22. September 2006
www.phayul.com
von Ngawang C. Drakmargyapon, Phayul Sonderkorrespondent

Seite drucken

Übersetzung aus dem Englischen

Diffamierungskampagne gegen den Dalai Lama bei der UNO zur Sprache gebracht

Genf, 21. September 2006: Heute nachmittag trat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zusammen und führte mit seinen Menschenrechtsexperten einen interaktiven Dialog über Fragen der Religions-, Meinungs- und Redefreiheit. Dabei brachten drei NGOs ihre Besorgnis über Chinas derzeitige Diffamierungskampagne gegen das Oberhaupt der Tibeter, den Dalai Lama, zum Ausdruck.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker, die Bewegung gegen Rassismus und für Freundschaft unter den Völkern (Movement against Racism and for Friendship Among People) und der Internationale Versöhnungsbund (International Fellowship of Reconciliation) erklärten: “Wir möchten die Sonderberichterstatterin (für Religions- und Glaubensfreiheit) über die allgemeine Intensivierung der patriotischen Umerziehungskampagne in den tibetischen Regionen des heutigen Chinas in Kenntnis setzen, bei der die Tibeter zur Verunglimpfung ihres geistlichen Oberhaupts, des Dalai Lama, gezwungen werden. Welche Ausmaße diese Diffamierungskampagne angenommen hat, zeigt die Aussage von Zhang Qingli, dem Chef der Kommunistischen Partei in der TAR, der den Dalai Lama kürzlich als einen ‚heuchlerischen religiösen Führer’ bezeichnete.”

In der Erklärung, die von Tenzin Kayla, dem Sekretär des Tibet-Büros in Genf, vorgetragen wurde, hieß es weiter: “Angesichts der anhaltenden und gravierenden Verletzungen der religiösen Freiheit in China und besonders in den tibetischen Regionen und in Xinjiang möchten wir folgende Frage stellen: “1994 besuchte der Vorgänger der jetzigen Sonderberichterstatterin die VR China. Erwägt sie einen Folgebesuch?” Derzeit ist Asma Jahangir aus Pakistan die Sonderberichterstatterin für die Religionsfreiheit.

Ihr Vorgänger, Abdelfattah Amor aus Tunesien, der 1994 Lhasa besuchte, stellte damals fest: “Dem Sonderberichterstatter fiel die ausgeprägte und tiefe Frömmigkeit der Tibeter auf, die in ihrem Ausmaß und ihrer Intensität bisher möglicherweise nicht ausreichend wahrgenommen wurde. Man sollte bei jeder Analyse der religiösen Situation in Tibet diesen Faktor unbedingt miteinbeziehen. Ferner wäre die tibetische Frage weniger akut, wenn es nicht noch eine zusätzliche Dimension gäbe, mit anderen Worten, wenn es sich dabei ausschließlich um den religiösen Aspekt handelte... Der Sonderberichterstatter vermutet, die tiefe Religiosität könnte nicht nur die Quelle für eine ausgeprägte Spiritualität sein, sondern auch reelle Probleme schaffen. Diese sollten mittels Dialog, Toleranz und Bildung gelöst werden. Jegliche Unterdrückung der Religion könnte zu verstärkter Religiosität oder sogar zu einer Form des Extremismus führen: Obwohl der Buddhismus im allgemeinen und dessen tibetische Ausprägung im besonderen von ausgesprochen gewaltloser Natur ist, könnten seine Werte durch die Veränderung der demographischen Zusammensetzung in Tibet ernstlich auf die Probe gestellt werden. Der Sonderberichterstatter empfiehlt, daß der im Hinblick auf eine soziale Dynamik erforderliche Gleichgewichtszustand herbeigeführt und ein Kompromiß geschlossen wird, damit die tief gläubigen Menschen nicht dem religiösen Extremismus verfallen.”

In ihrer Erklärung vom heutigen Nachmittag dankten die NGOs der Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit, daß sie sich zu dem Schicksal von Gedhun Choekyi Nyima, dem XI. Panchen Lama, geäußert und besorgt gezeigt hat “über die massive Einmischung des Staates in die Glaubensfreiheit der tibetischen Buddhisten, welche das Recht haben, ihre religiösen Würdenträger gemäß ihren eigenen Riten zu wählen, und die ihres religiösen Oberhaupts beraubt wurden”.

Chinas diplomatisches Kunststück

Interessant ist ferner, wie die chinesischen Delegierten heute morgen die Arbeit des Menschenrechtsrats behinderten, indem sie einen Geschäftsordnungstrick benutzten. “China forderte sechs Minuten Redezeit, verschwendete aber dabei fast eine Stunde der kostbaren Zeit des Rates”, bemerkte ein Teilnehmer der Versammlung. Gegen Ende des interaktiven Dialogs mit dem Sonderberichterstatter für Folter, der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierung und dem Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit der Justiz verlangte die chinesische Delegation sechs Minuten Redezeit, um ihr “Recht auf Erwiderung” wahrzunehmen. Für eine derartige Antwort gilt aber ein Zeitlimit von drei Minuten.

Ungeachtet der Appelle des Ratspräsidenten weigerte sich die chinesische Delegation, von ihrer Position abzurücken und forderte dann sogar eine Unterbrechung der Versammlung zwecks “Beratung”. Die Sitzung wurde nach 10 Minuten wiederaufgenommen, damit China seinen “Kommentar” abgeben und sein “Recht auf Erwiderung” wahrnehmen könne. Tatsächlich nahmen die Chinesen schließlich nur vier der verlangten sechs Minuten in Anspruch. Die kubanische Delegation unterstützte vehement Chinas Antrag zur Geschäftsordnung, während die anderen Delegierten kein Interesse an der Diskussion über diesen Gegenstand zeigten.

Der “Kommentar” und die “Erwiderung” der Chinesen galten dem von Manfred Nowak (Österreich) vorgelegen Bericht über seine Chinareise von 2005, sowie der Erklärung der NGO International Interfaith, in der es um die Behauptung ging, daß China Organentnahmen in großem Stil an Falun-Gong-Anhängern praktiziere.

Das also war “Chinas diplomatische Show” vor dem höchsten Menschenrechtsforum der Welt. Der Menschenrechtsrat war heute morgen in gereizter Stimmung. “Wir verstehen nicht, warum Regierungen wie die chinesische es darauf abgesehen haben, wichtige Menschenrechtsdiskussionen zu blockieren, obwohl sie dem Rat gegenüber konkrete Verpflichtungen eingegangen sind”, kommentierte ein anderer Beobachter der morgendlichen Debatte.