9. November 2005

Radio Free Asia, www.rfa.org

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China setzt vom Dalai Lama anerkannte Lamas auf die schwarze Liste

Washington – Die chinesischen Behörden in Tibet haben damit begonnen, Geistliche in Schlüsselstellungen, die ihrem im Exil lebenden spirituellen Oberhaupt, dem Dalai Lama nahestehen, auf die schwarze Liste zu setzen. Mit der Kampagne wurde am 26. Oktober in der tibetischen Präfektur Chamdo begonnen, und als erste Maßnahme wurde dem prominenten Lama Oser verboten, in seine Heimat zurückzukehren.

Lama Oser, der gegenwärtig in Südindien lebt, ist der Abt eines bedeutenden Klosters in Kham, das denselben Namen trägt und zum politischen und religiösen Herzland des Dalai Lama zählt. Außerdem steht er 22 kleineren Klöstern in der Präfektur Chamdo vor. "Lama Oser wurde vom Dalai Lama anerkannt, aber die chinesische Regierung will ihn nicht akzeptieren", berichtete ein Informant aus dem Distrikt Markham dem tibetischen Dienst von RFA. "Man verweigert ihm die Rückkehr nach Tibet, und niemand darf in Kontakt zu ihm treten".

Unterstützer des Dalai Lama unter Druck gesetzt

Angesichts dieses Geschehens ist ein neuer Angriff Pekings auf die Anhänger des Dalai Lama in dessen Heimat zu befürchten. Nach einem gescheiterten Aufstand gegen die chinesische Herrschaft ist der Dalai Lama 1959 aus Lhasa geflohen. Er führt zwar die tibetische Regierung-im-Exil in indischen Dharamsala, aber Peking schließt ihn von der Mitwirkung an der Gestaltung der Zukunft Tibets aus.

Fotos, Schriften und Videos des Dalai Lama, der von den Tibetern überall hoch verehrt wird, sind in Tibet verboten, und Personen, bei denen diese gefunden werden, müssen mit längeren Gefängnisstrafen rechnen. Der Dalai Lama hat den chinesischen Behörden "kulturellen Genozid" in der Himalayaregion vorgeworfen, und viele Tibeter klagen, da sie an der zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung nicht teilhaben, über ethnische Diskriminierung als Folge der Masseneinwanderung von Han-Chinesen.

Der Quelle aus Markham zufolge weigerten sich viele Leute aus dem Distrikt, an der Kampagne gegen Lama Oser und andere vom Dalai Lama anerkannte Lamas teilzunehmen. "Sämtliche Mönche aus dem Oser-Kloster im Distrikt Markham wurden dazu aufgefordert, aber keiner nahm an der Versammlung teil", berichtete er. "Als die Kader sie daraufhin direkt aus dem Kloster holen wollten, fanden sie dieses vollständig verlassen vor“. Lama Oser, der heute in Bylakuppe in Indien lebt, verfügt über eine beträchtliche Anhängerschaft in Tibet. In der Präfektur gibt es 536 tibetisch-buddhistische Klöster, von denen sich alleine 52 im Distrikt Markham befinden.

Lama Oser "enttäuscht und frustriert"

Vertreter des Büros für Religionsangelegenheiten bestätigten, daß eine solche Kampagne im Gange sei. "Wir suchten über 100 der Klöster auf, die in der Nähe der Hauptstraße der Präfektur Chamdo liegen und setzten die Mönche darüber in Kenntnis, daß alle diejenigen Lamas, die vom Dalai Lama anerkannt wurden, von der chinesischen Regierung nicht anerkannt werden", erklärte der Vorsitzende des Büros für Religionsangelegenheiten des Distrikts Markham, Rinchen Phuntsok, in einem Interview. Er fuhr fort: "Im gesamten Distrikt Markham wurde bekannt gegeben, daß Oser Rinpoche von der chinesischen Regierung nicht anerkannt wird und daher nicht berechtigt ist, nach Tibet zurückzukehren."

Oser Rinpoche ließ aus Bylakuppe, Südindien, verlauten, er wisse bereits Bescheid darüber. "Ich kann es einfach nicht fassen", sagte er. "Man hat mir erklärt, die Rückkehr sei mir nicht gestattet und niemand von dort dürfe mehr Kontakt mit mir aufnehmen. Die Chinesen anerkennen doch keine Lamas, es ist der Dalai Lama, der sie gemäß der buddhistischen Tradition anerkannt hat."

"Diese Vorgehensweise widerspricht eigentlich der offiziellen chinesischen Linie, der zufolge die Rückkehr der im Ausland lebenden Landsleute nach Tibet erwünscht ist und sogar begrüßt wird. Deshalb finde ich all dies so enttäuschend und frustrierend."

Hohes Mass an religiöser Unterdrückung

In dem am Dienstag veröffentlichten jährlichen Bericht des US-Außenministeriums zur religiösen Freiheit in aller Welt wird der Grad der religiösen Repression in Tibet als "hoch" bezeichnet.

"Buddhistische Würdenträger wie Gedhun Choekyi Nyima und Tulku Tenzin Delek werden immer noch festgehalten oder sind im Gefängnis, und die wichtigsten religiösen Persönlichkeiten des tibetischen Buddhismus wie der Dalai Lama und der Karmapa Lama leben weiterhin im Exil", heißt es darin. "Dutzende von Mönchen und Nonnen verbüßen Haftstrafen, weil sie sich der patriotischen Umerziehung widersetzt haben." … "Der Erhalt und die Förderung des einzigartigen religiösen, kulturellen und sprachlichen Erbes des tibetischen Volkes und der Schutz seiner fundamentalen Menschenrechte geben nach wie vor Anlaß zu großer Besorgnis."

In dem Bericht wird weiter ausgeführt, daß religiöse und ethnische Minderheiten in China, wie die Tibeter oder die moslemischen Uighuren im Nordwesten des Landes, nicht nur wegen ihres Glaubens diskriminiert werden, sondern auch auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu Ethnien, die eine andere Sprache sprechen und eine andere Kultur besitzen als die Han-Chinesen, die im allgemeinen wohlhabender sind als sie.