31. Juli 2008
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Ausplaudern von Staatsgeheimnissen: Peking ahndet jegliches Reden über Menschenrechte

Tenzin Norgay vom Tibetischen Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD) verfolgt die aus Tibet kommenden Berichte über Menschenrechtsverletzungen nun seit über sechs Jahren. Besonders zu schaffen machen ihm die unrealistischen Hoffnungen jener, die sie ihm übermitteln. „Jeder erwartet, daß sich die Dinge über Nacht änderten“. Der 30jährige Norgay ist einer der 12 Mitarbeiter des Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD) in Dharamsala, einer bescheidenen aber motivierten NGO, die sich der Überwachung der Menschenrechtslage in einem Land gewidmet hat, in dem wohl schärfere Kontrollen als irgendwo sonst auf Erden herrschen.

Tenzin Norgay

Meistens kommen die Informationen, die das Zentrum erhält, über eine Drittpartei, oftmals über Tibeter im Exil. In letzter Zeit jedoch schmolzen die Berichte, die früher das Büro überfluteten, infolge der extrem harten staatlichen Überwachungsmaßnahmen in Tibet auf einen Bruchteil zusammen.

Es ist schon ein Riesenproblem, überhaupt Menschenrechtsinformationen aus Tibet zu bekommen, doch das Personal des TCHD sieht sich einer noch größeren Herausforderung gegenüber, nämlich der, die erhaltenen Berichte zu verifizieren. „Sie könnten sich als ein bloßes Gerücht herausstellen, weshalb wir sehr behutsam vorgehen müssen, um herauszuschälen, was die wirkliche Lage ist“, sagte Norgay. Auf meine Frage, was sie tun, wenn sich eine Information, die sehr wichtig erscheint, nicht als echt erweisen sollte, antwortet er: „Wenn wir mit unseren Quellen die Geschichte nicht untermauern können, dann lassen wir sie fallen, es ist sehr problematisch“.

Die logistischen Schwierigkeiten sind eng mit den ethischen verbunden. Das Zentrum verfügt über eine Reihe von Bildern, die es nicht veröffentlichen kann, weil es nicht genügend erhärtende Informationen dazu hat. Doch selbst wenn die Mitarbeiter ein Bild als echt erklären können, entscheiden sie vielleicht doch, es nicht herauszugeben. „Wir alle wissen, daß derartige Bilder großes Unheil für die Urheber und Übermittler bedeuten können.“ Damit eine Geschichte oder ein Photo ernst genommen werden, müssen sie von Details wie Name, Alter und Ort begleitet werden. Und da ist der Haken. Durch derartige Angaben werden Menschen in Gefahr gebracht.

Gelegentlich gerät das Zentrum in Konflikt mit Reportern, die Namen und Tatsachen verlangen, um für ihre eigenen Geschichten verbürgen zu können. „Wir halten nichts von den Eil- und Spitzenmeldungen“, meinte Norgay. „Damit könnte die Menschenrechtsethik bis zu einem gewissen Grad überstrapaziert werden“.

Wie er erklärt, betrachtet „China die Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen an die Außenwelt nicht als eine edle Sache, sondern als Verrat von Staatsgeheimnissen. Die Behörden sehen in Personen, die so etwas tun, keine Menschenrechtsaktivisten oder Menschenrechtsverteidiger, sondern Kriminelle, die sie sogar als Terroristen brandmarken können. Das ist ein entsetzliches Problem für uns. Wir möchten nicht, daß jemand im Gefängnis landet.“ Die Mitarbeiter des Zentrums wissen genau, was das bedeutet. Zwei von ihnen, Dawa Tsering und Jampa Monlam, sind selbst ehemalige politische Gefangene, die vier bzw. fünf Jahre im Drapchi-Gefängnis in Lhasa eingesperrt waren - einem Ort, der gleichbedeutend mit Folter ist.

So sorgfältig sie auch sein mögen, es ist unvermeidlich, daß gelegentlich die eine oder andere ihrer Quellen in Tibet von den chinesischen Sicherheitskräften entdeckt wird, die eine umfassende Kontrolle über persönliche Kommunikationskanäle wie Telefon und Email ausüben. Norgay wird ganz leise, als er auf meine Frage antwortet, wie sein Büro mit so etwas umgeht. „Wann immer Personen festgenommen und ins Gefängnis geworfen werden, weil sie den Mut aufbrachten, der Außenwelt die Wahrheit über Tibet mitzuteilen, dann empfinden wir es als einen schweren Verlust“.

Aber zuweilen bestehen die Informanten sogar darauf, daß das Zentrum das veröffentlicht, was sie ihm mitgeteilt haben. „Sie sagen dann, und das ist wirklich tapfer von ihnen: ‚Macht euch keine Sorgen um uns, wir sind bereit uns zu opfern’. Wenn sie so etwas mit solchem Enthusiasmus und so starkem Willen sagen, dann fragen wir noch einmal zurück: ‚Wollt ihr wirklich, daß wir es veröffentlichen?’ Und wenn sie dann ‚Ja’ sagen, bleibt uns nichts anderes übrig als es zu tun. Sie sind sich des Risikos, das sie damit eingehen, voll bewußt“.

Ich vermute, daß Norgay sein Mobiltelefon ständig in Betrieb hat. „24 Stunden am Tag, Jeder kann mich aufwecken, zu jeder beliebigen Zeit“, sagt er und lächelt zum ersten Mal während unseres Gesprächs.

Rebecca Novick ist eine derzeit in Dharamsala lebende Journalistin, die Programme für den Radiosender „Tibet Connection“ herstellt. Quelle: The Huffington Post (nicht-autorisierte Übersetzung).