10. Dezember 2009
Radio Free Asia, www.rfa.org

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Gespannte Lage in Kardze in Osttibet - China entsendet paramilitärische Truppen - Hunderte von Festnahmen

Den Tibetern, die sich der Protestaktion in der Region Kardze in der Provinz Sichuan anschließen wollten, stellten sich die Sicherheitskräfte in den Weg und drohten, mit Gewalt gegen sie vorzugehen, falls sie nicht sofort von der Stelle wichen.

„Die Behörden haben ein riesiges Kontingent an bewaffneten Sicherheitskräften entsandt, die den Tibetern, die sich in Richtung des Zentrums des Kreises Nyagchuka (chin. Yajian) bewegen, den Weg versperren“, verlautet aus dem Nachbarbezirk Lithang.

Häuser in Kardze, Bild von RFA

Der Bezirk Lithang, der hauptsächlich von Nomaden bewohnt wird, war schon in der Vergangenheit ein Fokus von Protesten gegen die chinesische Herrschaft. Die Tibeter, die Quellen zufolge aus Lithang und anderen nahegelegenen Gegenden kamen, wollten die Freilassung von Tenzin Deleg Rinpoche erwirken, einem sehr populären tibetischen geistlichen Führer, der wegen der ihm in die Schuhe geschobenen Rolle bei einer Reihe von Bombenanschlägen 2002 eine lebenslange Haftstrafe verbüßt.

„Tibeter, die sich aus diversen Teilen der Region zu den anderen in Nyagchuka versammelten gesellten, wurden über Lautsprecher aufgefordert, bis 15 Uhr am 10. Dezember nach Hause zu gehen. Andernfalls würde Gewalt gegen sie eingesetzt“, fügte die Quelle hinzu.

„Gegenwärtig darf niemand mehr nach Nyagchuka gehen. Um die 500 bis 600 Tibeter aus den benachbarten Kreisen Golok und Othok, die seit dem 5. Dezember, als die Proteste begannen, festgenommen wurden, werden von den chinesischen Streitkräften an einem Ort namens Yishing festgehalten“, fuhr die Quelle fort.

Eine andere Gruppe, die in die Provinzhauptstadt Chengdu gereist war, wo sie die Regierung bitten wollten, Tenzin Delek Rinpoche freizulassen, wurde festgenommen und von der Polizei nach Nyagchuka zurückgeschafft.

Die Bezirkspolizei von Nyagchuka und dortige Regierungsämter waren zu keiner Auskunft bereit, weder bestätigten sie die Geschehnisse, noch leugneten sie sie. Ein Beamter des Amtes für religiöse Angelegenheiten legte den Hörer auf, als er gefragt wurde, ob Tibeter vor dem Bezirkszentrum demonstrierten.

Ein in Indien lebender Tibeter mit Kontakten zu der Region sagte, in der gesamten Gegend von Nyagchuka herrsche Ausgangssperre, Läden und Geschäfte seien alle geschlossen worden. „Und die Touristen in den dortigen Hotels wurden unter Polizeigeleit zur Abreise gezwungen“, sagte er.

„Die Tibeter, die nach der Freilassung von Tenzin Delek Rinpoche rufen, leiden nun Nahrungs- und Trinkwassermangel. Einige Ortsansässige versuchen ihnen auszuhelfen“. „Ich hörte auch, daß die chinesischen Behörden die Feuerwehr mit Wassertanks schickten, um die Blutspuren, die Haare und die zerrissenen Kleider zu entfernen, die herumlagen, nachdem die Demonstranten verprügelt worden waren“, fuhr er fort.

Viele Tibeter sind nun auf der Straße nach Nyagchuka von chinesischen Sicherheitskräften umstellt. „Ältere Fünfzig- und Sechzigjährige sehnen sich so sehr nach Tenzin Deleg Rinpoche“, heißt es aus einer dortigen Quelle, die anonym bleiben möchte. „Sie drückten ihre Entschlossenheit aus, auf seiner Freilassung zu beharren“. „Sie argumentierten, daß es in Rinpoches Abwesenheit niemanden von seinem moralischen Ansehen gäbe, der die wachsende Zahl von Konflikten unter den Ortansässigen um Weideland und andere Belange lösen könnte. ‚Wie können die Sicherheitskräfte denn auf uns schießen, wo wir doch gar nicht gegen China sind, die Gesetze nicht übertreten und uns auch nicht in separatistischer Weise betätigt haben?’ fragen sie.“

Die bereits inhaftierten Tibeter sind in den Hungerstreik getreten, und Tausende könnten jetzt protestierend auf den Straßen sitzen, fuhr er fort.

„Der seit Dezember 2002 wegen angeblicher Bombenexplosionen inhaftierte Tenzin Delek Rinpoche wird von den Tibetern in Sichuan als eine Führungsgestalt verehrt“, kommentierte Robert Barnett, ein Tibetexperte der Columbia University. „Er half ihnen, sich gegen die Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen und ihrer Wälder zu wehren“, fügte er hinzu.