14. Mai 2021
Tibet Watch, www.tibetwatch.org, Radio Free Asia, www.rfa.org

Neue Richtlinie verbannt in Zentraltibet religiöse Symbole und Gegenstände aus den Schulen

Chinesische Behörden führen in Tibet eine politische Kampagne durch, die sich gegen den Besitz von Gegenständen richtet, die symbolisch für die religiöse und kulturelle Identität Tibets stehen.

Anfang April ordneten die chinesischen Behörden an, daß tibetische Eltern und Erziehungsberechtigte keine religiösen Gegenstände wie Gebetsmühlen und Gebetsketten mit sich führen dürfen, wenn sie ihre Kinder in der Schule besuchen. Auch das Rezitieren von Mantras und Gebeten wurde in den tibetischen Schulen des Bezirks Sog (chin. Suo) in der Präfektur Nagchu in Zentraltibet untersagt.

Tibetische Schulkinder in Tibet,
Foto: Tibetan Review

„Nun, da sich China auf die Feier des 100. Jahrestags der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) am 1. Juli vorbereitet, verstärken die Behörden ihre Bemühungen, die Ideologie der Partei in tibetischen Landkreisen, Städten, Klöstern und Schulen zu verbreiten“, sagte ein im Bezirk Sog der Präfektur Nagchu, TAR, lebender Tibeter RFA.

Die Ankündigung war auf Anschlagtafeln zu lesen und lautet:

„Schulen sind Orte, um zu Sozialisten zu erziehen und sie weiterzubilden, und sollten nicht als Orte genutzt werden, an denen Rituale und Traditionen befolgt werden“, wurde der Anschlag zitiert, der Eltern und Schüler zum richtigen Verhalten mahnen soll. Es ist strengstens verboten, daß Eltern, wenn sie ihre Kinder besuchen, die Schule mit religiösen Gegenständen, wie Gebetsmühlen und Gebetsketten, betreten und Mantras rezitieren.

Die Restriktionen wurden für Grund- und Mittelschulen im Bezirk Sog verhängt. So werden tibetische Familien gezwungen, den Anweisungen der KPCh zu folgen und ihr die Treue zu beweisen.

Mitgliedern der Kommunistischen Partei Chinas und Regierungsangestellten, einschließlich Rentnern, ist es schon lange verboten, ihre religiöse Praxis offen zur Schau zu stellen, „aber diese neuen Einschränkungen für das Verhalten der Eltern der Schüler stellen eine komplette Verletzung ihrer Rechte und einen Affront gegen die tibetische Religion und Kultur dar“, hieß es aus der Quelle.

Verbot auf einer Schultafel im Bezirk Sog

Die in der Hand gehaltene Gebetsmühle wird auf Tibetisch „Mani lag khor“ genannt. Im Inneren des Kupferzylinders befindet sich eine Schriftrolle mit heiligen tibetisch-buddhistischen Texten, die von der Mitte ausgehend um einen Metallstab gewickelt und oben mit einer Art spitzen Kuppel versehen ist. Sein anderes, längeres Ende ist in eine hölzerne Halterung zum Rotieren gesteckt. Die Geschichte des „Mani lag khor“ ist ebenso reichhaltig, wie seine Bedeutung für das Verbot relevant ist. Ähnlich wie die Gebetsketten diente das „Mani lag khor“ durch sein ausgeklügeltes Design und seine Verwendbarkeit der tibetischen Laienbevölkerung als wichtige greifbare Unterstützung für die Meditation und Rezitation tibetisch-buddhistischer Mantras und anderer Gebete.

Das Tragen von Gebetsketten, ob um den Hals oder am Handgelenk - zum Abzählen von Perlen in Verbindung mit dem Rezitieren von Gebeten - ist eine gängige Praxis unter Tibetern und wird besonders von Eltern von Schulkindern gepflegt. Ebenso ist das Tragen von heiligen Schnüren, die von Lamas geknotet und gesegnet worden sind, eine gängige Praxis. Das Tragen von Gebetsmühlen ist besonders bei älteren Menschen üblich.

Letztes Jahr wurde, wie Satellitenbilder zeigten, in der nämlichen Präfektur Nagchu das tibetisch-buddhistische Mantra Om mani padme hum von den Felsen abgeschrubbt und durch die chinesische Nationalflagge ersetzt *.

China fährt damit fort, die tibetische Identität neu zu definieren, indem es fast jeden Aspekt der Gesellschaft einschränkt, dabei mit besonderem Augenmerk auf die tibetischen Klöster. Um den Einfluß des tibetischen Buddhismus in ganz Tibet zu eliminieren, suchen chinesische Offizielle regelmäßig die Klöster heim, wo Mönche, die sie als „Störenfriede“ ausmachen, gezwungen werden, chinesisches Mandarin zu lernen und ein Loblied auf Xi Jingpings Vision der Sozialistischen Neuen Ära und Chinas Politik und seine Führer zu singen.

Xi Jinpings Kampagne zur „Sinisierung der Religionen in China“ wird in Tibet von Parteiführern und Kadern ständig in Worte gefasst, mit dem Ziel, den tibetischen Buddhismus gewaltsam Xi Jinpings Vision von dem, was Tibet oder Religion ausmachen sollten, anzugleichen. Immer wieder ertönt Propaganda gegen die Überzeugung der Mönche, es wird von ihnen verlangt, daß sie „die Führung der KPCh hochschätzen, den Patriotismus fördern und tradieren und mutig alle separatistischen Elemente bekämpfen, um die nationale Einigung, die ethnische Einheit und die soziale Stabilität weiter zu konsolidieren“.

Die bereits bestehenden Beschränkungen für den Gebrauch der tibetischen Sprache in tibetischen Schulen, bei denen der Unterricht in Mandarin bevorzugt wird, bewirkten bereits, daß tibetische Kinder ihre eigene Sprache nicht mehr fließend beherrschen, so die Quellen.

Das Recht auf die eigene Sprache ist in den letzten Jahren zu einem besonderen Fokus für die Bemühungen der Tibeter, ihre nationale Identität zu behaupten, geworden. Informell organisierte Sprachkurse in den Klöstern und Städten werden jedoch als von illegalen Vereinigungen organisiert angesehen und die Lehrer verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.

* 29.1.21 „Tibetisches Mantra an einem Berghang in Nagchu durch die chinesische Flagge ersetzt“, http://www.igfm-muenchen.de/tibet/ftc/2021/Mantra%20destroyed_29.1.21.html