20. Januar 2002

Ngawang Choephel aus gesundheitlichen Gründen entlassen

International Campaign for Tibet (ICT), Washington

Ngawang Choephel, ein tibetischer Musikethnologe, der im September 1995 in Shigatse, Tibet, verhaftet wurde, ist nach Verbüßung von über 6 Jahren seiner Haftstrafe von 18 Jahren von den chinesischen Behörden aus medizinischen Gründen auf Bewährung entlassen worden. Er war wegen Spionage beim Filmen traditioneller tibetischer Volkskunst angeklagt worden. Heute um 10.48 vormittags traf er in Detroit ein.

Der 36-jährige Exiltibeter studierte 1993 und 1994 als ein Fulbright Stipendiat am Middlebury College in Vermont. 1995 reiste Ngawang Choephel nach Tibet, um einen Dokumentarfilm über traditionelle darstellende Künste zu drehen. Im Verlauf dieser Arbeiten wurde er von der chinesischen Regierung festgenommen, weil er angeblich "separatistischen Aktivitäten" nachginge.

Tibet Unterstützungsgruppen, Menschenrechtsorganisationen, Parlamentarier und die Regierungen mehrerer Länder bemühten sich intensiv um Ngawang Choephels Freilassung. Als Antwort auf die wiederholten Anfragen der Vermont-Abgeordneten im US Kongreß wegen seines Zustandes teilte die chinesische Botschaft im Oktober 1999 mit, Ngawang Choephel leide an mehreren ernsten Erkrankungen.

"Die Kampagne für Ngawang Choephels Freilassung aus medizinischen Gründen kam heute zu einem erfolgreichen Abschluß, was eine deutliche Bestätigung für die Richtigkeit der weltweiten Bemühungen so vieler Personen und Organisationen ist, die sich für seine Freilassung einsetzten", meinte John Ackerly, der Präsident von International Campaign for Tibet.

Ngawang Choephel ist der erste prominente tibetische Gefangene, der vorzeitig entlassen wurde: Es gab zwar schon eine Reihe chinesischer politischer Gefangener, die aus medizinischen Gründen freigelassen wurden - meistens vor einem wichtigen diplomatischen Anlaß. Ngawang Choephels Entlassung erfolgte nicht ganz fünf Wochen vor dem Staatsbesuch von Präsident Bush in Peking am 21. und 22. Februar und in einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft vor der jährlichen Sitzung der UN Menschenrechtskommission in Genf vom 18. März an Chinas Menschenrechtspraktiken unter die Lupe nehmen wird.

Ngawang Choephel kam von einem amerikanischen Diplomaten begleitet mit Northwest Flight No. 88 aus Peking an; er wurde von einem Vertreter des State Departements begrüßt und dann den Mitarbeitern von International Campaign for Tibet übergeben, die nun für seine unmittelbaren Bedürfnisse und medizinische Betreuung sorgen werden. Das State Departement war von dem Büro des Sonderbeauftragten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama gebeten worden, die notwendige Vorsorge für die Ankunft von Ngawang Choephel zu treffen. Dieser erhielt die offizielle Erlaubnis zur Ausreise nach Indien über die USA und reist mit einem amerikanischen Touristenvisum.

"International Campaign for Tibet begrüßt die Entlassung Ngawang Choephels. Wir freuen uns besonders für seine Mutter Sonam Dekyi, die die Hoffnung nicht aufgab und unermüdlich für seine Freilassung arbeitete", fügte Ackerly hinzu.

"Aber wir möchten auch betonen: Obwohl Ngawang Choephel ein politischer Gefangener war, ist er keine politische Gestalt. Es gibt noch Hunderte tibetischer politischer Gefangener, darunter Chadrel Rinpoche, Ngawang Sangdrol, Tanak Jigme Sangpo und den Panchen Lama - einer der jüngsten politischen Gefangenen der Welt -, die von China wegen ihre Überzeugungen oder weil sie sich gewaltlos für die grundlegenden Freiheiten und Rechte der Tibeter eingesetzt haben, eingesperrt wurden", meinte Ackerly weiter.

"Wir sind ermutigt durch diese angemessene Entscheidung im Fall Ngawang Choephels, aber wir werden weiterhin an die Regierung der Volksrepublik China appellieren, daß sie in systematischer Weise echte strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der Menschenrechte in Tibet unternehmen soll", sagte Ackerly abschließend.