September 2005
Human Rights Update
September 2005
Inhalt



Version in pdf.

  1. Chinesische Grenzsoldaten schießen auf tibetische Flüchtlinge
  2. UN Komitee für die Rechte des Kindes fordert von China Zugang zu dem Panchen Lama
  3. In den Klöstern Tibets wird wieder die "patriotische Erziehung" eingeführt
  4. Zwei Tibeter in Nepal inhaftiert, Gefahr der Abschiebung
  5. Traum von Bildung im Exil, Abschiebung und erneute Flucht
  6. Spannungen wegen Weideland und Viehbestand in den tibetischen Gebieten
  7. Portrait eines politischen Gefangenen: Tibeter im Vorfeld zum 40-jährigen Bestehen der TAR verhaftet, Verbleib unbekannt

Teil 1

Chinesische Grenzsoldaten schießen auf tibetische Flüchtlinge

Chinesische Grenzschutztruppen eröffneten das Feuer auf eine Gruppe von 51 Tibetern, die nach Nepal fliehen wollten. Bis auf drei, denen es gelang, das Tibetan Refugee Reception Centre (TRRC) in Kathmandu zu erreichen, ist das Schicksal der übrigen unbekannt. Es wird befürchtet, daß sie von den bewaffneten Kräften festgenommen wurden.

Einer der Geflohenen, der anonym bleiben möchte, berichtete: "Wir starteten am 10. August 2005 von Lhasa und erreichten den Kreis Dingri am 26. August. Wir ruhten gerade ein wenig aus, und einige waren sogar eingeschlafen, als unser Guide plötzlich schrie, wir müßten sofort losrennen.

Etwa 30 Grenzsoldaten, unter ihnen auch einige tibetische, die von unserer Flucht erfahren hatten, umstellten uns von allen Seiten. Die Tibeter drohten, wir würden getötet, falls wir zu fliehen versuchten. In Panik rannten die Mitglieder unserer Gruppe in verschiedene Richtungen. Da begannen die Soldaten zu schießen und in dem entstehenden Chaos verloren wir einander aus den Augen. Drei von uns konnten dem Kugelhagel entkommen und schafften es zur Grenze nach Nepal. Dort sorgten Mitarbeiter des UN Hochkommissariats für Flüchtlinge für unsere sichere Weiterreise nach Kathmandu.

Die Mitglieder der Gruppe waren verschiedenen Alters und kamen aus unterschiedlichen Gegenden Tibets, wie Kardze, Drakyab, Chamdo, Derge. Auch zwei Nonnen, 13 Mönche und sechs Kinder waren dabei. Die Mehrzahl, 24 Personen, ist aus Kreis Driru in der Präfektur Nagchu der TAR. Einige sagten, sie hätten keine richtigen religiösen Unterweisungen erhalten, andere nannten die schlechten Bildungsmöglichkeiten und wieder andere gaben die miserablen Lebensbedingungen als Gründe an, warum sie fliehen wollten.

Teil 2

UN Komitee für die Rechte des Kindes fordert von China Zugang zu dem Panchen Lama

Bei der Verabschiedung der abschließenden Bemerkungen der 40. Sitzung rief das UN Komitee für die Rechte des Kindes (CRC) am 30. September China auf, endlich zu gestatten, daß ein unabhängiges Gremium den Fall Gedhun Choekyi Nyima, der 11. Panchen Lama Tibets, untersuche.

International Campaign for Tibet in Washington berichtete, das Komitee habe bei der Prüfung des zweiten periodischen Berichts Chinas Bedenken hinsichtlich des 16 Jahre alten Panchen Lama und der religiösen Ausbildung in Tibet geäußert. Es forderte, daß ein unabhängiges Gremium Zugang zu dem Jungen erhalte, um sich seines Status und Wohlergehens zu vergewissern. Der Leiter der chinesischen Delegation antwortete lediglich, das Ansuchen würde an eine vorgesetzte Stelle weitergeleitet werden.

Prof. Jacob Doek sagte in seiner Stellungnahme: "Ich begreife immer noch nicht, warum China so sehr zögert, unabhängige Personen zu dem Knaben zu lassen". Er nannte den Fall "eine dornige Angelegenheit, weil der Knabe gegen seinen Willen und den seiner Eltern weggebracht wurde". Die chinesische Delegation meinte nur, daß "zu viel an Einmischung zu viele Probleme schaffe", und wiederholte ihre stereotype Antwort, daß der Knabe und seine Eltern aus Sicherheitsgründen nicht gestört werden möchten. 2005 ist es 10 Jahre seit dem Verschwinden von Gedhun Choekyi Nyima und seiner Eltern, die am 17. Mai 1995 verschleppt wurden. Der Aufruf des Komitees erfolgt neun Jahre, nachdem das CRC zuletzt Chinas Bericht einer Prüfung unterzog, nämlich im Mai 1996. Der nächste Bericht Chinas an das Komitee für die Rechte des Kindes ist erst am 31. März 2009 fällig.

Teil 2

In den Klöstern Tibets wird wieder die "patriotische Erziehung" eingeführt

Die VR China hat, wie tibetische Mönche, die ins Exil flohen, berichten, wieder mit ihrer Kampagne der "patriotischen Erziehung" in den monastischen Institutionen Tibets begonnen. Sie wird noch drastischer als früher durchgeführt, vor allem in den Klöstern in und um Lhasa. Es habe als Folge dieser Kampagne eine ganze Reihe von Ausweisungen von Mönchen aus ihren Klöstern gegeben.

Wie drei junge Mönche, die im September aus Tibet flohen, erzählten, fand in ihrem Kloster Talung im Kreis Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, im Juni die "patriotische Erziehung" statt. Von den 120 Mönchen, die in dem Kloster lebten, waren nur 20 beim Amt für Religionsangelegenheiten gemeldet. Schon zuvor wurden fünf Broschüren politischen Inhalts an die Mönche verteilt, die sie anschließend durcharbeiten mußten; zwei weitere Druckschriften wurden im Juni 2005 ausgegeben. Es wurde ihnen angekündigt, daß im Juli Kader vom Religionsbüro des Landkreises zur Abhaltung von Prüfungen in ihr Kloster kommen würden. Dann müßten alle Mönche über 18 Jahre den Dalai Lama als "Separatisten" verurteilen und dem Mutterland China Loyalität schwören. Als sie von den Bedingungen hörten, die von den Behörden für eine offizielle Aufnahme in das Kloster gestellt werden, machte sich eine große Zahl von Mönchen noch vor der Ankunft der Kader aus dem Staub.

In einem anderen Fall suchten Kader des Amtes für religiöse Angelegenheiten im Juni 2005 das Nonnenkloster Gyabdak in dem Dorf Dzongshul im Kreis Phenpo Lhundrup heim. Sie hielten die "patriotische Erziehung" ab und verlangten, daß alle 50 Nonnen sich einzeln fotografieren ließen. Außer sechs, die dem Demokratischen Verwaltungsrat (DMC) angehören, weigerten sich alle anderen Nonnen dem Befehl Folge zu leisten. Daraufhin erklärten die Beamten ihre Registrierung im Kloster für ungültig und ordneten ihre sofortige Ausweisung an. Die Einzelphotos sollten angeblich zu Propagandazwecken gemacht werden. Die ausgestoßenen Nonnen seien nach Hause zurückgekehrt.

Anfang April 2005 begannen Kader vom Büro für Religionsangelegenheiten Lhasa mit einem dreimonatigen Kurs für "patriotische Umerziehung" in Sera, einem der drei größten Klöster Tibets. Den Mönchen wurden sechs Broschüren mit den Titeln "Handbuch zur Zermalmung der Separatisten", "Handbuch über zeitgenössische Politik", " " Handbuch über Religionspolitik", " Handbuch über Recht und Gesetz", " Handbuch über Ethik für das Volk", " Handbuch über die Geschichte Tibets" zum Studium gegeben. Die Kader setzten vier Schulungen pro Woche an und stellten den Mönchen nach dem Zufallsprinzip Fragen zu den Texten. Zum Abschluß der auf drei Monate angesetzten Kampagne wurde im Juli eine Prüfung abgehalten, um die Mönche zu testen, inwieweit sie dem Staat gegenüber loyal sind. Wie es heißt, hätten 18 Mönche das Kloster verlassen müssen, von denen acht sogar im Haftzentrum des Public Security Bureau festgehalten wurden.

Bei einem anderen Zwischenfall, der noch der Bestätigung bedarf, "patriotischen Erziehung" 13 Nonnen aus dem Kloster Shugseb, das in den Außenbezirken der Stadt Lhasa liegt, ausgewiesen. Ein Mönch des Klosters Drepung, der kürzlich ins Exil floh, berichtete, daß die Kampagne in seinem Kloster in der ersten Oktoberwoche begonnen habe.

Am 31. Oktober 2004 sagte Lobsang Gyurmey, der Vorsitzende des Komitees für patriotische Erziehung in Lhasa, als er einen einwöchigen Workshop für die mit der "patriotischen Umerziehung" beauftragten Kader eröffnete: "Die patriotische Erziehung muß in den Klöstern intensiv durchgeführt werden, um spalterische Aktivitäten zu unterbinden. Es müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um der Infiltration von Literatur separatistischer Gruppen aus dem Exil ein Ende zu setzen" (er bezieht sich dabei auf Dharamsala, den heutigen Sitz des Dalai Lama).

Die Kampagne "patriotische Erziehung", die zuerst 1996 gestartet wurde, ist eine der Hauptursachen für die religiöse Unterdrückung in Tibet. Die Kampagne hat verheerende Auswirkungen auf das Leben der Geistlichen und der Mönchsgemeinschaft. Sie wird als Werkzeug zur Erreichung politischer Stabilität benutzt und zur Ausübung einer verschärften Kontrolle über das, was die Behörden die "Brutstätte von Dissens" nennen, womit sie die monastischen Institutionen meinen. Diese Kampagne, die unter Anwendung von Zwang durchgeführt wird und den Zweck verfolgt, den Mönchen und Nonnen Loyalität zum Staat einzutrichtern, verstößt gegen zahlreiche internationale Menschenrechtsbestimmungen über Religion.

Die monastischen Gemeinschaften befinden sich in einer äußert schwierigen Position und in einem wirklichen Dilemma: Entweder leisten sie der Partei Folge, wobei sie sich der religiösen Blasphemie schuldig machen, oder sie kehren sich heimlich oder gezwungenermaßen vom monastischen Leben ab. Die Exekutiv-Kommission des US Kongresses zu China kommt in ihrem Jahresbericht 2005, der am 11. Oktober veröffentlicht wurde, zum Schluß, daß "im vergangenen Jahr keine Verbesserung bei den Menschenrechten eingetreten ist, die Einschränkungen für Bürger, die staatlich kontrollierte Andachtsstätten aufsuchen oder für staatlich-kontrollierte Medien schreiben, jedoch schärfer geworden sind… Das religiöse Umfeld für tibetische Buddhisten hat sich nicht verbessert. Die Partei verlangt, daß tibetische Buddhisten sich China gegenüber patriotisch zeigen und sich vom spirituellen Oberhaupt ihrer Religion, dem Dalai Lama, abkehren".

Trotz heftiger Kritik seitens der internationalen Gemeinschaft wird die Kampagne "patriotische Erziehung" und damit die religiöse Unterdrückung in Tibet unvermindert fortgesetzt. Das TCHRD hat die Ausweisung von 11.383 Mönchen und Nonnen von Januar 1996 bis August 2004 dokumentiert. Eine Liste findet sich auf Seite 57-64 des Reports "Strike Hard" http://www.tchrd.org/publications/topical_reports/strike_hard-2004/strike_hard-2004.pdf.

Teil 3

Zwei Tibeter in Nepal inhaftiert, Gefahr der Abschiebung

Der 18-jährige tibetische Flüchtling Sonam Tsering wurde Anfang Oktober von der nepalesischen Polizei in Kathmandu festgenommen und im Dilli Bazaar Gefängnis inhaftiert. Im Augenblick ist es nicht möglich, seinen Heimatort in Tibet genau zu bestimmen, man nimmt jedoch an, daß er aus der TAP Golog (chin. Guoluo), Provinz Qinghai, kommt.

Sonam ist im Besitz eines Reisedokuments (Tong Xin Zhang), das ihn nur berechtigt, bis zur Grenze zu reisen. Um den 7. Oktober herum traf er nachts in Kathmandu ein und begab sich direkt in den Stadtteil Swayambhunath, wo er von der Polizei verhaftet wurde. Am 9. Oktober wurde er der Einwanderungsbehörde des Innenministeriums überstellt. Diese belegte ihn mit einer Geldstrafe von 27.000 NRs. (ungefähr 375 US$). Da Sonam den Betrag nicht bezahlen konnte, wurde er zu drei Jahren im Dilli Bazaar Jail in Kathmandu verurteilt.

In einem ähnlichen Fall wurde Norbu Tsering, der aus dem Exil nach Tibet zurückkehren wollte, am 24. September an der Grenze von Nepal zu Tibet festgenommen. Er war auf dem Weg zu seinem Heimatdorf im Kreis Kyirong, Präfektur Shigatse. Nach seiner Überstellung an die Einwanderungsbehörde am 28. September erhielt er ebenfalls eine Geldstrafe von NRs. 28.651, und da er sie nicht zahlen konnte, wurde er zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Sowohl Sonam Tsering als auch Norbu Tsering befinden sich derzeit im Dilli Bazaar Gefängnis. Die Vertretung des UN Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Kathmandu wurde bereits in Kenntnis gesetzt. Wegen des mehrtägigen Dasain-Festes, das gerade in Nepal gefeiert wird, konnte aber noch keine Klarheit über den Status der Inhaftierten oder Hoffnung auf eine Freilassung gewonnen werden.

Am 31. Mai 2003 schickte Nepal unter dem Druck der chinesischen Botschaft 18 tibetische Flüchtlinge zurück, obwohl es zahlreicher Appelle aus der ganzen Welt gegeben hatte. Das TCHRD hat starke Befürchtungen, daß diesen zwei Tibetern ein ähnliches Schicksal drohen könnte. Es ruft die internationale Gemeinschaft auf, sich für ihre Freilassung einzusetzen.

Teil 4

Traum von Bildung im Exil, Abschiebung und erneute Flucht

Rinchen Dondhup, ein junger Mann aus der Gruppe von 18 Tibetern, die am 31. Mai 2003 an die Chinesen ausgeliefert wurden, erreichte nach zwei mißglückten Fluchtversuchen letztendlich Dharamsala. Als er zusammen mit den anderen im Mai 2003 von den nepalesischen Behörden nach Tibet zurückgeschickt wurde, ging es ihm sehr schlecht. Er brach im Gefängnis in Tibet gesundheitlich zusammen und mußte operiert werden. Zwei Jahre später unternahm er einen weiteren Versuch, ins Exil zu fliehen, und traf kürzlich wohlbehalten im Flüchtlingsauffanglager (TRRC) in Dharamsala ein.

Das TCHRD sprach mit ihm, um etwas über das Geschehen nach der Abschiebung zu erfahren. Rinchen berichtet: "Ich bin 17 Jahre alt und komme aus dem Dorf Gungthang, Gemeinde Karong, Kreis Kardze, TAP Kardze, Sichuan. Bis zu meinem 12. Lebensjahr ging ich zur örtlichen Grundschule, mußte sie aber schließlich wegen der finanziellen Notlage meiner Familie abbrechen. Danach half ich meinen Eltern bei der Arbeit auf den Feldern und im Haushalt".

Umzug nach Lhasa auf der Suche nach einer besseren Existenzmöglichkeit: Weil es in unserem Dorf einfach keine Erwerbsmöglichkeiten gab, beschlossen meine Eltern nach Lhasa zu ziehen und dort ein kleines Geschäft zu eröffnen, um die Familie zu ernähren. Sie wünschten so sehr, daß ich und mein jüngerer Bruder unsere Schulbildung fortsetzten, und sie versuchten alles, um uns in einer ordentlichen Schule unterzubringen. Sie konnten jedoch keine gute Schule finden, die für unsere Familie erschwinglich gewesen wäre. Schließlich entschieden sie, uns auf eine tibetische Schule nach Indien zu schicken, wo wir eine wirklich gute Ausbildung erhalten würden. Im August 2002 machte ich mich also mit meinem Bruder in einer Gruppe von 20 Tibetern zur Reise ins Exil auf. Wir durchquerten den Landkreis Shigatse, aber noch ehe wir den Kreis Lhatse erreichten, wurden wir von dem dortigen Public Security Bureau (PSB) festgenommen und einen Monat in Gewahrsam gehalten. Unsere Eltern kamen nach Shigatse und lösten uns durch Zahlung von 3.000 Yuan für jeden von uns aus".

Zweiter Fluchtversuch: "Wir kehrten nach Lhasa zurück. Im März 2003 wagten meine Eltern ein zweites Mal, uns nach Indien zu schicken, wobei sie einem Guide 3.000 Yuan für jeden von uns gaben, damit er uns über die Grenze bringe. In unserer Gruppe waren 28 Personen. Als wir die Grenze überquert und den Distrikt Solokhumbu in Nepal erreichten, erkrankte ein Mönch aus der Gruppe und konnte nicht mehr weitergehen. Seine Gefährten blieben bei ihm, und die übrige Gruppe setzte ihre Reise fort. Einige von uns litten nach Überquerung des Hochgebirges an Schneeblindheit und blieben zur Behandlung in einer kleinen, von Westlern geführten Krankenstation zurück. Die restlichen zwanzig Personen setzten ihren Marsch in Richtung Kathmandu fort."

Verhaftung in Nepal und Abschiebung: "Als wir Thangkot am Rande des Kathmandu-Tales erreichten, hatten wir das große Pech, von der nepalesischen Polizei festgenommen zu werden. Außer zwei Sechsjährigen, die ins TRRC nach Kathmandu kamen, wurden die übrigen 18 Personen, im Alter von 15 bis 50 Jahren, im Dilli Bazaar Gefängnis festgesetzt. Nach annähernd zwei Monaten Haftzeit beschloß die Einwanderungsbehörde uns gegen Zahlung von 37 $ pro Person freizulassen. Am 30. Mai 2003 suchten uns Mitarbeiter des TRRC im Gefängnis auf. Im übrigen kam auch ein Chinese von der chinesischen Botschaft zusammen mit ein paar nepalesischen Sicherheitsoffizieren ins Gefängnis, um sich unserer anzunehmen. Auf unseren heftigen Protest hin zogen sie sich allerdings zurück. Am Abend um 17 Uhr wurden wir in das Hanuman Dhoka Gefängnis in Kathmandu gebracht.

Am 31. Mai um 5 Uhr früh holten uns Angehörige der chinesischen Botschaft zusammen mit 20 nepalesischen Polizisten gewaltsam aus dem Gefängnis und zwängten uns in einen Polizeibus. Wir wurden in den Grenzort Dram gefahren und dort den chinesischen Grenzsicherheitsbeamten übergeben. Nach ein paar Tagen im dortigen Gewahrsam kamen wir in das Haftzentrum von Shigatse."

Krankenhausaufenthalt in Tibet: "Bereits im Gefängnis in Nepal litt ich unter Durchfall und hohem Fieber, im Haftzentrum Shigatse ging es mit meiner Gesundheit noch weiter bergab. Schließlich wurde ich ins dortige Volkshospital eingeliefert. Mein Zustand wurde sehr ernst und mit Einwilligung meines Bruders wurde ich operiert. Fast zwei Monate lag ich im Krankenhaus, wonach ich ins Gefängnis zurückgebracht wurde. Die meisten Mitglieder der Gruppe waren inzwischen auf Kaution entlassen worden, doch mein Bruder war immer noch dort. Schließlich kam unser Onkel und kaufte uns durch Zahlung von 2.500 Yuan für jeden von uns los."

Nach seiner Freilassung unterzog sich Rinchen Dhondup weiterer Behandlung, bis seine Gesundheit wieder hergestellt war. Im September 2005 unternahm er seinen dritten Fluchtversuch und erreichte erfolgreich über Nepal das TRRC in Dharamsala in Indien. Rinchen ist glücklich, endlich im Exil sein zu können und möchte nun eine Schule der Tibetischen Regierung-im-Exil besuchen.

Teil 5

Spannungen wegen Weideland und Viehbestand in den tibetischen Gebieten

Die Entwicklungspolitik der chinesischen Regierung wirkt sich in Tibet verheerend auf das Leben einheimischer Bauern und Nomaden aus. Als die größte Errungenschaft der Revolution wird von den Chinesen gepriesen, daß der breiten Masse des Volkes ein Grundauskommen ermöglicht wurde, doch die auf dem Lande lebenden Tibeter müssen weiterhin jeden Tag einen harten Existenzkampf bestehen. Die Landreformpolitik, sowie weitere entwicklungspolitische Maßnahmen auf tibetischem Gebiet resultierten in der kompletten Marginalisierung der Tibeter, die nun ein armseliges Leben führen. Auch kam es zwischen der einheimischen Bevölkerung, den Behörden und ethnischen Chinesen zu Spannungen.

Zwei Neuankömmlinge aus Tibet (Gemeinde Dharmar, Landkreis Sershul, TAP Kardze), die anonym bleiben möchten, erzählten, tibetische Einwohner seien von den Kreisbehörden geschlagen worden, als sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts an einem verbotenen Ort chinesische Raupenpilze (cordyceps sinensis) pflückten. "Die Behörden zäunten ein riesiges Graslandareal ein, das von jeher die Lebensgrundlage der Tibeter dieser Gegend bildete. Die Nomaden weideten ihre Tiere auf diesem Grasland und die örtlichen Bewohner suchten dort nach Yartsa Gunbhu, das ihnen auf dem Markt einen guten Preis einbringt. Jahrzehntelang bestritten die dortigen Familien ihren Lebensunterhalt auf diese Weise.

Im März 2003 ließen die Behörden das Grasland einzäunen und verboten der Bevölkerung es zu betreten. Die Nomaden und andere Bewohner, die von diesem Weideland lebten, hatten nun keine Einkommensquelle mehr. Als die Behörden das Verbot nach einem Jahr immer noch nicht gelockert hatten, rissen etwa 2.000 Leute aus den Gemeinden Thenda, Deshung und Dharmar den Zaun nieder und fingen an, Yartsa Gunbhu zu sammeln. Als die Behörden davon erfuhren, kamen 11 Polizeifahrzeuge zu der Stelle.

Der Polizei gelang es zwar, die Leute zu beruhigen, aber sie konnten sie nicht davon abhalten, den Raupenpilz zu pflücken. In den folgenden Tagen wurden acht Tibeter festgenommen und in der örtlichen Niederlassung des Public Security Bureau vernommen. Während ihrer Haft wurden sie schwer geschlagen. Das Verbot wurde bis heute nicht aufgehoben."

Anfang Mai 2005 hatte ein Flüchtling dem TCHRD von einem Zwist unter Tibetern wegen des Pflückens des Heilpilzes im Kreis Dzatoe, TAP Yushu, Qinghai, berichtet. Bei einem Zusammenstoß am 20. Mai 2005 zwischen Bewohnern des Kreises Dzatoe und des Kreises Nangchen gab es zwei Tote und viele Verletzte.

Bei einem anderen Zwischenfall, der von Radio Free Asia am 8. September 2005 berichtet wurde, brannten Hunderte von Tibetern in der Gemeinde Manigango, TAP Kardze, einen Schlachthof nieder. Das von einem chinesischen Unternehmer und einem Beamten der Kreisverwaltung betriebene Schlachthaus hatte Druck auf die dort ansässigen Tibeter ausgeübt, ihre Tiere unter dem Marktpreis zum Schlachten abzugeben. Die Tibeter drangen in das Gebäude ein, befreiten alle Tiere und brannten es nieder. Die Polizei nahm im Zusammenhang mit dem Abbrennen des Schlachthofs 50 Personen zum Verhör fest. Fast alle, bis auf acht, sollen inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzt worden sein.

Teil 6

Portrait eines politischen Gefangenen: Tibeter im Vorfeld zum 40-jährigen Bestehen der TAR verhaftet, Verbleib unbekannt

Sonam Gyalpo, 40, Schneider von Beruf, wurde am 28. August 2005 vom chinesischen Geheimdienst (chin. ang jang jue) abgeführt. Seine Festnahme erfolgte nur wenige Tage vor den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet am 1. September.

Die Behörden haben die Überwachung von Tibetern mit einer Vergangenheit politischer Aktivität intensiviert und im Sommer 2005 die Hartdurchgreif-Kampagne erneuert, um all diejenigen, welche potentiell die Feiern stören könnten, festzusetzen.

Als Sonam und seine Frau Tsamchoe am Abend des 28. August 2005, nachdem sie ihren Laden geschlossen hatten, nach Hause zurückkehrten, wurden sie von 16 Geheimdienst-Agenten der TAR erwartet. Diese zwangen Sonam, ein Dokument zu unterschreiben. Als er den Grund erfragen wollte, antworten sie ihm, sie hätten von ihrer vorgesetzten Stelle den Befehl, ihn zu verhaften. Kurz danach wurde er von vier der Agenten abgeführt, während die übrigen 12 drei Stunden lang intensiv seine Behausung durchsuchten. Sie drehten jeden Gegenstand um, schütteten sogar Reis- und Mehlbehälter aus und zerschnitten die Butterlaibe. Sie fanden einiges "belastende Material", darunter vier Videos mit Belehrungen des Dalai Lama und Bilder von ihm, sowie ein paar Bücher und Druckschriften politischen Inhalts. Seit er von den Geheimdienstkräften abgeführt wurde, hat niemand mehr etwas über Sonam Gyalpos Verbleib gehört.

Vorgeschichte: Als Sonam Mönch im Kloster Drepung war, unternahm er am 27. September 1987 zusammen mit 20 anderen Mönchen eine friedliche Demonstration. Er wurde "konterrevolutionärer Aktivitäten" angeklagt und zu drei Jahren im Drapchi Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung am 20. September 1990 machte er eine Reise nach Indien. Am 23. Juli 1993 kamen Beamte des Public Security Bureau von Lhasa in seine Wohnung, nahmen ihn fest und brachten ihn in das Sitru Haftzentrum, wo er einige Tage festgehalten wurde. Danach verlegten sie ihn heimlich in das Haftzentrum Nyari in Shigatse, wo er weiter vernommen wurde. Nach sechs Monaten im Haftzentrum von Shigatse wurde er in das Sangyip Gefängnis (PSB Haftzentrum der TAR) in Lhasa überführt, wo er weitere sechs Monate eingesperrt war.