9. März 2006

International Campaign for Tibet
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Sechster jährlicher Länderbericht des US-Aussenministeriums zu China

Nichtautorisierte Übersetzung aus dem Englischen

Der sechste jährliche Länderbericht des US-Außenministeriums zur Lage der Menschenrechte bezichtigt China schwerer Menschenrechtsverletzungen in Tibet: Präsident Bush wird sich zu einem Spitzengespräch mit Präsident Hu Jintao in Washington treffen.

Washington – Das US-Außenministerium stellte gestern in seinem jährlichen Länderbericht zur Lage der Menschenrechte fest, Chinas Leistungen im Hinblick auf die Menschenrechte in Tibet „remained poor“ (d.h. sie ließen sehr zu wünschen übrig). Das Außenministerium erklärte, daß die religiöse Unterdrückung sehr stark sei, da die Regierung mit ihren Verdächtigungen gegen den Dalai Lama fortfahre und für sie häufig das Praktizieren des tibetischen Buddhismus der „Zustimmung zum Separatismus“ gleichkomme. Nach dem Bericht des Außenministeriums schlossen die „positiven Entwicklungen“ im vergangenen Jahr eine vierte Runde des Dialogs der chinesischen Regierung mit den Gesandten des Dalai Lama, den Besuch einer internationalen Delegation bei der aus dem Gefängnis entlassenen politischen Gefangenen Phuntsog Nyidrol und zum ersten Mal den Besuch des Sonderberichterstatters für Folter der UN in Tibet ein. Das Außenministerium hob hervor, daß die staatliche Kontrolle jeglicher Information es schwierig mache, das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in Tibet genau festzustellen.

„Da muß das Außenministerium wohl wirklich die letzten Ecken auskehren, um noch etwas zu finden und den Besuch bei einer aus der Haft entlassenen politischen Gefangenen und den Besuch des UN-Sonderberichterstatters für Folter in Anbetracht des in diesem Bericht ausführlich beschriebenen Ausmaßes der Menschenrechtsverletzungen als die positiven Schlüsselelemente hinzustellen“, erklärte Mary Beth Markey, die Geschäftsführerin der International Campaign for Tibet.

„Die Freiheitsbotschaft der Bush-Administration muß auf China und Tibet ausgedehnt werden, und wir erwarten von Präsident Bush, daß er bei seinem nächsten Treffen mit Präsident Hu Jintao im kommenden Monat in Washington die Menschenrechte auf die Tagesordnung setzt“.

Der Bericht des Außenministeriums, der den Vorstößen der Regierung im Laufe des Jahres folgt, stützt sich traditionellerweise auf Informationen der in den amerikanischen Botschaften Beschäftigten, aber auch von Nicht-Regierungsorganisationen. Wie in der Vergangenheit erstreckt sich der Bericht auf alle tibetischen Gebiete, die in der Volksrepublik China liegen, einschließlich der Autonomen Region Tibet (TAR) und den in die chinesischen Provinzen Qinghai, Yunnan, Gansu und Sichuan eingegliederten Siedlungsgebiete. Das Außenministerium weist ausdrücklich auf die Grenzen dieses Berichtes wegen der strikten Kontrolle von Informationen aus tibetischen Gebieten durch die chinesische Regierung und den eingeschränkten Zugang zu ihnen hin.

In dem Bericht heißt es, daß die chinesischen Behörden „weiterhin schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter, willkürlicher Festnahmen, Haft, Hausarrest und nicht vom Gericht angeordneter Überwachung von Dissidenten, Festhaltung ohne öffentliches Verfahren, Repression der religiösen Freiheit, sowie willkürlicher Einschränkung der Bewegungsfreiheit begingen“.

Der Bericht stellt fest, daß repressive soziale und politische Kontrollen weiterhin die grundlegenden Menschenrechte der Tibeter einschränken und drohen, Tibets einzigartiges kulturelles, religiöses und linguistisches Erbe auszulöschen. Die meisten der in diesem Bericht verwendeten Informationen stammen entweder aus Tibet oder mit Tibet in Verbindung stehenden Quellen, darunter von einer Menschenrechtsorganisation, einer Mailing-Liste aus Kanada, einer tibetischsprachigen Rundfunkstation, die alle bestätigen, daß der Informationszugang der im Konsulat von Chengdu in der Provinz Sichuan stationierten US-Diplomaten eingeschränkt ist. Der Bericht des Außenministeriums macht auch deutlich, daß China auf die wiederholten Anfragen zu spezifischen Mißständen nicht antwortet, wie zum Beispiel auf die Forderung nach einer Untersuchung des Todes von Nyima Dragpa, einem Mönch aus dem Kloster Nyatso in der Präfektur Kardze in Sichuan, der an den in der Haft durch wiederholte schwere Schläge erlittenen Verletzungen gestorben sein soll.

Zu den spezifischen in dem Bericht aufgelisteten Menschenrechtsverletzungen gehören:

* Ngawang Jangchub, ein 28 Jahre alter tibetischer Mönch, wurde nach einer heftigen Debatte mit dem Arbeitsteam über seine Weigerung, den Dalai Lama zu schmähen, in seiner Klosterzelle im Drepung Kloster bei Lhasa Anfang Oktober 2005 tot aufgefunden.

* Während des ganzen Jahres gingen die Behörden in Sichuan nicht auf die internationalen Forderungen nach der Aufklärung des Falles von Nyima Dragpa ein, einem Mönch aus dem Kloster Nyatso, der 2003 in der Haft starb.

* Der Rechtsschutz für festgenommene oder inhaftierte Tibeter war sowohl von der Anlage her wie in der Praxis unangemessen und die meisten Richter hatten wenig oder keine Prozeßerfahrung.

* Die Unterdrückung der Religion in den tibetischen Siedlungsgebieten blieb weiterhin stark ausgeprägt, und die Praxis der Regierung in Sachen Religionsfreiheit in diesem Jahr war armselig.

* Geistliche Führungspersönlichkeiten hatten beim Wiederaufbau der historischen Klöster mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, zum einen wegen des Geldmangels, andererseits wegen der allgemeinen Beschränkungen von Bildung und Ausbildung in den Klöstern und den fehlenden Genehmigungen zum Bau und Betrieb der religiösen Einrichtungen. Denn in einigen Gebieten waren die offiziellen Stellen davon überzeugt, daß solche Einrichtungen eine Belastung für Kommunen seien und eine Schiene, über die politische Infiltration aus der Exilgemeinschaft ins Land flösse. Die Regierung bestand also regelmäßig auf der Kontrolle über die Auffindung und die Ausbildung der reinkarnierten Lamas.

* Trotz der Anstrengungen der Regierung wurden viele der während der Kulturrevolution zerstörten Klöster nicht wieder aufgebaut oder restauriert und andere wiederum wurden nur teilweise wiederaufgebaut. Die Subventionierung der Bemühungen um Wiederaufbau durch die Regierung unterstützte offensichtlich die religiöse Praxis, förderte aber auch die Entwicklung des Tourismus in den tibetischen Siedlungsgebieten.

* Im September eröffneten chinesische Grenztruppen das Feuer auf eine Gruppe von 51 tibetischen Flüchtlingen, als diese versuchten, nach Nepal zu kommen. Über ihren Gesundheitszustand und ihren Aufenthaltsort ist nichts bekannt.

* Schnelles ökonomisches Wachstum, die expandierende Tourismusindustrie und das Aufkommen von modernen kulturellen Einflüssen haben die hergebrachten Lebensmuster und Bräuche in Frage gestellt und die traditionelle tibetische Kultur bedroht. Den Bewohnern wurde das Recht verwehrt, dabei eine Rolle zu spielen und ihr kulturelles Erbe zu schützen.

* Die Behörden in den tibetischen Siedlungsgebieten forderten von Professoren und Studenten der Hochschulen, daß sie politische Fortbildungskurse besuchten, und sie schränkten Lehre und Material in dem Bemühen ein, separatistische politische und religiöse Aktivitäten auf dem Hochschulgelände zu verhindern.

* Die tibetischsprachigen Sender von Voice of America (Stimme Amerikas), Radio Free Asia und Voice of Tibet (Stimme Tibets) hatten unter der Störung ihrer Frequenzen zu leiden.

Der Bericht des amerikanischen Außenministeriums steht zur Verfügung unter:
http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2005/61605.htm