6. Dezember 2008
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81jähriger Tibeter zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt

Die internationale Gemeinschaft sollte Protest erheben gegen die Inhaftierung und geheime Verurteilung von Paljor Norbu, einem 81jährigen tibetischen Buchdrucker, der das traditionelle Blockdruck-Handwerk ausübte, einen sofortigen Straferlaß und seine bedingungslose Freilassung fordern, erklärte Human Rights Watch (HRW).

HRW zufolge nahm die Polizei Norbu (dessen Namen auf Chinesisch mit Panjue Ruobu angegeben wird) am 31. Oktober 2008 in seiner Wohnung in Lhasa fest, weil er unter dem Verdacht stand, „verbotenes Material“, darunter auch die tibetische Nationalflagge, gedruckt zu haben. Während er in Untersuchungshaft saß, lehnten die Justizbehörden es ab, seine Verwandten darüber in Kenntnis zu setzen, daß er festgehalten wurde und welche Anklage gegen ihn erhoben würde. „Im November wurde ihm hinter verschlossenen Türen der Prozeß gemacht und er wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Erst dann wurde seine Familie mittels eines direkt übergebenen Schreibens von der Verurteilung in Kenntnis gesetzt. Sein Haftort ist immer noch unbekannt“.

„Alle Nachrichten über Tibet, die nicht ausdrücklich von der KPC abgesegnet wurden, werden als ‚verbotenes Material’ betrachtet“, sagte Sophie Richardson, Asien-Referentin bei HWR. „Niemand darf ins Gefängnis geworfen werden, nur weil er Flaggen, Bücher oder Bilder druckte, und eine Regierung die darin übermittelten Ideen unterdrücken möchte – eben deshalb ist die freie Meinungsäußerung ein grundlegendes Menschenrecht“.

Obwohl die Behörden keine Einzelheiten über das Urteil bekanntgaben, lassen die Art der anfänglich gegen Norbu vorgebrachten Beschuldigungen und die Härte des Urteils darauf schließen, daß er wegen „Aufhetzung zum Separatismus“ (Art. 103 des Strafgesetzes) vor Gericht gestellt wurde. Dieses nur vage definierte Delikt wird immer wieder herangezogen, um Tibeter zum Schweigen zu bringen, die sich den harten und oft ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung durch das chinesische Gesetz willkürlich auferlegten Beschränkungen widersetzen“, meinte Richardson.

Norbu, der einer altehrwürdigen Familie entstammt, in der seit Generationen buddhistische Texte für Klöster gedruckt und veröffentlicht werden, ist ein international bekannter Meister der Buchdruckerkunst. In seiner Werkstatt, die mehrere Dutzend Angestellte beschäftigte, arbeitete er sowohl mit modernen als auch traditionellen Blockdruck-Techniken. Außer den religiösen Texten wurden in der Werkstatt auch Gebetsfähnchen, Folklore-Artikel, allgemeine Bücher, Flugblätter und traditionelle Literatur gedruckt.

Nachdem sie ihn festgenommen hatte, ließ die Polizei das Geschäft schließen, brachte Vermerke über die behördliche Schließung an den Türen an und verbot den Angestellten die Rückkehr zu der Werkstatt. Die Polizei konfiszierte auch Bücher und hölzerne Druckstöcke aus dem Bestand des Geschäfts.

„Statt Paljor Norbu strafrechtlich zu verfolgen, sollte die chinesische Regierung seinen Beitrag zu der Erhaltung des historischen und kulturellen Erbes Tibets würdigen“, fuhr Richardson fort.

Human Rights Watch erläuterte, daß Norbu nicht einmal die Mindestrechte gewährt werden, die von der chinesischen Strafprozeßordnung vorgesehen sind. Diese Rechte wurden verletzt, weil seine Angehörigen nicht über seine formelle Verhaftung oder das Datum der Verhandlung informiert wurden, weil nicht bekannt gegeben wurde, wo er inhaftiert ist, weil ihm vor Gericht kein Verteidiger seiner Wahl beigestellt wurde, weil das vollständige Urteil nicht mitgeteilt wurde und weil die Familie ebenso wenig über seinen jetzigen Aufenthaltsort wie über die Haftanstalt, in der er seine Strafe verbüßen muß, in Kenntnis gesetzt wurde.

HRW erklärte, daß die Zahl der Verhaftungen und Verurteilungen wegen Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in den letzten Wochen erheblich angestiegen sei, was deutlich mache, daß das harte Vorgehen der chinesischen Behörden gegen die Tibeter nach den Protesten vom März 2008 auch Personen betrifft, die der Teilnahmen an jenen Demonstration nur verdächtigt werden. Andere Fälle sind:

- Jigme Gyatso (Laienname: Jigme Guri) ein höherrangiger Mönch des Klosters Labrang, der am 4. November erneut verhaftet wurde, nachdem er der Welt geschildert hatte, wie er von der Polizei während seiner Inhaftierung im März mißhandelt worden war, und der jetzt in Lanzhu (Provinz Gansu) in Gewahrsam gehalten wird.

- Norzin Wangmo (chin. Name: Longzen Wangmu), eine Angestellte bei der Justizbehörde des Bezirks Hongyan (tib. Kakhog, Provinz Sichuan), wurde am 3. November zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Verwandte im Ausland über das Geschehen in Tibet informiert hatte.

- Dhondup Wangchen wurde im März in Tong De (Provinz Qinghai) wegen seiner heimlichen Dokumentarfilmaufnahmen in tibetischen Siedlungsgebieten festgenommen. Er befindet sich derzeit im Haftzentrum Ershilipu in Xining.

„Die chinesische Regierung wird wahrscheinlich erklären, die gegen Paljor Norbu erhobenen Anklagen entsprächen „voll und ganz dem Gesetz“, fuhr Richardson fort. „Diese Gesetze schränken ja per definitionem die freie Rede ein, und solange die Regierung ihre Gesetze nicht in Übereinstimmung mit den internationalen Menschenrechtsnormen bringt, werden wir weiterhin zuschauen müssen, wie friedliche Regimekritiker wie Norbu wegen angeblichen ‚Separatismus’ hinter Gitter gebracht werden“.