7. September 2021
Radio Free Asia, www.rfa.org, CTA, www.tibet.net, Free Tibet, www.freetibet.org

Acht weitere Tibeter wurden in Sichuan wegen Dalai-Lama-Fotos und ihres Einsatzes für Sprachrechte verhaftet - insgesamt 121 seit Mitte August

Chinesische Beamte haben am 3. September acht weitere Tibeter verhaftet, darunter sechs Mönche des Klosters Dza Wonpo Gaden Shedrup und zwei Frauen aus der Gemeinde Dza Wonpo im Kreis Sershul (chin. Shiqu) in der TAP Kardze (chin. Ganzi), Provinz Sichuan. Die Verhaftungen am vergangenen Freitag folgten auf zwei frühere Razzien, bei denen Polizei- und Militärbeamte 113 Personen festnahmen und inhaftierten, weil sie entweder Bilder Seiner Heiligkeit des Dalai Lama aufbewahrt oder mit Exiltibetern kommuniziert hatten.

Innerhalb von zwei Wochen haben die chinesischen Behörden in der Gemeinde Dza Wonpo also 121 Tibeter festgenommen, sowohl Mönche als auch Laien. Nur vier von ihnen (ein Mönch, eine Frau und zwei Männer) sind bisher wieder freigelassen worden. Die übrigen werden weiterhin im Bezirk Sershul festgehalten.

Dza Wonpo

Die Namen und Einzelheiten zu den acht am vergangenen Freitag Festgenommenen sind noch nicht bekannt. Quellen zufolge wurde jeder einzelne der Mönche von einer Gruppe von Polizei- und Militärbeamten aus Dza Mey (Unter-Dzachukha) zu ihren Unterkünften geführt, wo die Behörden gründliche Hausdurchsuchungen bei ihnen vornahmen. Dann brachten sie sie, ebenso wie die zwei Frauen, in den Kreis Sershul.

Viele der über einhundert seit Ende August verhafteten Tibeter hatten sich für den Gebrauch der tibetischen Sprache eingesetzt, die ein wichtiger Bestandteil der tibetischen nationalen Identität ist.

Die Identität der Festgenommenen und Einzelheiten über die gegen sie erhobenen Anklagen waren nicht sofort verfügbar, da die chinesische Polizei die Kommunikation in den tibetischen Gebieten streng reglementiert.

Viele der Tibeter, die bei früheren Razzien in der Region seit dem 25. August verhaftet wurden, waren Mitglieder einer lokalen Gruppe, die sich für die Verwendung und den Erhalt der tibetischen Sprache einsetzte, die jetzt auf Anweisung der Regierung durch Chinesisch als alleiniges Unterrichtsmedium in den lokalen Schulen ersetzt wird.

„Diese Bildungspolitik, die die chinesische Regierung jetzt aggressiv umsetzt, könnte einer der Gründe für diese Reihe von Verhaftungen in der Region sein, bei denen Tibeter festgenommen werden, die sich einfach nur für den Schutz der tibetischen Sprache einsetzen“, verlautet aus der Quelle von RFA.

„Die anhaltende Verhaftungswelle in Dza Wonpo zeigt, daß die chinesische Regierung keinen Ansatz von Loyalität der Tibeter gegenüber etwas anderem als der eigenen  Macht duldet“, sagte Sophie Richardson, Direktorin der China-Abteilung bei Human Rights Watch in New York.

In der Region Dza Wonpo hat es in der Vergangenheit immer wieder Proteste gegen die chinesische Politik und Herrschaft gegeben, seit im Jahr 2008 weit verbreitete Proteste die tibetischen Regionen erschütterten. Die chinesische Regierung betrachtet Dza Wonpo als eine politisch sensible Region, die weiterhin streng überwacht wird.

Paramilitärische Kräfte auf den Straßen von Dza Wonpo (screengrab CTA)

Mit diesen jüngsten Verhaftungen wurden seit August fast 121 Tibeter verhaftet, und wir haben erfahren, daß die meisten dieser verhafteten Tibeter Mitglieder einer sozialen Gruppe waren, die sich für den Schutz der tibetischen Sprache einsetzt und Sprachkurse durchführte.

Es ist offensichtlich, daß die chinesische Regierung ihre Bildungspolitik in den letzten Jahren aggressiv umgesetzt hat, was zu einer allmählichen Verdrängung der tibetischen Sprache führt, und all dies steht im Zusammenhang mit den Ereignissen in Dza Wonpo.

Einer anonymen Quelle von Tibet Watch zufolge wird immer noch eine Durchsuchungsaktion im Kloster und im Ort durchgeführt, um Tibeter mit Kontakten zu im Exil Lebenden und mit Bildern des Dalai Lama auf dem Handy aufzuspüren. Seit dem 31. August wurden Gruppen von jeweils 20 Mönchen zu Verhören vorgeladen und gezwungen, der Polizei zu versichern, daß sie keine Kontakte mit Tibetern außerhalb Tibets pflegen, daß sie sich an die Gesetze des Landes halten und daß sie keine sensiblen Informationen in den sozialen Medien verbreiten werden.

Die chinesischen Behörden haben zwei Mönche der Verwaltung des Klosters Dza Wonpo damit beauftragt, die Bewegungen der Mönche zu überwachen und diejenigen zu kontrollieren, die sich weigern, an den offiziellen Programmen teilzunehmen und bei der Suche nach den Bildern zu kooperieren.

Zusätzlich zu den Überwachungskameras, die nach Angaben der Quellen in jedem Winkel des Klosters und der Dörfer installiert wurden, und dem massiven Einsatz von bewaffneten Kräften in und um das Kloster und die Stadt Dza Wonpo haben die chinesischen Behörden zivile Spione aus dem Kloster und den Dörfern rekrutiert, die über die Bewegungen und Aktivitäten der Tibeter und Mönche vor Ort berichten müssen. Die anonyme Quelle brachte das wachsende Klima der Angst zum Ausdruck, das unter den Tibetern herrscht, weil sie sich vor internen Informanten fürchten.

Das Leben der Tibeter in der Stadt Dza Wonpo hat sich seit November 2019 verschlechtert, als sechs junge Tibeter protestiert und die Unabhängigkeit Tibets gefordert hatten. Vor ihrem Protest hatten chinesische Beamte, die die Region bereisten, den örtlichen Tibetern befohlen, China und die Kommunistische Partei zu loben. Einwohner, die die KPCh loben, werden in der Regel gefilmt und von den offiziellen Nachrichtensendern als Beweis für glückliche und wohlhabende Tibeter im besetzten Tibet verbreitet, während der Dalai Lama als Separatist bezeichnet und jahrzehntelange Menschenrechtsverletzungen, die von Tibetern im Exil dokumentiert wurden, als falsche Anschuldigungen dargestellt werden.

Die Durchsuchungen und Razzien, die im August begannen, sind eine Fortsetzung der intensiven Razzien im März 2021, nachdem der 19-jährige Tenzin Nyima zwei Monate zuvor in der Haft gestorben war. Bei den Durchsuchungen im März wurden die Tibeter gewarnt, daß jeder, der im Besitz von Fotos des Dalai Lama erwischt wird, mit ähnlichen Strafen rechnen müsse wie der Besitzer von Gewehren und illegalen Waffen. Quellen berichteten, daß die Dorfbewohner gezwungen wurden, ein Schreiben zu unterzeichnen, in dem sie erklärten, daß sie keine Fotos des Dalai Lama aufbewahren würden und daß ein Verstoß gegen diese Anordnung mit dem Entzug der staatlichen „Armutsbekämpfungsbeihilfe“ geahndet würde. Die Behörden ordneten unter dem Vorwand der persönlichen Sicherheit auch die obligatorische Installation von Software in den Mobiltelefonen aller Bewohner an. Später merkten die Tibeter jedoch, daß die Software zur Überwachung ihrer Online-Aktivitäten und zu ihrer Lokalisierung eingesetzt wurde, wenn ihre Telefone nicht mit dem Internet verbunden waren.