhandlungen als einem feststehenden Bestandteil der Vernehmungen zu geben. In der Abhandlung von TIN Cutting off the Serpent's Head, welche den 1994/5 herrschenden Trend darlegte, ist die Rede von neuen Foltermethoden, die keine sichtbaren Spuren am Körper hinterlassen: "Es ist eine Zunahme bei solchen Methoden festzustellen, wie Aussetzen an extreme Temperaturen, Stehenlassen im kalten Wasser, oder langzeitiges Sitzenlassen in Verrenkungspositionen. Egal, was für eine Form sie annimmt, die Folterung stellt ganz deutlich eine ernste Verletzung der Menschenrechte einer Person dar und als solche unterliegt sie der strengen Verurteilung durch das Völkerrecht. Insbesondere der Art. 5 der Universal Declaration of Human Rights besagt, daß "niemand Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt werden darf". Die Regel 31 der UN Standard Minimum Regeln für die Behandlung von Gefangenen sieht vor, daß die körperliche Züchtigung, die Einsperrung in einen dunklen Karzer und alle grausamen, unmenschlichen oder degradierenden Bestrafungsarten für Disziplinarvergehen vollständig ausgemerzt werden müssen.

Die Konvention gegen die Folter wurde am 10. Dezember 1984 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und im Oktober 1988 von der PRC ratifiziert. Art. 1 der UN Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung definiert Folter als

"... einen Akt, durch den einer Person absichtlich schwerer physischer oder mentaler Schmerz beigebracht wird, um von ihr oder einer dritten Person Information oder ein Geständnis zu erzwingen, um sie für eine Tat zu bestrafen, die sie oder eine dritte Person begangen hat oder verdächtigt wird, begangen zu haben, um sie oder eine dritte Person einzuschüchtern und zu zwingen, oder aus irgendwelchen auf Diskriminierung jeglicher Art basierenden Gründen, wenn dieser Schmerz oder diese Qual von einem staatlichen Handlanger oder einer Person, die in offizieller Eigenschaft oder auf deren Anweisung oder mit deren Einverständnis handelt, zugefügt wird.”

Die Konvention gegen die Folter spezifiziert, daß die Unterzeichnerstaaten Folter aus ihrer nationalen Gesetzgebung verbannen, und stellt ausdrücklich fest, daß kein Befehl von einem Vorgesetzten oder außergewöhnliche Umstände als Rechtfertigung für Mißhandlung ins Feld geführt werden dürfen. Diejenigen Staaten, welche der Konvention gegen die Folter beitreten, verpflichten sich, wirksame legislative, administrative, juristische und andere Maßnahmen zu ergreifen, um Akte von Folterung in jedem Territorium ihres Hoheitsgebietes zu verhindern.

Die Art und Weise, wie mit Gefangenen in Tibet umgegangen wird, stellt eine grobe Verletzung des ICCPR (International Covenant on Civil and Political Rights) dar, der verfügt: "Niemand darf Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt werden..." (Art. 7), "Alle ihrer Freiheit Beraubten sind mit Menschlichkeit und Achtung vor der dem Menschen eigenen Würde zu behandeln (Art. 10.1).

Dieses Abkommen wurde von der PRC noch nicht unterschrieben, obwohl sie es im März 1998 zugesagt hatte. Über die Unterzeichnung des Abkommens sagte der chinesische Regierungsvertreter Qian, daß China sich zwar auf den Vertrag festgelegt hätte, aber mehr Zeit zur Erwägung seiner Implikationen brauche, ehe er voll zur Anwendung kommen kann. "Nach der Unterzeichnung werden wir natürlich den Verträgen entsprechen, aber es gibt noch ein paar Punkte zu prüfen. Wir müssen noch untersuchen, ob es Bereiche gibt, die mit dem chinesischen Gesetz in Konflikt geraten oder unklar sind", meinte er. (Anm. 1999: Der ICCPR wurde inzwischen von der VR China unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert).

Das Kriminalrecht und das Kriminalverfahrensgesetz der PRC enthalten verschiedene Vorkehrungen gegen Folter. Der Art. 32 des Kriminalverfahrensgesetzes verbietet die Anwendung der Folter, um Aussagen zu erzwingen, sowie die Beweisfindung durch Drohung, Verlockung, Täuschung oder andere ungesetzliche Methoden. Das Kriminalrecht sieht Bestrafung für Folterung oder Mißhandlung der Gefangenen vor. Der Art. 14 der Gefängnisverordnung der PRC verbietet, daß die Volkspolizei eines Gefängnisses "zur Erpressung von Geständnissen Folter einsetzt oder Gefangene körperlicher Züchtigung oder Mißhandlung aussetzt". Während solche Gesetze verfügen, daß Folter gesetzwidrig ist, steht fest, daß häufig zu ihr gegriffen wird und es keine Instanz gibt, der die Gefangenen über Mißhandlungen klagen könnten.

Aus der Vielzahl der UNO Resolutionen gegen Folter ist klar, daß die Abscheu vor der Folter die nationalen Grenzen und kulturellen Unterschiede überschreitet und daß der Anspruch auf eine humane Behandlung wahrhaft ein Menschenrecht ist. Dadurch wird es um so betrüblicher, daß derart häufige und heftige Akte von Folterung kennzeichnend für das chinesische Vernehmungssystems für politische Gefangene in Tibet sind. Folterung war schon immer ein verabscheuenswerter Zug des chinesischen Strafsystems. So berichte sogar China Legal News vom 31. Mai 1985, daß angesichts des Ausmaßes der Mißhandlung durch Polizeibeamte "dieses Problem in einigen Gebieten und Einheiten äußerst ernst ist, so daß das Volk den Eindruck bekommen könnte, daß man, sobald man das Öffentliche Sicherheitsbüro (Polizei) betrifft, unvermeidlich geschlagen wird". Die nachstehenden Berichte machen deutlich, daß Folter weiterhin eine allgemeine Technik zur Befragung in den chinesischen Haftzentren und Gefängnissen bildet.

1997 führte die Internationale Juristenkommission (ICJ) Interviews mit ehemaligen Polizisten, Richtern und Häftlingen in Tibet durch und bestätigte, daß Folter weitverbreitet in Tibet ist und daß die Mißhandlung politischer Häftlinge eine allgemeine Praxis ist. Amdo Sangye, ein ehemaliger Richter an dem Obersten Gericht von Qinghai in Xining bestätigte der ICJ, daß "kein einziger Fall vor Gericht kam, wo der Angeklagte nicht von der Polizei geschlagen worden wäre, wobei die Mißhandlung noch viel schlimmer war, falls es sich um einen tibetischen politischen Gefangenen handelte." Der Richter fügte hinzu, daß es üblich gewesen sei, die Angeklagten zu fragen, ob sie mißhandelt wurden, aber daß nichts getan werden könne, wenn dies der Fall war.

Trotz allem gegenteiligen Beweis leugnen die Vertreter der PRC weiterhin, daß es in China Folter gibt. 1992 berichtete die PRC dem UN Ausschuß gegen Folter, daß sie wirksame legislative, juristische, administrative und andere Maßnahmen ergriffen hätte, um "rigoros alle Akte der Folterung zu verbieten" und garantiere, "daß die Rechte ihrer Bürger unverletzt bleiben". Die PRC versicherte, daß "es für die Organe der öffentlichen Sicherheit und Justiz in China eine Sache von Prinzip und Disziplin sei, daß die Erzwingung von Geständnissen durch Mißhandlung streng geahndet wird."

Speziell in Bezug auf die Frage der Folterung in Tibet erklärte ein Sprecher für China dem UN Ausschuß gegen Folter im Mai 1996, daß "in Tibet die Menschen dieselben Rechte und denselben Schutz wie überall sonst wo in China genießen. Die Behauptung, daß Folter in Tibet weit verbreitet sei, käme hauptsächlich von einer gewissen Separatistengruppe in Tibet und von den gegen China voreingenommenen NGOs."

Im Mai 1998 wurde der EU Delegation von der Justizbehörde der PRC erklärt: "Wenn ein Gefängnisangestellter gegen die Gefängnisverordnung verstoßen würde, indem er einen Gefangenen beleidigt oder schlägt, dann wird gemäß dem Gesetz mit ihm verfahren." Im Drapchi Gefängnis versicherte der Gouverneur der Delegation, daß er zufrieden sei, wie dort die Gefängnisverordnung eingehalten werde. Er könne der Delegation versichern, daß es keine Todesfälle aus unrechten Gründen im Gefängnis gebe. Es hätte keine Fälle von Mißverhalten der Gefängniswärter gegeben. Überdies werde die Tätigkeit des Gefängnisses genau kontrolliert. Die lokale Prokuratur hätte einen Beschwerdekasten für Gefangene eingerichtet, wo sie ihre Klagen anbringen können, wenn sie welche haben, während der juristische Ausschuß des Regionalen Volkskongresses eine Reihe von gründlichen Untersuchungen in dem Gefängnis hinsichtlich der gebührenden Durchführung der Gefängnisverordnung durchgeführt hätte."

In direktem Widerspruch zu diesen Behauptungen geben die folgenden Berichte ein Zeugnis für eine ganze Reihe von Foltermethoden, die regelmäßig, sowohl zur Erpressung von Geständnissen als auch als zur Bestrafung, eingesetzt werden.

Gyaltsen Choetsoe erinnert sich an ihre Einsperrungen in der Gutsa Haftanstalt, jeweils nach ihrer Verhaftung 1987, 1988 und 1990: "Als ich zuerst nach Gutsa kam, zogen sie mich nackt aus und bearbeiteten meinen ganzen Körper mit elektrischen Viehstäben... Es gab etwa 60 bis 70 Gefängnishandlanger, die uns alle folterten und mit Eisenstangen und Holzstöcken zu peinigen pflegten. Sie schlugen uns mit allem, was ihnen unter die Hände kam. Danach wurde ich nicht mehr nackt ausgezogen, aber unter Schlägen mit Fragen bedrängt. Wenn immer sie mich vernahmen, schlugen und kniffen sie mich ins Gesicht und manchmal boxten sie mich auch. Es hing ganz von den Wachen ab, ob wir geschlagen wurden oder nicht, es gab auch anständige, die uns gar nicht schlugen und nur Fragen stellten. Andere prügelten uns dagegen bei den Befragungen. Ganz besonders grausame Vernehmungsbeamte ließen uns auf mit Eis überzogenem Boden stehen und gossen dann noch kaltes Wasser über uns, besonders auf unsere Füße. Es war gerade Winter, und ich litt entsetzlich. Sie ließen uns 15 Minuten auf dem Eis stehen. Unsere Füße froren am Eis fest und wir mußten sie dann ganz langsam und vorsichtig vom Eis lösen, was äußerst schmerzhaft war.

Als ich das zweite Mal verhaftet wurde, kamen wir zuerst in das Polizeihospital von Kunyin. Dann legten sie uns in Handschellen und warfen uns in einen Lastwagen, als wären wir Säcke... Nach der Ankunft in Gutsa wurden wir sofort gefoltert. Sie trieben uns hinaus in einen Hof, der ganz mit Kies bedeckt war. Darauf mußten wir knien, während unsere Hände auf den Rücken gefesselt waren. Dann befahlen sie uns, ganz schnell aufzustehen, aber wir konnten nicht mehr aufstehen. Weil das Knien auf dem Schotter so schmerzhaft war, fielen wir immer wieder um, worauf sie uns um so mehr züchtigten. Es waren etwa 100 Polizisten, die uns mit allem schlugen, was ihnen in die Finger kam. Wir bluteten alle am Kopf oder einem Körperteil und litten schreckliche Schmerzen. Keine war von dieser brutalen Mißhandlung verschont geblieben.

Von den 13 Nonnen war ich die einzige, die bereits früher mit Demonstrationen zu tun gehabt hatte. Deshalb zogen mich vier Offiziere von den anderen Nonnen weg und beschuldigten mich, daß ich den Protest angezettelt hätte und für die Demonstration verantwortlich sei. Dann wurde ich wieder geschlagen, sie fesselten mir die Hände auf dem Rücken und renkten mir fast die Schultergelenke aus. Einer von ihnen stieß mir sein Knie in den Rücken, während die anderen meine Arme nach hinten zerrten. Dann befahlen sie mir aufzustehen, aber ich konnte nicht mehr und so stampften sie mit ihren Stiefeln auf meinen Rücken. Sie traten mir auch auf den Kopf. Eine der anderen Nonnen, Gyaltsen Zedung, sah, was mit mir geschah und rief den Wachen zu: 'Wir protestierten von selbst, sie ist nicht schuld daran, hört auf, sie so zu quälen.' Daraufhin nahmen sie auch Gyaltsen Zedung von den anderen Nonnen weg und schlugen sie in derselben Weise wie mich. Gyaltsen Zedung war ziemlich füllig. Sie zogen die Stricke so fest um ihre Arme zu, daß sie ihr tief ins Fleisch schnitten und die Fetzen herunterhingen. Noch heute hat sie die Narben davon.

Dann wurde jede Nonne in ein separates Zimmer gebracht und von drei Vernehmern befragt. Außer einer Wärterin waren alle anderen Männer. Nun wurden uns einzeln Fragen gestellt, wobei wir schrecklich geschlagen wurden. Ich hatte schon vorsichtshalber dicke Kleidung angelegt, weil ich damit rechnete, nach dem Protest verhaftet zu werden. Sie zogen mir jedoch die Kleider über den Kopf und schlugen mich brutal mit Stöcken.

Wir antworteten niemals so, wie sie wollten, deshalb brachten sie nun abgerichtete Hunde herein, um uns anzugreifen. Alle Nonnen lagen auf dem Boden, und die Wachen ließen einen großen Hund auf uns los, aber weil wir flach lagen, konnte er uns nicht richtig verletzen. Er biß nur in unsere Kleider und zerrte daran. Dann befahlen sie uns, aufzustehen und zu rennen. Die meisten von uns konnten nicht aufstehen, weil uns die Hände hinter dem Rücken gebunden waren und wir zerschlagen waren. Da stand Ngawang Choedon auf und rannte so schnell sie konnte. Ein Hund verfolgte sie, griff sie an und biß ihr tief in die linke Schulter. Die Gefängniswachen schauten zu und lachten.

Am ersten Tag begannen sie uns etwa um halb zehn morgens zu mißhandeln und fuhren damit bis etwa halb sechs abends fort, dann wurden wir in separate Zellen gesperrt. Wir bekamen weder Wasser noch Essen. Einige der Nonnen schrieen verzweifelt nach Wasser, und so brachten sie schließlich etwas Wasser, aber gaben es uns nicht zu trinken, sondern schütteten es auf uns. In der ersten Woche bekamen wir überhaupt kein Wasser. Als wir darum flehten, antworteten sie, sie würden uns kein Wasser geben, weil wir ihnen nicht das sagten, was sie wissen wollten. Einige der kriminellen Gefangenen brachten uns manchmal ein wenig Wasser, wenn die Wachen nicht um den Weg waren.

Beim dritten Mal wurde ich zusammen mit 7 anderen Nonnen verhaftet und wir wurden in die Gutsa Haftanstalt gebracht. Von den 8 Nonnen waren fünf bereits schon einmal eingesperrt gewesen. Wir wurden geschlagen und gefoltert, wie ich es schon zuvor durchgemacht hatte, aber nun gab es noch eine neue Foltermethode. Sie hatten nun eine elektrische Vorrichtung, die an einen um meine Finger gewickelten Draht geschaltet war. Wenn sie den Hebel herunterdrückten, dann wurde mein ganzer Körper von Strom durchzuckt. Alle Gegenstände erschienen mir rot und mir war, als würden mir die Nerven von den Füßen aufwärts herausgezogen. Dann fiel ich bewußtlos um. Wir wurden alle auf diese Weise gefoltert. Dann wurden wir alle an den Händen aneinandergefesselt, so daß wir alle den Schock abbekamen, wenn eine von uns elektrisiert wurde. Das war die schrecklichste Foltermethode, die ich je in der Gefangenschaft erfuhr, denn sie hinterläßt keine Spuren. Es war viel schlimmer als die Mißhandlungen mit Holzstöcken, elektrischen Viehkeulen oder Eisenstangen. Es war so fürchterlich. Wir wurden über eineinhalb Stunden so gemartert. Ich nahm nur noch ein rotes Glühen wahr, nicht einmal mehr die Peiniger konnte ich sehen. Dann wurden wir alle ohnmächtig, aber sobald wir wieder zu Bewußtsein kamen, verabreichten sie uns weitere Elektroschocks.

Dorje Namgyal beschreibt Gutsa in 1989: "Drei Monate lang wurde ich in Gutsa vernommen. Jede Woche kam ich zwei- bis dreimal in die Vernehmungszelle, wo ich unter Fragen schwer geschlagen wurde, manchmal dauerte es eine Stunde lang und manchmal einen halben Tag. Sie stellten immerfort dieselben Fragen: 'Warum hast du mitdemonstriert? Was veranlaßte dich zu solchen konterrevolutionären Aktivitäten? Wer war sonst noch daran beteiligt? Nenne uns die Namen!' Dabei schlugen und quälten sie mich. Sie wußten, daß ich bei der Demonstration war, weil ich von einer Kugel ins Bein getroffen wurde... Meine Hände wurden an die Fensterstangen gefesselt, sie zogen mich nackt aus und dann elektrisierten sie mich mit den Viehkeulen an jedem Körperteil, sie steckten sie mir in die Körperöffnungen oder hauten sie auf mich. Mein rechtes Ohr wurde mit einem Holzstück mißhandelt. Nach dieser Tortur war mein Leib ganz blauschwarz und ich blutete am Kopf."

Bagdro wurde 1988 verhaftet und in die Gutsa Haftanstalt gebracht: "Ich wurde am Morgen verhaftet, drei Polizisten schlugen mich mit ihren Gewehrenden auf den Kopf... Dann legten sie mir Handschellen an, die sich von selbst zuzogen, was schrecklich schmerzte. Bei der geringsten Bewegung tat es weh. Dann nahmen sie mich nach Kloster Gaden mit, wo schon sehr viel Polizei war. Etwa 25 Männer schlugen mich grausam überall am Körper, sogar auf den Kopf. Sie mißhandelten mich mit Stahlstangen, Holzstücken und elektrischen Viehkeulen. Sie gaben mir überall Fußtritte, mein Gesicht blutete heftig...

Dann brachten sie mich nach Gutsa. Dort wurden Penpa Teshi und ich an einen Baum im Hof aufgehängt, während die PSB Offiziere einige Unterlagen holten. Etwa 10 Minuten hingen wir so, als einige weibliche Schergen vorbeikamen, uns anspuckten und 'Ihr seid nichts als Hunde' riefen. Dann wurden wir in Zellen eingeschlossen. Im Gefängnis hingen überall Plakate mit roter Aufschrift auf Tibetisch und Chinesisch: "Wer seine Schuld zugibt, wird entlassen, wer nicht, muß hier blieben. Wer nicht die Wahrheit sagt, wird gnadenlos geschlagen. Wir werden nicht aufhören, euch zu quälen und hier einzusperren'. Danach wurde eine Leibesvisite bei uns abgehalten. Der Hof war von einem Zaun umgeben, an dem Gefangene aufgehängt und von den Wachen geschlagen wurden. Mein Rücken schmerzte qualvoll durch die Schläge. Ich sah nur politische Gefangene dort. Die Peiniger erklärten mir, daß ich am nächsten Tag zu den am Zaun aufgehängten Gefangenen, deren Füße den Boden nicht berührten, kommen würde. Ihre Hände waren in Handschellen und an den Zaun gefesselt. Die Männer schrieen, sie wollten lieber sterben. Es war mir klar, daß die Chinesen uns nicht einmal als Menschen betrachteten. Sie verhöhnten mich: 'Das ist die Freiheit, die ihr begehrt!'

Dann wurde ich neben Penpa Teshi gestellt. Die Handschellen wurden gelöst, aber meine Gelenke bluteten. Ich mußte die ganze Nacht im Freien stehen. Nach Mitternacht verlangte ich so sehr nach Schlaf, aber die Wachen schlugen mich weiter und ließen mich nicht ruhen. Am nächsten Morgen brachten sie mich wieder in das Büro und quälten mich mit den Fragen. Auf dem Tisch vor mir lagen viele Folterinstrumente. Meine Antworten erzürnten sie. Sie legten mich wieder in Handschellen und schlugen und stießen mich. Sie steckten mir die Elektrowaffen in den Mund und legten sie an meinen Rücken. Ich blutete aus Mund und Nase und mein Bauch tat schrecklich weh. Sie steckten mir das Ding nun auch ins Ohr, das auch zu bluten begann. Dann wurde ich ohnmächtig. Sie gossen Wasser auf mich, damit ich wieder zu mir kam. Sie stellten mir viele weitere Fragen, ehe sie mich schließlich wieder zu dem Zaun im Hof brachten und mich dort aufhängten.

An einem Tag wurde ich zwei- bis dreimal von verschiedenen Offizieren vernommen. Ich antwortete, daß ich nichts über andere Personen sagen könnte, die bei den Demonstrationen mitgemacht hatten. Ich sagte, daß ich Freiheit wolle. Ich mußte aufstehen und die Hände über den Kopf halten, während sie mich auf den Rücken schlugen. Blut floß aus meinem Mund. Ein andermal mußte ich mit dem Gesicht nach unten auf dem Tisch liegen und sie setzten ihre Füße auf meinen Rücken und zerrten an meinen Handgelenken, um sie zu brechen.

Am vierten oder fünften Tag mußte ich die Schuhe ausziehen und barfuß auf Eis stehen. Über eine halbe Stunde ließen sie mich auf der gefrorenen Fläche stehen. Dann griffen sie nach meinen Armen und zogen mich weg, aber ich bewegte mich nicht, denn die Haut meiner Fußsohlen war angefroren und riß ab, als sie mich wegzerrten. Ich konnte nicht mehr gehen und mußte von anderen Gefangenen in meine Zelle getragen werden. Ob der schrecklichen Pein und Wunden konnte ich nicht mehr stehen. Das war das Schrecklichste, was ich in der Gefangenschaft durchmachte.

Am sechsten und am siebten Tag nahmen sie mir alle Kleider ab, hängten mich über dem Boden auf und gossen eiskaltes Wasser über mich. Es war gerade sehr kaltes Wetter und ich erstarrte. Es war entsetzlich: gleichzeitig die Demütigung des Nackt-Aufgehängt-Werden und die intensive Kälte! Manchmal wurde ich über eine Stunde in dieser Position gelassen. Jeder, der vorbeiging, sah meinen nackten Leib. Dann wurde ich in die Zelle zurückgebracht und dieselben Fragen begannen wieder. Die Fragen wurden ohne Ende wiederholt. Dann versuchten sie es mit dem um meine Finger gewickelten elektrischen Draht. Einige hohe Beamte kamen herein und verhörten mich, während mir Stromstöße versetzt wurden. Ich verlor die Kontrolle über meine Blase.

Die schweren Mißhandlungen und die Folterung gingen vier Monate so weiter. Es war äußerst brutal. Am letzten Tag in Gutsa kam eine Polizistin mit Handschuhen, die an den Fingerknöcheln mit Stahl belegt waren. Drei andere Peiniger hielten mich fest, während sie mich erbarmungslos mit diesen Handschuhen ins Gesicht schlug. Mein ganzes Gesicht war voller Schnitte und blutete über und über. Sie rauchte und drückte dann den Zigarettenstummel auf meinen Körper aus. Sie schlug mich überall und bearbeitete mich mit kung fu. Das machte mich schier verrückt. Ich wurde so fürchterlich geschlagen, daß ich tatsächlich allmählich den Verstand verlor. Oft fiel ich bei den Mißhandlungen nach hinten und wurde ohnmächtig. Als meine Eltern mich später besuchten, konnte ich sie nicht mehr erkennen."

Ngawang Choezom kam 1989 nach Gutsa: "Bei der Verhaftung wurde ich gleich geschlagen. Sie banden mir die Hände hinter dem Rücken fest und schlugen mich mit elektrischen Viehstöcken, sie boxten mich ins Gesicht, in den Rücken und die Seite. Sie hauten mich auch fest mit dem Pistolenlauf. Die Vernehmungen dauerten etwa 20 Minuten lang, und ich wurde unentwegt dabei geschlagen."

Lobsang Shakya wurde 1995 in dem Karkhang Militärlager bei Shigatse festgehalten: "Am ersten Tag nach der Verhaftung wurde ich noch nicht geschlagen, aber am zweiten Tag trafen einige hochgestellte Polizeibeamte aus Shigatse ein, um mich zu vernehmen. Zuerst stellten sie nur Fragen, aber dann banden sie einen Stoffstreifen und einen Strick um meine Beine und hängten mich mit dem Kopf nach unten an der Decke auf. Sechs Tage wurde ich täglich auf diese Weise mißhandelt, etwa zwei Stunden lang ließen sie mich umgekehrt hängen. Sie kamen etwa um 10 Uhr und ließen mich bis zum Mittag in dieser Position hängen. Dabei boxten sie mich ins Gesicht, so daß Blut aus meinem Mund floß. Oft stießen sich mich mit dem Knie in den Bauch. Nach der ersten Woche vernahmen sie mich alle fünf Tage oder so. Dabei befahlen sie mir, den von den Chinesen erwählten Panchen Lama anzunehmen und den, welchen Seine Heiligkeit, der Dalai Lama ernannt hatte, fallen zu lassen. Bei diesen Vernehmungen wurde ich immer wieder von den Gefängniswachen gestoßen, sie sprangen plötzlich auf und rammten mit voller Wucht ihre Stiefel in meinen Bauch. Ich wurde auch mit einer Menge Folterinstrumente bedroht, mit denen sie vor mir fuchtelten, aber sie nicht einsetzten."

Damchoe Palmo hatte eine Fehlgeburt nach der Vernehmung 1993: "Um etwa 18 Uhr brachten sie mich zurück in die Polizeistation von Lhasa. Bis 9 Uhr am nächsten Morgen mußte ich auf dem Zementfußboden stehen und durfte mich keinen Schritt bewegen. Damals war ich im vierten Monat. Das hatte ich ihnen bei der Verhaftung gesagt. Sie drohten mir die ganze Zeit, daß ich in der Luft aufgehängt würde, wenn ich nicht mehr Informationen liefern und ihnen zeigen würde, wo die Druckschriften sich befinden. Dann brachten sie die Seile, an denen sie mich aufhängen wollten. Vier Männer saßen neben mir auf dem Boden und stellten mir die ganze Nacht über Fragen, aber sie wechselten sich ab, um ausruhen zu können. In tiefer Nacht fuhren sie mich mit zwei Autos weg, sechs Männer in jedem. Mich sperrten sie in einen großen schwarzen Wagen mit dunklen Fenstern und fuhren mich zu einem Haus, wo sie mich wieder vernahmen. Einer schrieb alles nieder, was ich sagte. Die Vernehmer wechselten sich ab, aber alle ohrfeigten mich, zogen mich an den Haaren und schmetterten mein Gesicht gegen die Wand. Es war so fürchterlich, und ich hatte Angst, sie würden mich hinrichten. Ich antwortete, daß ich nichts wisse, aber sie fuhren mit den Fragen fort, packten mich an den Haaren und warfen mich in den Wagen zurück.

Um 9 Uhr morgens kam eine Frau herein und fragte, wer sonst noch bei dem Drucken der Schriften mitgemacht hätte. Sie sagte, ich könne mich nun setzen, aber meine Beine waren von dem langen Stehen so steif geworden, daß ich nicht einmal mehr die Knie beugen konnte. Ich war stocksteif, es war auch sehr kalt in jener Nacht und ich hatte keine warme Kleidung, weil ich auf dem Markt festgenommen wurde. Ich hatte Hunger, denn seit der Festnahme bekam ich nichts zu essen, obwohl ich schwanger war. Ich war völlig erschöpft. Die Frau schubste mich einfach auf den Stuhl, wo ich zusammenbrach. Dann gab sie mir ein Glas heißes Wasser zu trinken.

Ich wurde wieder vernommen. Sie brachten mich zu dem Sicherheitsbüro des Distrikts und dann in das Seitru Gefängnis. Mir war ganz übel, weil ich die ganze Nacht hatte stehen müssen und nichts zu essen bekam. Ich erklärte ihnen, wie schlecht es mir ginge, aber sie verhöhnten mich und meinten, als ich das Gesetz übertrat, hätte ich mich doch ganz wohl gefühlt, ich hätte früher nachdenken sollen. Die nächsten vier Tage war ich sehr krank, ich erbrach sogar Wasser und war ganz dehydriert. Sie sagten, ich sei gar nicht schwanger und würde nur lügen. Schließlich kam ich ins Krankenhaus, wo bestätigt wurde, daß ich schwanger war und dringend Nahrung und Flüssigkeit brauche. Der Arzt empfahl, mich im Krankenhaus zu behalten, aber das Gefängnispersonal von Seitru entgegnete, mein Fall sei noch unklar mit vielen Zweideutigkeiten und bedürfe weiterer Untersuchung. Sie nahmen mich zurück ins Gefängnis.

10 Tage lang konnte ich gar nichts essen, nur Wasser trinken. Meine Gesundheit verschlechterte sich immer mehr und ich verlangte dringend nach einem Arzt, aber niemand brachte mich hin. Als ich am Abend des 10. Tages zur Toilette ging, fiel ich ohnmächtig um und als ich wieder zu mir kam, stellte ich fest, daß ich eine Fehlgeburt hatte. Ich litt schreckliche Schmerzen und schrie und krümmte mich auf dem Boden. Mein Onkel, der in der Zelle neben mir war, hörte mich schreien und rief die Wachen. Sie fanden mich auf dem Boden liegen. Ich verlor so viel Blut, daß ich nicht mehr stehen konnte.

Nun kam der Gefängnisarzt, der bestätigte, daß ich mein Baby verloren hatte. Sie ließen auch die Person kommen, die mich zuerst vernommen hatte, aber keiner wollte die Verantwortung übernehmen. Auch im Gefängnishospital lehnten sie es ab, Verantwortung für mich zu übernehmen. Vier Männer trugen mich weg, und dann kam ich in das andere Krankenhaus, wo ich Glukose und Sauerstoff bekam. 7 Tage blieb ich dort. Bereits nach 2 Tagen, als ich noch sehr schwach war und mich noch nicht bewegen konnte, quälten mich die drei weiblichen Wachen wieder mit den Fragen. Am vierten Tag drängten sie mich, ich solle besser sagen, wer sonst noch Spiel gewesen sei, um meines eigenen Wohles willen. Das klang sehr bedrohlich. Diese drei Wachen waren Tag und Nacht bei mir, und jede Stunde kamen noch weitere Vernehmer herein, um mich zu erpressen.

Nach einer Woche wurde ich zurück nach Seitru gebracht, wo ich bis zur Fällung des Urteils, was erst ein Jahr und vier Monate nach meiner Verhaftung erfolgte, blieb. Die Fragen waren immer wieder dieselben. Nach einiger Zeit kam der Prokurator und stellte mir Fragen. Diese Vernehmungen dauerten den ganzen Tag, von 9 Uhr morgens bis 1 Uhr mittags und von 3 bis 6 Uhr nachmittags. Sie waren immer sehr intensiv und gingen zuweilen sogar über die Mittagspause hinweg. Ich wurde immer noch geohrfeigt und an den Haaren gezogen. Niemand wurde je zur Verantwortung herangezogen wegen meiner Fehlgeburt. Meine Angehörigen wandten sich an einige offizielle Stellen und verlangten, daß eine Untersuchung durchgeführt würde, als aber schließlich der für die Untersuchung Zuständige kam, fragte er mich gar nicht danach, was mit mir geschehen war."

Yeshe Damdul
war vor seiner Verurteilung in Tsethang inhaftiert: "Als ich zuerst nach Tsethang kam, wurde ich vier Monate lang zweimal täglich vernommen und mehrere Male fürchterlich geschlagen. Meistens dauerten die Vernehmungen zwei Stunden, aber es konnten auch drei sein. Ich wurde auf jede nur mögliche Weise gepeinigt. Manchmal fesselten sie mir die Hände auf dem Rücken oder legten mich in Handschellen mit den Armen hinter dem Kopf und boxten mich am ganzen Körper. Oder ich wurde auf einen Tisch gestellt und dann hinuntergestoßen und getreten und gestoßen. Die Folterer schlugen mir elektrische Viehstöcke auf Gesicht und Kopf. Jedes Mal war die Tortur anders, manchmal wurde ich auch nach der Vernehmung in Handschellen in die Zelle zurückgebracht. Wenn sie besonders wütend waren, dann fesselten sie mir auch noch die Beine. Die Chinesen hatten zweierlei Befragungsmethoden. Zuerst kam eine höfliche Person, die einen nicht quälte und nur Fragen stellte, aber danach folgte die brutale Art der Vernehmung.

In den ersten vier Monaten wurde ich hauptsächlich vom PSB Personal vernommen, während es vor dem Prozeß dann meist die Beamten der Prokuratur waren. Zwei Monate lang wurde ich von diesen vernommen. Die Art der Befragung war ähnlich, nur wurden nun die vom PSB erstellten Akten zur Grundlage genommen. Sie behandelten mich besser und schlugen mich nicht. Andere politische Gefangene wurden auch von der Prokuratur mißhandelt, aber ich nicht."

Sonam Dolkar
, die 1990 nach Seitru kam, erzählte: "In den ersten drei Tagen wurde ich nicht vernommen, aber ab dem vierten Tag begannen dann die Fragen. Zwei Tage lang wurde ich ganz manierlich gefragt: 'Wer steht hinter dir? Welche Ausländer kennst du?' Dann erklärten sie mir, daß sie die Dokumente in Händen hätten, die ich Seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, übermitteln wollte, und daß sie über alles Bescheid wüßten, was ich getan hätte. Sie mahnten mich, unverzüglich alles zu gestehen, weil ich sonst eine Menge zu leiden hätte.

Zuerst wurden die Vernehmungen in höflichem Stil geführt. Aber dann zeigten sie mir einige Folterinstrumente, wie Handschellen und elektrische Viehstöcke. Sie fuhren mit den Fragen fort und begannen, mich mit den Elektrowaffen zu quälen und mich heftig zu schlagen. Vier Folterer, zwei Tibeter und zwei Chinesen, kniffen mich ins Gesicht, banden meine um eine Stuhllehne gelegten Arme zusammen und bearbeiteten mich dann am ganzen Leib mit den Elektrostöcken: Überall schlugen sie mich, auf die Brüste, auf den Bauch. Langsam verlor mein Körper die Empfindung und wurde ganz taub. Ich blutete aus dem Mund. Schließlich sagte einer der Chinesen: 'Das ist genug für heute. Wir geben dir drei Tage Zeit zum Überlegen, was du uns sagen willst. Wir werden dich schon noch drankriegen, denke doch an deinen Mann und deine Tochter!'

Sie ließen mich zwei Tage lang in Ruhe. Eine Kieferverletzung machte mir zu schaffen, und mein ganzer Körper war wund und steif. Dann riefen sie mich wieder ins Vernehmungszimmer und wollten wissen, was ich mir nun überlegt hätte. Ich antwortete, daß ich nichts weiteres zu sagen hätte. Dann gingen sie zu meinen Eltern und fragten diese, mit wem ich Umgang pflege, wer meine Freunde seien und wohin ich gerne ginge. Nun drohten sie mir, daß sie auch mein Kind holen würden.

Als ich mich immer noch weigerte, Auskunft zu geben, schlugen sie mich wieder mit den elektrischen Schockwaffen, fesselten meine Hände und boxten mich. Besonders einer geriet in Rage, weil ich einfach keine Antwort gab. Er stand auf, ergriff eine der Elektrokeulen und haute sie mit voller Wucht auf meinen Nacken. Der Schlag drang durch meine Haut und eine Menge Blut floß. Ich verlor das Bewußtsein und kam erst im Krankenhaus wieder zu mir. Einen Monat lang lag ich einfach nur in meiner Zelle. Eine große Narbe habe ich nun an meinem Nacken, wo ich getroffen wurde. Als die Wunde etwas geheilt war, wurde ich noch einmal vier Monate lang vernommen. Sie stießen mich brutal in die Schenkel. 22 Tage lang wurde ich mit den automatischen Handschellen gefesselt, die bei jeder Bewegung enger wurden und mir in die Handgelenke schnitten."

Dawa Kyizom
wurde 1990 verhaftet und zuerst in das Polizeirevier des Landkreises gebracht, dann in das Militärlager von Taktse und schließlich nach Gutsa. Sie berichtete: "Zwei Polizisten, ein Tibeter und ein Chinese, kamen in meine Wohnung und holten mich zum an quan chus (Kreis-PSB). Sie fragten, wer mir die Flagge gegeben hätte. Zuerst waren sie höflich, aber am nächsten Tag bedrohte mich Lobsang Gile, der tibetische Polizist, und mißhandelte mich. Er schlug und trat mich und band meine Hände hinter dem Rücken zusammen. Dann hängte er mich an der Decke auf, so daß meine Füße über den Boden nicht berührten, und ließ mich 15 Minuten so baumeln.

In dem Militärlager von Takste war ich vier Tage lang in Handschellen. Die Beine waren mir 12 Tage lang gefesselt. Einen Monat lang bekam ich nichts zu essen außer einem Schüsselchen tsampa und schwarzem Tee. Zu der Zeit war ich schrecklich verängstigt wegen der vielen Fragen, die sie mir stellten. Manchmal wurde ich höflich behandelt, und ein andermal wieder gefoltert. Meistens gaben sie mir Ohrfeigen ins Gesicht und Fußtritte in die Rippen...

Fünf Personen vernahmen mich, wovon drei Männer und zwei Frauen waren. Gewöhnlich war es das tibetische Personal, das mich peinigte, und das chinesische, das höflich mit mir umging, aber ich denke, daß es absichtlich die Aufgabe der Tibeter war, mich zu schlagen, damit Tibeter auf Tibeter losgehen sollten. Während die Chinesen stets durch allerlei Tricks das aus mir herauszuholen versuchten, was sie wissen wollten. Jeden Tag wurde ich morgens 3 Stunden und nachmittags 3 Stunden lang mit den Fragen gequält, außer an Sonntagen. Nach der Verlegung nach Gutsa wurde ich erneut vernommen, acht Monate lang bis zu meinem Prozeß und Urteilsspruch."

Ngawang Choedon kam 1989 nach Gutsa: "In dem zentralen Polizeirevier wurden mir viele Fragen gestellt: 'Warum hast du nach Freiheit für Tibet gerufen? Wer hat die Demonstration angeführt? Hast du Freunde, die dich unterstützen? Von welchem Kloster bist du?' Bei diesen Fragen schlugen sie mich mit den Pistolenläufen auf die Brüste und den Oberkörper. In Gutsa wurden unter Mißhandlungen dieselben Fragen wiederholt. Mit einem Strick wurde ich am ganzen Körper gefesselt, an den Händen an der Zimmerdecke aufgehängt und dabei geschlagen und gestoßen. Am ersten Tag wurde ich bis fünf Uhr nachmittags vernommen, und dann von 5 Uhr bis Mitternacht mußte ich im Freien stehen. Danach wurde ich täglich zwei Stunden lang ausgefragt. Manchmal preßten sie mir den Elektroschockstab in den Mund und bearbeiteten mich am ganzen Rücken und den Brüsten damit. Vier Tage später wurde das Urteil gesprochen, danach wurde ich nicht mehr vernommen. Bei der Verhaftung und anfänglichen Vernehmung waren es Männer, aber nach der Verurteilung waren es Frauen, die mir Fragen stellten."

Lhundup Monlam
wurde nach seiner Verhaftung 1990 anfangs in dem Gefängnis von Gyaltse festgehalten: "Bei der Vernehmung mußte ich stehen, Hände und Füße wurden mir in Schellen gelegt. Zuerst wurde ich nicht geschlagen. Sechs Monate war ich in Gyaltse. In den ersten 5 Monaten war ich in Handschellen, auch meine Beine waren in Ketten, und mir wurden viele Fragen über die Zeit von 1987 bis zur Gegenwart gestellt. Die Fußketten wogen 3 gyama und das Schloß noch mal 2 gyama. Nachdem sie mich gefesselt hatten, gingen sie mit einem Cassetten-Recorder zur Wohnung meiner Eltern und forderten sie auf, mich zum Eingestehen meiner Taten zu bewegen. Dann spielten sie dieses Tonband vor mir ab, aber weil ich ahnte, daß meine Eltern zum Sprechen gezwungen worden waren, wurde ich nicht geständig. Daraufhin wurde ich zwei Tage lang mit 28 gyama Gewicht an den Füßen gefesselt. Diese Fußschellen seien sehr alt und schon 1959 im Einsatz gewesen, erklärte man mir.

Als ich in Gyaltse oder Ngari war, wurde ich nicht geschlagen, aber in Drapchi dafür. In Gyaltse wurde ich jeden Tag 16 Stunden lang vernommen, außer zur Essenszeit. Nachdem ich gestanden hatte, wurde ich nur noch alle 2-3 Tage vernommen."

J 2)

Der Einsatz von Hand- und Fußschellen

Art. 46 der Verordnung der PRC über "Reform-durch-Arbeit" legt fest, daß Instrumente zur Einengung des Körpers nur verwendet werden dürfen, wenn Gefahr besteht, daß ein Straftäter fliehen, gewalttätig werden oder sonst eine gefährliche Tat begehen könnte. Die Wirklichkeit erscheint aber ganz anders, weil viele Gefangene berichten, daß sie bei ihrer Ankunft in den Haftzentren in Handschellen gelegt oder ihre Füße in Ketten gelegt wurden; auch während der Gefangenschaft werden Fesseln zur Bestrafung eingesetzt. Einige der Schellen haben Metallzähne und eine besondere Mechanik, so daß sie sich von selbst um die Handgelenke des Gefangenen zuziehen und die Metallzähne ihm ins Fleisch schneiden. Die Blutzufuhr zu den Händen wird behindert.

Die Regel 33 der UN Standard-Minimum-Verordnung für die Behandlung von Gefangenen legt fest, daß "Instrumente zur Körperfesselung, so wie Handschellen, Ketten, Eisen und Zwangsjacken niemals zur Bestrafung eingesetzt werden dürfen. Weiterhin dürfen Ketten und Eisen nicht als Fesseln verwandt werden."

Im November 1992 gab das Büro für Öffentliche Sicherheit zusammen mit dem Obersten Volksgericht und der Obersten Volksprokuratur eine Verordnung über die Behandlung von Gefangenen heraus: "Während der Vernehmung, der Gerichtsverhandlung und der Verurteilung darf kein Gefangener in Handschellen oder Fußeisen gelegt oder gefesselt werden, es sei denn, er könnte gewalttätig werden, zu entkommen oder Selbstmord zu begehen versuchen, und außer im Falle eines Kapitalverbrechens." Eine ganze Reihe von ehemaligen politischen Gefangenen berichten jedoch, daß sie in Handschellen gelegt wurden und ihnen oftmals über lange Zeiträume die Füße gefesselt wurden.

Lobsang Shakya, der im November 1995 verhaftet wurde, erzählt: "In den ersten sechs Tagen im Gefängnis war ich in Handschellen, die nur abgenommen wurden, wenn ich zur Toilette ging. Bevor sie mir die Handschellen anlegten, banden sie ein Tuch um meine Handgelenke, weil die Schellen innen Metallzähne hatten, die mir in die Haut schnitten. Selbst mit diesem Tuch schnitten mir, jedes Mal wenn ich meine Hände zu bewegen versuchte, die Zähne ins Fleisch."

Lhundup Monlam erzählt: "In Drapchi war es viel strenger als im Gefängnis von Nyari oder Shigatse. Ich war fünf Monate lang an den Füßen gefesselt und an einigen Tagen mußte ich sogar Fesseln von 14 kg Gewicht tragen, die aus zwei Schellen und vier Schlössern bestanden. Das war zur Strafe, weil mein Benehmen und mein Blick unverschämt waren, und nicht wie es sich bei einem so jungen Menschen wie mich gehört."

Gaden Tashi berichtete: "Hände und Füßen waren bei mir über ein Jahr gefesselt. Manchmal hatten die Fußschellen ein Schloß und sonst wurde einfach eine Kette um meine Beine gelötet. Diese Ketten wogen etwa 6 gyama, zum Öffnen verwendeten sie eine elektrische Säge."

J 3)

Bestrafung

Körperliche Züchtigung ist ein hervorstechendes Merkmal der Gefängnisse in Tibet. Sie kann verschiedene Formen annehmen, aber fast immer bedeutet sie Schläge mit allerlei Gegenständen und Fesseln mit Hand- und Fußschellen. Die Gefangenen werden bei Verstößen gegen die Gefängnisverordnung oder Aufsässigkeit gegen die Gefängnisleitung auch in Einzelhaft verbannt. Während die verbreitetste Form der Bestrafung die Prügel sind, werden die Gefangenen auch oft zu exzessivem militärartigem Drill genötigt, was ihnen ungewohnt ist. So berichteten ehemalige Gefangene, daß sie rennen mußten, und die Wachen mit Steinen nach ihnen warfen, wenn sie zu langsam liefen.

In Verletzung der Konvention gegen die Folter, die von der PRC unterzeichnet wurde, und der UN Standard-Mindestregeln für die Behandlung von Gefangenen, gibt es, wie ehemalige Gefangene angeben, keine Autoritätsperson, bei der sie sich über die Art der Behandlung beschweren könnten. Eine ganze Reihe von ehemaligen politischen Gefangenen machte die Erfahrung, daß sie schlechter als die kriminellen behandelt wurden. Die in Drapchi Eingesperrten berichteten auch, daß der fünfte Trakt (nur für männliche politische Gefangene) besonders brutale Vernehmer hatte, der niemals wegen der Art und Weise, wie sie mit den Gefangenen umgehen, zur Verantwortung gezogen wurde.

Jampel Monlam erzählte: "Alle wurden von den Wärtern geschlagen. Kaum kamen wir in Drapchi an, wurden wir alle schwer verprügelt. Für die Wärter war das schon zur Routine geworden. Sie wurden niemals getadelt, wenn sie die Gefangenen grundlos schlugen. Mit den politischen Gefangenen gingen sie viel schlimmer um als mit den kriminellen. Als das Gefängnis in Blöcke unterteilt wurde, wurde der fünfte nur für die politischen Gefangenen eingerichtet, und die Wärter dafür wurden extra ausgewählt, damit sie uns recht brutal behandelten. Sie sollten uns nämlich richtig an die Kandare nehmen.

Die Wachen bestraften uns für jede Kleinigkeit. Meistens waren es Prügel oder Einschränkung unseres Rechtes zu lesen oder zu studieren. Manchmal wurden uns die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden und dann wurden wir geschlagen oder elektro-geschockt. Oder alle Gegenstände in unseren Zellen wurden konfisziert. Manchmal stellten sie uns vor allen anderen und demütigten uns öffentlich. Die schlimmste Strafe war für mich, als meine Zelle durchsucht wurde und die Wachen alle Bücher und Lesestoff, den sie fanden, beschlagnahmten."

Yeshe Togden erinnert sich: "1989, als ich in Seitru festgehalten wurde, waren 5 Gefangene in der Zelle; die Nebenzelle war durch eine Tür mit der unseren verbunden. Es gelang uns, das Schloß dieser Tür aufzubrechen, so daß wir miteinander reden konnten. Eine Woche lang gingen wir ungehindert hin und her. Als wir aber erwischt wurden, wurden wir entsetzlich geschlagen. Mir hauten sie mit dem Polizeistock derart auf den Kiefer, daß ich einige Tage lang nicht essen konnte. Derjenige, der das Schloß aufgebrochen hatte, wurde 7 Tage in Einzelhaft gesteckt und täglich mißhandelt."

Leusang
erinnert sich: "Wir wurden sogar während des Exerzierens geschlagen. Das passierte uns jeden Tag. Es wurde erwartet, daß wir die Reihenfolge des Drills genau kennen und sobald wir einen Fehler machten, wurden wir gestoßen oder geschlagen."

Ngawang Choezom
erklärte: "Gewöhnlich gingen die Gefängniswärter sehr grausam mit uns um, sie beschimpften uns und mißbrauchten uns unter diesem oder jenem Vorwand. Zuerst wurde ich nach der Verhaftung von Männern vernommen, aber nachdem ich verurteilt war, waren alle Wachen weiblich. Wenn immer ich in Gutsa versuchte, meiner Familie zu schreiben, und die Wachen mich dabei erwischten, verprügelten sie mich und fragten, was ich mitteilen wollte und woher ich das Schreibmaterial bekommen hätte."

Bagdro
sagte: "Es gab viele Arten der Bestrafung. Manchmal mußten wir unsere Schuhe ausziehen und dann auf Schottersteinen rennen, ein andermal wurden uns die Arme auf den Rücken gebunden und wir mußten dastehen, während sie uns prügelten. Wir wurden mit Elektroviehstöcken und Holzbrettern geschlagen. Manchmal mußten wir mit Steinen auf dem Rücken ganz schnell laufen. Wenn uns die Kräfte verließen, versetzten sie uns Fußtritte."

Gyaltsen Pelsang,
die mit 13 Jahren in der Gutsa Haftanstalt war, sagte: "Wenn wir ihnen nicht folgten, waren sie gleich bei der Hand, uns zu schlagen. Ich wurde manchmal leicht gehauen, aber nicht ernstlich. Zur Strafe ließen sie uns an der Wand stehen und gaben uns mit den Viehkeulen Elektroschocks. Der Hauptgrund dafür war, daß wir politische Gefangene waren oder nicht brav genug waren oder sie uns verdächtigten, unser Denken sei nicht richtig, oder sie uns einfach nicht leiden konnten."

Teil K

Medizinische Behandlung

Ehemalige politische Gefangene klagten einmütig darüber, daß sie keine angemessene medizinische Fürsorge erhielten. Eine alarmierende Zahl der Interviewten wurden aus gesundheitlichen Gründen in die Obhut eines Krankenhauses entlassen, weil die Gefängniskliniken nicht imstande waren, sie zu behandeln. Es scheint, daß alle Gefängnisse eine sanitäre Abteilung haben, aber oft gab das Personal dort ohne Untersuchung der Kranken einfach Arznei aus. Was diese betrifft, so war sie oft datumsmäßig verfallen oder für das Leiden gar nicht zutreffend. Viele Gefangene berichteten, daß die Krankenstationen nur ein oder zwei Arten von Medikamenten hatten und daß, egal was die Beschwerden des Patienten waren, nur Schmerz- oder Schlaftabletten ausgegeben wurden. Viele meinen, daß sie in der medizinischen Behandlung benachteiligt wurden, weil sie politische Gefangene waren.

Wie niedrig der Standard der zur Verfügung stehenden ärztlichen Fürsorge in den Gefängnissen ist, wird deutlich aus der Art der Behandlung, die Gefangene erfuhren, wenn sie ernstlich krank waren. Wenn sie das Glück hatten, überhaupt behandelt zu werden - und leider starb eine ganze Reihe wegen unzureichender oder zu spät erfolgter Behandlung - dann wurden sie in eines der Krankenhäuser Lhasas eingeliefert, wo sie bis zum Zeichen einer Besserung blieben. Ein Beispiel für einen Todesfall in der Gefangenschaft ist Lhakpa Tsering, der im Dezember 1990 starb, wahrscheinlich wegen unterlassener medizinischer Versorgung nach den auf die Mißhandlungen zurückzuführenden inneren Verletzungen. Auf seinen Tod hin protestierten die Gefangenen von Drapchi. Einige der Interviewten erwähnten auch den Tod von Tsamla, einer etwa dreißigjährigen Geschäftsfrau aus Lhasa, die im August 1991, wenige Monate nach ihrer vorzeitigen Entlassung starb. Die genaue Todesursache ist nicht bekannt, aber durch die wiederholten und brutalen Prügel im Gefängnis waren ihre inneren Organe schwer geschädigt worden. Kurz vor ihrer Entlassung wurde sie angeblich als "Belohnung für gutes Benehmen" zu einer Explorations-Operation in die Klinik eingeliefert. Es ist anzunehmen, daß man sie nicht im Gefängnis sterben lassen wollte.

Ein kürzlicher Fall einer im Gefängnis gestorbenen Gefangenen ist der von Ngawang Dekyi, einer 25-jährigen Nonne, die nach 16 Tagen Krankenhausaufenthalt im Januar 1998 starb. Sie leistete eine Haftstrafe von 6 Jahren im Drapchi Gefängnis ab. Der topden, der die Himmelsbestattung durchführte, erklärte: "Nach den Verletzungen zu urteilen, scheint es, daß die Verstorbene schwer mißhandelt worden ist, Blut war aus den Gehirnvenen ausgetreten und hatte es rot und blau gefärbt, ebenso wies die rotblaue Farbe der Schulterblätter auf schwere Schläge hin". Als sie ins Hospital kam, war es bereits zu spät.

Art. 54 der Gefängnisverordnung der PRC legt fest: "Jedes Gefängnis muß eine medizinische Einrichtung haben, sowie für die tägliche Gesundheitspflege sorgen. Sanitäre Einrichtungen für die hygienische Unterbringung der Insassen müssen gewährleistet sein."

Während Art. 26 der Verordnung für Haftzentren der PRC festlegt: "Ein Haftzentrum muß mit den notwendigen medizinischen Instrumenten und üblichen Arzneimitteln ausgerüstet sein. Sollte ein Insasse erkranken, so muß er rechtzeitige Behandlung erfahren, und wenn er der Hospitalisierung bedarf, muß er unverzüglich in ein lokales Spital gebracht werden. Im Falle schwerer Erkrankung kann der Häftling auf Bürgschaft entlassen werden, bis er vor Gericht gestellt wird, gemäß dem Gesetz."

Die Gefangenen wurden gewöhnlich in Begleitung von Gefängniswärtern ins Hospital gebracht, in einigen Fällen wurden sie sogar an das Krankenhausbett gefesselt. Wenn die Gefangenen dort keine Zeichen von Genesung zeigten, dann ließ man meistens ihre Angehörigen unterschreiben, daß sie die Verantwortung für sie übernehmen. Mit solch einer "Verantwortung" ist die Entrichtung der gesamten Kosten für die ärztliche Fürsorge ab dem Datum der Unterschrift gemeint. Erschreckend viele der Interviewten gaben an, daß sie nach den erlittenen Mißhandlungen ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Um so absurder klingt es, daß die Familien der Gefangenen für die medizinische Behandlung aufkommen müssen. Wenn ein hospitalisierter Gefangener genas, dann wurde er in dasselbe Gefängnis zurückgebracht, wo er vorher einsaß.

Die Gefangenen litten entweder an den Folgen der Verletzungen durch Mißhandlung oder an Krankheiten, die durch die unhygienischen Verhältnisse in der Haft verursacht wurden. Ehemalige Gefangene klagten auch, daß sie im Krankheitsfall fast nicht das miserable Gefängnisessen zu sich nehmen konnten, aber es gab nichts anderes. Eine Reihe berichteten, daß sie, als sie im Krankenhaus lagen, in ihrem erbärmlichen Zustand von ihren Angehörigen kaum mehr wiedererkannt werden konnten.

Schrecklich ist auch die Blutentnahme in den Haftanstalten. Fast alle interviewten politischen Gefangenen berichteten, daß ihnen Blut abgezapft wurde, und daß niemand vorher um ihre Einwilligung fragte. Die Menge variierte von 200 ml bis zu 1 l. Keine plausible Erklärung wurde für diese Prozedur gegeben, manchmal wurde den Häftlingen erklärt, daß sie medizinisch untersucht würden, aber die Menge des abgenommenen Blutes und die Tatsache, daß nur tibetischen politischen Gefangenen Blut entnommen wurde, läßt dies bezweifeln. Der Art. 7 des ICCPR sieht vor: "Insbesondere darf niemand ohne seine freie Einwilligung zu medizinischen oder wissenschaftlichen Experimenten benutzt werden."

Angesichts der Tatsache, daß keiner der Gefangenen je erfuhr, warum ihnen Blut entnommen wurde und niemals irgendein Ergebnis der angeblichen "Tests" bekam, ist anzunehmen, daß die Blutentnahme entweder zu experimentellen Zwecken oder zur Bestrafung der Gefangenen vorgenommen wurde. Beides ist deutlich ein Rechtsverstoß, weshalb die Praxis, den Gefangenen Blut zu entnehmen, unverzüglich eingestellt werden muß.

Die Regel 22 der UN Standard Minimum Regeln für die Behandlung von Gefangenen sieht vor: "Kranke Gefangene, die eine spezielle Behandlung brauchen, müssen in die geeigneten Institutionen oder öffentliche Krankenhäuser eingewiesen werden. Wo es Krankenstationen gibt, muß ihre Ausrüstung, Einrichtung und der Arzneimittelvorrat für die ärztliche Versorgung von kranken Gefangenen geeignet und ein Stab von ausgebildeten Sanitätern vorhanden sein."

Ehemalige Gefangene berichteten im Gegensatz dazu, daß sie überhaupt nicht untersucht wurden, wenn sie an einer Krankheit oder Verletzung litten. Wenn man ihnen überhaupt glaubte, daß sie krank sind, dann wurden ihnen höchstens Schlaftabletten oder Schmerzmittel gegeben, weit entfernt von den Standard-Minimum-Regeln. Statt die geeigneten Medikamente zu beschaffen, gab man ihnen häufig Arzneimittel, deren Verfallsdatum längst überschritten war. Sehr viele der Interviewten leiden immer noch an den Folgen der Verletzungen und Krankheiten, die sie während ihrer Gefangenschaft bekommen hatten.

Sonam Dolkar sagte hinsichtlich ihrer Behandlung nach den Mißhandlungen: "Einer der Vernehmer ergriff einen der elektrischen Viehstöcke und schlug mich damit heftig auf den Nacken. Blut begann zu fließen. Ich verlor das Bewußtsein und wachte erst im Hospital wieder auf. In der Zwischenzeit hatten die Wachen mein Hemd abgenommen und eine tibetische Ärztin hatte mich in die Klinik gebracht, wo die Wunde genäht wurde. Die Ärztin erklärte, in diesem Zustand könne ich nicht vernommen werden. Ich wurde in meine Gefängniszelle zurückgebracht, denn ich hatte sehr viel Blut verloren und fühlte mich sehr schwach. Ich bekam einige Schmerz- und Schlaftabletten. Am Abend gab mir die Wärterin noch mehr Schmerztabletten. Am nächsten Morgen hatte ich die Kontrolle über meine Nackenmuskeln verloren. Über einen Monat blieb ich in der Zelle, die Wunde heilte sehr langsam, weil nur alle 8-10 Tage der Verband gewechselt wurde. Er war immer voller Blut, und alle meine Kleider waren blutverschmutzt. Ich habe immer noch eine riesengroße Narbe an der Stelle, wo ich getroffen wurde.

Eines Tages weigerte ich mich zu essen, weshalb der Koch zornig wurde und auf mich losging. Ich fiel hin und er trat mich immer wieder in den Bauch. In den nächsten vier Monaten wurde mein Zustand immer schlimmer, bis ich schließlich Blut erbrach und wieder ins Spital kam. Zuerst kam ich in die Gefängniskrankenstation, aber dort wollten sie mich nicht behalten, weil ich zu krank war. So kam ich in das Mentsekhang (tibetisches Spital), wo ich zwei Monate blieb. Ich litt unter schweren Rückenschmerzen, ich konnte nicht zur Toilette gehen und erbrach Blut. Zwei Gefängniswachen waren bei bis zum 12. Tag bei mir. Dann kamen meine Eltern in das Krankenhaus. Ihnen wurde erklärt, daß sie nun für mich verantwortlich seien, und die Gefängnisleitung mit ihnen in Verbindung bleiben würde. Meine Eltern mußten von diesem Tag an für alle medizinischen Ausgaben aufkommen. Als sie mich besuchen kamen, war meine Mutter sehr niedergeschlagen und weinte, weil ich so abgemagert war: Ich sehe gar nicht mehr wie ein Mensch aus und sei dem Tod nahe, meinte sie."

Lhundup Monlam trug vor: "Einmal wurde ich in Lhasa ins Hospital gebracht, aber nicht einmal dort erhielt ich richtige Behandlung. Der Gefängnisarzt begleitete mich, eine Stunde lang wurde ich untersucht und kehrte dann zurück. In Drapchi gab es eine Krankenstation, aber ich ging dort nicht hin, weil sie nur verfallene Arzneien hatten. Ob wir nun eine Erkältung oder Kopfweh hatten, sie gaben uns immer einerlei Medizin. Die politischen Gefangenen bekamen nicht die richtigen Medikamente".

Damchoe Palmo erwähnte: "Als ich in Gutsa war, wurden mir etwa 250 ml Blut abgenommen. Zu viert wurden wir zu einer ärztlichen Kontrolle gebracht, weil wir gesundheitliche Probleme hatten; Tsamla, die später starb, war auch dabei. Nach der Blutabnahme waren wir so schwach, daß wir uns kaum bewegen konnten. Was mit dem Blut geschah, erfuhren wir nicht, aber manche sagten, es sei für Armee bestimmt."

Lukar Jam, der aus gesundheitlichen Gründen im April 1995 entlassen wurde, erinnert sich: "Ich befand mich in sehr schlechtem Zustand, vor allem wegen der mangelhaften Ernährung und den unhygienischen Verhältnisse, aber auch wegen der stickigen Luft in der Zelle besonders im Winter, wenn wir ein Kohlefeuer unterhielten, um uns zu wärmen, und viel Kohlenmonoxid in der Luft war. Vielleicht wurde ich auch durch die Mißhandlungen so krank. Aber erst 5-6 Monate später, als ich schon fast tot war, kam ich ins Krankenhaus. Zuerst brachten mich die Wärter in das Hai-shi Volksspital. Tagsüber wurde ich dorthin gebracht und am Abend wieder zurück in die Terlengkha Haftanstalt. Nach zwei Monaten hatte sich mein Zustand nicht gebessert und ich war dem Tode nahe. Es war ein langer, schwieriger Prozeß, bis sie mich freiließen. Schließlich wurde ich zur medizinischen Behandlung entlassen, von da ab mußten meine Angehörigen für mich sorgen. Das bedeutete, daß sie von nun an für alle ärztlichen Ausgaben für mich aufkommen mußten. Meine Eltern brachten mich zur Untersuchung in das Militärhospital von Xining und danach lag ich lange in dem Volkshospital von Chabcha. Als ich dort eingeliefert wurde, wog ich nur noch 30 kg. Die Krankenhausrechnung belief sich auf 80.000 Yuan (10.000 US$). Alle meine Verwandten und Freunde halfen, das Geld zusammenzukratzen."

Entlassungsschein des PSB Haftzentrums für Lukar Jam:

Akten-Nr. 090 des Terlengkha Büros für Öffentliche Sicherheit:

Der Sträfling Lukar Jam, männlichen Geschlechts, gebürtig aus Kreis Shinghai, Provinz Qinghai, wurde am 3. September 1993 verhaftet und nach gründlicher Untersuchung aus gesundheitlichen Gründen gegen Kaution freigelassen. Public Security Bureau, Terlengkha, am 28. April 1995.

Dorje Namgyal
berichtet: "Als ich nach Drapchi kam, war ich sehr elend und schwach infolge der Peinigungen bei den Vernehmungen in Gutsa. Bereits nach einem Monat wurde ich so krank, daß ich drei Tage lang in der Krankenstation des Gefängnisses lag, weil ich nichts mehr zu mir nehmen konnte. Sie wußten nicht, was mit mir tun, weshalb ich von drei Wachen in das Volkshospital gebracht wurde. Ein Soldat der PAP beobachtete mich ständig, während die Wachen abwechselnd auf mich aufpaßten. Meine Hände waren in Handschellen, und ich wurde an das Bett gefesselt. Als ich nach 2 Wochen keine Zeichen der Besserung zeigte, wurden meine Eltern gerufen. Der Arzt erklärte ihnen, daß er kaum an meine Genesung glaube. Meine Eltern mußten unterschreiben, daß sie mich nach Hause mitnehmen, für mich verantwortlich sind und mich ins Gefängnis zurückbringen, falls ich genese. Das Gefängnis zahlte nur solange für meinen Krankenhausaufenthalt, bis meine Eltern die Erklärung unterschrieben und die Verantwortung für mich übernahmen. Nun mußten sie das Geld für die Behandlung auftreiben. Nach zwei Wochen brachten sie mich in ein tibetisches Krankenhaus, wo ich noch mal drei Monate lag. Als es mir ein wenig besser ging, durfte ich nach Hause zurückkehren, aber jeden Monat mußte ein Arzt dem Gefängnis erklären, daß ich noch zu schwach für die Rückkehr dorthin sei. Ich stand immer noch unter schwerer Medikation. Mein Leiden kam von den vielen Prügeln, ich war äußerst schwach und krank. Wenn die Häftlinge durch die Mißhandlungen bei den Vernehmungen Verletzungen oder Verwundungen davontrugen, wurden diese gewöhnlich ignoriert und keine Behandlung geleistet. Nur wenn eine Verletzung besonders schwer oder infiziert zu sein schien, dann wurde der Betreffende in eine kleine Krankenstation gebracht."

Gyaltsen Choetsoe berichtet: "Als ich im Gefängnis war, hatte ich manchmal Durchfall. Die Arznei, die ich bekam, war ohnehin nutzlos, denn ob wir erkältet waren oder Durchfall hatten, wir bekamen immer nur eine Art. Wegen der Atembeschwerden und inneren Verletzungen wurde ich überhaupt nicht behandelt. Wenn immer wir um Arznei baten, bekamen wir nur eine oder zwei Tabletten, nicht mehr. In Gutsa gab es eine Krankenstation, aber keinen Arzt, nur Sanitäter.

Nach der Entlassung fühlte ich mich sehr krank, weshalb ich drei Monate lang ambulant von dem örtlichen Krankenhaus behandelt wurde. Dann hieß es, eine Röntgenaufnahme sei nötig, aber weil diese an jenem Ort nicht gemacht werden konnte, bat ich bei dem Gemeinderat um Erlaubnis, nach Lhasa fahren zu dürfen. Dort sagte mir der Arzt, daß meine Lungen geschädigt seien und ich innere Verletzungen hätte. Natürlich wäre es sehr unklug gewesen, wenn der Arzt gesagt hätte, daß diese ein Resultat der Mißhandlungen sind, aber ich weiß, daß sie daher kamen. Als ich aus dem Gefängnis herauskam, konnte ich kaum atmen. Auch jetzt habe ich noch Probleme beim Atmen. In Dharamsala war ich dann drei Monate lang in dem Delek Hospital. Danach besserte sich mein Zustand, aber die inneren Verletzungen durch die brutalen Schläge bereiten mir immer noch Schwierigkeiten."

Yeshi Damdul erklärte: "Ich trug physische Verletzungen davon, besonders in der Bauchgegend und von da an litt ich unter Magengeschwüren. Einige Male ging ich in die Gefängnisambulanz, aber war nicht zufrieden. Die Arznei, die sie mir dort gaben, war bereits verfallen. Ein tibetischer Arzt, der die Zelle mit mir teilte, stellte die Diagnose. Außer Magengeschwüren habe ich nun auch Nierenbeschwerden und die Schulter tut mir weh. Ich wollte tibetische Medizin nehmen, aber es war sehr schwer sie zu bekommen... Jedes Jahr wurde den politischen Gefangenen Blut abgenommen, manchen zapften sie sogar 1 l ab. Von mir nahmen sie nur ein Röhrchen voll. Ich weiß nicht, warum sie unser Blut haben wollten. Nach der Blutentnahme gaben sie uns heißes Zuckerwasser zu trinken und erklärten, sie wollten eine Blutuntersuchung durchführen."

Ngawang Choedon besann sich: "Als ich in Gutsa war, hatte ich schreckliche Nierenschmerzen von den Folterungen. In der Krankenstation gaben sie mir nur Schlaftabletten und Schmerzmittel. In Trisam wurde ich zur Untersuchung in die Gefängnisambulanz gebracht. Eine Woche bekam ich täglich Injektionen und Schmerztabletten. Nach einem Monat genas ich. 1996 begann dasselbe Leiden wieder, aber diesmal konsultierte ich einen tibetischen Arzt und jetzt geht es mir gut. In Gutsa waren wir etwa 60 tibetische weibliche Gefangene und allen wurde Blut entnommen. Man sagte uns, wir würden zu einer medizinischen Untersuchung gebracht, aber das einzige war, daß sie jedem etwa 200 ml Blut abzapften. Zwei Nonnen wurden ohnmächtig, aber ich fühlte keinen besonderen Schmerz dabei... Da war eine weibliche Gefangene namens Tsamla, die zweimal Injektionen bekam. Sie litt sehr und mußte ins Krankenhaus eingeliefert werden. Später wurde uns erzählt, Tsamla sei entlassen worden, aber in Wirklichkeit ist sie gestorben."

Lobsang Shakya stellte fest: "Ich bat nie darum, ins Krankenhaus zu kommen, aber meine Eltern arrangierten es. Zuerst kam ich in das Volkshospital von Shigatse. Zwei Wachen begleiteten mich, die mich den ganzen Monat über, den ich dort war, bewachten. Dann wurde ich in das tibetische Hospital verlegt, wo die Wachen ebenfalls immer bei mir waren, bis etwa eine Woche vor meiner Flucht. Ich glaube, meine Krankheit war ein Resultat der Schläge, verbunden mit der dürftigen Ernährung. Irgend etwas stimmte nicht mit meinen inneren Organen und dem Darm: Es hieß, ich hätte eine Wunde im Bauch. Meine Familie mußte für die ganze Behandlung aufkommen."

Ngawang Choezom berichtete: "In Gutsa erklärten sie mir, daß ich in der Gefängnisklinik untersucht werden müsse. Als ich dorthin kam, entnahmen mir die Sanitäter eine volle Flasche Blut. Den Grund dafür nannte man uns nicht, aber unter Tibetern in Lhasa ging das Gerücht, daß dieses Blut für den chinesischen Grenzschutz bestimmt sei. In Gutsa gab es sowohl tibetische als auch chinesische Gefangene, aber nur ersteren wurde Blut entnommen. Eine Nonne wurde ohnmächtig dabei. Am Tag der Blutentnahme hatte ich keine Beschwerden, aber zwei bis drei Tage danach begannen Kopfschmerzen, die immer schlimmer wurden, bis ich eines Tages hinfiel, meinen Kopf aufschlug und das Bewußtsein verlor. Ich blutete am Kopf. Danach brach meine Gesundheit zusammen. Ich kam zuerst in eine chinesische Klinik, wo sie mir sagten, ich hätte eine bestimmte Krankheit, aber als sie merkten, daß ich aus dem Gefängnis komme, behaupteten sie, ich sei gesund und schickten mich zurück nach Gutsa. Dort litt ich entsetzlich, ich konnte die Schmerzen nicht mehr aushalten. Dann schickten sie mich in ein tibetisches Krankenhaus, wo sie erklärten, daß ich an Blutmangel leide, wodurch mein Nervensystem und Gehirn geschädigt seien. Die Wachen begleiteten mich, aber ich konnte sie weder sehen noch hören, weil mir immer wieder schwarz vor den Augen wurde.

In der Gefängnisklinik bekam ich als einzige Arznei Schlaftabletten. Meine Familie mußte für meine ganze Behandlung aufkommen. Ich blieb 4 Monate im Krankenhaus. Auch danach war ich noch nicht völlig genesen, so daß ich nach Hause zu meinen Eltern geschickt wurde. Ich kam nie mehr ins Gefängnis zurück... Ich bin immer noch nicht auf der Höhe und muß noch Arznei einnehmen. Bei jeder Aufregung bekomme ich rechtsseitige Migräne, so daß ich mich nicht mehr bewegen kann.

Da war eine Gefangene, Tsamla, 33 Jahre alt, die im Gefängnis starb. Sie wurde vor mir verhaftet und wurde dabei heftig in die Nieren getreten. Sie durfte nicht ins Krankenhaus zur Behandlung, sondern mußte im Gefängnis bleiben, wo sie große Schmerzen litt. Als ihr Zustand dann sehr ernst wurde, schickte man sie nach Hause. Sie bekam nun Behandlung, aber es war zu spät und sie starb. Im Gefängnis wurde sie zwar operiert, aber an der falschen Seite, nicht dort wo die Verletzung war. Sie erholte sich nie mehr."

Dawa Kyizom erinnert sich: "1992 schlugen sie mich mit einem Stock auf den Kopf und verletzten mich schwer. Meine Eltern kamen und erklärten der Gefängnisleitung, daß ich krank sei und dringend Behandlung brauche. Sie erhielten Erlaubnis, mich zum Tibetischen Medizininstitut zu bringen, vorausgesetzt daß sie die Kosten übernahmen. Dreieinhalb Monate blieb ich dort. Durch die Mißhandlungen war so sehr mitgenommen, daß ich überhaupt nichts mehr sehen konnte, aber ich hörte, wie ich bewacht wurde. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kam ich wieder ins Gefängnis. Dort gab es zwar eine Art Ambulanz, aber alle Arzneien, die sie hatten, waren bereits verfallen. Ob ich Kopfweh oder Magenschmerzen hatte, ich bekam dort immer dieselbe Arznei. In der Ambulanz sagten sie, wir seien ja gar nicht krank, sondern wollten nur der Arbeit entgehen. Sie gaben uns nur Tabletten, aber untersuchten uns überhaupt nicht."

Thupten Tsering erinnerte sich: "Allen politischen Gefangenen wurde eine Flasche Blut entnommen, während die chinesischen Straftäter verschont blieben. Man sagte uns, es sei eine Blutprobe zur Untersuchung, aber wir hatten den Verdacht, sie verwendeten es zu ihren eigenen Zwecken. Nach der Blutentnahme fühlte ich mich unwohl und mußte die Klinik aufsuchen... Die Sanitäter dort gaben mir einfach Zucker."

Adhe Tapontsang erzählte: "In dem Gefängnis Minyak Ra Nga Gang kam eines Tages ein Arzt und nahm uns eine Blutprobe aus dem Ohrläppchen, wobei er unsere Namen notierte. Wenige Tage später kamen eine Reihe Sanitäter und riefen uns namentlich auf. Dann entnahmen sie 20 Personen Blut, obwohl sie zuvor 100 Proben genommen hatten. Wir wurden in eine Klinik gebracht, wo wir auf Stühlen neben dem Ofen sitzen mußten. Sie gaben uns eine Menge Zuckerwasser zu trinken, und wir mußten neben dem Ofen sitzenbleiben, bis unser Gesicht ganz rot von der Hitze war. Ich konnte mir nicht erklären, warum es uns so gut ging: Wir hatten es warm und eine Menge zu trinken. Dann kamen plötzlich die Sanitäter herein und entnahmen uns Blut. Ich weiß nicht, wieviel es war, vielleicht 500 ml. Dann gaben sie uns wieder Zuckerwasser zu trinken und zapften erneut Blut ab. Danach waren wir furchtbar geschwächt. Sogar jene von uns, die vorher relativ gesund waren, wurden nun schwach und unsere Haut färbte sich gelblich. Zwei Frauen starben nach diesen Prozeduren."

Bagdro gab an: "Ich war oft krank im Gefängnis. Als ich in Drapchi war, wurde ich einen Monat in das Polizeihospital außerhalb des Gefängnisses gelegt. Ich war die meiste Zeit sehr krank. Meine Lage war so ernst, daß ich beinahe starb. Mein ganzer Körper zitterte unwillkürlich. Im Polizeihospital bekam ich Injektionen, Sauerstoff und Glukose... Ununterbrochen waren die Gefängniswachen bei mir. Nach einem Monat ging es mir ein wenig besser. Sowohl in Drapchi als auch in Gutsa gab es eine kleine Krankenstation, von der wir bereits veraltete Medikamente bekamen, einige trugen als Verfallsdatum 1970 oder gar 1960. Wir konnten zwar zu dieser Ambulanz gehen, aber das einzige, was wir dort bekamen, waren Spritzen, die uns nichts halfen. Einmal gab mir eine Frau dort eine Arznei, nach deren Einnahme mein Körper ganz schwarz wurde... 1990 wurde mir Blut abgezapft. Zuvor wurde uns erzählt, alle politischen Gefangenen kämen zur Kontrolle ins Hospital, aber das war eine Lüge. Den Grund für die Blutentnahmen erfuhren wir nie. Sie entnahmen mir etwa 250 ml. Danach mußten wir heißes Zuckerwasser trinken. Lhakpa Tsering starb im Gefängnis. Ich kannte ihn nicht. Die Gefängnisleitung erklärte, er sei aus natürlichen Ursachen gestorben, aber die Wahrheit ist, daß er starb, weil er gefoltert wurde und dann die falschen Medikamente bekam."

Gyaltsen Pelsang erinnert sich: "Ich war sehr krank. Meine Eltern kamen mich besuchen, aber sie konnten mich nicht einmal mehr erkennen. Mein Vater sagte, ich sei nicht sein Kind, so entsetzlich sah ich aus. Im Gefängnis gab es eine kleine Ambulanz, wo wir Arznei bekommen konnten, aber die half uns nicht, sie war nutzlos. Mein ganzer Körper war wund und ich fühlte mich schrecklich, aber im Gefängnis bekam ich nie etwas, was mir geholfen hätte. Bei geringeren Leiden kamen die Gefangenen nicht ins Krankenhaus, sondern man gab ihnen einfach ein paar Tabletten. Nur bei ernstlichen Erkrankungen wurden sie in ein Hospital gebracht. Häftlingen über 15 Jahre wurde jedes Jahr Blut entnommen. Weil ich noch zu jung war, entging ich diesem Schicksal."

Leusang gab an: "Ich litt an Diarrhoe und hatte Blut im Stuhl. Ich wurde sehr schwach und magerte ab. Ich konnte nichts mehr zu mir nehmen. Als ich mich so übel fühlte, ging ich in die Gefängnisklinik, und sie gaben mir 12 Flaschen Glukose. Ich wurde auch zu einem tibetischen Arzt außerhalb des Gefängnisses geführt, der mir etwas tibetische Medizin gab. Nach einem Monat war ich wiederhergestellt.

Es waren so viele Kranke im Gefängnis infolge der Mißhandlungen, die sie erlitten hatten; manche versuchten sogar Selbstmord zu begehen. Wenn jemand sehr übel dran war und die Wärter dachten, daß er sterben könnte, dann wurde der Betreffende aus dem Gefängnis nach Hause entlassen.

Bei meiner Verhaftung waren wir 13 politische Gefangene. Einer davon war mein Vetter Pasang. Er kam in ein anderes Gefängnis und wurde zu 4 Jahren verurteilt. Seine Gesundheit brach zusammen, er wurde immer schwächer und starb schließlich in der Gefangenschaft. Im Kloster war er immer bei bester Gesundheit gewesen. Zuerst war er in Einzelhaft ohne Kleidung, Matten oder Decken. Pasang wurde vor allen andern gedemütigt und gezwungen, nackt aus seiner Zelle zu gehen, um seinen Nachttopf zu leeren. Er kam zwar in die Gefängniskrankenstation, aber dort behandeln sie die politischen Gefangenen nicht richtig und die Arznei half nichts. Nach meiner Entlassung hörte ich, daß er gestorben ist."

Jampal Monlam sagte: "Ich war nicht krank im Gefängnis. Ich kannte jedoch viele andere politische Gefangene, die sogar noch nach ihrer Entlassung ernste Beschwerden hatten. Später erklärten ihnen die Ärzte, daß sie jetzt gesund wären, wenn sie gleich zu Anfang die richtige Behandlung erfahren hätten. In der Gefängniskrankenstation gab es zwar Ärzte und Pfleger, aber wir wurden sehr verschieden von den anderen Gefangenen behandelt; sie fragten zwar, was uns fehle, aber waren dann sehr gegen uns voreingenommen. Manchmal, wenn wir Beschwerden hatten und kamen, erklärte das medizinische Personal uns nur: 'Ihr schaut doch so jung und gesund aus, euch fehlt überhaupt nichts!'

Allen politischen Gefangenen wurde Blut entnommen und erklärt, das sei zur medizinischen Untersuchung nötig. Bei mir waren es etwa 400 ml. Viele politische Gefangene starben, weil sie keine richtige Behandlung erfuhren. Während ich in Drapchi war, starb der 20-jährige Lhakpa Tsering infolge unterlassener medizinischer Fürsorge und danach starb noch ein Mönch, der 49-jährige Kalsang Thutop."

Gaden Tashi berichtet: "Am 8. November 1992 wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Als ich bei der Demonstration verhaftet wurde, schlug mich die Polizei so brutal, daß ich Verletzungen erlitt. Danach kam ich in die Gutsa Haftanstalt, wo ich aber nicht ärztlich versorgt wurde. Erneut wurde ich bei der Befragung schwer geschlagen. Am 4. März 1989, als ich in das Drapchi Gefängnis verlegt wurde, mißhandelten sie mich grausam, und dann wieder bei der Aufdeckung unserer kleinen Gruppe, als sie mich verdächtigten, diese organisiert zu haben. Danach verbrachte ich 34 Tage in einem dunklen Karzer in Einzelhaft, meine Arme und Beine waren über ein Jahr in Schellen und dennoch mußte ich in meiner Gefängniseinheit wie die anderen arbeiten. All dies trug dazu bei, daß meine Gesundheit völlig zusammenbrach, aber trotz allem wurde ich immer noch nicht medizinisch behandelt. Oft fiel ich vor Schwäche um, ich befand mich wirklich in einem kritischen Zustand. Als die anderen politischen Gefangenen sahen, wie schwach ich war, flehten sie die Obrigkeit an, mich zur Behandlung in ein Krankenhaus zu bringen, weshalb ich in das Volkshospital der TAR kam. Ich hatte alles Gefühl in meinen Beinen verloren, und aus dem ärztlichen Bericht war es klar, daß ich einen Gehirnschaden hatte. Über zwei Monate blieb ich in dem Krankenhaus und wurde dann in das Tibetan Medical Institute verlegt. Im September empfahl ein Angestellter der Arbeitsbehörde der TAR und ein weiterer beim Volksgericht, mich aus medizinischen Gründen freizulassen, falls mein Vater die Garantie für mich übernehme. Siebzehn Monate war ich im Krankenhaus, bis mein Zustand sich ein wenig gebessert hatte. Auch danach mußte ich mich jeden Monat im Gefängnis melden, damit sie sicher waren, daß ich keiner politischen Aktivität mehr nachgehe... Bei meiner Entlassung mußte mein Vater ein Dokument unterschreiben, daß er vor Gericht gestellt würde, falls ich wieder politisch aktiv würde. Als dann die Polizisten in unser Haus kamen, erinnerten sie mich an diese Erklärung, und mein Vater mußte sie davon zu überzeugen, daß ihre Verdächtigungen nunmehr unbegründet seien."

Yeshe Togden erinnert sich: "Wie viele Gefangene hatte ich Dysenterie wegen der miserablen Nahrung und dem Fehlen richtiger sanitärer Anlagen. Ich konnte das Essen nicht verdauen und litt unter schweren Bauchkrämpfen. Seit ich bei der Verhaftung geschlagen wurde, konnte ich auch nicht mehr richtig hören. Wenn immer ich zur Gefängnisambulanz ging, bekam ich außer Schmerztabletten nichts, ganz egal was mein Leiden war. Die Gefangenen hatten entweder durch die vielen Prügel oder wegen der mangelnden Hygiene gesundheitliche Probleme."

Palden Gyatso gab an: "Lange Zeit war ich sehr leidend, bis ich endlich ins Krankenhaus kam. Jedes Gefängnis hatte eine Krankenstation, obwohl nicht alle die gebührende ärztliche Versorgung liefern konnten. Wenn jemand krank war, dann wurde er nicht sofort in die Krankenstation aufgenommen, weil die Zulassung einige Zeit brauchte. Wenn der Gefangene in dieser Krankenstation nicht geheilt werden konnte, dann wurde er in ein Polizeihospital gebracht, wo die Gefangenen besser behandelt werden konnten. Während meiner Zeit im Gefängnis gab es große Veränderungen: Ab 1987 änderte sich sehr viel, und politische Gefangene wurden nun anders behandelt als zuvor. Manchmal bekamen sie nicht einmal genug Wasser, um ihren Durst zu löschen. Auch die Leistung der Gefängniskrankenstation war nicht mehr die gleiche, denn nach 1987 gab es viel mehr Gefangene, weshalb es unmöglich war, daß sie gebührend medizinisch versorgt wurden.... Als ich 1990 in Outridu eingesperrt war, kam ich mit den zwei anderen politischen Gefangenen zur Blutuntersuchung. Ich war überrascht, daß sie zu diesem Zweck so viel Blut brauchten, denn sie nahmen uns etwa 1 l ab. Einer von uns, der Chinesisch verstand, hörte sie sagen: 'Zapfe den politischen Gefangenen so viel wie möglich ab, denn sie sind Spalter'. Als wir uns erhoben, war uns sehr schwindelig. Im März 1990, als ich in das Drapchi Gefängnis kam, lagen eine ganze Reihe von politischen Gefangenen auf ihren Pritschen, weil ihnen gerade Blut entnommen worden war."

Teil L

Einzelhaft

Wenn die von uns Interviewten in Einzelhaft gesteckt wurden, dann geschah es zur Bestrafung von Beteiligung an Protesten bis zum Singen von Freiheitsliedern. Sie berichteten, daß ihnen dabei oft noch Arme und Beine gefesselt wurden und ihre Essensrationen beträchtlich schmäler als die üblichen waren. Die Ausmaße der Karzer variierten je nach Gefängnis, aber in Drapchi sind die Einzelhaftzellen noch kleiner, sie bieten nur gerade einem Gefangenen zum Hinliegen Platz und sie sind völlig dunkel ohne Fenster oder elektrisches Licht.

Einige andere der Interviewten wurden nicht zur Strafe in Einzelhaft gesteckt, sondern vielmehr gleich nach ihrer Verhaftung mehrere Monate lang alleine in einer Zelle eingeschlossen. Nur zu den Vernehmungen wurden sie herausgelassen oder wenn sie Glück hatten, um ihren Toiletteneimer zu leeren. Einige dieser Fälle, wo die Zellen allerdings größer und die Bedingungen nicht so drastisch waren, werden nun beschrieben, ebenso wie jene, wo die Gefangenen als Strafmaßnahme in Einzelhaft kamen.

Der Art. 62 der "Detaillierten Regeln für die Disziplinararbeit von Gefangenen und Einheiten zur Reform-durch-Arbeit" der PRC von 1982 sieht vor: "Außer im Falle von Verurteilten, bei denen der endgültige Befehl zur Hinrichtung noch nicht erfolgte, und außer im Falle von Gefangenen, die sich in der Prozeßphase befinden, darf die Einzelhaft im allgemeinen sieben bis zehn Tage nicht überschreiten. Die höchste zulässige Zeitdauer beträgt 15 Tage."

Aus den Berichten der ehemaligen Gefangenen geht leider hervor, daß diese Regeln in der TAR nicht eingehalten werden. Die UN Standard Minimum Regeln für die Behandlung von Gefangenen sehen vor:

Art 31. "Körperliche Züchtigung, Bestrafung durch Einschließen in einen dunklen Karzer, sowie alle grausame, unmenschliche oder entwürdigende Art der Vergeltung sind als Strafe für disziplinäre Übertretungen völlig verboten."

Art. 32 (1) "Bestrafung durch Einkerkerung oder Reduzierung der Nahrung darf niemals auferlegt werden, wenn der Amtsarzt den Gefangenen nicht untersucht und schriftlich bestätigt hat, daß er physisch dazu in der Lage ist."

Tibetische Gefangene werden in direktem Widerspruch zu den Verordnungen der PRC selbst, als auch zu den von der UNO empfohlenen Richtlinien unter verminderter Essensration routinemäßig in finstere Karzer eingeschlossen. Ganz gewiß wurde keiner der Interviewten jemals von einem Arzt untersucht, ehe er in Einzelhaft gesetzt wurde, selbst wenn er schon Verletzungen hatte. Zusätzlich wurden viele Gefangene noch in Hand- und Fußschellen gelegt, als sie in Einzelhaft kamen, was zu ihrer vermehrten Demütigung und Pein gedacht war.

Ein Beispiel dafür, wie die chinesischen Machthaber fortfahren, Einzelhaft als eine Züchtigungsmaßnahme für tibetische politische Gefangene in direkter Verletzung der UNO Richtlinien und ihrer eigenen anzuwenden, ist die Art und Weise, wie mit Chadrel Rinpoche umgegangen wird. Im September 1997 berichtete Human Rights in China, daß Chadrel Rinpoche, der frühere Abt von Kloster Tashilhunpo in Shigatse und der Leiter der offiziellen Suchkommission nach der Reinkarnation des Panchen Lama, in dem Chuandong Gefängnis No. 3 des Distrikts Dazu, Provinz Sichuan, festgehalten wird. Es wird angenommen, daß er in einer Zelle eingesperrt ist, zu der nur drei Personen Zugang haben: zwei Kommissare, die direkt dem Justizministerium in Peking unterstehen, und ein als Koch und Wärter fungierender Gefangener, der sich nie entfernen darf. Chadrel Rinpoche wurde nach seiner Einlieferung in Chuandong No. 3 jeglicher Kontakt mit der Außenwelt untersagt, er darf nicht einmal zu körperlicher Bewegung seine Zelle verlassen. Sein Gesundheitszustand soll sehr schlecht sein. Seit dieser Pressemeldung von Human Rights in China gab es keine weitere Nachricht über seine Verfassung.

Nun folgen die Berichte der von uns Interviewten über ihre Erfahrungen, als sie zur Strafe in Einzelhaft gesetzt wurden:

Yeshi Damdul beschrieb die Einzelhaft 1991 in Drapchi so: "Dann wurde ich einen Monat und 6 Tage in Einzelhaft gehalten, während welcher Zeit ich die ganze Zeit in Hand- und in Fußschellen lag. Der Karzer war winzig. Es gab kein Fenster, und die elektrische Birne, die zwar vorhanden war, wurde nie angeknipst. Die ganze Zeit, die ich dort war, konnte ich den Himmel nicht sehen. Die Zelle war so klein, daß ich gerade Platz hatte, mich auszustrecken, die Decke war sehr hoch. Das Essen war viel schlechter als sonst in Drapchi; normalerweise bekamen wir dreimal täglich etwas zu essen, aber in der Einzelhaft nur zweimal: morgens bekam ich um etwa 11 Uhr ein tingmo mit einem Becher schwarzen Tee und um 4 oder 5 Uhr wieder das gleiche. Ich verhungerte beinahe. In dem Karzer sah ich nicht einmal die Wachen, ich konnte zu keinem Fenster hinaussehen oder mich bewegen, weil die Zelle so eng war, daß ich in meiner Bewegung gänzlich behindert war. Die Wachen sah ich nur, wenn sie mir das Essen gaben."

Gaden Tashi
berichtete: "Als ich mich im Outridu Gefängnis in Einzelhaft befand, waren meine Hände und Füße 34 Tage lang in Fesseln. Der Karzer war dunkel und winzig. In den ersten drei Tagen hatte ich so unerträgliche Angst, daß ich nahe daran war, Selbstmord zu begehen. Diese Art von Dunkelzelle war für die meisten Gefangenen das Schrecklichste, was ihnen passieren konnte. Es ging das Gerücht, daß viele sich darin das Leben genommen hätten. Die Zelle war aus Metall und bei heller Witterung konnte ich den Umriß meiner Hände sehen. War trübes Wetter, so wußte ich nicht, ob es Tag oder Nacht war, weil es immer gleich dunkel war. Als ich aus dieser Zelle kam, war ich einige Stunden lang wie blind und konnte nichts sehen."

Dorje Namgyal war zwar selbst nie in Einzelhaft, aber erzählte: "Andere Gefangene kamen wegen Übertretung der Gefängnisregeln oder weil sie den Wachen widersprochen hatten da hinein. Als sie herauskamen, sahen wir, daß ihre Hände in Schellen waren, aber wir durften ja nicht mit ihnen reden."

Adhe Tapontsang erinnerte sich, als sie in den 60er Jahren in Einzelhaft war: "Als ich in Dhartsedo war, kamen zwei Männer, die durch einen Beinschuß verletzt waren, aus Lhasa und berichteten, daß Seine Heiligkeit der Dalai Lama nach Indien geflohen war. Ich war sehr ergriffen von dieser Nachricht. So glücklich war ich darüber, daß ich beim Schweinehüten ein Lied sang, das davon handelte, daß wir nicht traurig sind, obwohl wir nun leiden, denn die Zeit der Freiheit wird gewiß kommen. Die Aufseher hörten, was ich gesungen hatte, und ich wurde dafür geschlagen und dann eine Woche lang in Einzelhaft gesteckt. Nach zwei Tagen wurde ich zur Vernehmung herausgeholt, was mich dazu veranlaßt hätte, solch ein Lied zu singen und was meine Gedanken seien. Jeden zweiten Tag wurde ich befragt und als ich in die Zelle zurückgebracht wurde, erklärten sie mir, daß ich wieder einen Tag zum Nachdenken hätte. Das Essen war dasselbe, wie sonst auch. Die Wachen behandelten mich in dieser Woche sehr schlecht und die Amtspersonen beschuldigten mich, eine Aufwieglerin zu sein. Sie ließen mich mit den Händen auf dem Rücken auf zwei Holzklötzen so lange knien, bis ich es nicht mehr aushalten konnte. Es gab kein Licht in der Zelle, sie war ganz leer."

Gyaltsen Pelsang sagte: "Eine meiner Freundinnen wurde in Einzelhaft eingeschlossen, weil sie im Gefängnis protestiert hatte. Sie wurde etwa eine Stunde lang mit Elektroschocks gefoltert und dann über sechs Monate in Einzelhaft gehalten."

Die folgenden Berichte stammen von Gefangenen, die gleich nach ihrer Festnahme in Einzelhaft kamen.

Bagdro
kam alleine in eine Zelle: "Im Gutsa Gefängnis war ich alleine in der Zelle, die etwa 1 ½ auf 6 Fuß maß. Es drang kein natürliches Licht hinein, aber bei Nacht brannte immer eine Birne. Als ich in diesem Karzer war, wollte ich mir das Leben nehmen, indem ich mich an meinem Gürtel erhängte, aber die Decke war zu hoch, so daß ich nicht hinaufreichen konnte. Es gab auch kein Bett darin, nur eine schmutzige, löchrige Decke. In einer Ecke war eine kleine Öffnung für den Essensnapf und das Nachtgeschirr. Etwa 10 Tage lang war ich darin mit gefesselten Händen und Beinen eingeschlossen. Ich wurde tatsächlich verrückt. Als ich dem Wahnsinn nahe war, ließen sie mich heraus, um meine Eltern zu sehen. Als diese mich sahen und mich umarmten, brachten sie in Tränen aus..."

Tenzin Choedon
wurde 1988 zwei Monate lang in Gutsa festgehalten: "Die ganze Zeit in Gutsa war ich alleine in der Zelle. Sie war ziemlich groß, es war eigentlich ein Zimmer für 10 Personen, etwa 15 x 20 Fuß. Zwei Gefangenentrakte mit je 8 Zellen langen nebeneinander, die verschiedene weibliche Gefangene enthielten, aber wir durften nicht miteinander reden. Ich mußte auf dem Boden schlafen. Das Zimmer war ganz leer, es gab kein Möbelstück darin, der Boden war mit Blut und eingetrockneten Exkrementen bedeckt. Ich bekam nur eine dünne, blutverschmierte Steppdecke, die voller Löcher war. Als ich eingeliefert wurde, konnte ich die ersten drei Tage überhaupt nicht zur Toilette gehen. Ein Metallbehälter als Klo stand in der Ecke, den ich alle drei Tage leeren mußte. Wenn ich dazu hinausgelassen wurde, mußte ich zu der Toilette rennen, damit ich keine Gefangenen in den anderen Zellen sehen sollte. Die Wachen warfen Steine nach mir, um mich anzutreiben. Nur wenn ich zu den Vernehmungen herausgeholt wurde, durfte ich zur Toilette gehen, sonst nicht."

Leusang wurde nach seiner Verhaftung zuerst 4 Monate alleine eingesperrt. Damals war er 15 Jahre alt: "Anfänglich, nachdem ich wegen meiner Beteiligung an den Demonstrationen verhaftet wurde, wurde ich ganz alleine eingekerkert. Auf dem Boden lag nur eine Matratze, alles sonst mußte entweder von meinen Angehörigen gestellt werden oder hatte ich bei der Verhaftung schon bei mir. So waren die einzigen Decken jene, die ich von zu Hause mitgebracht hatte. Zum Essen bekamen wir nur einmal täglich tsampa und eine Thermosflasche schwarzen Tee. In der Zelle gab es kein Licht, trotz des winzigen vergitterten Fensters war es sehr dunkel."

Lobsang Shakya, der einen Monat in dem Gefängnis Karkhang bei Shigatse eingesperrt war, ehe er ins Krankenhaus kam, bemerkte: "Die ganze Zeit, die ich alleine eingekerkert war, hatte ich überhaupt keinen Kontakt mit anderen Gefangenen. Wenn ich zur Toilette hinausgelassen wurde und mich auch nur ein wenig umwandte, um in eine andere Zelle hineinzuschauen, schlugen mich die Wachen mit ihrem Stock."

Ngawang Choedon, die in Gutsa eingeschlossen war, erinnert sich: "Nach der Verurteilung wurde ich 20 Tage lang ganz alleine in eine Zelle gesetzt. Eine andere Nonne, die am Tag vor mir verhaftet und zu 7 Jahren verurteilt wurde, war ebenfalls 20 Tage lang in Einzelhaft. In den ersten zwei Tagen bekam ich morgens gar nichts zu essen, nur mittags und abends ein wenig. Die Nahrung war dieselbe wie die übliche Gefängniskost, aber weil ich gewohnt war, ziemlich viel zu essen, fühlte ich mich in der Anfangszeit sehr hungrig. Nur einmal abends durfte ich die Zelle verlassen, um den Toiletteneimer zu leeren."

Teil M

M 1)

Proteste in der Gefangenschaft

Allgemeines

Es gibt gar keine Chance für die Gefangenen, sich gegen die Bedingungen, unter denen sie gehalten werden, zu wehren. Die Interviewten gaben einmütig an, daß sie keine Möglichkeit hatten, sich bei irgend welchen amtlichen Stellen über die Art und Weise, wie sie in der Gefangenschaft behandelt wurden, zu beklagen. Wenn sie versuchten, irgendwie zu protestieren, wurde dies gewöhnlich schnell unterbunden, während die darauffolgende Bestrafung sehr drastisch war. Im Mai 1998 wurde die Lage besonders dramatisch, als die Gefängniswachen und PAP Soldaten zum ersten Mal auf eine Gruppe protestierenden Gefangener in Drapchi das Feuer eröffneten. 11 Tote waren das Ergebnis. Die Formen des Protestes gehen vom Parolenrufen bis zur Essensverweigerung. Alleine schon das Stellen von Fragen wird als eine Art des Protestes angesehen. Zu Protesten kommt es sehr selten, aber einige Fälle gibt es doch.

Besonders während des Besuches von ausländischen Delegationen kam es im Gefängnis Drapchi zu einer Reihe von Protesten. Das war etwa 1991 der Fall während des Besuches des damaligen US Botschafters in China und wiederum im Oktober 1997, als die UN Kommission für Willkürliche Verhaftung ebenfalls Drapchi besuchte. Das in New York ansässige Human Rights Watch erwähnte im April 1998, daß es während des Besuches der UN Arbeitsgruppe einen Unabhängigkeitsprotest gegeben hätte, sowie eine Sympathiebekundung für den Dalai Lama, wonach einige Gefangene mißhandelt und in Einzelhaft gesteckt wurden. In dem Bericht der Arbeitsgruppe ist dagegen kein Hinweis auf diesen Vorfall zu finden. Die Chinesen versicherten damals, daß den Gefangenen auf diesen Zwischenfall hin kein Leid geschehe. Ein Sprecher für Human Rights Watch in New York kommentierte dazu: "Unsere Organisation rät allgemein davon ab, daß Delegationen nach Tibet Gefängnisse besuchen wegen des Risikos, Gefangene unbeabsichtigerweise in Gefahr zu bringen. Dieser jüngste Vorfall zeigt deutlich, wie real diese Gefahr ist."

Eine der häufigsten Ursachen für Proteste scheint der Mangel an medizinischer Versorgung für die Gefangenen zu sein, die oft durch die ihnen angetanen Mißhandlungen ernstlich erkranken. Meistens ist es die Sorge um das Wohl ihrer Mitgefangenen, daß einigen die Kraft und den Mut verleiht, sich gegen die Staatsmacht aufzulehnen und zu protestieren. Manche der Proteste stehen jedoch auch im Zusammenhang mit der dürftigen Gefängniskost.

1991 wurden auf den Besuch des damaligen US Botschafters James Lilley in Drapchi hin mehrere Gefangene mit Einzelhaft bestraft und dann in das Powo Tramo Gefängnis verlegt. Als die anderen Gefangenen von ihrem Verschwinden erfuhren, gab es einen massiven Protest, der drastisch unterdrückt wurde.

Ngawang Choezom beschrieb einen Protest von weiblichen Gefangenen in der Gutsa Haftanstalt: "Es gab einmal einen Protest, als eine Frau namens Pasang aus Lhasa, die an einer schweren Krankheit litt, überhaupt keine ärztliche Hilfe bekam. Deshalb riefen alle Gefangenen von ihren Zellen aus, daß sie dringender Behandlung bedürfe. Nach einiger Zeit kam ein Arzt, untersuchte sie und gab ihr einige Schlaftabletten. Sie erholte sich nie mehr richtig. Wir wurden aber bestraft: Alle mußten ihre Zelle verlassen und auf dem Fußballplatz rennen. Sie drohten, uns mit ihren Stöcken zu schlagen, falls wir nicht schnell genug rannten."

Yeshe Togden
erzählte: "Einmal beschlossen wir alle, wegen des schlechten Essens zu protestieren und seine Annahme zu verweigern, solange es nicht besser wird. Wir sagten, wir würden selbst kochen, wenn sie uns die Nahrungsmittel dazu lieferten. Wir mochten das Essen aus der Gefängnisküche nicht mehr. Die Vorsteher behaupteten, daß jedes tingmo 100 g wiege, aber als sie dann tatsächlich eines wogen, waren es nur 50 g. Niemand wußte, daß wir uns in diesem Gefängnis befanden, und einer der Gründe unseres Protestes war auch der, daß unsere Angehörigen dann erfahren würden, wo wir uns befinden. Es gab kein Nachspiel, weil so viele protestiert hatten und die Gefängnisleitung genau wußte, daß das Essen entsetzlich war.

Wenn es Verstöße gegen die Regeln oder größere Proteste gab oder die Wachen fürchteten, sie würden nicht mit uns fertig, etwa als wir uns in Gutsa wegen des schlechten Essen wehrten, wurde die PAP herbeigerufen, und dann wurde die Lage wirklich ernst. Wenn es Todesopfer gab oder irgend sonst etwas Schreckliches geschah, gab es keine Möglichkeit zur Gegenklage, alles wurde uns zur Last gelegt. Auf diese Weise wurde die Lage unter Kontrolle gebracht.

Als wir 1989 verhaftet wurden, wußten wir, daß das Essen nicht genug sein würde, deshalb protestierten wir gleich von Anfang an. Wir bekamen Teebecher ausgehändigt und beschlossen, sie auf das Tor zu werfen. Daraufhin wurde die bewaffnete Polizei gerufen, 20 Soldaten drangen in die Zelle neben uns ein und begannen die Gefangenen dort zu verprügeln, obwohl diese ganz unschuldig waren. Danach schlugen sie uns. Wir sagten, daß wir die Becher aus Protest, weil das Essen ungenügend sei, weggeworfen hätten. Sie gaben uns die Becher nicht mehr zurück, weshalb wir überhaupt keine Behälter für Flüssigkeit mehr hatten. Wir mußten fortan aus unseren Toilettenbüchsen trinken. Es war ekelhaft, aber besser als gar nichts. Einige der Büchsen hatten vom Rost Löcher, die wir mit dem Teig der tingmos zustopften."

Gyaltsen Pelsang beschrieb ihre Erfahrung in Gutsa: "Wenn jemand im Gefängnis demonstrierte, dann wurde das Urteil des Betreffenden verdoppelt. Solange ich eingesperrt war, gab es einige Proteste, aber sie hatten keinen Erfolg. Die Reinkarnation des Panchen Lama wurde von den Chinesen bestimmt, aber wir sagten, daß wir das nicht akzeptieren würden. Daraufhin wurden wir gefoltert und geschlagen."

Damchoe Palmo
erinnert sich, wie infolge der Umerziehungskampagne wegen des Panchen Lama weibliche Gefangene in Drapchi protestierten: "Wir mußten unsere Betten wie Soldaten richten. Alles mußte tipptopp in Ordnung und blitzsauber sein. Eines Tages war es nicht so ordentlich wie gewöhnlich. Daraufhin wurden alle sieben Zellenvertreterinnen gerufen und geschlagen, weil die Zellen nicht ordentlich genug seien. Wir veranstalteten einen kleinen Protest, weil sie Prügel bekommen hatten. Eigentlich war es gar kein Protest, wir bemühten uns nur, Entschuldigungen zu finden, damit die Schläge aufhören sollten. Die Wachen machten Anstalten, uns auch zu verhauen, weshalb wir zu schreien begannen. Sogleich riefen sie die Soldaten. Drei der Nonnen wurden mitgenommen, weil sie als die Anführerinnen verdächtigt wurden. Diese waren Norzin, die einen Monat und 17 Tage in Einzelhaft gesteckt wurde, Ngawang Sangdrol und Phuntsok Puma, die etwa 7 Monate in Einzelhaft verbrachten."

M 2)

Die Proteste in Drapchi vom Mai 1998

Am 1. Mai 1998 waren bei einer offiziellen Funktion im Drapchi Gefängnis etwa 500 Gefangene anwesend, die zur Feier des Internationalen Arbeitstages zusammengerufen wurden. Chinesische Kader hißten mehrere chinesische Nationalflaggen in dem Gefängnishof. Diese Demonstrierung der chinesischen Herrschaft veranlaßte offenbar einige der Gefangenen, Unabhängigkeitsparolen zu rufen und Flugschriften auszuteilen. Die Demonstration endete, als die Polizisten des PSB und Soldaten der PAP in den Gefängnishof stürmten, um die Ruhe wiederherzustellen und auf die dort versammelten Gefangenen zu schießen. Auch wurden Bajonette, Stöcke, Metallstangen und elektrische Schlagstöcke zur Unterdrückung der Gefangenen eingesetzt. Auf diesen Protest hin wurden einige Gefangene in Einzelhaft verbannt und strenge Restriktionen in Drapchi auferlegt. TIN berichtete, daß eine Reihe von Gefangenen geschlagen wurden, von denen zwei ins Krankenhaus kamen, die dann später starben.

Am 4. Mai 1998 störten etwa 200 politische und kriminelle Gefangene in Drapchi eine Feier zum Jugendtag, indem sie Parolen riefen und Plakate in dem Gelände anklebten, auf denen die Forderung nach Unabhängigkeit für Tibet zu lesen war. Man nimmt an, daß auch 30 weibliche politische Gefangene darunter waren. PAP Soldaten umringten daraufhin das Gefängnisgelände und die Wachen schossen wieder, um die Menge zu zerstreuen. Zwei Gefangene wurden auf der Stelle getötet, vier weitere wurden ins Bein getroffen. Die Häftlinge wurden auch mit Eisenstangen, Stöcken und Bajonetten geschlagen und mit Elektrokeulen gehauen. Einige Quellen berichteten, daß über 200 Gefangene ernstlich verwundet wurden und daß der Boden des Gefängnisses blutverschmiert war. Die Zellen seien voller verwundeter Gefangener gewesen, aber es hätte keine medizinische Behandlung für sie gegeben.

TCHRD meint daß 11 Gefangene auf die Proteste vom 1. und 4. Mai 1998 hin starben. Mindestens 60 Gefangene erlitten schwere Verletzungen und zwei Monate nach dem Zwischenfall befanden sich immer noch 15 in kritischem Zustand. Die meisten der Verletzten kamen in das Militärhospital der TAR in der Nähe des Klosters Sera. Die Gefangenen, die umkamen, sind: Karma Dawa, Lobsang Gelek, Tashi Lhamo, Ngawang Choekyi, Choekyi Wangmo, Dekyi Yangzom, Khedron Yonten, Lobsang Wangmo, Khedrup, Ngawang Tenkyong und Ngawang Tenzin.

Auf die zwei Demonstrationen hin wurden alle normalen Aktivitäten in Drapchi ausgesetzt und drastische Restriktionen für Außenstehende, die den Komplex betreten oder Gefangene besuchen wollten, auferlegt. Alle politischen Gefangenen wurden nach dem Vorfall vernommen. Den Gefangenen wurde damit gedroht, daß jene, die Außenstehenden etwas von dem Vorfall erzählen, hingerichtet würden, während das Gefängnispersonal mit Strafverfolgung bedroht wurde.

In einem Brief von Gefangenen steht in bezug auf die Mai Proteste: "Jetzt ist die Lage für Gefangene in Drapchi noch kritischer geworden... Alle an dem Protest beteiligten Gefangenen sind in Einzelhaft und werden routinemäßig gefoltert." Hinzugefügt wurde, daß es nicht genug finstere Einzelzellen in Drapchi gebe, weshalb einige Gefangene in andere Anstalten, wo es solche Zellen gibt, transferiert wurden.

Diese Berichte lassen eine ernste Verschlimmerung in der Behandlung der tibetischen Gefangenen erkennen. Bis zum Mai 1998 gab es nie eine Erwähnung, daß das Gefängnispersonal oder PAP Soldaten auf Gefangene das Feuer eröffnet hätten oder daß Häftlinge im Gefängnisgelände beschossen wurden. Der Tod von 11 Gefangenen wegen friedlichen Protestierens ist sehr bedauernswert und zeigt, wie eklatant die internationalen Richtlinien für die Behandlung von Gefangenen mißachtet werden. Es gibt deutliche Parallelen in der Art und Weise, wie die Gefangenen 1991 unterdrückt wurden, aber es ist äußerst beunruhigend festzustellen, daß statt einer Verbesserung in der Lage die Behandlung der Gefangenen auf einen Massenprotest hin noch schrecklicher geworden ist.


M 3)

Die Proteste in Drapchi von 1990 und 1991

Dezember 1990: Lhakpa Tsering starb mit 20 Jahren am 15. Dezember 1990 im Drapchi Gefängnis. Die Todesursache ist nicht klar, aber sie scheint mit den Verletzungen, die er bei der Vernehmung erlitt, im Zusammenhang zu stehen. Seine Mitgefangenen waren aufgebracht, weil sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechterte, und forderten, daß er ärztlich betreut würde. Er erhielt zwar eine gewisse Behandlung, aber sie war nicht angemessen und er starb kurz danach. Die Gefangenen von Drapchi demonstrierten auf seinen Tod hin und traten in Hungerstreik. Einem Gefängniswärter, der mit ihnen sprach, gelang es, sie zum Einstellen des Protestes zu bewegen. Es scheint, daß keine Vergeltung wegen dieses Vorfalls geübt wurde. Wie Asia Watch berichtete, wurde bei der Leichenbestattung, bei der ein tibetischer Arzt und ein Vertreter der Volksprokuratur anwesend waren, deutlich sichtbar, daß Lhakpa Tserings Körper "viele Zeichen von Verletzungen aufwies". Die Ärzte, welche die Autopsie durchführen, deuteten an, daß der Gefangene an einer inneren Infektion starb, weil die von den Mißhandlungen verursachten Darmdurchbrüche unbehandelt blieben. Ein offizieller Bericht vom Mai 1992 nannte als Todesursache Peritonitis.

April 1991
: Am 31. März 1991 besuchte James Lilley, der damalige US Botschafter in China, das Drapchi Gefängnis. Auf seinem Programm stand auch ein Gespräch mit politischen Gefangenen. Als er ankam, wurde ihm jedoch verwehrt, mit diesen zu sprechen. Vorsichtshalber wurden sie zum Arbeiten in einen anderen Gefängnistrakt befördert, damit der Botschafter sie gar nicht zu Gesicht bekommen soll.

Zwei Gefangene, Lobsang Tenzin und Tenpa Wangdrag, gingen nicht mit dem Rest der Gefangenen zur Arbeit, sondern zur Gefängnisklinik. Auf dem Rückweg begegneten sie der Delegation und wollten dem Botschafter einen Beschwerdebrief übergeben, aber dieser wurde ihm flugs von der chinesischen Dolmetscherin aus der Hand gerissen und nie mehr ausgehändigt. Die zwei Gefangenen wurden schwer geschlagen und in dunkle Einzelzellen verbannt. Am 27. April protestierten andere Gefangene wegen ihrer langen Isolierung. Daraufhin wurden die zwei zusammen mit Lobsang Palden, Tenpa Pulchang und Penpa, die ebenfalls bei dem Vorfall anwesend waren, an Händen und Füßen gefesselt und in das Sangyip Gefängnis geschafft, von wo sie am nächsten Tag in das Powo Tramo Arbeitslager kamen.

Als die Gefangenen von Drapchi erfuhren, daß ihre Gefährten weggebracht wurden, taten sich einige von ihnen zusammen und verlangten von der Leitung Auskunft über ihren Verbleib. Sogleich wurde die PAP gerufen, deren Vergeltung geschwind und heftig war. Viele Gefangene wurden schwer verprügelt, gefesselt und in Einzelhaft gesetzt.

Yeshi Damdul
berichtete: "Wir hörten, daß eine Delegation zu Besuch kommen würde, aber wir bekamen sie nie zu Gesicht. Als die Delegation nach Drapchi kam, wurden alle politischen Gefangenen entweder in die Gewächshäuser oder die Apfelplantagen geschickt. Die Delegation traf nur die kriminellen Gefangenen, während die politischen ferngehalten wurden. Ich wurde nach dem Besuch des US Botschafters schwer mißhandelt und dann in eine Einzelhaftzelle geschlossen.

Am 27. April 1991 wurde ich drastisch bestraft, weil ich gegen die Wachen gehandelt hatte, ich wurde grausam geschlagen. Es war Samstag, und als wir am Abend in unsere Zelle zurückkehrten, fehlten fünf unserer Gefährten. Zuerst gingen einige von uns zu dem Gefängnisbüro, um sich nach ihnen zu erkundigen. Allmählich schlossen sich alle politischen Gefangenen an, um bei der Leitung zu protestieren. Diese erklärte uns, wir hätten kein Recht, Fragen zu stellen. Die Soldaten der PAP wurden gerufen, die uns brutal zusammenschlugen. Daraufhin wurden wir alle in unsere Zellen zurückgeschickt. Nun erstellten sie eine Liste derjenigen, die aufbegehrt hatten, wozu sie unsere Namen aufriefen. Es waren etwa dreißig, die alle zusammengeprügelt wurden, die Hälfte davon fast zu Tode. Der Fußboden des Gefängnisbüros war mit Blut bedeckt. Nachdem ich damals so entsetzlich mißhandelt wurde, bekam ich viele gesundheitliche Probleme, selbst jetzt noch leide ich an Magengeschwüren und die Schultern tun mir weh, weil die Soldaten gewaltsam meine Hände hinter meinem Rücken fesselten. Danach wurde ich einen Monat und 6 Tage in Einzelhaft gehalten, wobei ich die ganze Zeit über in Hand- und Fußschellen gefesselt dalag.

Lhundup Monlam erzählte: "Als ich in Drapchi eingesperrt war, kamen einige Ausländer aus den USA, um unsere Lage zu studieren. Damals übergab einer der Gefangenen ein Schriftstück, worin stand, daß wir keinerlei Rechte haben und zu wenig zu essen bekommen. Derjenige, der das Papier übergeben hatte, wurde daraufhin in die Powo Tramo Haftanstalt gebracht. Am selben Tag kamen vier Gefangene in Einzelhaft. Und dann wurden sie plötzlich, als es von niemandem gesehen werden konnte, nach Powo Tramo abtransportiert. Wir fragen, wo sie wohl geblieben sind, aber man erklärte uns nur, wir hätten kein Recht Fragen zu stellen, wir seien nicht für sie verantwortlich... Zur Vergeltung für die Frage ließen sie etwa 100 Soldaten auf uns los, die uns über und über schlugen. Wir waren etwa 95 politische Gefangene und alle wurden geprügelt. Die Soldaten befahlen uns, in einer Reihe zu stehen und sagten auf Chinesisch, wir sollen sie salutieren, aber wir verstanden nichts. Sie schrieen mich an, warum ich nicht salutiere und hauten mir mit dem Pistolenkolben auf Rücken und Nieren. Ich versuchte, wegzulaufen, aber da ich Atembeschwerden hatte, holten sie mich schnell ein und schlugen weiter auf mich ein. Wen die Wachen besonders strafen wollten, den übergaben sie je vier Soldaten, die wild auf ihn eindroschen. Nun riefen mich die Gefängniswachen zu sich herüber und boxten mich ins Gesicht. Etwa 20 Personen kamen mit gefesselten Händen und Füßen in Einzelhaft."

Thupten Tsering
erinnerte sich an zwei Proteste während seiner Zeit in Drapchi: "Ein Gefangener namens Lhakpa Tsering starb in Drapchi, denn obwohl er krank war, wurde er nicht ärztlich versorgt. Nach seinem Tod protestierten wir. Lobsang Tsundue zerriß sein Bettuch und schrieb darauf: 'Wir trauern um Lhakpa Tsering'. Das Tuch banden wir an zwei Holzstöcke und machten ein Transparent daraus, das wir vor uns hertrugen. Einer der Gefängnisleiter war ein Tibeter, der uns eindringlich warnte: 'Hört auf mit dem Unfug, der euch schlimm bekommen wird! Wenn ihr gleich aufhört, wird euch euer Tun vergeben und ihr werdet nicht weiter bestraft.' Wir antworteten, daß wir Lhakpa Tserings Leiche sehen wollten, aber sie verweigerten es uns. Auf die Worte des Gefängnisleiters hin stellten wir unseren Protest ein, der dann keine schlimmen Folgen für uns hatte.

Während ich in Drapchi war, kam der amerikanische Botschafter. Er durfte aber nicht mit den politischen Gefangenen reden. Wir wurden in unsere Zellen eingeschlossen, und man zeigte ihm nur die Strafgefangenen. Nach einem Monat wurden die Gefangenen, die ihm einen Brief gegeben hatten, zusammen mit drei anderen nach Powo Tramo abtransportiert. Als wir eines Tages von der Arbeit zurückkamen, merkten wir, daß sie nicht mehr da waren. Wir fragten, wohin sie gekommen seien, und dann begannen alle politischen Gefangenen zu protestieren. Als Reaktion darauf kamen viele Soldaten, trieben uns zusammen uns schlugen uns entsetzlich. Viele wurden gefoltert. Ein achtzigjähriger Mönch, Lobsang Tsundue, wurde trotz seines Alters verprügelt. Ein weiterer Mönch, Toetun Namgyal, wurde fortwährend mit der Pistole auf Gesicht und Leib gehauen, bis sein ganzer Körper blutete. Zwölf von uns wurden in Handschellen gelegt, dann wurden noch unsere Beine gefesselt und wir wurden nacheinander in ein kleines Zimmer gebracht und erbarmungslos geschlagen."

Jampel Monlam erinnert sich: "Es gab zwei Demonstrationen: Die erste war, als Lhakpa Tsering, ein 20-jähriger junger Mann, wegen ärztlicher Vernachlässigung starb, und die zweite, als die Gefangenen, die versucht hatten, dem US Botschafter einen Brief zu geben, in eine anderes Gefängnis verlegt wurden. Nach dem ersten Protest gab es keine Vergeltung, weil das Personal wußte, daß es seine Schuld war. Aber nach dem zweiten Vorfall wurden alle politischen Gefangenen geschlagen. Die bewaffnete Volkspolizei wurde gerufen. Zwei Soldaten nahmen sich je einen Gefangenen vor und mißhandelten ihn, während das ganze Gelände von ihnen umstellt war. Alles Sicherheitspersonal im Gefängnis war von der PAP, sogar die uns zur Arbeit begleitenden Wachen waren von der PAP. Bei dem geringsten Aufbegehren wurden sofort die PAP Soldaten geholt, um uns zu bestrafen. Weil sie speziell ausgebildet waren, hatten sie ganz andere Vergeltungsmethoden als die Polizei."

Palden Gyatso
berichtet: "Am 15. Dezember 1990 veranstalteten wir einen friedlichen Protest wegen der Vernachlässigung von Lhakpa Tsering, einem Zwanzigjährigen, der fürchterlich geschlagen worden war, aber dem jegliche ärztliche Behandlung verweigert wurde. Alle riefen wir, daß er dringend Hilfe brauche. Er kam ins Hospital, aber schon zwei Tage später wieder zurück in seine Zelle. Alles sei in Ordnung und er sei ganz fit, hieß es. Doch am nächsten Tag war er tot. Nun protestierten wir, wir zerrissen unsere Bettücher und schrieben darauf: 'Ihr habt unseren gesunden Lhakpa Tsering umgebracht und wir trauern um ihn' und 'Alle politischen Gefangenen im Gefängnis fordern eine Änderung'. Diese Laken banden wir vor unseren Fenstern fest. Der Vertreter unseres Traktes holte den Gefängnisleiter, der Angst hatte, weil wir so aufgebracht waren. Wir machten dem Gefängnis Vorwürfe wegen Lhakpa Tserings Tod und verlangten eine Erklärung. Er würde den Richter rufen lassen, antwortete er. Dieser war gerissen, er drückte nur sein Bedauern aus und sagte, er würde eine Untersuchung wegen des Todesfalles einleiten und zusehen, daß die Verantwortlichen bestraft würden. Das klang so überzeugend, daß wir tatsächlich meinten, daß die Dinge sich nun ändern würden. Wir beruhigten uns und stellten den Protest ein. Aber nichts Konkretes geschah...

Der amerikanische Botschafter besuchte Drapchi 1991. Vier Männer versuchten ihm einen Brief zu übergeben, der aber von den Wachen weggeschnappt wurde, während diese Männer mit Einzelhaft bestraft wurden. Als sie nach geraumer Zeit immer noch darin waren, begann wir zu protestieren. Sie wurden dann in das Powo Tramo Kreisgefängnis in Kongpo gebracht. Wir verlangten Auskunft, wo die Gefangenen hingebracht worden wären. Damals wurden etwa 80 bewaffnete Wachen an den zwei kleinen Toren, die in unsere Abteilung führten, stationiert, während auf dem Dach PAP Soldaten mit Maschinengewehren waren. Eine Tür wurde aufgerissen und eine Gruppe Soldaten mit riesigen Gewehren stürmte herein. Sie begannen uns mit den Bajonetten zu stoßen. Wir rannten umher und es herrschte ein totales Chaos.... Dann kam ein Funktionär mit einer Liste unserer Namen herein, begleitet von vier oder fünf starken Männern, die lauter Hand- und Fußschellen trugen, die sie auf den Boden warfen. Zwei Sanitäter hielten Injektionsnadeln in der Hand. Der Mann begann unsere Namen zu rufen. Einer um den anderen wurden wir aus der Gruppe geholt, unsere Hände wurden mit Stricken gefesselt und wir wurden so sehr am ganzen Leib mißhandelt, daß wir hinterher nicht mehr zu erkennen waren. Unsere Augen waren blutunterlaufen und unsere Gesichter wurden auf den Boden geschlagen. Dann wurden wir in Einzelhaft gesetzt, aber als ihnen die Karzer ausgingen, wurden die restlichen Gefangenen in Schellen gelegt. Ich war sehr zugerichtet, mit ausgerenkter Schulter wurde ich alleine liegengelassen An dem Protest waren etwa 100 Gefangene beteiligt, von denen die meisten schwer verletzt wurden."

Teil N

Besuche im Gefängnis

Die Interviewten gaben an, daß sie keine Besuche empfangen durften, solange noch kein Urteil über sie gesprochen war. Viele Gefangene wurden erst nach 6 Monaten oder auch noch später verurteilt, während welcher Zeit sie vollständig von der Außenwelt isoliert waren. Wenn sie dazu noch alleine in der Zelle waren, dann waren sie auch von anderen Gefangenen abgesondert. Immer wenn es eine größere politische Störung in Lhasa oder im Gefängnis gab, wurde das Besucherrecht danach gekürzt. Daß dies so ist, wurde wieder bestätigt, als nach den Protesten vom Mai 1998 die Gefangenen einige Zeit lang keine Besuche erhalten durften.

Das revidierte CPL sieht vor, daß die Polizei die Angehörigen eines unter Verdacht Stehenden 24 Stunden nach seiner Festnahme in Kenntnis setzen muß. Auf diese Pflicht kann jedoch verzichtet werden, wenn "sie ein Hindernis für die Untersuchung darstellt" oder "keine Möglichkeit der Information" besteht. Die Berichte der ehemaligen Gefangenen lassen schließen, daß die Benachrichtigungspflicht in Tibet öfters vernachlässigt als eingehalten wird.

Wenn Besucher zugelassen werden, dann werden die Besuche gewöhnlich auf etwa 15 Minuten Dauer beschränkt. Ständig stehen eine Menge Wachen ganz nahe dabei, sie hören alle Gespräche und untersuchen die mitgebrachten Nahrungsmittel, um zu sehen, ob Briefe oder andere verbotene Dinge darin versteckt sind. Die chinesische Version dieser Restriktionen lautet so: "Besucher müssen sich an die Gefängnisregeln halten, nämlich eine zeitliche Beschränkung auf 20 Minuten einhalten. Schimmelige oder verfaulte Nahrung oder andere Gegenstände mitzubringen, welche die Gefangenen verletzen oder ihr Urteil negativ beeinflussen könnten, ist verboten", wie von einem der Gefängniswärter an einem der monatlichen Besuchstage festgestellt wurde, als 300 Verwandte, die meisten davon Tibeter, in dem neuen Besucherzentrum durch die Gitter im Hof mit ihren Gefangenen sprechen konnten (von Xinhua 1997 berichtet).

Die Bestimmungen, wer die Gefangenen besuchen darf und was mitgebracht werden darf, haben sich in den letzten 10 Jahren beträchtlich geändert. Noch 1988 konnten Gefangene, wenn sie erst einmal verurteilt waren, Besucher empfangen, ohne daß diese eine Sondergenehmigung brauchten und ohne Einschränkungen hinsichtlich ihrer Person. Anfang der 90er Jahre mußten Personen, die politische Gefangene besuchen wollten, eine Genehmigung von der Ortsverwaltung einholen. Diese war offenbar nicht so schwer zu bekommen, nur mußte sie einen Monat vor dem Besuch erfolgen. Um 1996 wurden die Bestimmungen verschärft, so daß politische Gefangene nur noch von einer Person, die ein Familienglied sein muß, besucht werden dürfen. Dazu braucht diese einen speziellen Ausweis mit einem Paßphoto, und wenn sie verhindert ist, darf niemand anders den Besuch ausführen. Dann bekommt der Gefangene eben gar keine Besuche. Bei Gefangenen in Drapchi oder einem anderen zentral gelegenen Gefängnis bietet dies ein ernstes Problem, wenn sie von weit her kommen und niemand sonst sie besuchen kann. Bei kriminellen Gefangenen gibt es keine Restriktionen hinsichtlich der Anzahl der Besucher.

Die Besucher dürfen allgemein Nahrungsmittel mitbringen. Gefangene sind auf diese mitgebrachten Lebensmittel als Ergänzung zu der dürftigen Gefängniskost angewiesen. Der Art. 37 der UN Standard Minimum Regeln für die Behandlung von Gefangenen sieht vor: "Gefangenen muß unter den notwendigen Vorkehrungen gestattet sein, mit ihren Angehörigen oder Freunden guten Leumunds in regelmäßigen Abständen sowohl schriftlich als auch durch Besuche zu kommunizieren."

Viele Familien der Gefangenen bekamen niemals eine offizielle Mitteilung, daß ihr Angehöriger verhaftet wurde. Meistens fanden sie das erst heraus, wenn jemand, der bei der Verhaftung dabei war, ihnen davon erzählte. Viele Familien erfuhren von der Verhaftung durch das Kloster, wo ihr Angehöriger lebte. Selbst wenn sie von der Festnahme wußten, hatten viele Familien große Probleme herauszufinden, in welchem Gefängnis genau der Angehörige festgehalten wurde. Wegen der langen Perioden der Festhaltung vor der Verurteilung konnten viele Familien ihre Angehörigen monatelang nicht besuchen, selbst wenn sie wußten, wo diese sich befanden. Dieser Mangel an Informationen macht die Gefangenschaft sowohl für den Gefangenen als auch für seine Familie zu einem noch viel schlimmeren Trauma.

Tenzin Choedon sagte: "Nachdem ich einen Monat eingesperrt war, durfte ich Besucher empfangen. Meine Verwandten mußten von dem Polizeibüro des Kreises, wo mein Kloster liegt, Erlaubnis bekommen. Sie brachten gekochtes Essen, trockenes Fleisch und Kleider mit. Diese Nahrungsmittel durften wir aber nicht mit hinein nehmen, sondern mußten sie während des Besuches verzehren. Sie blieben nur 15 Minuten. Wir konnten nicht richtig miteinander sprechen. Die Wärter standen neben uns und hörten alles; sie fürchteten nämlich, daß wir, wenn wir uns unbeaufsichtigt unterhalten, von den Mißhandlungen berichten würden. Unseren Besuchern wurde eingeschärft, daß sie uns nicht nach den Umständen im Gefängnis fragen dürften. Das Kloster teilte meiner Familie nur mit, daß ich verhaftet wurde, aber wohin ich gebracht wurde, erfuhren sie nicht."

Jampel Monlam
stellte fest: "Nach meiner Verhaftung wußten meine Angehörigen einen Monat lang nicht, wo ich war. Verzweifelt suchten sie nach mir, schließlich erfuhren sie es von inoffiziellen Quellen in Lhasa. Erst nach dem Urteilsspruch durfte man Besuche empfangen. Die politischen Gefangenen konnten ihre Besucher am 20. jeden Monats empfangen, die kriminellen Gefangenen dagegen am 15. Tag des Monats, und deren Besucher brauchten auch keine besonderen Berechtigungsschein. Die politischen Gefangenen durften nur 3 Besucher haben, die zusätzlich noch jeden Monat einen Empfehlungsbrief des Sozialamtes ihres Kreises bringen mußten. Seit ich entlassen wurde, gab es weitere Einschränkungen der Besucherrechte. Um 1996 wurden die Bestimmungen geändert, so daß nur Familienmitglieder, die einen Personalausweis besitzen, kommen können. Das bedeutet tatsächlich einen Einschnitt in der Zahl der Besucher. Selbst wenn das Gefängnis weit weg von unserem Wohnsitz war, mußten die Besucher selbst kommen und konnten nicht einen nahen Verwandten mit dem Besuch beauftragen. Jeder Besuch wurde auf 5-10 Minuten Dauer beschränkt. Man konnte eigentlich nichts Wesentliches mitteilen, wir schauten uns nur an, lächelten und verzehrten die mitgebrachten Speisen. Ein Wachposten stand neben uns, der aufpassen mußte, daß wir nichts Politisches redeten. Er kontrollierte auch alles Essen, was sie mitbrachten, und entschied, ob wir es annehmen durften oder nicht. Diese Lebensmittel waren uns sehr willkommen, weil sie die dürftige Gefängnisnahrung ergänzten. Unsere Besucher versuchten manchmal ein wenig Geld in der tsampa zu verstecken, damit wir etwas in dem Gefängnisladen kaufen konnten. Wir durften Briefe schicken und empfangen, aber sie wurden von dem Personal zensiert."

Ngawang Choezom
erzählte: "Gewöhnlich durften wir unsere Besucher einmal monatlich sehen, es sei denn, es war gerade eine Demonstration in Lhasa oder Seine Heiligkeit der Dalai Lama hatte irgendeinen Auslandsbesuch unternommen oder es gab neue Nachrichten über ihn. Damit uns solche Dinge nicht zu Ohren kommen sollten, wurden die Besuche gestrichen. Gewöhnlich durften wir uns 20 Minuten sehen. Anfangs durften sie uns Essen mitbringen, aber nach 5 Monaten wurde auch das abgestellt, sie konnten uns nur noch Kleider zum Wechseln bringen. Eine meiner Schwestern wohnt am Barkhor und sie hörte von anderen, daß wir festgenommen wurden."

Ngawang Choedon erinnerte sich: "In Gutsa durfte ich einmal monatlich Besuch bekommen. In Trisam konnten die Besucher zweimal monatlich kommen. Sie durften 15 bis 20 Minuten bleiben und uns Nahrungsmittel oder Kleider mitbringen, aber alle wurden vorher genau kontrolliert. Meine Familie erfuhr von Freunden, daß ich im Gefängnis bin, und auch im Fernsehen wurde gezeigt, wer bei der Demonstration dabei war und wer festgenommen wurde."

Lhundup Monlam erzählte: "Ich konnte einmal im Monat Besuche bekommen. Entweder meine Verwandten oder Eltern durften mich besuchen. Aber sie mußten die Erlaubnis von der Gemeinde in Gangtse und dem zuständigen Kreisamt einholen. Nur mit dieser Erlaubnis konnten sie kommen. Sie war nicht so schwer zu erhalten, aber mußte jedesmal erneuert werden. Als ich im Gefängnis war, konnte ich von 3 Personen besucht werden, entweder meinen Freuden oder meiner Familie, aber 1995 änderten sich die Bestimmungen und nun muß es ein Angehöriger sein."

Sonam Dolkar berichtete: "Erst nachdem ich 8 Monate lang eingesperrt war, fanden meine Eltern heraus, wo ich war. Sie wußten zwar, daß ich hinter Gittern saß, aber sie wußten nicht wo. Schließlich erfuhren sie es von einem Bekannten, der Aufseher im Gefängnis war und den ich gebeten hatte, meine Eltern zu benachrichtigen. In Zivilkleidung ging er einmal zu ihnen und erzählte es ihnen. Als meine Eltern nun wußten, wo ich mich befand, konnten sie mir am 10. jeden Monats etwas schicken, obwohl ich sie nicht sehen durfte. Das Brot, das sie mitbrachten, zerbrachen die Wachen, ehe sie es mir gaben, damit nicht etwa Zettel darin versteckt seien. Manchmal konnten meine Eltern auch meine Kleider zum Waschen mit nach Hause nehmen, aber als ich einmal versuchte, ihnen blutbefleckte Kleider, die ich sorgfältig unter die anderen gewickelt hatte, mitzugeben, entdeckten die Wachen sie und nahmen sie mir weg. Ich könne sie nicht waschen, weil ich kein Wasser hätte, wandte ich ein, trotzdem gaben sie sie mir nicht zurück. Das einzige Mal, daß ich meine Eltern sah, war, als ich im tibetischen Krankenhaus lag."

Gyaltsen Choetsoe erinnert sich: "Die Gefängnisleitung informierte meine Eltern am Tag nach meiner Verhaftung, daß ich nun im Gefängnis sei. Besuche durfte ich erst nach drei Monaten, und zwar am 15. jedes Monats bekommen. Als meine Eltern mich das erste Mal besuchten, brachten sie etwas Fleisch, Butter und tsampa mit, was ich behalten durfte. Sie blieben etwa 20 Minuten, aber ich konnte nicht richtig mit ihnen reden, weil die Aufseher alles hörten, was wir sprachen."

Adhe Tapontsang erinnert sich an die frühen 60er Jahre: "Als ich in den Golthok Bleiminen festgehalten wurde, durfte ich nur einmal im Jahr Besuch bekommen. Ein Verwandter kam und gab mir Butter und Yakfleisch. Die anderen Gefangenen rochen, daß ich Nahrungsmittel bei mir hatte, und so teilte ich alles, was ich hatte, mit ihnen. Bei den Besuchen waren immer zwei Wachen, ein Chinese und ein Tibeter, anwesend. Wir durften nicht erzählen, daß wir im Gefängnis Hunger litten, sondern mußten sagen, wir seien glücklich und hätten genug zu essen. Mein Bruder hatte mich zu ermahnen, daß ich den Chinesen gehorsam sein sollte. Als sie mir befohlen, ich sollte meinen Verwandten erklären, wie glücklich ich im Gefängnis bin, konnte ich vor Wut kein Wort herausbringen. Ich schaute meinen Bruder nur an und sah, daß er weinte."

Gyaltsen Pelsang sagte: "Meine Familie erhielt keine offizielle Mitteilung über meine Verhaftung, aber sie ahnte es, weil ich nicht mehr im Kloster war. In den ersten 6 Monaten meiner Festhaltung durfte ich überhaupt keine Besucher haben, aber dann kam mein Vater. Ich war in solch einem erbärmlichen Zustand, daß er mich nicht mehr erkennen konnte. Ich ging auf ihn zu, aber er sagte nur 'Das ist nicht mein Kind', weil ich so entsetzlich aussah. Offiziell durften mich meine Eltern nicht besuchen, aber mein Vater hatte einige Freunde in dem Gefängnisbüro, die unser Treffen arrangierten. Mein Bruder war auch in demselben Gefängnis, aber er konnte unsere Eltern nicht sehen. Ich weiß nicht, wie meine Eltern es fertigbrachten, mich zu besuchen. In einem Jahr sah ich meinen Vater zwei bis dreimal. Meine Eltern schickten mir eine Matratze und einige Nahrungsmittel, wie Butter, tsampa und Käse."

Dorjee Namgyal erinnert sich: "Mir wurde nie erlaubt, Besuch zu bekommen. In Gutsa darf niemand Besucher empfangen. Als ich nach Drapchi verlegt wurde, erfuhr ich einmal, daß meine Eltern gekommen waren, aber ihnen wurde nicht erlaubt, mich zu sehen. In Drapchi sandten sie mir einige Nahrungsmittel, aber ich durfte mich nicht mit ihnen treffen. In Gutsa durfte ich meiner Familie auch nicht schreiben, was in Drapchi dagegen erlaubt war."

Palden Gyatso sagte: "Als ich 1959 verhaftet wurde, erfuhr meine Familie gleich davon. Damals mußten sie mir noch das Essen bringen, so daß wir anfänglich einen beschränkten Kontakt hatten. Als ich 1983 wieder verhaftet und dann ab 1984 in Seitru gehalten wurde, konnte ich Besucher empfangen. Die Besucher für die politischen Gefangenen konnten einmal im Monat, jeweils am 20. des Monats und jene für die kriminellen jeweils am 15. des Monats kommen. Die Besuche waren auf 15 Minuten beschränkt und fanden in einem kleinen Zimmer zusammen mit zehn anderen Gefangenen statt. Vor dem Besuch wurden sowohl meine Familie als auch ich durchsucht. Ein Gefangener durfte nur von 3 Personen besucht werden. Ich saß in dem Zimmer mit einer Wache auf jeder Seite, und alles, was meine Angehörigen mir geben wollten, wurde vorher von ihnen untersucht. Sie hatten eine Tasse Tee bereit, die sie mir gaben, weil die Zeit so kurz war. Die Wachen photographierten das manchmal für Propagandazwecke. Wenn die Angehörigen eines Gefangenen versuchten, in das Besucherzimmer hineinzudrängen, bekamen sie manchmal von den Wachen einen Elektroschock verabreicht. Unsere Angehörigen pflegten uns immer viel mitzubringen, aber 1991 kamen neue Verordnungen heraus, so daß wir nur noch ein gyama Nahrungsmittel bekommen konnten. Nach vielen Klagen wurde diese Einschränkung wieder aufgehoben, aber die Besuche wurden reduziert."

Leusang, der in Trisam festgehalten wurde, sagte: "Meine Familie wußte, daß ich verhaftet war, weil der Klostervorsteher es ihnen ins Gesicht gesagt hatte... Am ersten und am fünfzehnten jeden Monats durfte ich besucht werden. Die Regel war, daß die Besucher 15 Minuten bleiben durften. Die Sachen, meistens Nahrungsmittel, die sie uns mitbrachten, durften wir behalten."

Teil O

Das Recht auf Ausübung der Religion

Die ehemaligen politischen Gefangenen gaben einmütig an, daß sie ihre Religion nicht ausüben durften. Viele der Interviewten empfanden das als absolut inakzeptabel, wie von dem Erfindungsreichtum, den sie entwickelten, um die strengen Verbote zu umgehen, gezeigt wird.

Ganz allgemein gesagt, glauben viele Tibeter, daß die Art und Weise, wie man sich verhält, wichtiger ist als religiöse Rituale, dennoch sind eine Reihe von Ritualen so sehr mit der Praxis verwoben, daß für viele traditionelle Buddhisten Ritual und Praxis fast untrennbar sind. Tibeter beten oder rezitieren heilige Schriften oder Mantras gewöhnlich laut, weil sie glauben, daß andere Wesen sie dann hören und von ihrer Praxis begünstigt werden. In den Gefängnissen in Tibet ist der bloße Akt des lauten Betens verboten. Die Strafen für die Übertretung dieser "Regel des Schweigens" variieren, aber können sowohl verbalen als auch physischen Mißbrauch durch die Wachen sein. Andere übliche rituelle Praktiken wie Niederwerfungen, Verwendung von malas (Gebetsketten), Darbringungen, Verbrennen von Räucherwerk, Tragen von gesegneten Schnürchen, Lesen von heiligen Schriften, Debattieren und Singen in Gruppen, sind verboten. Obwohl diese Art der religiösen Praxis für die Gefangenen, von denen viele Mönche und Nonnen sind, äußerst wichtig ist, sind alle diese Ausdrucksformern der Religion verboten.

Der Dalai Lama ist sowohl das politische als auch das geistliche Oberhaupt des tibetischen Volkes. Tibetische Buddhisten betrachten ihn nicht nur als einen großen Führer, sondern auch als eine lebende Manifestation von Avalokiteshwara, dem Buddha des Erbarmens. Wenn die Gefangenen also gezwungen werden, den Dalai Lama zu verschmähen, dann bedeutet dies für sie nicht nur eine Abkehr von ihren politischen Ansichten, sondern auch eine besonders schmerzhafte Leugnung ihres heiligsten religiösen Glaubens. Es gab zahllose Beispiele, wo die Interviewten bei den Vernehmungen mit Sticheleien auf den Dalai Lama verhöhnt wurden und später bei den politischen Umerziehungen wurden sie sogar gezwungen, ihn zu verraten.

Viele politische Gefangene berichteten, daß sie seit 1992 das tibetische Neujahrsfest Losar nicht mehr feiern durften. Sowohl religiös als auch kulturell stellt es eines der wichtigsten Ereignisse in dem tibetischen Kalender dar. Traditionsgemäß werden an diesem Tag neue Kleider angelegt und den Gottheiten Opfergaben dargebracht. Vor 1992 durften die tibetischen Häftlinge den Beginn des neuen Jahres in eingeschränkter Weise feiern. Als einige in Drapchi eingesperrte Nonnen 1992 Losar und den 5. März (den Jahrestag der großen Unabhängigkeitsdemonstrationen) zu feiern versuchten, kamen sogleich PAP Truppen ins Gefängnis und bändigten die Nonnen, von denen viele geschlagen und gefoltert wurden.

Der Art. 18 der UDHR (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) sieht vor: "Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden."

Der Art. 18 des ICCPR, den die PRC noch zu ratifizieren hat, enthält eine ähnliche Verfügung wie der Art. 18 der UDHR: "Die Freiheit, seine Religion oder seinen Glauben zu bekunden, darf nur solchen Einschränkungen unterworfen werden, die vom Gesetz vorgegeben oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Moral oder der Grundrechte und der Freiheit anderer Menschen erforderlich sind."

Somit ist das Recht auf Religionsfreiheit weltweit anerkannt. Die internationale Gemeinschaft akzeptiert zuweilen, daß dieses Recht gewissen Einschränkungen unterworfen wird, doch gelten diese nur für sehr spezifische Situationen. Wird das Recht der Tibeter auf Ausübung ihrer Religion schon im alltäglichen Leben schwer eingeschränkt, so herrscht in den chinesischen Gefängnissen ein totales Verbot aller Formen der religiösen Ausübung. Der Staat leugnet natürlich, daß den Gefangenen in ihren religiösen Rechten Gewalt angetan wird. Der EU Delegation wurde im Mai 1998 erklärt, daß es erlaubt sei, normale persönliche religiöse Praktiken im Gefängnis auszuführen, vorausgesetzt, diese verstoßen nicht gegen die Gefängnisregeln. Die Berichte der Interviewten zeigen jedoch eine ganz andere Realität.

Die Art. 41 und 42 der Standard Minimum Regeln der UNO für die Behandlung von Gefangenen sehen vor:

41. Wenn die Institution eine genügend große Anzahl von Gefangenen derselben Religion beherbergt, muß ein qualifizierter Vertreter dieser Religion ernannt oder zugelassen werden. Wenn die Anzahl der Gefangenen es rechtfertigt und die Umstände es erlauben, hat diese Regelung auf täglicher Basis zu erfolgen...

42. Soweit durchführbar, muß jedem Gefangenen gestattet werden, die Bedürfnisse seines religiösen Lebens zu erfüllen, indem er die von der Anstalt eingerichteten Gottesdienste besucht und die Schriften seiner religiösen Praxis und der Lehre seiner Konfession bei sich haben darf.

Von einer Beachtung dieser in den Standard Minimum Regeln genannten Rechten ist jedoch in den Gefängnissen in Tibet nicht das Geringste zu sehen. Im November 1994 besuchte M. Abdelfattah Amor, der UN Sonderbeauftragte für Religiöse Intoleranz, China und Tibet, wo er Yulo Dawa Tsering traf, einen hoch angesehenen altgedienten politischen Gefangenen, der ehemals Abt und Philosophiedozent war. Yulo Dawa Tsering wurde kurz vor dem Besuch mit Vorbehalt entlassen, obwohl jüngere Berichte schließen lassen, daß er sich nun unter Hausarrest in Lhasa befindet. Yulo Dawa Tsering bestätigte dem Beauftragten, daß religiöse Praxis im Gefängnis verboten ist, und daß es darüber hinaus für Mönche und Nonnen, die eine Haftstrafe aus politischen Gründen hinter sich haben, keine Wiederaufnahme in ihren Klöstern gibt. Beides wurde in dem nachfolgenden Bericht des Beauftragten verurteilt.

Die Wichtigkeit der religiösen Praxis für viele der politischen Gefangenen wird deutlich aus der Genialität, mit der einige von ihnen ihre malas oder heiligen Schriften versteckten oder Ersatzmalas bastelten, nachdem die ihrigen von den Wachen weggenommen oder zerrissen wurden.

Thupten Tsering gab an: "Es war uns nicht erlaubt, unsere Gebete zu rezitieren oder unsere Religion auszuüben. Wir praktizierten mental. Wir machten uns malas aus tingmo, indem wir 10 bis 15 Stück zusammenfügten. Wir durften überhaupt keine Schriften bei uns haben. Manche Mönche hatten sie trotzdem bei sich, aber wenn sie damit ertappt wurden, wurden sie bestraft."

Ngawang Choezom
sagte: "Wir durften überhaupt nicht beten, wir konnten nicht einmal Mantras rezitieren, und wenn wir dabei erwischt wurden, schlugen sie uns. Wenn die Wachen nicht um den Weg waren, konnten wir buddhistische Schriften lesen und beten. Sobald die Wachen kamen, versteckten wir sie in unseren Kleidern, in dem Toiletteneimer oder in der Zimmerdecke. Allgemein wurde uns nicht erlaubt, irgendeines der tibetischen Feste zu feiern, aber an einigen chinesischen Festtagen bekamen wir Reis als einen besonderen Genuß. Als ich bereits verurteilt war, wurde ich erneut geschlagen, und zwar als Strafe, weil ich gebetet und ein Lied zum Lob Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, gesungen und ihm ein langes Leben gewünscht hatte. Sie drohten uns mit Haftverlängerung und sagten, wir dürften solche Lieder nicht mehr singen."

Palden Gyatso erinnert sich: "Sogar die täglichen Gebete aufzusagen, wurde als eine schlimme Verletzung der Gefängnisregeln gesehen. Wir versuchten, sie stille zu verrichten. Wenn wir mit unserer mala gefunden wurden, schlugen sie uns und nahmen uns die malas weg. Weil es so wichtig für uns war, daß wir unsere malas hatten, fabrizierten wir andere, indem wir Fäden zusammenknoteten, später verwendeten die Gefangenen tingmo, das sie färbten, um Gebetsketten zu machen. Es mußte heimlich geschehen und sie durften sich dabei nicht erwischen lassen."

Adhe Tapontsang erinnert sich: "Wenn wir nur unsere Lippen bewegten, schalten sie uns und sagten 'Ihr betet ja, das ist euch verboten.' So mußten wir unsere Gebete verrichten, ohne die Lippen zu bewegen. Die Wachen erklärten uns, daß es weder Götter noch Geister gebe und daß die Praxis des Buddhismus uns nicht helfen würde. Religion sei töricht und wir dürften sie nicht befolgen. Ein Offizier nahm ein thangka herunter, legte es auf seinen Stuhl, stellte sich darauf und erklärte uns: 'Da seht mich an, obwohl ich auf diesem heiligen thangka stehe, bin ich wohlauf und gesund, aber blickt auf euch selbst: Ihr schaut ja wie die Gespenster aus. Was ist denn los mit euch? Hat der Buddhismus euch denn geholfen?'"

Bagdro erläuterte: "Religion auszuüben, war im Gefängnis nicht erlaubt. Ich mußte bis Mitternacht warten und erst wenn ich im Bett lag und eine Decke über mein Gesicht zog, konnte ich meine Gebete rezitieren. Wenn jemand offen praktizierte, wurde er geschlagen und gefoltert."

Es ist eine deutliche Verletzung der Menschenrechte der Gefangenen, daß sie geschlagen oder auf andere Weise bestraft wurden, nur weil sie gebetet oder Mantras rezitiert hatten, wie von den Interviewten berichtet wurde.

Gyaltsen Choetsoe
erinnert sich: "Einmal, als ich still für mich betete, wurde ich von einem der Aufpasser ertappt, der mich mit einem Holzscheit, das er aus der Küche holte, am ganzen Körper züchtigte. Ich war ziemlich zugerichtet."

Yeshe Togden stellte fest: "Es war uns verboten, unsere Religion auszuüben, aber natürlich taten wir es trotzdem. Einmal erwischte uns der Gefängnischef, ein Tibeter, beim Beten und strafte uns, indem er uns einen Tag hungern ließ. Wir ließen einen von uns Schmiere stehen, ob die Wachen sich näherten. Wenn wir unsere Gebete verrichteten und die Gefangenen in der Nachbarzelle einen Aufpasser kommen sahen, dann schlugen sie an die Wand, um uns zu warnen. So konnten wir beten, aber nur sehr stille und immer in Angst, dabei erwischt zu werden."

Gyaltsen Pelsang
, eine Nonne, die mit 13 Jahren verhaftet wurde, kommentierte: "Wenn wir jemals Mantras oder etwas ähnliches rezitierten, wurden wir augenblicklich geschlagen."

Teil P

Behandlung von weiblichen Gefangenen

Weibliche politische Gefangene werden anfänglich in den Haftanstalten Gutsa, Trisam und Seitru gehalten und dann nach der Verurteilung vermutlich alle nach Drapchi gebracht. Die Tibetische Regierung im Exil meint, daß es gegenwärtig etwa 250 weibliche politische Gefangene in Drapchi gibt. Allgemein scheint es, daß die weiblichen Gefangenen getrennt von den männlichen eingesperrt werden. Manchmal werden sie in demselben Gefängnistrakt gehalten wie die Männer, aber immer in verschiedenen Zellen. Die meisten der Frauen konnten keinen Unterschied angeben in der Weise, wie sie und wie die männlichen Gefangenen behandelt wurden, weil sie separat gehalten wurden und keinen Kontakt zu den Männern hatten. Bei einem Vergleich der Zeugnisse von weiblichen und männlichen Gefangenen ist es klar, daß die Frauen keine leichtere Behandlung auf Grund ihres Geschlechtes erfuhren.

Human Rights Watch machte eine Studie über chinesische Gefängnisse: "Der Anteil von weiblichen Gefangenen in China ist, wie praktisch in jedem Land, klein und ihre Lage variiert je nach Schauplatz und Art der Einrichtung, aber sie scheinen besser als Männer behandelt zu werden. Frauen erleiden weniger Mißhandlungen und Elektroschocks."

Während dies für den Umgang mit Frauen in chinesischen Gefängnissen allgemein zutreffen mag, stimmt es gewiß nicht für die tibetischen weiblichen politischen Gefangenen. Im Gegenteil, sie scheinen ziemlich ähnlich, wenn nicht noch schlimmer, als die männlichen behandelt oder vielmehr mißhandelt zu werden.

In einigen Fällen scheint es, daß mit Frauen noch widerlicher, gewalttätiger und erniedrigender als mit Männern umgegangen wurde. Einige der Nonnen berichteten, daß sie sich bei ihrer anfänglichen Vernehmung ausziehen und nackt dastehen mußten und in diesem Zustand befragt und gefoltert wurden. Andere wurden vergewaltigt oder Gegenstände wie Stöcke und elektrische Schockstäbe wurden ihnen in Vagina oder After gesteckt. Solch eine Bestialität würde überall auf der Welt verurteilt, und es gibt bestimmt zu denken, daß sie in einem Justizsystem vorkommt, das sich etwas auf seine "Gerechtigkeit" einbildet. Der schrecklichste sexuelle Mißbrauch wurde von weiblichen Gefängniswachen verübt.

Von den 1.216 tibetischen politischen Gefangenen, die das TCHRD zum 31. Dezember 1997 verzeichnete, waren 295 oder 24,26% Frauen. Von diesen wiederum waren 255 oder 86,44% Nonnen, 13 oder 4,47% waren Laien, während bei 27 oder 9,15% der bürgerliche Stand unbekannt war. Angesichts des hohen Prozentsatzes von Nonnen unter den politischen Gefangenen und der Lebensweise, die sie früher im Kloster führten, klingen die Berichte über das Nackt-Ausgezogen-Werden und den sexuellen Mißbrauch besonders abscheulich.

Die Gefängnisse scheinen auch keine Damenbinden oder anderes Material für die Menstruation der weiblichen Gefangenen zu liefern. Nur eine Gefangene in Seitru berichtete, daß sie für ihre Periode etwas Watte bekam. Die anderen Gefangenen bluteten eben in ihre Unterkleidung oder, wenn sie gut dran waren, brachten ihre Besucher ihnen diese Dinge mit. Dazu muß man noch berücksichtigen, daß die Gefangenen sich nicht regelmäßig waschen konnten. Manche berichteten, daß sie nur zweimal in sechs Monaten ihr Gesicht waschen konnten, während andere angaben, daß sie sich alle paar Wochen waschen durften. Wie auch immer dem sei, die Verhältnisse sind eindeutig höchst unhygienisch. Selbst dort, wo die Besucher etwas für die Menstruation der Frauen mitbringen konnten, war es den Häftlingen verwehrt, von außerhalb des Gefängnisses etwas zu erhalten, solange ihr Urteil noch nicht gefällt war, was gewöhnlich bis zu sechs Monaten dauerte und manchmal überhaupt nicht erfolgte. Bis dahin hatten die meisten Frauen nichts für ihre Periode.

In der CEDAW (Konvention zur Ausschaltung aller Formen der Diskriminierung von Frauen) wird die "Diskriminierung gegen Frauen" so definiert: "Jede Unterscheidung, Ausschließung oder Restriktion, die auf der Basis des Geschlechts erfolgt und den Effekt oder den Zweck hat, die Anerkennung, den Genuß oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, kulturellen, bürgerlichen oder anderen Bereichen durch Frauen (ungeachtet ihres Status und auf der Grundlage der Gleichheit von Männern und Frauen) zu behindern oder zu annullieren."

Während geschlechtsspezifische Gewalt nicht eigens in den CEDAW Richtlinien erwähnt wird, weitete die Kommission für die Ausrottung der Diskriminierung gegen Frauen formell das allgemeine Verbot über die geschlechtsbezogene Diskriminierung auf die geschlechtsbezogene Gewalttätigkeit aus, die so definiert ist: "... Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft. Akte also, die physischen, mentalen oder sexuellen Schaden oder Leiden zufügen, die Androhung solcher Akte, Zwang und andere Beeinträchtigungen der Freiheit..." Obwohl die PRC seit 1981 der CEDAW beitrat, sind die Aussagen der Interviewten ein Beweis für die weiter anhaltende Diskriminierung gegen Frauen, besonders in Form physischer Gewalt und Demütigung. Während eine gewisse Anzahl der Frauen, die wir interviewten, nicht direkt meinten, daß sie unter Diskriminierung gelitten hätten, wurden sie doch vergewaltigt oder nackt ausgezogen, was zeigt, daß sie eben wegen ihres Geschlechts auf besondere Weise mißhandelt wurden.

Tenzin Choedon beschrieb ihre Vernehmung in Gutsa: "Nachdem sie alle Nonnen vernommen hatten, wurden wir dorthin geschleppt, wo wir aus dem LKW ausgeladen worden waren. Dann mußten wir unsere Roben abnehmen und gegen die Wand gelehnt stehen. Ein Peiniger kam mit seinem Elektrostab und gab jeder von uns einen Schock. Meistens schlug er uns aufs Gesicht. Dann wurden wir eine um die andere in ein anderes Zimmer geschleppt, wo vier tibetische und eine chinesische Polizistin uns erwarteten. Jede hatte andere Waffen, um uns zu schlagen. Eine hatte eine elektrische Viehkeule, eine andere ein Knotenseil und die dritte eine große Holzkeule. Wir mußten alle Kleider abnehmen und nackt vor ihnen stehen. Ich mußte mit dem Gesicht nach unten liegen, und dann droschen sie mit dem Seil, der Keule und dem Elektroviehstock auf mich ein. Ich wurde am ganzen Körper mit dem Stock getroffen, eine schockierte mich mit dem Stab im After. Es war so schmerzhaft, daß alle Nerven um mein Herz herum sich zusammenzogen und ich das Bewußtsein verlor. Als ich zu mir kam, fuhren sie fort, mich am ganzen Leib zu schlagen. Ich mußte mich gegen die Wand stellen und da verhöhnten sie mich, ich sei wohl eine Mutter von Kindern und ziemlich fett. Ich erklärte, daß ich selbst das Klosterleben gewählt hätte. Viermal preßten sie mir gewaltsam einen Stock in die Vagina und danach denselben Stock in den Mund. Sie sagten, ich sei eine Prostituierte und wertlos und ich sei nur hierher gekommen, um bei den Mönchen zu sein. Während der Stock in meinem Mund steckte, wurde ich so sehr gestoßen, daß zwei meiner Schneidezähne sich lockerten. Dann preßte ich den Kiefer fest zu und egal, wie sehr sie mich stießen, öffnete ich meinen Mund nicht mehr. Am Tag meiner Ankunft wurde ich etwa 5 Stunden lang gefoltert. Wenn wir unsere Periode hatten, wurden wir überhaupt nicht versorgt, das Blut sickerte einfach in unsere Kleidung."

Gyaltsen Choetsoe
berichtete: "Als ich zuerst 1987 nach Gutsa kam, zogen sie mich nackt aus und bearbeiteten mich am ganzen Körper mit elektrischen Viehstöcken. Sie schlugen mich immer wieder um die Brüste herum, am Nacken und dem Rücken. Bei mir wurden keine Gegenstände in die Vagina gesteckt, aber bei einigen meiner Freundinnen, die Nonnen waren, wurden von weiblichen Gefängniswachen elektrische Schockstäbe hineingepreßt, wonach sie inkontinent wurden. Vom Gefängnis bekamen wir keine Damenbinden. Nach einigen Monaten erhielt ich welche von zu Hause, aber anfangs hatte ich nichts. Ich riß zu diesem Zweck Stoffetzen von meinen Kleidern ab.

Es gab dort zwei junge Strafgefangene, die bei Nacht vor unsere Zellen traten und uns mit Unflätigkeiten beschimpften und sexuelle Anspielungen machten: 'Ihr hättet keine Nonnen werden sollen, wir kommen zu euch in die Zelle und werden euch Sex beibringen". Zuerst dachten wir, sie seien aus eigenen Stücken gekommen, aber dann gaben sie zu, daß sie von der Gefängnisleitung geschickt seien, um uns zu belästigen."

Ngawang Choedo stellte fest: 'Wir durften Damenbinden benutzen, wenn wir welche hatten, aber vom Gefängnis bekamen wir keine. Unsere Besucher mußten sie uns mitbringen."

Damchoe Palmo
erinnerte sich: "Wir mußten uns die Damenbinden in dem Gefängnisladen kaufen mit dem Geld, das unsere Angehörigen uns gaben. Vom Gefängnis bekamen wir kein Geld. Und sie waren viel teurer als außerhalb. Politische Gefangene wurden alle gleich behandelt, egal ob Frauen oder Männer."

Ngawang Choezom erzählte: "Man stellte uns keine Damenbinden zur Verfügung, aber weil ich damals erst 15 Jahre alt war, hatte ich diese Probleme noch nicht. Da war eine Frau namens Tille vom Barkhor in Lhasa, die im schwangeren Zustand verhaftet worden war, aber zur Niederkunft entlassen wurde. Sie wurde am selben Tag mit mir verhaftet. Wir mußten lange Zeit dastehen und in die Sonne schauen. Danach wurden wir getrennt, und ich weiß daher nicht, wie es ihr weiterhin erging."

Rinzin Kunsang erinnerte sich: "Ich wurde dreimal von männlichen Verhörern befragt, einem Chinesen und zwei Tibetern. Ich mußte mich bis auf die Unterhosen nackt ausziehen. Dann mußte ich mein Kinn auf eine Stuhllehne stützen, so daß ich nach unten blickte. Sie hatten einen großen Holzknüppel, mit dem sich mich mit Wucht auf den Rücken schlugen. Zwei hielten meine Arme fest, und rissen mich nach jedem Schlag wieder hoch, damit ich nicht vorüber falle. Am Tag, als ich ins Gefängnis kam, befahlen mir die Gefängniswachen, alle Kleider abzunehmen, so daß ich nackend vor ihnen stand. Manchmal ließen mich die Vernehmer nackt auf dem Zementboden liegen und traten dann mit ihren Schuhen auf meinen Leib. Dann hießen sie mich auf den Boden knien und prügelten meinen Rücken und Gesäß mit einer Holzkeule. Sie stellten mich auch an die Wand und stießen mir in den Bauch und die Brust... Für unsere Periode bekamen wir überhaupt nichts."

Dawa Kyizom erzählte: "Nach einem Monat in dem Taktse Militärlager hatte ich meine Periode, aber sie gaben mir überhaupt nichts, um mich rein zu halten. Das Blut floß einfach in meine Kleidung. Als ich in Gutsa war, brachten mir meine Eltern einige Damenbinden. Vom Gefängnis bekamen wir nichts. Eine der Gefangenen war schwanger, sie hieß Dawa Dölma, aber sie wurde genauso wie wir alle behandelt und mußte ebenso wie wir arbeiten. Ich weiß leider nicht, was später mit ihr passierte."

Adhe Tapontsang berichtet aus den frühen 60er Jahren, als sie von dem Gefängnischef vergewaltigt wurde: "Als ich im Dartsedo Gefängnis war, wurden eines Tages vier von uns jüngeren weiblichen Gefangenen zur Seite gerufen. Die anderen drei waren unverheiratet, und wir waren alle recht hübsch. Wir wurden in das Büro gebracht, wo der chinesische Chef der Haftanstalt uns erklärte: 'Ihr werden meine Frauen sein und wenn ihr tut, was ich euch sage, dann bekommt ihr zu essen, was ihr nur wollt und soviel ihr wollt. Wenn nicht, werdet ihr zum Tode verurteilt. Wenn ihr mir gehorcht, braucht ihr nicht in der Zelle eingeschlossen zu bleiben, aber wenn ihr weitersagt, was ich euch gefragt habe, dann werdet ihr umgebracht.' Vor Schreck blieb uns die Sprache weg... Manchmal kam ein Wärter und holte eine von uns, um die Kleider des Gefängnischefs zu waschen. Als ich in seinem Zimmer war, vergewaltigte er mich. Nachdem ich dann in das Zimmer zurückkam, wo meine Freundinnen schliefen, umarmten sie mich, und wir weinten alle. Keine blieb verschont. So ging das etwa einen Monat lang, aber dann bekam der Chef Angst, daß andere etwas spitzbekommen könnten, und er schickte uns wieder zu den übrigen Frauen in unsere Zelle zurück. Wir berieten untereinander, wenn wir den anderen erzählten, was geschehen war, dann würden wir entweder hingerichtet oder mit verminderter Essensration in Einzelhaft gesteckt. So schwiegen wir und hofften, daß wir bald frei sein würden. Ehe wir vergewaltigt wurden, bekamen wir einige Pillen zur Empfängnisverhütung."

Teil Q

Kurzbiographien der interviewten ehemaligen Gefangenen

Eine Zusammenfassung der Gefängniserfahrungen der 22 von uns interviewten Personen, sowie einige persönliche Details folgen nun. Tibeter verzeichnen gewöhnlich nicht ihr Geburtsdatum, weshalb es ziemlich häufig vorkommt, daß sie ihren Geburtstag, Geburtsmonat oder das westliche Geburtsjahr nicht kennen, obwohl sie ganz genau das tibetische Tierkreiszeichen ihres Geburtsjahres nennen können. Ihr Alter gaben sie meist schätzungsweise an.

Q 1)

Adhe Tapontsang (Ama Adhe)

Adhe Tapontsang wurde um 1932 in dem Dorf Ghortsa, Kreis Nyaron, Tibetische Autonome Präfektur Karze, Provinz Sichuan (tibetische Provinz Kham), geboren. Ehe sie 1958 verhaftet wurde, führte sie ein Bauern- und Nomadendasein und hütete das Vieh. Sie war verheiratet und hatte zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.

Am 16. Dezember 1958 wurde sie verhaftet und zu 16 Jahren Haft verurteilt. Das war in den 60er Jahren, als zahllose Tibeter in der Gefangenschaft verhungerten. Die ganzen Jahre während der Kulturrevolution war sie eingesperrt und wurde in zahlreichen sogenannten thamzings gepeinigt. Nach Beendigung ihrer Strafe wurde sie nicht etwa entlassen, sondern in das Ra Nga Gang Arbeitslager geschickt, wo sie verschiedene Arten von manueller Arbeit leisten mußte. Erst 1984 wurde sie, 26 Jahre nach ihrer Gefangennahme, endgültig entlassen. Im Oktober 1987 kam sie in Nepal an, nachdem sie unter dem Vorwand Freunde und Verwandte in Indien besuchen und diese zur Rückkehr nach Tibet bewegen zu wollen, eine Ausreisegenehmigung erhalten hatte.

Ihr schrecklichstes Erlebnis in den vielen Jahren der Einkerkerung war: "Das Schlimmste für mich war die Zeit im Karze Gefängnis. Meine Freunde und Mitgefangenen schrieen alle laut vor Hunger, und einige Frauen verloren den Verstand. Sie wurden einfach verrückt vor Hunger."

Q 2)

Bagdro

Bagdro wurde um 1968 in der Ortschaft Sangdo in Kreis Taktse, östlich von Lhasa geboren. Im März 1986 trat er in Kloster Gaden ein. Mit etwa 20 Jahren wurde er am 18. April 1988 verhaftet, nachdem er an der Demonstration vom 5. März 1988 in Lhasa teilgenommen hatte. Man beschuldigte ihn, für den Tod eines Polizisten mitverantwortlich zu sein. Er war drei Jahre lang in Haft, ein Jahr in der Gutsa Haftanstalt und zwei Jahre im Drapchi Gefängnis.

Bagdro machte vier Monate intensiver Mißhandlungen und Folterung durch, während er in Gutsa festgehalten wurde, und wegen der dabei erlittenen Verwundungen verbrachte er etwa einen Monat in dem Polizeihospital von Lhasa. Im April 1991 wurde er entlassen und floh noch im selben Jahr nach Indien, nachdem er herausfand, daß er keine Aufnahme mehr in Kloster Gaden finden würde.

Er erzählte: "Ich beschloß nach Indien zu fliehen, wo ich hoffte, richtig behandelt zu werden und die Außenwelt über die tatsächlichen Bedingungen in Tibet unter der chinesischen Besatzung informieren zu können. Das Schlimmste an der Gefangenschaft war für mich der physische Mißbrauch, dem ich unterworfen wurde. Meine schrecklichste Erinnerung ist, als ich auf dem Eis stehen muß, und die nächste, als mir ein Elektroschockstab in den Mund gesteckt wurde, dann die Male, als ich von der Decke herunter aufgehängt wurde und als ich nackt ausgezogen und mir kaltes Wasser über den Rücken gegossen wurde."

Q 3)

Damchoe Palmo

Damchoe Palmo wurde um 1964 in Kreis Nyemo, Präfektur Lhasa, geboren. Sie hatte einen kleinen Verkaufsstand am Marktplatz in Lhasa. Sie wurde zweimal verhaftet: zum ersten Mal am 9. März 1989 wegen einer Demonstration. Ohne Gerichtsverhandlung wurde sie 9 Monate in Outridu, Sangyip und Gutsa festgehalten und dann gezwungen, ihren Daumenabdruck unter ein auf Chinesisch geschriebenes Dokument zu setzen, worin stand, daß sie nie mehr an einer Demonstration teilnehmen würde.

Am 19. Mai 1993 wurde sie zum zweiten Mal festgenommen, weil sie Flugblätter verteilt hatte, auf denen es um die Befreiung Tibets, die Verbesserung der Beschäftigungslage und die Einstellung der Sterilisierungspolitik ging. Zusammen mit drei weiteren Personen hatte sie seit 1990 diese Flugblätter gedruckt und verteilt. Damchoe wurde ein Jahr und 4 Monate in Seitru festgehalten und nach ihrer Verurteilung nach Drapchi verlegt. Bei ihrer Verhaftung war sie etwa im vierten Monat schwanger. Obwohl sie das PSB Personal über ihren Zustand unterrichtete, wurde sie gezwungen in der ersten Nacht bei der Vernehmung, welche die ganze Nacht dauerte, 14 Stunden lang an einem Stück zu stehen. 10 Tage später hatte sie eine Fehlgeburt, aber keiner der dafür Verantwortlichen wurde je zur Rechenschaft gezogen. Nach Ableistung ihrer Strafe wurde sie 1996 entlassen. Das Schlimmste für sie im Gefängnis war: "Ich litt unsäglich, als ich vernommen wurde und verlor dann mein Baby". Sie floh im September 1997 aus Tibet.

Q 4)

Dawa Kyizom

Dawa Kyizom wurde am 27. September 1973 in Lhasa geboren. Vor ihrer Verhaftung war sie Studentin. Sie wurde am 26. Oktober 1990 verhaftet, weil sie geholfen hatte, eine tibetische Flagge zu nähen, die der Mönch Topgyal später in Lhasa hißte. Über die Flagge schrieb sie auf den roten Seidenbrokat: "Lang lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama". Anfänglich wurde sie in eine Haftanstalt der Kreis-Sicherheits-Behörde gebracht und Ende Oktober in das Gefängnis Takte. Etwa einen Monat später kam sie dann in die Gutsa Haftanstalt. Nach 8 Monaten in Gutsa wurde Dawa Kyizom zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt. Dort wurde sie einmal mit einem Stock auf den Kopf geschlagen und trug eine so schwere Verletzung davon, daß sie für drei Monate in das tibetische Hospital kam. Wegen dieser schweren Mißhandlung leidet sie immer noch an Migräne. Im Dezember 1995 kam sie in Indien an. Zwei Jahre nach ihrer Entlassung lebte sie bei ihrer Familie, setzte ihre Studien fort und war im Untergrund aktiv. Aber dann verließ sie Tibet, weil sie als eine Ex-Gefangene keine Anstellung finden konnte und keine bürgerlichen Rechte mehr besaß.

Ihre Aussage ist: "Im Gefängnis lebten wir in der Hoffnung auf die Befreiung Tibets, daß die Welt die chinesische Propaganda über Tibet durchschauen und daß der Mittlere Weg Seiner Heiligkeit zu einem positiven Ergebnis führen würde. Als diese Hoffnungen immer geringer wurden und unser Kampf anfing, unwahrscheinlich zu erscheinen, war dies das Schlimmste für mich. Wir wußten, daß nicht nur wir im Gefängnis litten, sondern auch unsere Freunde und Angehörigen außerhalb. Die dürftige Kost, die Schläge und die Arbeit waren nicht das Schlimmste für mich, sondern es war die ständige innerliche Qual, ein freies Tibet zu wünschen, aber diese Hoffnung zerschlagen zu sehen. Ich grämte mich wegen all des Leids, das Generationen von Tibetern erfuhren. Noch lange nach meiner Entlassung litt ich unter Migräneanfällen, aber nun sind sie etwas weniger geworden."

Q 5)

Dorje Namgyal

Dorje Namgyal wurde im September 1968 in Norbulingka, Stadt Lhasa, geboren. Er arbeitete als Fahrer für das Stadtplanungs-Sekretariat in Lhasa. Dorje wurde Anfang Mai 1989 nach Teilnahme an der Demonstration vom 7. März 1989, bei der er ins Bein geschossen wurde, verhaftet. Vier Monate war er in der Gutsa Haftanstalt, wo er schwer geschlagen und gefoltert wurde. Nach seiner Verurteilung zu 10 Jahren wurde er nach Drapchi verlegt. Durch die in Gutsa erlittenen Mißhandlungen war Dorje so schwach und krank geworden, daß er zeitweilig aus dem Gefängnis entlassen wurde. Zuerst kam er 2 Wochen in das Volkshospital und dann 3 Monate in das Tibetische Hospital, wonach er vier Jahre bei seinen Eltern wohnen durfte. Als er schließlich genesen war, wurden seine Eltern vom PSB informiert, daß er zur Vollendung seiner Freiheitsstrafe ins Gefängnis zurückkehren müsse. Er beschloß daher, Tibet zu verlassen und kam am 10. Dezember 1993 in Dharamsala an.

Seine Aussage ist: "Für mich war das Schlimmste die Beinverletzung. Als ich angeschossen wurde, drang die Kugel durch den Knochen und man sagte mir, daß mein Bein vielleicht amputiert werden müsse. Mit dieser Angst lebte ich lange Zeit, denn es dauerte sehr lange, bis mein Bein geheilt war. Für die meisten Gefangenen war das Essen das größte Problem."

Q 6)

Gaden Tashi

Gaden Tashi wurde 1968 im Bezirk Lhasa, Kreis Meldro Gongkar, Dorf Gyama Shang, geboren. Zuerst Lhundup Kelsang benannt erhielt er bei seiner Ordination in dem Gaden Kloster mit 15 Jahren den Namen Gaden Tashi. Er nahm an der Demonstration vom 5. März 1988 in Lhasa während des Monlam Festes teil, wurde am selben Tag verhaftet und in die Gutsa Haftanstalt eingeschlossen. Einen Monat später wurde er nach Seitru verlegt. Im Juli 1988 wurde er als Konterrevolutionär angeklagt. Der Volksgerichtshof der TAR verurteilte ihn zu 3 Jahren Gefängnis und Entzug der politischen Rechte für ein Jahr. Danach kam er nach Drapchi. In diesem Gefängnis bildete Gaden Tashi zusammen mit 3 anderen Gefangenen eine Unabhängigkeitsgruppe: Als ihre Flugblätter aufkamen, wurde sein Urteil auf 12 Jahre verlängert. Seine Arme und Beine befanden sich ein Jahr lang in Schellen, so daß er alles Gefühl in den Beinen verlor und im November 1992 ins Krankenhaus kam. In dem ärztlichen Bericht heißt es, daß er einen Gehirnschaden erlitten hätte, den er den brutalen Schlägen zuschreibt. Er lag 18 Monate im Krankenhaus und wurde dann aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen. Er floh im November 1996 nach Indien.

Er erinnert sich: "Die schlimmste Marter für mich war vom 3. August bis 8. September 1989, als ich im Outridu Gefängnis mit gefesselten Armen und Beinen 34 Tage lang in Einzelhaft war. Der Karzer war so dunkel und klein. Die ersten drei Tage hatte ich unsägliche Furcht und wollte am liebsten Selbstmord begehen."

Q 7)

Gyaltsen Choetsoe

Gyaltsen Choetsoe wurde am 12. Oktober 1969 in dem Dorf Dechen, Kreis Taktse, Bezirk Lhasa geboren. Sie trat 1986 dem Kloster Garu in einem Vorort Lhasas bei. Sie wurde dreimal festgenommen. Die erste Verhaftung erfolgte im Dezember 1987, als sie demonstrierte. Damals wurde sie eineinhalb Monate festgehalten. Das zweite Mal im April 1988 ebenfalls wegen einer Demonstration im Zentrum Lhasas, und diesmal wurde sie 11 Monate festgehalten. Zum dritten Mal wurde sie im Februar 1990 verhaftet, als sie sich weigerte, gewisse Dokumente gegen ihre Überzeugung zu unterschreiben und dann zum Gedenken an die Verleihung des Nobelpreises an Seine Heiligkeit auf einem Hügel ein Feuer entfachte, wonach sie 6 Monate festgehalten wurde. Sie war immerzu in Gutsa eingesperrt, ohne überhaupt vor Gericht gestellt zu werden.

Gyaltsen Choetsoe war eine der ersten Nonnen, die je gegen die chinesische Besetzung Tibets protestierten. Nach jeder Verhaftung erlitt sie schwere Folterung und Schläge. Ihre Gesundheit brach zusammen, und auch jetzt noch hat sie gesundheitliche Probleme. Sie berichtet: "Das Schlimmste für mich war, als wir eingesperrt waren und kein Wasser bekamen. Als ich vernommen wurde, war ich sehr betrübt und aufgebracht, weil sie mich schlugen." Sie verließ Tibet im August 1991. Auch nach der Entlassung aus dem Gefängnis wurden all ihre Schritte überwacht, und sie mußte jedesmal Erlaubnis einholen, um ihren Heimatort zu verlassen. Sie entkam, während sie in Lhasa ärztliche Behandlung für die im Gefängnis erlittenen Verletzungen suchte.

Q 8)

Gyaltsen Pelsang

Gyaltsen Pelsang wurde 1981 in Kreis Meldro Gyama, Präfektur Lhasa, geboren. Sie trat als Novizin in das Garu Kloster ein. Im Alter von nur 13 Jahren wurde sie im April 1993 verhaftet, weil sie gegen die chinesischen Besatzer demonstrierte. Ein Jahr und acht Monate war sie in Gutsa - ohne Prozeß oder Urteil. Während sie gefangen gehalten wurde, erklärte die chinesische Regierung der UNO im Mai 1994, Gyaltsen sei in Freiheit, und ebenso erfuhren die Mitglieder einer Delegation der EU, die im Oktober 1994 Lhasa besuchten, sie sei entlassen worden. Tatsächlich war sie jedoch bis zu ihrer tatsächlichen Entlassung im Februar 1995 zusammen mit anderen erwachsenen Gefangenen eingesperrt. In der Gefangenschaft erkrankte sie so sehr, daß ihr Vater sie nicht erkennen konnte, als er sie einmal besuchte. Für ihre Entlassung wurden keine Gründe genannt. Sie verließ Tibet im September 1996, weil sie keine Gelegenheit zum Studium hatte und so unglücklich unter der chinesischen Herrschaft war. Gyaltsen Pelsang sagte: "Als ich eingesperrt war, stellte ich mir vor, daß wir bereitwillig leiden, solange wir unsere Freiheit nicht zurückgekommen."

Q 9)

Jampel Monlam

Jampel Monlam wurde im August 1969 in Lhasa geboren. Er trat 1987 in das Drepung Kloster ein und war nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1994 Geschäftsmann. Jampel wurde wegen Beteiligung an friedlichen Demonstrationen in Lhasa zweimal verhaftet. Zuerst am 27. September 1987, wonach er 4 Monate in der Gutsa Haftanstalt festgehalten wurde. Auf einen Appell des 10. Panchen Lama hin wurde er zusammen mit 59 anderen Mönchen freigelassen. Zum zweiten Mal wurde er im Juli 1989 verhaftet, wonach er zu 5 Jahren verurteilt und in Drapchi eingesperrt wurde. Nach seiner Entlassung durfte er jedoch nicht in sein Kloster zurückkehren, alle seine Bewegungen wurden eingeschränkt und er befand sich unter ständiger polizeilicher Überwachung; er und seine Familie wurden häufig von der Polizei belästigt. Um diesem Druck zu entgehen, verließ er Tibet und kam im Februar 1998 in Indien an. Er erzählte: "Während der physische Schmerz ungeheuer groß war, war er dennoch gering verglichen mit dem psychischen Druck, dem wir ausgesetzt waren. Wir waren eingesperrt, weil wir glaubten, daß Tibet frei sein soll und dennoch wurden wir gezwungen, genau das Gegenteil zu sagen. Das Schlimmste war für mich, daß ich Seine Heiligkeit verleugnen mußte, ich mußte ihn 'Separatist' oder 'Kopf der Schlange' nennen oder sagen, daß er das Mutterland zu spalten versuche. Das verletzte mich sehr, besonders weil Seine Heiligkeit nicht nur unser weltliches Oberhaupt, sondern auch unser geistiger Führer ist. Es war besonders schmerzhaft, sagen zu müssen, daß Tibet ein Teil Chinas sei. Ständig waren wir dieser Vergewaltigung unseres Gewissens ausgeliefert, einmal durch die Verhöhnungen der Wachen und noch schlimmer, wenn sie uns zwangen, selbst diese Dinge zu wiederholen."

Q 10)

Leusang

Leusang wurde 1979 in Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, geboren. Er wurde mit 12 Jahren Mönch. Im Dezember 1994 wurde er mit 15 Jahren verhaftet, nachdem er und vier andere 'Free Tibet' und ähnliche Schlagworte an das Büro eines chinesischen Offiziellen gemalt hatten. Er wurde 4 Monate im Gefängnis von Taktse festgehalten. Danach kam er für 1 Jahr und 9 Monate in das Trisam Arbeitslager, wo er zusammen mit Erwachsenen körperliche Arbeit leisten mußte. Man sagte ihm, er sei zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach seiner Entlassung durfte er nicht mehr Mönch sein. So hatte er keine andere Wahl, als nach Indien zu fliehen. Leusang meinte: "Das Schlimmste war, daß wir den ganzen Tag über arbeiten mußten. Wir hatten keine Möglichkeit, eine richtige Ausbildung zu erhalten."

Q 11)

Lhundup Monlam

Lhundup Monlam wurde 1971 in Gyangtse in der Region Shigatse geboren. Er wurde 1987 in dem Gyangtse Pelchoy Kloster Mönch. Im Februar 1990 wurde er verhaftet, weil er im Sommer 1988 Plakate aufgehängt hatte, auf denen stand, daß die Tibeter Menschenrechte haben müssen und Tibet ein unabhängiges Land ist. Zwei Jahre dauerte es, bis er mit den Plakaten in Zusammenhang gebracht wurde. Nach sechs Monaten in dem Gefängnis von Gyangtse wurde er in das Nyari Gefängnis von Shigatse verlegt und danach nach Drapchi in Lhasa. Er wurde zu 4 ½ Jahren verurteilt. Man erklärte ihm, daß sein Urteil auf 4 Jahre gelautet hätte, wenn er nicht so lange mit seinem Geständnis gezögert hätte.

Lhundup kam im April 1998 in Nepal und im Mai in Dharamsala an. Er meinte: "Das Schlimmste für mich war, als ich in dem Gefängnis von Gyangtse Tag und Nacht verhört wurde und keine Ruhe hatte. Ich war auch so schrecklich hungrig. Mein Großvater starb, als ich im Gefängnis war, was mich sehr mitnahm."

Q 12)

Lobsang Shakya

Lobsang Shakya wurde 1974 in Shigatse geboren. Er trat mit 12 Jahren dem Tashilhunpo Kloster bei. Im November 1995 wurde er zusammen mit anderen Mönchen seines Klosters verhaftet, weil sie sich geweigert hatten, den von den Chinesen bestimmten Panchen Lama anzunehmen. Er kam in das Karkhang Gefängnis und Militärlager außerhalb von Shigatse, wo er etwas über einen Monat festgehalten wurde, bis er ins Krankenhaus kam. Die inneren Verletzungen schreibt er den erlittenen Schlägen und der schlechten Gefängniskost zu. Mit Hilfe eines der Ärzte entfloh er aus dem Krankenhaus in ein entferntes Dorf. Im Juli 1997 verließ er Tibet, weil er niemals den von den Chinesen ernannten Knaben als Panchen Lama anerkennen könnte. Er meinte: "Das Schlimmste für mich war die Art und Weise, in der ich wie ein Tier geschlagen wurde. Die Chinesen quälten uns unmenschlich."

Q 13)

Lukar Jam

Lukar Jam wurde im Februar 1969 in der Ortschaft Sangnak von Kreis Shinghai der Tsolho TAP, Provinz Qinghai (Amdo) geboren. Er wurde im März 1993 bei seiner Rückkehr nach Tibet verhaftet, nachdem er ein Jahr eine Exilschule in Indien besucht hatte. Der Spionage angeklagt, wurde er im Juli 1994 von dem Volksgericht der Mongolischen und Tibetischen Autonomen Präfektur Tsonub zu 8 Jahren Gefängnis und wegen Organisierens einer 'konterrevolutionären' Bande zu noch einmal 10 Jahren, gefolgt von 5 Jahren Verlust der politischen Rechte verurteilt. Anfänglich wurde er in im Nyari Gefängnis von Shigatse und der Seitru Haftanstalt der TAR festgehalten. Dann kam er in die PSB Haftanstalt Terlingkha. Im April 1995 wurde er aus gesundheitlichen Gründen entlassen, weil er ernstlich erkrankt war und nur noch 30 kg wog.

Nachdem er von seiner Krankheit genas, verließ er Tibet und erreichte Dharamsala im November 1997. Er erzählte: "Das Schlimmste für mich ist, daß es keine Achtung für die Menschenrechte der Gefangenen gibt. Regelmäßig wird ihnen Gewalt angetan, obwohl es diese Rechte nach chinesischem Gesetz gibt. Die Gefängnisverwaltung handelt, wie sie will, ohne Rücksicht auf irgendein Gesetz. Schläge und Folter sind alltägliche Vorkommnisse in chinesischen Gefängnissen. Viele Gefangene sterben an den Mißhandlungen."

Q 14)

Ngawang Choedon

Ngawang Choedon wurde 1967 in Gamanunda, Meldro Gongkar, Bezirk Lhasa, geboren. Sie legte 1986 die Nonnengelübde ab. Anfänglich wohnte sie nicht im Kloster, aber schließlich ging sie dann in das Chubsang Nonnenkloster, wo sie 4 Monate blieb. Sie wurde im Oktober 1989 festgenommen, nachdem sie an den Monlam Demonstrationen am Barkhor teilgenommen hatte. Zusammen mit drei anderen Nonnen rief sie "Tibet gehört den Tibetern, Chinesen verlaßt Tibet." Sie wurde in die Gutsa Haftanstalt gebracht und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei Jahre und vier Monate wurde sie in Gutsa festgehalten und dann in das Trisam Arbeitslager verlegt. Nach acht Monaten wurde sie im Oktober 1992 entlassen. Im April 1993 kam sie in Dharamsala an. Sie gibt an: "Als ich im Gefängnis war, glaubte ich nicht, daß ich jemals wieder herauskäme und dachte, ich würde dort sterben. Das Schlimmste für mich war, als wir sahen, wie die kriminellen Gefangenen sich frei bewegten, und wir immer noch eingesperrt waren und keine Freiheit hatten. An die Schläge erinnere ich mich nicht so sehr, weil ich damals so sehr aufgebracht war."

Q 15)

Ngawang Choezom

Ngawang Choezom wurde 1973 in Toelung, Kreis Dechen geboren. Sie trat 1987 dem Chubsang Kloster bei. Im Oktober 1989 wurde sie verhaftet, als sie an einer Demonstration um den Barkhor zusammen mit drei anderen Nonnen teilnahm. Sie kam nach Gutsa, wo sie zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Dort wurde sie so krank, daß sie nach einem Jahr und 10 Monaten entlassen wurde und ins Krankenhaus kam. Ngawang Choezom verließ 1992 Tibet, weil sie als ehemalige Gefangene aus ihrem Kloster verstoßen wurde und in Indien ihr religiöses Leben fortsetzen wollte. Sie meinte: "Das Schlimmste für mich war die Zeit, als ich so krank war, meine Lage war wirklich schwer zu ertragen."

Q 16)

Palden Gyatso

Palden Gyatso wurde 1931 in Panam, Gyantse, in der Region Shigatse der TAR geboren. Mit 10 Jahren trat er in das Gadong Kloster in Shigatse ein und begab sich sechs Jahre später in das Drepung Kloster bei Lhasa. Paldan Gyatso wurde erstmals Ende 1959 verhaftet, als er an dem tibetischen nationalen Aufstand am Norbulingka in Lhasa teilnahm. Im ganzen war er 33 Jahre in Gefangenschaft bis zu seiner endgültigen Entlassung 1992, abgesehen von einer kurzen Unterbrechung, als er 1962 für einen Monat und 18 Tage in sein Drepung Kloster zurückkehren konnte. Er durchlief eine ganze Reihe von Gefängnissen: Drapchi, das Kreisgefängnis Panam, die Haftanstalten von Gyantse, Shigatse, Outridu und Nyethang. Nach Ableistung eines Urteils von 15 Jahren (7 Jahre für Teilnahme an dem Aufstand und weitere 8 Jahre für einen Fluchtversuch) kam er für 10 Jahre (ohne Urteil) in Administrativhaft. 1983 erfuhr er eine weitere Verurteilung für 8 Jahre, weil er Wandplakate mit dem Ruf nach Unabhängigkeit angebracht hatte, die er selbst unterschrieben hatte.

Infolge der langen Zeit seiner Einkerkerung in verschiedenen Gefängnissen hat Palden Gyatso viele schreckliche Dinge durchgemacht: Er sah von 1960 bis 1962 unzählige Mitgefangene verhungern; seine Zähne fielen aus, nachdem ihm ein elektrischer Viehstab in den Mund gestoßen wurde; er mußte die Erde pflügen wie ein Tier; er wurde während der Kulturrevolution langen und qualvollen thamzing Sitzungen ausgesetzt; er war Zeuge, wie Mitgefangene wegen unterlassener medizinischer Versorgung starben; bei einer Verprügelung wurde ihm die Schulter ausgerenkt. Er entfloh im September 1992 aus Tibet.

Seine Erfahrung: "Das Schlimmste für mich war, daß wir zusätzlich zu den täglichen politischen Zusammenkünften auch noch die grausamen Befragungssitzungen durchmachen mußten, in denen wir sagen mußten, daß Tibet ein Teil Chinas ist. Ich war ja gerade im Gefängnis, weil es meine feste Überzeugung ist, daß dies nicht stimmt. So etwas von mir zu geben, war gegen meine tiefste Überzeugung, doch sie schlugen uns, bis wir solche Dinge sagten. Das war nicht nur für uns im Gefängnis demoralisierend, sondern es hatte Auswirkung auf die gesamte tibetische Gemeinschaft und ihren Kampf um Unabhängigkeit, wenn sie hörten, daß sogar die politischen Gefangenen zugaben, daß Tibet ein Teil Chinas ist. Das war eine schreckliche Qual für uns. Wir lebten in ständiger Furcht vor diesen Fragestunden und was für Erklärungen wir dabei abgeben müßten. Wir wußten, daß wir geschlagen werden, wenn wir nicht das sagten, was sie hören wollten, und daß diese Fragesitzungen immer wieder kommen würden, sie waren einfach unvermeidlich. Es war so schrecklich, daß ich Dinge sagen mußte, die völlig gegen meine Überzeugung waren. Bis zu meiner Entlassung war der Gedanke an die bevorstehenden Fragesitzungen mein schlimmster Alptraum. Gab es einmal einen kurzen Moment in meinem Leben, in dem ich ein wenig glücklich war, so erinnerte ich mich gleich wieder daran, daß ich jeden Augenblick gerufen werden kann und mich gegen alles, was mir im Leben teuer ist, stellen muß."

Q 17)

Rinzin Kunsang

Rinzin Kunsang wurde 1965 in Jelsam Nu, Kreis Nyemo, Bezirk Lhasa geboren. Sie wurde mit 19 in dem Shubseb Kloster Nonne. Im Mai 1988 wurde sie festgenommen, nachdem sie mit zwei Mönchen und acht anderen Nonnen, darunter auch Tenzin Choedon, um den Barkhor herum demonstrierte und Parolen wie "Lange lebe Seine Heiligkeit der Dalai Lama" und "Chinesen raus aus Tibet" rief und Flugblätter mit derselben Botschaft verteilte. Sie wurde zwei Monate in der Gutsa Haftanstalt festgehalten, ehe sie im Juli 1988 auf eine Vermittlung des Panchen Lamas zugunsten politischer Gefangener entlassen wurde. Rinzin kam um 1992 in Indien an. Sie meinte: "Das Schlimmste für mich war der Hunger. In den ersten Tagen war es auch sehr schwierig, Tag und Nacht in eine Zelle eingeschlossen zu sein, ohne sich bewegen zu können."

Q 18)

Sonam Dolkar

Sonam Dolkar wurde 1967 in Lhasa geboren. Vor ihrer Verhaftung war sie Schneiderin in Lhasa. Sie wurde im August 1990 verhaftet, weil sie einige Zeit lang politisch aktiv gewesen war. Sie hatte 1987, 1988, und 1990 demonstriert. 1987 und 1988 wurden vier Nonnen verhaftet. Als diese entlassen wurden, interviewte sie sie, setzte Schriftstücke über ihre Behandlung auf, die der tibetischen Exilregierung und anderen Ländern zugeleitet werden sollten. Die Behörden lasteten später Sonam die Verfassung dieser Dokumente an. Sonam wurde zwei Tage nach Gutsa gebracht und dann nach Seitru, wo sie 1 Jahr gefangen gehalten wurde. Als die Zeit ihrer Verurteilung nahte, wurde sie infolge der in Seitru erlittenen Mißhandlungen sehr krank und mußte ins Krankenhaus eingeliefert werden. Während sie dort lag, wurde sie zu 10 Jahren Haft verurteilt. Als sie davon erfuhr, floh sie mit Hilfe einiger Freunde aus Tibet, um dieser langen Gefangenschaft zu entgehen. Im Oktober 1991 kam sie nach 3 Monaten in Dharamsala an. Sie erinnerte sich: "Als mir all die Fragen gestellt und ich über Monate hinweg mißhandelt wurde, war ich sehr traurig und niedergeschlagen."

Q 19)

Tenzin Choedon

Tenzin Choedon wurde 1970 in dem Dorf Tapluaga, Kreis Toelung, Präfektur Lhasa geboren. Sie trat mit 16 Jahren in das Shugseb Kloster ein. Im Mai 1988 wurde sie verhaftet, weil sie zusammen mit zwei Mönchen und 8 Nonnen, darunter auch Rinzin Kunsang, demonstriert hatte. Sie wurde in die Gutsa Haftanstalt gebracht und nach zwei Monaten entlassen. Man sagte ihr, daß sie wegen ihres jugendlichen Alters freigelassen würde und sie bei dem Protest wohl nur mitgemacht hätte, weil andere sie dazu gezwungen hätten. Diese anderen würden nun vernommen werden.

Tenzin verließ Tibet im Dezember 1991, weil sie nunmehr, da sie im Gefängnis gewesen war, aus ihrem Kloster verstoßen wurde und keinen Platz mehr hatte, wo sie wohnen könnte. Sie traf im selben Monat im Exil ein. Ihre Aussage ist: "Das Schlimmste war die vielfältige Weise, auf die wir gefoltert wurden, besonders die Elektroschocks oder wenn sie meinen Kopf gegen die Wand preßten und dann mit ihren stahlbeschlagenen Stiefeln nach ihm kickten. Dann schwoll mein Kopf schrecklich an und war voller blauer Flecken. Ein Arzt aus dem Westen, der mich nach meiner Entlassung untersuchte, sagte, daß ich wegen dieser Folterung nun neurologische Störungen im Rücken und Probleme mit der Leber und den Nieren hätte. Ich bekomme auch oft schreckliche Migräneanfälle, bei denen mir sehr übel ist. Obwohl es mir so dreckig erging, war ich froh, daß ich etwas für mein Land tun konnte. Als ich derart gefoltert wurde, empfand ich es mit einem Teil meines Wesens nicht wirklich, weil ich wußte, daß ich meinen Teil für die Befreiung Tibets leistete."

Q 20)

Thupten Tsering

Thupten Tsering wurde 1925 in Kreis Damshung, Lhasa, geboren. Er war ein Mönch aus dem Kloster Sera. Im Dezember 1996 floh er nach Indien. Er wurde mehrere Male verhaftet, etwa 1960, 1965 und im Dezember 1987, als er einem italienischen Touristen bei einer Videoaufnahme über den Mangel an religiösen Rechten und wirtschaftlichen Aussichten für Tibeter klagte. Thupten wurde erstmals 1960 verhaftet und drei Monate zu "Erziehungszwecken" in ein Lager in Kreis Phenpo Lundrup, Präfektur Lhasa, verbannt. 1965 wurde er erneut verhaftet und kam nach Gutsa. Dann wurde er nach Outridu in dem Sangyip Gefängnis Komplex verlegt und zu 7 Jahren verurteilt. Offiziell wurde er 1972 entlassen, aber mußte trotzdem noch bis 1979 in einem Arbeitslager in Outridu bleiben. 1979 war er immer noch nicht frei, aber bekam einen Nominallohn für seine Arbeit. Bis 1987 blieb er in Outridu. Im Dezember desselben Jahres, als er in Lhasa wohnte, wurde Thupten zusammen mit Yulo Dawa Tsering verhaftet und in das Seitru Gefängnis von Sangyip zurückgebracht. Auf seine Verurteilung zu 6 Jahren hin wurde er in das Drapchi Gefängnis gebracht. Er erinnert sich: "Das Schlimmste für mich war die Folterung, die ich in Gutsa erlitt. Ich wurde gefoltert, weil ich meine tsampa mit anderen Gefangenen geteilt hatte. Mir wurden Fingerschrauben angelegt, und ich wurde so schrecklich geschlagen, daß ich später an Inkontinenz litt."

Q 21

Yeshe Togden

Yeshe Togden wurde um 1965 in Meldro Gongkar geboren. Er wurde Mönch und trat in Kloster Gaden ein. Er wurde zweimal verhaftet, das erste Mal am 5. März 1988, nachdem er während des Monlam Festes demonstriert hatte, und das zweite Mal am 9. März 1989, ebenfalls wegen einer Demonstration in Lhasa. 1988 wurde er in Gutsa festgehalten und kam dann für 5 Monate nach Outridu in dem Sangyip Gefängnis Komplex. 1989 wurde er zuerst nach Outridu und dann nach Seitru gebracht und über 2 Monate festgehalten. Er verließ Tibet 1990, weil er wegen seiner Teilnahme an zwei Demonstrationen in kein Kloster mehr zurückkehren konnte. Nach seiner zweiten Gefangenschaft wurden auch seine Bewegungen eingeschränkt, so daß er sich von seinem Wohnort nicht mehr als eine Woche entfernen durfte. Er meinte: "Für mich war das Schlimmste, daß ich nicht offen das sagen konnte, was ich dachte und fühlte, und wegen der drohenden Schläge und Vergeltungen nicht ehrlich sein konnte."

Q 22)

Yeshi Damdul

Yeshi Damdul wurde im Dezember 1970 in Gongkar, Region Lhoka, geboren. Als er 17 Jahre alt war, studierte er zwei Jahre lang in dem Sungrapling Kloster und dem Drepung Kloster. 1988 und 1989 demonstrierte er in Lhasa, entging jedoch der Verhaftung. Nun kehrte er in sein Dorfkloster nach Gongkar zurück, wo er politischer Aktivität nachging. Er stellte Mauerplakate und Flugschriften mit antichinesischer Aufschrift her. Nach einiger Zeit entdeckten die Behörden dies und ließen ihn verhaften. Yeshi wurde 8 Monate lang im Tsethang Gefängnis festgehalten. Nach der Verurteilung kam er nach Drapchi. Zweimal wurde er vor Gericht gestellt, wobei ihm beim ersten Mal erklärt wurde, seit 1959 sei er der erste, der wegen eines politischen Deliktes vor Gericht gestellt würde. Er wurde der "konterrevolutionären Propagandaaktivität" für schuldig befunden und zu 5 Jahren verurteilt. Man erklärte ihm, das Urteil hätte wegen der Schwere seines Verbrechens eigentlich länger ausfallen müssen, wegen seines jugendlichen Alters von 19 Jahren hätte man jedoch Milde walten lassen. Er wurde im März 1994 entlassen.

Yeshi gab an: "Das größte Problem im Gefängnis war das Magengeschwür, das sich nach den Mißhandlungen bildete. Mit dieser Krankheit war es sehr schwierig für mich, weil das Essen so schlecht war, und wir keine andere Wahl hatten, als es zu uns zu nehmen. Ich konnte es nicht richtig verdauen und hatte oft schreckliche Magenschmerzen und Durchfall. Ich leide immer noch an den Nachwirkungen."

Teil R

Zusammenfassung

Tausende von Tibetern wurden in chinesische Strafanstalten eingesperrt seit der chinesischen Besetzung Tibets. Ununterbrochen während der letzten vierzig Jahre wurden tibetische Gefangene physisch und psychisch mißbraucht, der zwangsweisen Umerziehung unterworfen und in ihrer Identität als Tibeter beeinträchtigt. Tibeter haben kein Recht auf Rede- und Meinungsfreiheit, auf Versammlung oder Vereinigung und wurden brutal in den Gefängnissen bestraft, wenn immer sie versuchen, diese Rechte auszuüben.

Die Behandlung der politischen Gefangenen in den chinesisch verwalteten Gefängnissen in Tibet bleibt weit zurück hinter den allgemein akzeptierten internationalen Normen. Überdies stellt sie eine Verletzung vieler Gesetze der PRC selbst dar und der Bestimmungen über das Verhalten der PSB und PAP Bediensteten. Sie verletzt auch die internationalen Konventionen, welche die PRC ratifizierte, wie etwa die Konvention gegen Folter und die Konvention über die Rechte des Kindes. Die Anwendung von Folter und körperlicher Züchtigung ist weit verbreitet in ganz China. Die Mißhandlung der tibetischen Gefangenen scheint jedoch ganz besonders unmenschlich zu sein. Sie werden insofern herausgegriffen, als ihnen die Freiheit, ihre Religion auszuüben, geraubt wird, sowie das Vermögen, ihre besondere kulturelle und nationale Identität zu behaupten. Ein großes Gewicht wird der vom Staat befohlenen Umerziehung beigemessen.

Fast alle politischen Gefangenen in Tibet, darunter auch die hier interviewten, wurden wegen gewaltloser Verbrechen eingesperrt, gewöhnlich, weil sie Unabhängigkeitsparolen gerufen und Flugblätter hergestellt und dann verteilt hatten. Im Kontrast dazu ist die Behandlung, die sie in den Mühlen des chinesischen Strafsystems erfahren, von brutaler Gewalt geprägt.

Der letzte Gefangene, der interviewt wurde, wurde 1996 entlassen. Ein Brief von politischen Gefangenen im Drapchi Gefängnis vom März 1997 bestätigt, daß die Brutalitäten, wie sie hier berichtet werden, unvermindert anhalten. Während die Form, welche die Mißhandlung der Gefangenen annimmt, sich von Zeit zu Zeit ändert, ist es klar, daß sie weiterhin verübt wird. Mit welcher Brutalität die Gefängnisleitung den Gefangenen gegenübertritt, kommt deutlich durch ihr Verhalten im Mai 1998 zum Ausdruck, als PAP Soldaten und Wachposten das Feuer auf eine Gruppe protestierender Gefangenen eröffneten. Elf Gefangene sollen durch die Schüsse und die Folterungen umgekommen sein.

Die Berichte des TCHRD zeigen, daß es im Januar 1998 etwa 1.200 politische Gefangene in Tibet gab. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit werden sie denselben Brutalitäten und Entwürdigungen, welche die ehemaligen, in diesem Report interviewten Gefangenen erlitten, unterworfen. Sehr wenige tibetische politische Gefangene durchlaufen die Gefangenschaft in chinesischen Strafanstalten, ohne in der erniedrigendsten und grausamsten Weise, die man sich nur vorstellen kann, mißbraucht zu werden.

Sowohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, als auch die Konvention gegen Folter fordern: "Niemand darf Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt werden". Während einige chinesische Gesetze erlassen wurden, um solchem Mißbrauch Einhalt zu gebieten, zeigt die Realität, daß er weiterhin in chinesischen Gefängnissen verübt wird. In den chinesisch verwalteten Gefängnissen in Tibet werden die politischen Gefangenen physisch und mental unter ungeheuren Druck gesetzt; oft werden sie in leere, kalte Zellen eingeschlossen und bekommen schmutzige, magere Kost. Sie müssen an dem politischen Unterricht teilnehmen, wo sie dahingehend "erzogen" werden, daß sie den chinesischen Anspruch auf Tibet für richtig halten und die "Wohltaten" der chinesischen Besatzung schätzen lernen sollen.

Es kann keine Entschuldigung für all die Grausamkeiten geben, die weiterhin gegen tibetische politische Gefangene verübt werden. Aber weit davon entfernt, eine Entschuldigung zu suchen, scheinen die chinesischen Gefängnisaufsichtsbehörden die Art, in der die Gefangenen behandelt werden, entweder zu ignorieren oder bewußt zu billigen. Kürzliche offizielle Feststellungen von chinesischen Regierungsvertretern zeichnen ein helles Bild der tibetischen Gefängnisse, während die Berichte der ehemaligen Gefangenen als ein trauriges Denkmal ihrer tatsächlichen Behandlung dastehen.

Teil S

Empfehlungen

Bei und nach der "Verhaftung" sollten die Gefangenen human behandelt werden. Das Benehmen der Vernehmungsbeamten muß den Vorschriften gemäß sein, und der Gebrauch der körperlichen Züchtigung als ein Mittel der Befragung und Bestrafung für jede vermeintliche schlechte Disziplin muß aufhören. Der Einsatz von elektrischen Schockmethoden, Kaltzellen und anderen Foltertechniken muß sofort eingestellt werden.

Die Angehörigen eines Festgenommenen sollten sofort, nachdem er festgenommen wurde, über seinen Aufenthaltsort informiert werden. Während die revidierte CPL (Criminal Procedure Law) vorsieht, daß die Polizei die Familie eines unter Verdacht Stehenden innerhalb von 24 Stunden nach seiner Verhaftung zu informieren hat, wird diese Benachrichtigungspflicht oft ganz ignoriert.

In jedem Haftzentrum und Gefängnis sollte es wenigstens einen Verantwortlichen geben, bei dem die Gefangenen über Verletzungen ihrer Rechte Klage einreichen können.

Die Gefangenen sollten eine angemessene und nahrhafte Kost bekommen, damit ihre Gesundheit gewährleistet wird.

Verordnungen über das Benehmen sowohl der Gefangenen als auch der Wachen sollten in dem Gefängnis ausgehängt werden (bisher gelten diese Regeln nur für das Verhalten der Gefangenen).

Gefangene sollten das Recht auf eine normale gesetzliche Vertretung vor und während der Gerichtsverhandlung bekommen.

Gefangene sollten die Möglichkeit haben, sich regelmäßig zu waschen und die Toilette zu aufzusuchen.

Gefangene müssen das Recht haben, ihre Religion frei auszuüben. Tibetischen Gefangenen sollte gestattet werden, ihre Niederwerfungen auszuführen, ihre Gebetsketten bei sich zu tragen, heilige Schriften und Bilder von tibetischen Gottheiten zu besitzen und Mantras ohne Furcht vor Verfolgung und Bestrafung rezitieren zu können.

Die Gefängnisarbeit sollte darauf ausgerichtet sein, daß die Gefangenen laufende, praktische Fertigkeiten lernen. Strafanstalten sollten nicht als profitausgerichtete Unternehmen betrieben werden.

Den Gefangenen sollte gestattet werden, ihr Recht auf Ausdrucksfreiheit auszuüben. Die Indoktrination der politischen Gefangenen mit prochinesischer Propaganda stellt eine Verletzung ihres Rechtes auf eine eigene Meinung dar. Der Einsatz von Gewaltmitteln, um die gewünschte Antwort auf die an sie gerichteten Fragen zu erzwingen, muß sofort aufhören.

Gefangene sollten einen Anspruch auf eine richtige medizinische Versorgung in den Strafanstalten, in denen sie eingesperrt sind, mit einem qualifizierten medizinischen Personal und geeigneten Medikamenten haben. Arznei mit abgelaufenem Verfallsdatum sollte niemals ausgegeben werden. In Fällen ernstlicher Erkrankung sollte die Behandlung außerhalb des Gefängnisses stattfinden. Die Kosten der Krankenhausbehandlung sollte von dem Staat getragen werden und nicht den Angehörigen aufgebürdet werden. Das jüngste Vorgehen der Behörden, daß die bewaffnete Polizei auf Gefangene schoß, um die Proteste in Drapchi zu unterdrücken, ist absolut zu verurteilen. Gewaltlose Methoden sollten zur Wiederherstellung der Ordnung verwendet werden. Die Gefangenen sollten nicht durch den Gebrauch der Folter oder herabwürdigender Behandlung für das Zum-Ausdruck-Bringen ihrer Meinung bestraft werden. Den Gefangenen sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre Ansichten über die Haftbedingungen und andere sie belastende Umstände zur Kenntnis zu bringen.

Nach der Entlassung sollten die tibetischen politischen Gefangenen ohne fortwährende Belästigung und ohne Überwachung und Einschränkung ihrer Bewegungen wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden.

Die Behandlung der weiblichen Gefangenen muß besser werden. Jede Form des sexuellen Mißbrauches oder der Belästigung muß aufhören. Weibliche Gefangene sollten mit Damenbinden versorgt werden.

Jugendliche müssen in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung der PRC und ihren internationalen Verpflichtungen unter der Konvention für die Rechte des Kindes von Erwachsenen gesondert gehalten werden.

Teil T

Anhang: Gefängniserweiterung zur Unterbringung von mehr Gefangenen

Aus: TCHRD: Human Rights Update vom Oktober 1999

Zwei der Haupt Gefängniskomplexe in Lhasa, das TAR Gefängnis No. 1 (Drapchi) und das Sangyip Gefängnis, wurden ausgeweitet, was auf ein Anwachsen der Gefängniskapazität in Lhasa schließen läßt. Tibet Information Network zugegangene Photos der neuen Anlage zeigen, daß in Drapchi eine neue Zementfabrik aus zwei Produktionseinheiten eröffnet wurde. Der Einsatz von Gefangenenarbeit für die wirtschaftliche Entwicklung Tibets ist eine erklärte Politik in der TAR. TIN berichtete weiter, daß in den nordöstlichen Vororten Lhasas in dem Sangyip Sicherheits-Komplex ein neuer Zellenblock gebaut wird. Wenn alle Trakte zur Unterbringung von Gefangenen benützt werden, dann bedeutet dies annähernd eine Verdoppelung der Gefängnispopulation von Outridu seit 1997. Eine neue Gefängniseinheit neben dem Hochsicherheits Haft- und Verhörzentrum in Sangyip stand bereits im Sommer 1997 vor der Fertigstellung. Ein neuer paramilitärischer Ausbildungskomplex in Sangyip mit Kasernen und Paradeplatz wurde auf bisherigen landwirtschaftlichen Anbauflächen gebaut. In Drapchi erschien ein neuer dreistöckiger Zellenblock, vor dem eine große Betonfläche zu sehen ist.

Teil U

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