31. Oktober 2007
Radio Free Asia (RFA), www.rfa.org

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Chinesisches Gericht spricht tibetischen Nomaden wegen Protesten in Lithang für schuldig

Washington D.C. – Ein Gericht in der südwestchinesischen Provinz Sichuan hat einen tibetischen Nomaden, der am 6. August bei einem traditionellen Pferderennen in aller Öffentlichkeit die Rückkehr des Dalai Lama gefordert hatte, der Gefährdung der Staatssicherheit für schuldig befunden.

Wie der Tibetische Dienst von RFA aus Quellen in Lithang erfuhr, wurde Rongye Adrak am 29. Oktober in Dartsedo (chin. Kangding) vor Gericht gestellt. Der Volksgerichtshof der Autonomen Präfektur Ganzi erhob Klage gegen ihn wegen des Versuchs der „Spaltung" des Landes und der Gefährdung der Staatsmacht während einer öffentlichen Versammlung in Lithang am 1. August.

Rongye Adrak sagte dem Richter von der Anklagebank aus: „Als ich ‚Lang lebe der Dalai Lama!’ rief und die Freilassung der tibetischen politischen Gefangenen forderte, wurde ich festgenommen und anschließend formell verhaftet.

Der Hauptgrund für meine Tat war, daß es in Tibet niemanden gibt, der kein Vertrauen in den Dalai Lama hätte, der nicht loyal zu ihm stünde und seine Rückkehr nicht herbeisehnte. Im Widerspruch dazu verbreitet die chinesische Regierung Propagandalügen und behauptet, die Tibeter in Tibet hätten nicht mehr den Wunsch, ihn zu sehen und hätten den Glauben an ihn verloren. Doch das ist falsch, aber wir haben nicht die Freiheit, es zu sagen."

Der Richter erklärte Rongye Adrak, er habe „sehr schwere“ Verbrechen begangen:

„Du bist des Verbrechens der Gefährdung der Volksrepublik China schuldig. Der Dalai Lama, dem Du ein langes Leben gewünscht und dessen Rückkehr nach Tibet Du gefordert hast, ist jemand, der sich mit verschiedenen ausländischen Staatsleuten und Organisationen verschworen hat und auf vielfältige Weise versucht, unser Land zu spalten."

Rongye Adrak, der das im Exil lebende Oberhaupt der Tibeter zweimal in Nordindien getroffen hat, wo auch seine beiden Töchter zur Schule gehen, wurde ferner für die Massenproteste von über eintausend Nomaden aus Lithang verantwortlich gemacht, die seine Freilassung gefordert hatten. Weiter legte der Richter ihm „wirtschaftliche Verluste“ zur Last, die auf Grund seines öffentlichen Protests entstanden seien.

Der Richter fuhr fort: „Du hast ihn nicht nur zweimal in Indien getroffen, sondern hast nach Deiner Rückkehr hier in Lithang Proteste angezettelt. Das beweist, daß Du die Spaltung und Zerrüttung dieses Landes geplant hast.

Über eintausend tibetische Einwohner von Lithang haben sich zusammengerottet und Einlaß in Regierungsgebäude erzwungen. Diese Vorfälle hast Du ebenfalls zu verantworten. Du wirst die volle Härte des Gesetzes für diese Taten zu spüren bekommen."

Ein Beamter, der beim Volksgerichtshof Ganzi den Anruf des Tibetischen Dienstes von RFA entgegennahm, erklärte, die Anklage gegen Rongye Adrak sei rechtens: „Rongye Adrak wurde nach chinesischem Recht vor Gericht gestellt und keine der Anklagen wurde zu Unrecht  erhoben. Er wurde in Übereinstimmung mit den Gesetzen unseres Landes angeklagt."

Gemeinsam mit Rongye Adrak standen Adruk Gyatso und Chaktsa Lobsang vor Gericht.

Adruk Tseten, dem Neffen von Rongye Adrak, warf der Richter „Kontakte zu allen möglichen Medien in der ganzen Welt und Eingehen auf ihre Fragen" vor. Hierdurch habe er dem internationalen Ansehen Chinas geschadet.

Der Richter verkündete, der Urteilsspruch werde der Regierung von Lithang in sechs bis sieben Tagen bekanntgegeben werden.

Rongye Adrak, der zur Nomadensiedlung von Yonru gehört, wurde beim festlichen Pferderennen in Lithang verhaftet, nachdem er Peking aufgefordert hatte, dem Dalai Lama die Rückkehr in das von China besetzte Tibet zu gestatten.

Nomaden und Einwohner der Stadt sammelten sich in Lithang und forderten seine Freilassung. Sie schickten eine 200 Mann starke Abordnung zu Gesprächen mit den chinesischen Behörden, nachdem die Polizei gedroht hatte, einige der Demonstranten zu erschießen.

Tausende paramilitärischer Kräfte wurden auf die Proteste hin in die Region beordert. Unter der Bedingung, daß Rongye Adrak freigelassen werde, erklärten sich schließlich die Nomaden bereit, das Feld zu räumen.

China hat den Dalai Lama, der echte Autonomie für die Tibeter innerhalb der Volksrepublik China fordert, von der Zukunft Tibets ausgeschlossen und kürzlich eine großangelegte politische Kampagne in den tibetischen Regionen von Sichuan und unter den tibetischen Kadern in Tibet gestartet, um die Leute dazu zu bringen, sich von ihm zu distanzieren.

Originalbericht im Kham-Dialekt von Dawa Dolma und Lobsang Choephel des Tibetischen Dienstes von Radio Free Asia. Übersetzung von Karma Dorje. Direktor des Tibetischen Dienstes: Jigme Ngapo. Auf Englisch publiziert von Luisetta Mudie und Sarah Jackson-Han.